(D8) Bilder der Wunde / Die Wunde als Bild. Passionsimaginationen im vormodernen Christentum und in der bildenden Kunst der Moderne

Inhalt des Projektes sind Bilder, die das Erleiden physischer Gewalt präsentieren. Es geht (1.) um Bilder der christlichen Passionsfrömmigkeit seit dem Spätmittelalter. Hinsichtlich dieser Bildwerke ist Ziel des Projektes die Untersuchung ihrer Entstehungsgeschichte, die Präzisierung ihrer Funktionsweisen sowie die bildsprachliche Bestimmung dieser Darstellungen nach ihrem ikonographischen und Erfahrungsgehalt und nach ihrer ikonischen Struktur. Es geht (2.) um Kunstwerke der Moderne, in denen das Erleiden physischer Gewalt zum Thema und darüber hinaus zur Grundlage der Bildkonstitution wird. Ziel ist es, Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Veranlassungen für die Darstellung von Verletzung und der für die Kunst der Moderne signifikanten Selbstreflexivität der Kunst zu erschließen. Das Projekt wird (3.) von der These geleitet, dass zwischen Kunstwerken der Moderne und christlichen Bildern der Passionsfrömmigkeit bildkonzeptionelle Verwandtschaften zu beobachten sind: zum Beispiel die Verschränkung verschiedener Realitätsebenen, der Umschlag von Repräsentation in Präsenz, die Thematisierung des Bildes im Bild und der Relation zwischen Bild und Betrachter.

Die seit der Schwelle zum 19. Jahrhundert zunehmende Drastik von Gewaltdarstellungen in der Malerei ist auf Maßgaben realistischer Genauigkeit zurückzuführen, aber auch auf das Streben nach gesteigerter Expressivität und auf eine ins Wanken geratene Bildordnung. Die Darstellung von Vehemenz und Ohnmacht im Bild lässt in signifikanten Fällen ikonographische und auch bildkompositorische Bezüge zu Motiven christlicher Passionsimagination erkennen.

Die Ausübung und das Erleiden von physischer Gewalt sind in Bildwerken des 20./21. Jahrhunderts nicht nur Gegenstand der Darstellung, sondern werden auch zum Konstitutiv bildnerischer Prozesse. Neben der gesteigerten Expressivität des freien Malgestus ist hier die Unmittelbarkeit des Ausdrucks von zentraler Bedeutung. Der Künstler traktiert die Leinwand gewaltsam; insofern die spontane Geste dem Blick des Betrachters schutzlos preisgegeben ist, erleidet der Künstler zugleich diese Gewalt. Für eine solche künstlerische Selbstbeschreibung bietet die Christusfigur – in Anlehnung wie Abweisung – immer noch eine wichtige Orientierungsmarke, die exemplarisch herausgearbeitet wurde.

Dieser christologische Hintergrund in Kunstwerken der Moderne gibt Anlass, den christologischen Fokus auch mittelalterlicher Passionsimaginationen erneut in den Blick zu nehmen. Deshalb wurden zentrale Typen des Christusbildes (vera icon, Portrait, Schmerzensmann) in systematisch-theologischer Hinsicht rekonstruiert.

Ausstellung „Deine Wunden“

Aus dem Forschungsprojekt geht 2014 die Ausstellung „Deine Wunden. Passionsimaginationen in christlicher Bildtradition und Bildkonzepte in der Kunst der Moderne“ hervor. Sie ist vom 25. April bis 31. August 2014 im Museum „Situation Kunst“ in Bochum zu sehen. Das Projekt des Exzellenzclusters organisiert die Ausstellung in Kooperation mit dem Kunstgeschichtlichen Institut der Ruhr-Universität Bochum.