17.7.2025

Der Tag beginnt mit dem Fertigstellen des gestrigen Blogs. Um 1:08 Uhr ist alles auf den Uni-Server hochgeladen, so dass Thomas etwas zum Posten hat. Dann geht es erst einmal in die Heia, um meinen Schönheitsschlaf zu machen. Morgen sollte ich vielleicht etwas früher aufstehen, um die letzten Kleinigkeiten noch zu verpacken.
Ein neues Gefühl! Mein Zimmerkumpan, Milan, schläft noch, als mein Wecker nach einer fast zu kurzen Nacht losgeht. Ich gehe zunächst duschen und suche dann meine Dinge im Dunklen zusammen. Ich hatte ja gestern bereits alles gut vorbereitet, so dass das im Prinzip kein Problem ist. Es ist halt nur ein komisches Gefühl beim Licht der Handytaschenlampe nach Allem Ausschau zu halten, weil man buchstäblich immer befürchtet, etwas zu übersehen. Meine Brille habe ich zumindest schon mal gefunden und auf der Nase. Das hilft schon mal! Vor dem Zimmer stopfe ich die letzten Utensilien in meine Rucksäcke. Als ich gerade die AWI-Tasche versiegle, kommt auch Milan aus dem Zimmer. Ich fürchte, ich war vielleicht doch nicht so leise, wie ich gedacht habe. Nico kommt auch schon ins Blaue Haus, um seine AWI-Tasche dort zu deponieren. Der Berg aus diesen Taschen wächst rapide an. Sie werden letztlich bis zur Verschiffung nach Bremerhaven auf dem Speicher des Blauen Hauses gelagert.
Ich nehme alle meine Habseligkeiten gleich mit zum Service-Gebäude, wo auch der Bus zum Flughafen steht. Jetzt muss nur noch das Gepäck gewogen werden, dann bin ich fertig. Aber zunächst brauchen wir ein ordentliches Frühstück. Ihr ahnt es schon? Ja genau, es gibt, passend zum heutigen Tag, Porridge. Nicht für mich! Brote mit Schinken und Käse! Jawoll! Und Kaffee! Jede Menge Kaffee! Bei der zweiten Tasse bin ich soweit wach, dass ich mich daran erinnere, dass ich gestern ja noch Wäsche gewaschen habe und diese noch im Trockenraum hängt. Gerade noch rechtzeitig, bevor es ans Wiegen geht, packe ich sie zuoberst in meinen Packsack. Ich hätte mich tierisch geärgert, hätte ich meine Outdoorhose und mein teures Jakob Wolfshaut Fleece vergessen. Die Waage bringt dann die Gewissheit, dass mein Gepäck viel zu schwer ist. Angeblich sind es 42,1 kg! Angeblich!
Das Wiegen passiert immer bevor das Flugzeug Langyearbyen am Morgen verlässt, sodass berechnet werden kann, wieviel Treibstoff benötigt wird. Und natürlich verdient sich KingsBay bzw. Lufttransport vermutlich eine goldene Nase mit dem Übergepäck. Aber so ist das eben. Billig ist es nie, eine Forschungsstation im hohen Norden zu unterhalten. Jedenfalls haben wir noch ausreichend Zeit für Kaffee und V-Menn Hefte bis zur Ankunft des Fliegers. Natürlich gibt es auch dieses Jahr wieder ein Bild von der letzten Tasse Kaffee. Ist ja schon eine Tradition! Und wahnsinnig spannend!
Langsam aber sicher füllt sich die Wartezone mit unseren Mitreisenden. Und natürlich schauen Alex, Auriane, Marek und Louis vorbei, um uns zu verabschieden. Das ist auch nochmal eine gute Gelegenheit dem ganzen Super-Team des AWIPEVS persönlich zu danken. Auriane war etwas unsicher ob wir trotz des schlechten Wetters und dem verspäteten Ankommen des LIDAR auch genügend Aufgaben erledigen konnten. Ich kann ihr versichern, dass wir solche Unwägbarkeiten natürlich schon kennen und uns darauf eingestellt haben. Für uns war es eine erstklassige Saison, nicht zuletzt aufgrund der fantastischen Unterstützung durch das AWIPEV-Team! Die Verabschiedung ist gewohnt herzlich, mit vielen Umarmungen und Versicherungen, dass wir nächstes Jahr wiederkommen werden. Ähnliche Gedanken haben auch Maarten und ich ausgetauscht, als wir uns kurz vor dem Wiegen vor dem Rabot-Gebäude über den Weg gelaufen sind.
Bis es uns bewusst ist, sitzen wir im Bus und fahren durch Ny Alesund hinaus zum Flughafen. Wenige Minuten später landet auch schon die Maschine aus Longyearbyen. Da wir ganz hinten im Bus sitzen, sind wir auch die Letzten, die das Flugzeug besteigen. Ich finde einen Sitz in der allerletzten Reihe, direkt vor dem aufgestapelten Gepäck. Eigentlich ist es ja egal, wo man sitzt. Weiter hinten hat man nur das Problem, dass die heißen Motorabgase die Fotos manchmal leicht unscharf werden lassen. Damit muss ich heute leider leben. Nächstes Jahr werde ich wieder fixer sein! Der Himmel ist heute eh überzogen mit Wolken und ich denke, wir werden nicht viel von der Landschaft zu sehen bekommen.
