17.7.2025
Der Tag beginnt mit dem Fertigstellen des gestrigen Blogs. Um 1:08 Uhr ist alles auf den Uni-Server hochgeladen, so dass Thomas etwas zum Posten hat. Dann geht es erst einmal in die Heia, um meinen Schönheitsschlaf zu machen. Morgen sollte ich vielleicht etwas früher aufstehen, um die letzten Kleinigkeiten noch zu verpacken.
Ein neues Gefühl! Mein Zimmerkumpan, Milan, schläft noch, als mein Wecker nach einer fast zu kurzen Nacht losgeht. Ich gehe zunächst duschen und suche dann meine Dinge im Dunklen zusammen. Ich hatte ja gestern bereits alles gut vorbereitet, so dass das im Prinzip kein Problem ist. Es ist halt nur ein komisches Gefühl beim Licht der Handytaschenlampe nach Allem Ausschau zu halten, weil man buchstäblich immer befürchtet, etwas zu übersehen. Meine Brille habe ich zumindest schon mal gefunden und auf der Nase. Das hilft schon mal! Vor dem Zimmer stopfe ich die letzten Utensilien in meine Rucksäcke. Als ich gerade die AWI-Tasche versiegle, kommt auch Milan aus dem Zimmer. Ich fürchte, ich war vielleicht doch nicht so leise, wie ich gedacht habe. Nico kommt auch schon ins Blaue Haus, um seine AWI-Tasche dort zu deponieren. Der Berg aus diesen Taschen wächst rapide an. Sie werden letztlich bis zur Verschiffung nach Bremerhaven auf dem Speicher des Blauen Hauses gelagert.
Ich nehme alle meine Habseligkeiten gleich mit zum Service-Gebäude, wo auch der Bus zum Flughafen steht. Jetzt muss nur noch das Gepäck gewogen werden, dann bin ich fertig. Aber zunächst brauchen wir ein ordentliches Frühstück. Ihr ahnt es schon? Ja genau, es gibt, passend zum heutigen Tag, Porridge. Nicht für mich! Brote mit Schinken und Käse! Jawoll! Und Kaffee! Jede Menge Kaffee! Bei der zweiten Tasse bin ich soweit wach, dass ich mich daran erinnere, dass ich gestern ja noch Wäsche gewaschen habe und diese noch im Trockenraum hängt. Gerade noch rechtzeitig, bevor es ans Wiegen geht, packe ich sie zuoberst in meinen Packsack. Ich hätte mich tierisch geärgert, hätte ich meine Outdoorhose und mein teures Jakob Wolfshaut Fleece vergessen. Die Waage bringt dann die Gewissheit, dass mein Gepäck viel zu schwer ist. Angeblich sind es 42,1 kg! Angeblich!
Das Wiegen passiert immer bevor das Flugzeug Langyearbyen am Morgen verlässt, sodass berechnet werden kann, wieviel Treibstoff benötigt wird. Und natürlich verdient sich KingsBay bzw. Lufttransport vermutlich eine goldene Nase mit dem Übergepäck. Aber so ist das eben. Billig ist es nie, eine Forschungsstation im hohen Norden zu unterhalten. Jedenfalls haben wir noch ausreichend Zeit für Kaffee und V-Menn Hefte bis zur Ankunft des Fliegers. Natürlich gibt es auch dieses Jahr wieder ein Bild von der letzten Tasse Kaffee. Ist ja schon eine Tradition! Und wahnsinnig spannend!
Langsam aber sicher füllt sich die Wartezone mit unseren Mitreisenden. Und natürlich schauen Alex, Auriane, Marek und Louis vorbei, um uns zu verabschieden. Das ist auch nochmal eine gute Gelegenheit dem ganzen Super-Team des AWIPEVS persönlich zu danken. Auriane war etwas unsicher ob wir trotz des schlechten Wetters und dem verspäteten Ankommen des LIDAR auch genügend Aufgaben erledigen konnten. Ich kann ihr versichern, dass wir solche Unwägbarkeiten natürlich schon kennen und uns darauf eingestellt haben. Für uns war es eine erstklassige Saison, nicht zuletzt aufgrund der fantastischen Unterstützung durch das AWIPEV-Team! Die Verabschiedung ist gewohnt herzlich, mit vielen Umarmungen und Versicherungen, dass wir nächstes Jahr wiederkommen werden. Ähnliche Gedanken haben auch Maarten und ich ausgetauscht, als wir uns kurz vor dem Wiegen vor dem Rabot-Gebäude über den Weg gelaufen sind.
Bis es uns bewusst ist, sitzen wir im Bus und fahren durch Ny Alesund hinaus zum Flughafen. Wenige Minuten später landet auch schon die Maschine aus Longyearbyen. Da wir ganz hinten im Bus sitzen, sind wir auch die Letzten, die das Flugzeug besteigen. Ich finde einen Sitz in der allerletzten Reihe, direkt vor dem aufgestapelten Gepäck. Eigentlich ist es ja egal, wo man sitzt. Weiter hinten hat man nur das Problem, dass die heißen Motorabgase die Fotos manchmal leicht unscharf werden lassen. Damit muss ich heute leider leben. Nächstes Jahr werde ich wieder fixer sein! Der Himmel ist heute eh überzogen mit Wolken und ich denke, wir werden nicht viel von der Landschaft zu sehen bekommen.
Falsch gedacht! Die Wolken sind tatsächlich so hoch, dass wir darunterbleiben und einen schönen Blick auf die Berge und Gletscher haben. Nur die Farben sind natürlich nicht so leuchtend als bei Sonne. Die Kamera läuft trotzdem natürlich wieder auf Hochtouren und ich kann ein paar halbwegs gute Bilder von der Corbel-Station und unserem Untersuchungsgebiet machen. Natürlich mache ich auch kontinuierlich Bilder entlang der Flugroute über den Sveabreen, wo sich immer wieder reizvolle Motive ergeben. Besonders faszinierend finde ich immer wieder die leuchtend blauen Schmelzwassertümpel auf den mit Spalten übersäten Gletschern. Und natürlich die tollen Gesteinsschichten, die man in den steilen Bergwänden beobachten kann. Und natürlich ist der Flug wieder viel zu schnell vorbei.
Das Ausladen des Flugzeugs ist in wenigen Minuten erledigt und noch schneller haben wir ein Taxi organisiert, das uns zu Mary Ann’s Polarrigg bringt, wo Mike, Nico und ich jeweils ein Einzelzimmer gebucht haben. Ernst und Andreas fliegen bereits heute Abend in Richtung Heimat ab. Da es erst ca. 11:00 Uhr ist, sind unsere Zimmer natürlich noch nicht fertig. Das stört uns auch nicht weiter, denn im Aufenthaltsraum erwarten uns bequeme Sofas und Kaffee und Tee. Ich arbeite an der Vervollständigung meines Feldbuchs. So muss ich z.B. die Bildnummern der Kamera notieren und kurze Beschreibungen machen, was man auf den entsprechenden Bildern sieht. Sonst würde man sich in ein paar Jahren zu Tode suchen, wenn man z.B. ein Foto des Kronebreen-Gletschers aus dem Jahr 2011 mit einem aus dem Jahr 2023 vergleichen will. Anschließend fotografiere ich jede Seite des Feldbuchs, so dass ich quasi einen manuellen Backup habe. Beim Lesen des Blogs ist Euch vielleicht aufgefallen, dass ich dieses Jahr bisher kein einziges Mal über meinen Kugelschreiber geschimpft habe. Das ist fundamental anders als letztes Jahr und liegt daran, dass ich mir für eine nicht unbescheidene Summe einen Fischer Space-Pen gekauft habe, der auch bei kalten Temperaturen noch einwandfrei schreibt. Schon toll, was man für Geld alles kaufen kann. Und nein, ich werde nicht von dieser Firma gesponsort!
Mittagessen findet heute in der Kroa-Bar statt. Ich beschränke mich auf eine halbe Schinkenpizza, weil ich nicht sonderlich hungrig bin. Ernst, Nico und ich enden im Supermarkt, den Svalbardbutikken. Ernst braucht Souvenirs und ich kaufe mir ein Messer. Mike und Andreas gehen getrennt von uns auf Souvenirjagd. Als wir drei schon lange wieder im Wohnzimmer von Marry Anne’s sitzen, kommen sie mit dicken Tüten an. Die Wirtschaft in Longyearbyen haben wir also pflichtgemäß unterstützt.
Nach einigen weiteren Büroarbeiten wird es langsam aber sicher Zeit, dass sich Ernst und Andreas auf dem Weg zum Flughafen machen. Ich werde sie begleiten, weil ich dann Gunhild und Christoph gleich direkt am Flughafen begrüßen kann. Der Flughafen ist überraschenderweise fast menschenleer und die zwei sind in einer Mikrosekunde eingecheckt. Die Verabschiedung dauert nicht wesentlich länger.