Falsch gedacht! Die Wolken sind tatsächlich so hoch, dass wir darunterbleiben und einen schönen Blick auf die Berge und Gletscher haben. Nur die Farben sind natürlich nicht so leuchtend als bei Sonne. Die Kamera läuft trotzdem natürlich wieder auf Hochtouren und ich kann ein paar halbwegs gute Bilder von der Corbel-Station und unserem Untersuchungsgebiet machen. Natürlich mache ich auch kontinuierlich Bilder entlang der Flugroute über den Sveabreen, wo sich immer wieder reizvolle Motive ergeben. Besonders faszinierend finde ich immer wieder die leuchtend blauen Schmelzwassertümpel auf den mit Spalten übersäten Gletschern. Und natürlich die tollen Gesteinsschichten, die man in den steilen Bergwänden beobachten kann. Und natürlich ist der Flug wieder viel zu schnell vorbei.
Das Ausladen des Flugzeugs ist in wenigen Minuten erledigt und noch schneller haben wir ein Taxi organisiert, das uns zu Mary Ann’s Polarrigg bringt, wo Mike, Nico und ich jeweils ein Einzelzimmer gebucht haben. Ernst und Andreas fliegen bereits heute Abend in Richtung Heimat ab. Da es erst ca. 11:00 Uhr ist, sind unsere Zimmer natürlich noch nicht fertig. Das stört uns auch nicht weiter, denn im Aufenthaltsraum erwarten uns bequeme Sofas und Kaffee und Tee. Ich arbeite an der Vervollständigung meines Feldbuchs. So muss ich z.B. die Bildnummern der Kamera notieren und kurze Beschreibungen machen, was man auf den entsprechenden Bildern sieht. Sonst würde man sich in ein paar Jahren zu Tode suchen, wenn man z.B. ein Foto des Kronebreen-Gletschers aus dem Jahr 2011 mit einem aus dem Jahr 2023 vergleichen will. Anschließend fotografiere ich jede Seite des Feldbuchs, so dass ich quasi einen manuellen Backup habe. Beim Lesen des Blogs ist Euch vielleicht aufgefallen, dass ich dieses Jahr bisher kein einziges Mal über meinen Kugelschreiber geschimpft habe. Das ist fundamental anders als letztes Jahr und liegt daran, dass ich mir für eine nicht unbescheidene Summe einen Fischer Space-Pen gekauft habe, der auch bei kalten Temperaturen noch einwandfrei schreibt. Schon toll, was man für Geld alles kaufen kann. Und nein, ich werde nicht von dieser Firma gesponsort!
Mittagessen findet heute in der Kroa-Bar statt. Ich beschränke mich auf eine halbe Schinkenpizza, weil ich nicht sonderlich hungrig bin. Ernst, Nico und ich enden im Supermarkt, den Svalbardbutikken. Ernst braucht Souvenirs und ich kaufe mir ein Messer. Mike und Andreas gehen getrennt von uns auf Souvenirjagd. Als wir drei schon lange wieder im Wohnzimmer von Marry Anne’s sitzen, kommen sie mit dicken Tüten an. Die Wirtschaft in Longyearbyen haben wir also pflichtgemäß unterstützt.
Nach einigen weiteren Büroarbeiten wird es langsam aber sicher Zeit, dass sich Ernst und Andreas auf dem Weg zum Flughafen machen. Ich werde sie begleiten, weil ich dann Gunhild und Christoph gleich direkt am Flughafen begrüßen kann. Der Flughafen ist überraschenderweise fast menschenleer und die zwei sind in einer Mikrosekunde eingecheckt. Die Verabschiedung dauert nicht wesentlich länger.
Wenig später sehe ich dann auch schon Gunhild und Christoph. Das Gepäck ist auch mitgekommen und ein Taxi bringt uns zügig zum „Svalbard Hotell The Vault“, wo ich den zweien ein Doppelzimmer reserviert habe. Da das Einchecken sehr schnell über die Bühne gebracht ist, kann ich mir noch kurz das Zimmer anschauen. Alles ist sehr modern und stylisch. Perfekt gemacht und auch gelungen. Nur für meinen Geschmack zu nichtssagend. Ein Hotel wo man morgens aufwacht und nicht sofort weiß, wo man eigentlich ist. Ich denke, ich bevorzuge den urwüchsigen Charme von Mary Anne’s. Aber das ist natürlich reine Geschmackssache.
Während sich die zwei Neuankömmlinge in ihrem neuen Zuhause einrichten, trinke ich noch eine Tasse Kaffee in der Lobby bevor wir gemeinsam in die Kroa-Bar gehen. Mike und Nico sind bereits dort und wir bestellen eine Runde Bier während wir auf Thomas warten. Er hat sich etwas verspätet aber umso schöner wird der Abend. Thomas ist einfach eine „coole Socke“ und wir unterhalten uns blendend über tausend und ein Thema. Es macht einfach unheimlich Spaß mit ihm zu reden und von seinen Erfahrungen z.B. während der Polarnacht zu erfahren. Wie er schildert, dass er sich bei starkem Wind mit großem Rucksack zu einer Hütte gekämpft hat und dann ein Feuer angemacht hat, um die Hütte warm zu kriegen, dann Eis geschmolzen hat und schließlich Essen gekocht hat, ist so lebendig, dass man meint, man war selbst dabei. Einfach authentisch! Und natürlich berichtet er auch von seiner Angst bei Dunkelheit einem Eisbären über den Weg zu laufen. Ich könnte ihm ewig zuhören. Aber leider schreiten Minuten- und Stundenzeiger schneller voran, als mir das lieb ist und irgendwann kommt dann der unvermeidliche Zeitpunkt des Abschieds.