Wenig später sehe ich dann auch schon Gunhild und Christoph. Das Gepäck ist auch mitgekommen und ein Taxi bringt uns zügig zum „Svalbard Hotell The Vault“, wo ich den zweien ein Doppelzimmer reserviert habe. Da das Einchecken sehr schnell über die Bühne gebracht ist, kann ich mir noch kurz das Zimmer anschauen. Alles ist sehr modern und stylisch. Perfekt gemacht und auch gelungen. Nur für meinen Geschmack zu nichtssagend. Ein Hotel wo man morgens aufwacht und nicht sofort weiß, wo man eigentlich ist. Ich denke, ich bevorzuge den urwüchsigen Charme von Mary Anne’s. Aber das ist natürlich reine Geschmackssache.
Während sich die zwei Neuankömmlinge in ihrem neuen Zuhause einrichten, trinke ich noch eine Tasse Kaffee in der Lobby bevor wir gemeinsam in die Kroa-Bar gehen. Mike und Nico sind bereits dort und wir bestellen eine Runde Bier während wir auf Thomas warten. Er hat sich etwas verspätet aber umso schöner wird der Abend. Thomas ist einfach eine „coole Socke“ und wir unterhalten uns blendend über tausend und ein Thema. Es macht einfach unheimlich Spaß mit ihm zu reden und von seinen Erfahrungen z.B. während der Polarnacht zu erfahren. Wie er schildert, dass er sich bei starkem Wind mit großem Rucksack zu einer Hütte gekämpft hat und dann ein Feuer angemacht hat, um die Hütte warm zu kriegen, dann Eis geschmolzen hat und schließlich Essen gekocht hat, ist so lebendig, dass man meint, man war selbst dabei. Einfach authentisch! Und natürlich berichtet er auch von seiner Angst bei Dunkelheit einem Eisbären über den Weg zu laufen. Ich könnte ihm ewig zuhören. Aber leider schreiten Minuten- und Stundenzeiger schneller voran, als mir das lieb ist und irgendwann kommt dann der unvermeidliche Zeitpunkt des Abschieds.
In der Unterkunft angekommen, gibt es noch ein letztes Bier bevor wir uns in unsere Zimmer zurückziehen. Ich schreibe noch am Blog, denn es ist Zeit, die vergangenen Wochen Revue passieren zu lassen. Eines steht mit Sicherheit fest. Ohne die tatkräftige Unterstützung von Nico Schmedemann und Thomas Heyer, gäbe es hier nichts zu lesen. Danke für die viele Zeit und Mühen, die ihr in den Blog investiert habt!
Nun, zum Resümee. Zunächst zu den positiven Dingen. Das Team hat wieder seine Fähigkeit bewiesen, auch unter sub-optimalen Bedingungen gut zusammenzuarbeiten und auch Spaß dabei zu haben. Wer das Schnarchen in der Geopol-Hütte überlebt, qualifiziert sich automatisch als Astronaut für einen Marsflug. Nicht umsonst heißen wir „The Martians“.
Ein superdickes Lob geht an das gesamte AWIPEV-Team in Bremerhaven und natürlich in Ny Alesund. In allen Jahren hatten wir das große Glück und die große Freude mit erstklassigen, kompetenten und vor allem hoch motivierten AWIPEV-Teams arbeiten zu dürfen. Dafür ein ganz dickes Dankeschön! Die Art und Weise wie die einzelnen Teams Dinge regeln, mögen im Detail unterschiedlich sein. Das Ergebnis ist immer das Gleiche: Wir sind glücklich und dankbar uns auf solche Teams verlassen zu können, damit wir unsere Forschung überhaupt erst machen können. Aleks, Thomas, Wencelas, Auriane, Marek und Louis, ihr seid genial und eine unglaubliche Hilfe. Danke, danke, danke und tausend „hugs and kisses“!