In der Unterkunft angekommen, gibt es noch ein letztes Bier bevor wir uns in unsere Zimmer zurückziehen. Ich schreibe noch am Blog, denn es ist Zeit, die vergangenen Wochen Revue passieren zu lassen. Eines steht mit Sicherheit fest. Ohne die tatkräftige Unterstützung von Nico Schmedemann und Thomas Heyer, gäbe es hier nichts zu lesen. Danke für die viele Zeit und Mühen, die ihr in den Blog investiert habt!
Nun, zum Resümee. Zunächst zu den positiven Dingen. Das Team hat wieder seine Fähigkeit bewiesen, auch unter sub-optimalen Bedingungen gut zusammenzuarbeiten und auch Spaß dabei zu haben. Wer das Schnarchen in der Geopol-Hütte überlebt, qualifiziert sich automatisch als Astronaut für einen Marsflug. Nicht umsonst heißen wir „The Martians“.
Ein superdickes Lob geht an das gesamte AWIPEV-Team in Bremerhaven und natürlich in Ny Alesund. In allen Jahren hatten wir das große Glück und die große Freude mit erstklassigen, kompetenten und vor allem hoch motivierten AWIPEV-Teams arbeiten zu dürfen. Dafür ein ganz dickes Dankeschön! Die Art und Weise wie die einzelnen Teams Dinge regeln, mögen im Detail unterschiedlich sein. Das Ergebnis ist immer das Gleiche: Wir sind glücklich und dankbar uns auf solche Teams verlassen zu können, damit wir unsere Forschung überhaupt erst machen können. Aleks, Thomas, Wencelas, Auriane, Marek und Louis, ihr seid genial und eine unglaubliche Hilfe. Danke, danke, danke und tausend „hugs and kisses“!
Besonderes Lob soll dieses Jahr auch die Kantine erfahren, die uns spitzenmäßiges Essen serviert hat. Die Qualität erschien mir um vieles besser als in einigen der vergangenen Jahre gewesen zu sein. Ein untrügliches Zeichen für die Qualität ist sicher, dass ich zugenommen habe! Nur über den Porridge müssen wir noch einmal reden…
Nun zu den Dingen, die man einfach nicht ändern kann. Da ist dieses Jahr sicher das Wetter zu nennen, das mir rein subjektiv extremer vorgekommen ist, als in den vergangenen Jahren. Gerade diese Wetterkapriolen haben uns die Arbeit zumindest anfangs unnötig erschwert bzw. unmöglich gemacht. Zum anderen ist natürlich auch das viel zu spät angekommene LIDAR-Instrument hier zu erwähnen. Es war schon ein Trauerspiel wie sich United Airlines und Lufthansa hier mit „Ruhm“ bekleckert haben. Was ist an den selbstgewählten Worten „Star Alliance“ so schwer zu verstehen?
Und schließlich sollen hier auch Dinge erwähnt werden, die absolut nicht funktioniert haben. So hätten wir z.B. gerne eine große Befliegung mit dem Drachen auf Kvadehuksletta durchgeführt, nachdem wir in langer Arbeit weit über hundert Kontrollpunkte ausgelegt haben. Diese Befliegung ist buchstäblich „vom Winde“ verweht worden. Hinderlich für unsere Feldarbeit war die neue Regelung mit An- bzw. Abmeldung an der KingsBay Rezeption, wenn man längere Zeit im Gelände arbeiten will. Wir Wissenschaftler investieren nicht ganz unerhebliche finanzielle und zeitliche Mittel, um in Ny Alesund forschen zu können. Wenn dies aber durch starre Bürozeitenregelungen und letztlich unsinnige bürokratische Vorgänge verhindert wird, wird das ganze System ad absurdum geführt. Auch gebe ich zu bedenken, dass alleine aufgrund des Wetters oder der Eisbären, es nicht immer möglich ist, zeitgenau aus dem Gelände z.B. mit einem Boot abgeholt zu werden. Aus einer durch die neue Reglung künstlich geschaffenen Zwangslage heraus, könnten sich durchaus gefährliche Situationen ergeben. Es wäre meine Hoffnung, dass KingsBay daher diese Regelung nochmals überdenkt, bzw. so gestaltet, dass man sich mittels Internet-Webseite oder Email zu jeder Zeit an- und abmelden kann, anstatt persönlich während der limitierten Bürozeiten an der Rezeption erscheinen zu müssen. Alternativ sollte die An- und Abmeldung auch über den Station Leader erfolgen können.
Ich möchte den Blog natürlich nicht negativ enden lassen, weil es der guten Feldsaison nicht gerecht werden würde. Ich denke, dass ich für das gesamte SPLAM-Team spreche, wenn ich sage, dass mir die Zeit in Ny Alesund erneut viel zu schnell verging und ich jede Menge Spaß hatte und viele Dinge neu gelernt habe. Ganz abgesehen davon, haben wir große Datenmengen generiert, deren Auswertung und Interpretation uns bis zu unserer Rückkehr nächstes Jahr sicher but beschäftigen werden. So sinniert das Team bereits jetzt wieder über neue Pläne für 2026 nach. Eine Idee, die uns besonders gefällt sind zwei Aufenthalte in Ny Alesund! Zum einen wie gewohnt im Juni/Juli und zum anderen im September/Oktober, weil dann der Boden zu gefrieren beginnt, was sicher die Morphologie z.B. unserer Steinkreise beeinflussen würde.
Kurz, wir müssen nächstes Jahr wieder hierherkommen! Das wäre dann meine 16. Feldsaison!
Also, ran an das Schreiben des Projektantrags!
Nächstes Jahr geht es dann hoffentlich hier in alter Frische weiter. Ich hoffe ihr hatte Spaß mit dem Blog und würde mich über Kommentare freuen.

Fotos

Cynthias geomorphologische Karte ziert nun den Aufenthaltsraum des Rabot-Gebäudes
Cynthias geomorphologische Karte ziert nun den Aufenthaltsraum des Rabot-Gebäudes
© KOP 132 SPLAM
  • Die berühmte letzte Tasse Kaffee in Ny Alesund. Nächstes Jahr geht es mit dieser Tradition weiter!
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  • Fast schon Kunst!
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  • Die Corbel-Station
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  • Der Midtre Lovenbreen-Gletscher
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  • Unser Untersuchungsgebiet mit den Erosionstrukturen
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  • Spalten und Seen
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  • Die Front des Wahlenberg-Gletschers
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  • Ohne Worte!
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  • Unverschämtheit!
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  • Nico und Andreas warten auf den Flug nach Ny Alesund
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  • Ankunft in Longyearbyen
    © KOP 132 SPLAM

16.7.2025

Die Eisbären sind natürlich noch immer Tagesgespräch in Ny Alesund. Mike hat gehört, dass es sich tatsächlich nur um drei Eisbären gehandelt hätte und dass bei der ersten Gruppe ein Junges permanent nicht zu sehen war. Das ist natürlich möglich. Jedoch habe ich meine Zweifel. Denn die schlafenden Eisbären waren sicher zwei Tiere und warum würde ein Jungtier dann soweit von der Mutter entfernt schlafen, dass es nicht mehr sichtbar ist. Außerdem habe ich am Strand nur zwei Eisbären beobachtet und es erscheint mir unwahrscheinlich, dass ein Junges sich soweit von der Mutter entfernt hätte, dass es auf der offenen Strandfläche nicht mehr sichtbar wäre. Im Prinzip alles möglich, aber eher unwahrscheinlich. Am Ende ist es auch völlig egal wie viele Eisbären wir gestern wirklich gesehen haben. Tatsache bleibt, dass es in den letzten Tagen eine enorme Anzahl an Eisbärsichtungen gegeben hat. Mal war es ein einzelner männlicher Bär, dann eine Mutter mit einem Jungen und mal eine Mutter mit zwei Jungen. Tatsache ist ferner, dass die Tiere keine Scheu vor Menschen haben und sich selbst Ortschaften gefährlich nähern. Maarten berichtet mir, dass dies früher völlig anders war. Auch war er überhaupt nicht glücklich darüber, dass so viele Menschen vor der Bar herumgestanden haben, weil bei einem plötzlichen Angriff sicher nicht alle schnell genug in das Gebäude gekommen wären. Da mag er durchaus Recht haben. Da zwischen den Eisbären und der Bar aber gute 200 m liegen und zusätzlich ein kleiner See dazwischen liegt, hielt ich es für nicht sonderlich gefährlich. Aber man muss natürlich immer seine Sinne schärfen und aufpassen, auch wenn man in einer größeren Gruppe vor einem Gebäude steht.
Im Hafen liegt wieder der Dreimaster „Linden“ am Kai. Natürlich muss ich davon Fotos machen. Kaum bin ich zurück im Blauen Haus, höre ich über das Funkgerät, dass die AWIPEV-Crew eine Einladung bekommen hat, das Schiff zu besichtigen. Ich frage Thomas, ob ich bitte mitkommen könnte und wenig später stehe ich auf dem Achterdeck des Seglers. Der Kapitän begrüßt uns und wie der Zufall es haben will, ist es der Kapitän neben dem ich beim Flug nach Longyearbyen gesessen habe. Kleine Welt! Das Schiff ist natürlich affenstark! Tolle Takelage, ein gut ausgestatteter Maschinenraum, ein gemütlicher Salon, eine winzige Küche und 6 Kabinen für 12 zahlende Gäste. Das Schiff hat 10 Personen Stammbesatzung, was vermuten lässt, dass die Passage nicht ganz günstig ist. Auf meine Frage, die darauf abzielt, bekomme ich nur eine ausweichende Antwort. Klar ist aber auch, dass die Passagiere mit Kameras und Teleobjektiven ausgestattet sind, die sicher im fünfstelligen Bereich angesiedelt sind. Das Schiff ist ein Nachbau eines alten Frachtseglers von 1920 und stammt aus dem Jahr 1993. Mit seinen knapp 50 Metern Länge wurde es von Beginn an als Passagierschiff konzipiert. Knapp 700 m2 Segelfläche beschleunigen es auf durchschnittlich 8 Knoten, also knapp 15 km/h.
Der Rest des Vormittags wird mit Kisten packen verbracht. Nico ist hierbei der große Zeremonienmeister. Er ersetzt alle Kistenbeschriftungen und führt die Fracht- und Packlisten. Ich selbst muss nur meine rote Kiste fertig packen und ansonsten die AWI-Klamotten und den Schlafsack in die Tasche verpacken. Da ich aber nächste Woche noch privat von Longyearbyen aus unterwegs sein werde, behalte ich einige Ausrüstungsgegenstände, wie z.B. die rote Jacke und das Fleece. Sobald ich wieder in Münster bin, werde ich sie an das AWI zurückschicken. Sie sind dann immer noch schneller in Bremerhaven als der Rest der Ausrüstung. Der Container für die Verschiffung im August ist leider bereits voll, so dass unsere Ausrüstung erst im Herbst verschifft werden wird.