Besonderes Lob soll dieses Jahr auch die Kantine erfahren, die uns spitzenmäßiges Essen serviert hat. Die Qualität erschien mir um vieles besser als in einigen der vergangenen Jahre gewesen zu sein. Ein untrügliches Zeichen für die Qualität ist sicher, dass ich zugenommen habe! Nur über den Porridge müssen wir noch einmal reden…
Nun zu den Dingen, die man einfach nicht ändern kann. Da ist dieses Jahr sicher das Wetter zu nennen, das mir rein subjektiv extremer vorgekommen ist, als in den vergangenen Jahren. Gerade diese Wetterkapriolen haben uns die Arbeit zumindest anfangs unnötig erschwert bzw. unmöglich gemacht. Zum anderen ist natürlich auch das viel zu spät angekommene LIDAR-Instrument hier zu erwähnen. Es war schon ein Trauerspiel wie sich United Airlines und Lufthansa hier mit „Ruhm“ bekleckert haben. Was ist an den selbstgewählten Worten „Star Alliance“ so schwer zu verstehen?
Und schließlich sollen hier auch Dinge erwähnt werden, die absolut nicht funktioniert haben. So hätten wir z.B. gerne eine große Befliegung mit dem Drachen auf Kvadehuksletta durchgeführt, nachdem wir in langer Arbeit weit über hundert Kontrollpunkte ausgelegt haben. Diese Befliegung ist buchstäblich „vom Winde“ verweht worden. Hinderlich für unsere Feldarbeit war die neue Regelung mit An- bzw. Abmeldung an der KingsBay Rezeption, wenn man längere Zeit im Gelände arbeiten will. Wir Wissenschaftler investieren nicht ganz unerhebliche finanzielle und zeitliche Mittel, um in Ny Alesund forschen zu können. Wenn dies aber durch starre Bürozeitenregelungen und letztlich unsinnige bürokratische Vorgänge verhindert wird, wird das ganze System ad absurdum geführt. Auch gebe ich zu bedenken, dass alleine aufgrund des Wetters oder der Eisbären, es nicht immer möglich ist, zeitgenau aus dem Gelände z.B. mit einem Boot abgeholt zu werden. Aus einer durch die neue Reglung künstlich geschaffenen Zwangslage heraus, könnten sich durchaus gefährliche Situationen ergeben. Es wäre meine Hoffnung, dass KingsBay daher diese Regelung nochmals überdenkt, bzw. so gestaltet, dass man sich mittels Internet-Webseite oder Email zu jeder Zeit an- und abmelden kann, anstatt persönlich während der limitierten Bürozeiten an der Rezeption erscheinen zu müssen. Alternativ sollte die An- und Abmeldung auch über den Station Leader erfolgen können.
Ich möchte den Blog natürlich nicht negativ enden lassen, weil es der guten Feldsaison nicht gerecht werden würde. Ich denke, dass ich für das gesamte SPLAM-Team spreche, wenn ich sage, dass mir die Zeit in Ny Alesund erneut viel zu schnell verging und ich jede Menge Spaß hatte und viele Dinge neu gelernt habe. Ganz abgesehen davon, haben wir große Datenmengen generiert, deren Auswertung und Interpretation uns bis zu unserer Rückkehr nächstes Jahr sicher but beschäftigen werden. So sinniert das Team bereits jetzt wieder über neue Pläne für 2026 nach. Eine Idee, die uns besonders gefällt sind zwei Aufenthalte in Ny Alesund! Zum einen wie gewohnt im Juni/Juli und zum anderen im September/Oktober, weil dann der Boden zu gefrieren beginnt, was sicher die Morphologie z.B. unserer Steinkreise beeinflussen würde.
Kurz, wir müssen nächstes Jahr wieder hierherkommen! Das wäre dann meine 16. Feldsaison!
Also, ran an das Schreiben des Projektantrags!
Nächstes Jahr geht es dann hoffentlich hier in alter Frische weiter. Ich hoffe ihr hatte Spaß mit dem Blog und würde mich über Kommentare freuen.
Fotos

Die berühmte letzte Tasse Kaffee in Ny Alesund. Nächstes Jahr geht es mit dieser Tradition weiter!© KOP 132 SPLAM Fast schon Kunst!© KOP 132 SPLAM Die Corbel-Station© KOP 132 SPLAM Der Midtre Lovenbreen-Gletscher© KOP 132 SPLAM Unser Untersuchungsgebiet mit den Erosionstrukturen© KOP 132 SPLAM Spalten und Seen© KOP 132 SPLAM Die Front des Wahlenberg-Gletschers© KOP 132 SPLAM Ohne Worte!© KOP 132 SPLAM Unverschämtheit!© KOP 132 SPLAM Nico und Andreas warten auf den Flug nach Ny Alesund© KOP 132 SPLAM Ankunft in Longyearbyen© KOP 132 SPLAM