So, es ist jetzt 15:00 Uhr und alle Kisten sind verpackt und auch die persönlichen Dinge sind zu 95% in den Rucksäcken verschwunden. Den AWI-Schlafsack habe ich nochmals gut gelüftet bevor ich ihn in seinen Packsack gestopft habe. Wäre ja zu schade, wenn er durch Feuchtigkeit in den nächsten Monaten Schaden nehmen würde. Dann verstaue ich noch ein paar Kleinigkeiten in meiner orangen Kiste, bringe das Satellitentelefon und die Ladestation für das Funkgerät zurück und wasche nochmals eine Wäscheladung, so dass ich für nächste Woche mit einem komplett frisch gewaschenen Satz Klamotten unterwegs sein kann. Wir sind also früher als sonst abflugbereit, denn auch die Velferden-Gebühr für das verbrauchte Gas in der Geopol-Hütte haben wir schon brav bezahlt. Insgesamt 750 NOK.
In den letzten Tagen hat die große Anzeigetafel im Service-Gebäude immer angezeigt, dass unser morgiger Flug nach Longyearbyen mit einer Person überbucht ist. Gott sei Dank ist dies nun nicht mehr der Fall. Es scheint sogar so zu sein, dass ein Sitz leer bleibt. Auch die Wettervorhersage für morgen macht Hoffnung. Denn genau um 10:00 Uhr soll die Wolkendecke aufreißen und die Sonne scheinen. Das wäre natürlich super, wenn wir nochmals ein paar schöne Bilder vom Flugzeug aus machen könnten. Im Idealfall natürlich von unserem Untersuchungsgebiet nahe dem Kongsvegen-Gletscher.
Leider erfahre ich heute beim Sichten von 632 ungelesenen Emails, dass die Trips nach Pyramiden und Barentsburg nächste Woche leider ausfallen, weil das Schiff technische Probleme hat. Zudem sitzen meine Freunde derzeit gerade in Amsterdam und haben festgestellt, dass sie die Reisepässe nicht dabeihaben. Spitzbergen ist zwar unter norwegischer Verwaltung, aber nicht im Schengenraum. Darum braucht man zur Ein- und Ausreise einen Reisepass. Nur gut, dass der Flug erst morgen stattfindet und somit noch genügend Zeit bleibt, die Pässe zu holen. Ich drücke die Daumen, dass alles klappen wird! Ich werde jetzt gleich versuchen, einen anderen Anbieter für die gestrichenen Bootstouren zu finden.
Das Abendessen zu unserem Abschied ist hervorragend. Es gibt Rinderschmorbraten mit Kartoffelpüree und Wurzelgemüse. Das Fleisch ist butterzart und schmeckt richtig gut. Zum Reinlegen! Zwetschgenkompott zum Nachtisch! Anschließend sitzen wir auf der Terrasse des Blauen Hauses und genießen die Sonne und ein Bier. Heute war es den ganzen Tag ca. 10 Grad warm und in der Sonne ist es bei Windstille fast schon zu warm. Ich telefoniere mit Carolyn und den Kindern, die mir von ihren neusten Abenteuern berichten. So hatte Anna-Sabrina in der Segelschule ein Gewitter zu meistern und Hans-Peter fand in einem Kumpel seinen Meister bei irgendeinem Videospiel. Es scheint also zuhause alles seinen gewohnten Gang zu gehen. Ich vermisse meine Familie und es wäre schön, wenn sie mich wie letztes Jahr in Longyearbyen erwarten würden. Ich habe es übrigens geschafft, bei einem anderen Veranstalter Bootsfahrten nach Pyramiden und Barentsburg buchen zu können. Statt 2500 NOK kostet uns der Spaß nun bei „Henningsen Transport & Guiding AS“ 3000 NOK pro Mann und Fahrt. Okay, einen kleinen Rabatt von 10% bekommen wir für eine Fahrt, weil wir zwei Reisen buchen. Insgesamt ist es aber schon deutlich teurer aber ich bin froh, dass es überhaupt geklappt hat. Jedenfalls haben wir nun Tickets für Montag, 21.7., nach Barentsburg und Dienstag, 22.7., nach Pyramiden. Abfahrt ist jeweils um 9:00 Uhr morgens.
Um 22:00 Uhr fährt die „Serenissima“ in Richtung Longyearbyen ab. Mit an Bord ist auch unser Freund Thomas. Am Kai haben sich zu seiner Verabschiedung sehr viele Leute eingefunden. Es wird auf allen möglichen und unmöglichen alten und halb kaputten Musikinstrumenten Radau gemacht. Eine Kakophonie sonders gleichen, da es weder eine Melodie noch einen einheitlichen Rhythmus gibt. Jeder macht was ihm gerade einfällt. Natürlich wird Thomas von jedem umarmt und jeder wünscht ihm alles Gute. Es ist wirklich ein sehr bewegender Abschied und Thomas freut sich sehr darüber. Gleichzeitig verdrücken viele Leute ihre Tränen. Die anderen Passagiere auf dem Schiff sind etwas verunsichert, was sie von dem Spektakel halten sollen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass manche vielleicht meinen, dass Schiffe hier in Ny Alesund generell so verabschiedet werden. Andererseits ist schon ersichtlich, dass Thomas im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Als das Schiff schließlich endgültig ablegt, knallt auch ein Böller aus der Signalpistole. Jeder winkt Thomas zu, der langsam immer kleiner wird. Die tröstliche Nachricht ist, dass Nico und ich ihn morgen in Longyearbyen wiedersehen werden. Bevor er heim fliegt haben wir nämlich noch die Möglichkeit gemeinsam zum Essen zu gehen. Ich werde morgen gleich eine Reservierung in der Kroa-Bar für uns machen.
Nach dieser Verabschiedung nehmen wir noch 23,8 kcal in Form eines Snacks in der Kantine zu uns, bevor der Abend auf den Sofas im Rabot-Gebäude ausklingt.

Fotos

Interessante Wolken
Interessante Wolken
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  • Die Falle am Hauptmast
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  • Schön gemachte Decksschoner
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  • Die Takelage
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  • Das „alte“ AWIPEV-Team: Wencelas, Thomas, Alex
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  • Der Abschied von Thomas wir gebührend und lautstark gefeiert
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  • Die „Serenissima“ legt ab
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  • Der Dreimaster „Linden“ hat in Ny Alesund festgemacht
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  • Auch ein schöner Rücken kann entzücken
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15.7.2025

Ein sehr langsamer Start heute! Um 8:00 Uhr sitzen wir physisch am Frühstückstisch. Mental liegen wir noch in unseren Betten. Der Wortschwall, den wir dementsprechend heute Morgen produzieren ist geradezu gigantisch. Jeder stiert vor sich hin und ab und zu sagt jemand einen Satz, der gefühlt eine Minute später von einem zweiten Satz einer anderen Person gefolgt wird. Manchmal haben die zwei Sätze Bezug zueinander, meistens nicht. Es sitzen also fünf noch verschlafene Kerle um den Tisch, ohne dass eine sinnige Unterhaltung zustande kommen würde. Sehr interessante Gruppendynamik. Etwas mehr Leben kommt in die Bude als Mike erklärt mir die Uhr nur geliehen zu haben, um im Blog erwähnt zu werden. Das veranlasst uns natürlich für nächstes Jahr über eine Mike Zanetti Spezial Gold Edition des Blogs nachzudenken, was zur allgemeinen Erheiterung beiträgt. Zum Aufwachen trägt auch der Kaffee bei, den ich Andreas und mir heute anstatt eines Tees gekocht habe und die zwei (!) Nudelsuppen, sowie das Brot mit Frühstücksfleisch und Senf. Die vorletzte Nudelsuppe der Saison ist mit Shrimp-Geschmack, die allerletzte Nudelsuppe ist mit Gemüse-Geschmack. Damit habe ich die Saison begonnen und damit beende ich sie auch. Beim Betrachten der Nudelsuppen stelle ich mir die Fabrik in Thailand vor, die diese Köstlichkeiten produziert. Die Fabrik muss vermutlich so ausschauen wie ein BASF Chemie-Werk, nur eben mit Tanks und Silos voll von Geschmacksverstärkern und künstlichen Aromen. Irgendwie verliere ich bei dem Gedanken plötzlich meinen Appetit. Ernst versucht sich heute an der koreanischen Variante der Nudelsuppen. Die Packung sagt „spicy“ und hat eine kleine Bombe auf dem Etikett. Der Aufdruck ist wohl korrekt, denn bei Ernst zeigen sich kleine Schweißperlen auf der Stirn und die Augen fangen an zu tränen. Zumindest Ernst ist jetzt voll wach.
Nach dem Frühstück installiere ich noch schnell einen Datenlogger in 40 cm Tiefe, der uns den Temperaturverlauf bis nächstes Jahr aufzeichnen wird. Dabei werde ich intensiv von einem Rentier beobachtet, das ein mächtiges Geweih ziert. Das Tier lässt sich in keiner Weise stören und frisst in aller Ruhe weiter, obwohl wir vielleicht nur maximal 5 m voneinander getrennt sind. Es frisst nur die gelben Blüten ab, das Grünzeug bleibt übrig. Wohl eine besonders schmackhafte Diät. Nico sitzt vor dem Schlafgebäude auf einer Bank und filmt das Rentier für eine Weile. Solang, bis Mike mit seiner Matratze nach draußen kommt und das Rentier damit in die Flucht schlägt.
Dann heißt es für diese Saison endgültig von der Corbel-Station Abschied zu nehmen. Frisch gereinigt und alles Geschirr gespült und verstaut, hinterlassen wir unser „Zuhause“. Die Nacht hier zu verbringen hat sich definitiv bezahlt gemacht und war ein schöner Abschluss unserer Feldarbeit.
 Der Fjord liegt wieder spiegelglatt herum, nur am westlichen Ende, in Richtung Kvadehuksletta, ist etwas Wind zu erahnen. Während des Frühstücks kommen dann auch von dort Wolken in unsere Richtung, die alsbald den Himmel überziehen. Dazwischen sind auch noch große blaue Wolkenlücken zu sehen. Kurz, es ist ein heiterer Tag! Beim Einladen des Gepäcks scheint es heute jeder besonders eilig zu haben, denn ich komme mit dem Verstauen der Säcke und Kisten gar nicht nach. Am Bug türmt sich ein Berg, der erst einmal sinnvoll verteilt sein will. Habe ich schon erwähnt, dass wir mittlerweile richtig gut mit unseren Ankermanövern sind? Ja? Wirklich? Na gut, dann hättet ihr die letzten paar Zeilen erst gar nicht lesen müssen! Wir machen noch einen kleinen Fotostop bei einem sehr speziellen Eisberg, den wir gestern schon gesehen haben. Auf einer flachen und dreckigen Eisscholle sitzen mehr oder minder runde weiße und blaue Eiskugeln. Das schaut aus wie in der Eisdiele oder wie Radioantennen.
Nach ein paar Minuten sind wir dann auch schon in Ny Alesund. Wir kommen genau zu dem Zeitpunkt an, als die Touristen auf ihr Kreuzfahrtschiff zurück gehen. Dadurch werden wir zur Extraportion an Fotomotiven. Nur gut, dass auch das Anlegemanöver sauber klappt und wir uns vor versammelter Mannschaft nicht gleich zum Affen machen. Wir bilden eine Kette und in weniger als einer Minute ist „Sabrina“ ihre Last los. Ich frage mich, warum wir nicht schon viel früher auf diese Idee gekommen sind? Natürlich bekommt „Sabrina“ für ihre guten Dienste noch einen Extraschluck Super Benzin! Das Ausschalten der Batterie und das Überprüfen der Festmacherleinen ist vermutlich das Letzte, was ich für „Sabrina“ tun kann. Irgendwie hasse ich den Gedanken, dass sie nächstes Jahr nicht mehr hier sein wird. Ich kann nur hoffen, dass sich die Verantwortlichen beim AWIPEV die Sache nochmals überlegen, denn jeder mit dem ich gesprochen habe, liebt „Sabrina“. Noch eine kleine Streicheleinheit für „Sabrina“, dann ziehe ich meinen Überlebensanzug aus und laufe hoch zum Rabot-Gebäude, wo Ernst und Mike bereits unser Gepäck aus „Emily“ ausgeladen haben. KingsBay lasse ich wissen, dass die Martians zurück sind. Die Dame schaut mich nur etwas verwundert an und versucht dann in ihrem Computer Namen zu finden, die der Beschreibung halbwegs gerecht werden.
Alex Eickelmann, Station Leader des letzten Jahres, begrüßt mich im Blauen Haus. Die Umarmung fällt kurz aus! Ich bin verschwitzt, und wenn man frisch aus einem Überlebensanzug gestiegen ist, duftet man nicht unbedingt wie eine Veilchenwiese. Also, schnell zum Duschen, damit man mit dem Rest der Menschheit wieder Kontakt aufnehmen kann. Das Duschen ist herrlich, muss allerdings recht kurzgehalten werden. Denn kaum ist man zurück in Ny Alesund, ist man auch schon wieder im Stress. Schließlich ist es kurz vor 12:20 Uhr und das kann nur eines bedeuten: Es ist Essenszeit! Aber zum Belegen von zwei Waschmaschinen reicht die Zeit noch. Ich sitze als erster unserer Heldentruppe beim Essen, Ernst ist der Nachzügler. Am Tisch kommen wir mit drei Norwegerinnen ins Gespräch, die für das NPI arbeiten. Und natürlich wollen sie wissen, was Ernst heute Abend bei seinem Vortrag präsentieren wird und was wir hier generell so treiben. Mit dem bisschen Geplaudere ist die Wäsche auch schon wieder fertig und kann im Trockenraum aufgehängt werden. Eine Trommel mit pflegeleichter Wäsche ist hier in 40 Minuten fertig, ein Wollwaschgang gar in nur 36 Minuten.
Nachmittags wurschtelt jeder vor sich hin. Hier und da werden Daten kopiert, in jener Ecke wird am Vortrag gebastelt, auf diesem Sofa wird am Blog gearbeitet und auf einem anderen Sofa wird gelesen. Nach dem aufregenden gestrigen Tag schadet ein etwas ruhigerer Tag auch nicht. Ich nutze die Zeit auch, um mit Alex einen kleinen Plausch zu halten. Es ist sehr schön, sie dieses Jahr wieder zu sehen und sie erzählt mir von ihrem Urlaub in Schweden.
Bei Storholmen wurde gerade ein schwimmender Eisbär gesichtet. Das ist genau die Stelle, wo wir gestern im Eis fast stecken blieben. Ein potentiell leichtes Opfer für den Ursus maritimus! Und auch während wir unterwegs waren, gab es zahlreiche Eisbär-Sichtungen. Bisher haben wir keinen zu Gesicht bekommen, haben sie aber sehr oft nur um wenige Stunden oder wenige Kilometer verfehlt. Das zeigt schon, dass man wachsam bleiben muss.
Um 17:30 Uhr steht heute der Vortrag von Ernst über Mars und Spitzbergen auf dem Abendprogramm. Der Titel des Vortrags lautet „From Mars to Svalbard: Why planetary scientists come to Ny Alesund”. Ernst liefert einen klasse Vortrag ab, der den Anwesenden sehr gut gefällt und ihnen einen umfassenden Einblick in unsere Arbeiten bietet. Unsere Zeitraffer- Filme und Höhenmodelle, die teilweise mit Überflügen animiert sind, sowie viele tolle Bilder vom Mars machen Eindruck.
Ein weiteres Highlight des Abends ist die Abschiedsparty von Thomas Poinsot, dem Logistik Engineer der vergangenen Saison in der Mellageret-Bar. Thomas ist ein absolut fantastischer Kerl, der in ganz Ny Alesund extrem beliebt ist. Nach 15 Monaten ununterbrochenem Aufenthalt ist es für ihn an der Zeit, sich neuen Aufgaben zu widmen. Heute wird er aber erst einmal ordentlich verabschiedet. Maarten, Auriane und einige andere halten kurze Reden in denen sie Thomas Zeit hier Revue passieren lassen und Anekdoten über ihn erzählen. Alle sind sehr traurig, dass er nun gehen wird und Maarten schenkt ihm einen Beinring einer Gans. Das ist ein sehr spezielles Geschenk und Maartens Stimme ist sehr brüchig. Man sieht, wie aufgewühlt und emotional er ist. Und auch Auriane hat mit ihren Emotionen zu kämpfen. All das belegt sehr eindrücklich, wie geschätzt Thomas in dieser kleinen Gemeinde ist. Auch für uns war er immer extrem hilfreich, hat uns vieles überhaupt erst ermöglicht und es war einfach super mit ihm zu arbeiten. Unsere Leidenschaft für Boote hat uns bereits letztes Jahr eng zusammenrücken lassen und so freut es mich umso mehr, dass er auf einem experimentellen Boot zur Überwinterung im Eis einen neuen Job gefunden hat. Auch Thomas selbst verabschiedet sich von den Anwesenden und gibt eine wirklich vorzügliche kleine Rede, die genau den Nagel auf den Kopf trifft und seine Gefühle beschreibt. Uns bleibt nur Dir „Danke“ zu sagen und „Alles Gute“ zu wünschen, Thomas! Mach es gut und hoffentlich kreuzen sich unsere Wege irgendwann einmal wieder!
Ernst kommt zu den Ansprachen etwas zu spät. Er berichtet uns von zwei Eisbären, die er mit dem Spektiv im Service-Gebäude beobachtet hat. Auch aus der Mellageret-Bar sind sie bei genauem Hinsehen zu sehen. Im Abstand von ca. 1,5 km sind sie mit dem bloßen Auge nur als weißer Fleck zu erkennen, weil sie sich schlafen gelegt haben. Mit meiner Kamera erkennt man zumindest die typische Körperform und dass sie sich ab und zu bewegen. Es ist interessant zu sehen, dass viele Bewohner Ny Alesunds auf den Beinen sind, um die Bären zu sehen. Dieses Thema lässt auch die alten Hasen in Ny Alesund nicht kalt, selbst wenn sie schon unzählige Eisbären gesehen haben. So dauert es nicht lange, bis die ersten Spektive vor der Bar aufgestellt und die großen Teleobjektive in Stellung gebracht sind. Besonders spannend wird es, als die Bären zum Strand hinunterlaufen. Jetzt kann man ganz klar sehen, dass es sich um eine Mutter und ihr Junges handelt. So haben wir dieses Jahr also doch noch zwei Eisbären gesehen. Und das aus sicherer Entfernung. Genial! Wir. plaudern noch mit Auriane und bedanken uns bei Thomas für die Einladung bevor wir uns in unsere Federn zurückziehen wollen. Wir sind unter den Letzten in der Bar. Das hat auch seinen Grund, denn der Rest der Mannschaft steht vor der Türe und beobachtet nun eine Eisbärenmutter mit ihren zwei Jungen, die gerade von der Prins Heinrichøya-Insel in Richtung Ny Alesund schwimmen. In anderen Worten, sie schwimmen direkt auf uns zu. Unmittelbar am Strand vor der Bar, in ca. 200-250 m Abstand tauchen sie auf. Das ist nun schon eine Entfernung, wo der Watchman von Ny Alesund tätig wird. Der Watchman ist dafür verantwortlich Eisbären zu verjagen, so dass jeder in Ny Alesund sicher ist. Innerhalb weniger Minuten kommt er mit dem Auto angebraust und feuert mehrere Schüsse aus der Signalpistole ab. Zuvor haben wir aber noch genügend Zeit ein paar gute Fotos von den drei Tieren zu machen. Wirklich beeindruckend, die Eisbären so aus der Nähe zu sehen. Schön ist auch, dass alle drei Tiere sehr gut ernährt sind und es ihnen offensichtlich sehr gut geht. Die Knallkörper des Watchmans verrichten schließlich ihre Arbeit und die drei Eisbären schwimmen zurück zur Prins Heinrichøya-Insel. Sie gehen aber nicht an Land, sondern etwas weiter südlich bei Strandvatnet. Dort können wir sie erneut gut beobachten und noch ein paar weitere Fotos schießen bevor sie in einer Senke außer Sicht geraten. Das ist jetzt natürlich eine eher weniger beruhigende Situation, weil man nicht weiß, wohin die Bären ziehen. Und diese Bären sind aufgrund ihrer enormen Schrittlänge sehr schnell unterwegs und können deshalb an Stellen auftauchen, wo man sie nie erwartet hätte. Aber der Watchman wird die Sache schon schaukeln!
Nach all dieser Aufregung brauchen wir natürlich noch einen kleinen Mitternachts-Snack. Während sich einer nach dem anderen anschließend ins Bett verabschiedet, schreibe ich noch bis kurz vor 2:00 Uhr am Blog.
Was für ein verrückter Tag! Erst der Besuch des Rentiers, dem wir uns auf 4-5 Meter nähern konnten und dann gleich 5, in Worten fünf (!), Eisbären innerhalb ein paar weniger Stunden. Dazu strahlender Sonnenschein am Nachmittag. Thomas hätte keinen besseren Abschied bekommen können! Er hat ihn sich aber auch genauso verdient!

Fotos

Eine spezielle Art Eisbär, die wir gerne erlegt haben
Eine spezielle Art Eisbär, die wir gerne erlegt haben
© KOP 132 SPLAM
  • Das Rentier ist so nahe, dass man wirklich kein Fernglas braucht
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  • Die vorletzte Nudelsuppe
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  • Die nun wirklich letzte Nudelsuppe für dieses Jahr
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  • Die zwei Arten von Nudelsuppen. Links aus Korea, rechts aus Thailand
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  • Ein mächtiges Geweih
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  • Der Eisdielen-Eisberg
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  • Sauberes Eis auf dreckigem Eis
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  • Ernst macht sich für seinen Vortrag bereit
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  • In so einer Landschaft sind zwei Eisbären leicht zu übersehen
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  • Hier sind sie: Zwei schlafende Eisbären in ca. 1,5 km Entfernung
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  • Das SPLAM-Team bei der Abschiedsparty für Thomas Poinsot
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  • Am Strand sind die zwei schon besser zu erkennen
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  • Eine zweite Gruppe von drei Eisbären im Wasser
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  • Die drei in ca. 200-250 m Abstand
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  • Ein Mutter mit zwei Jungen
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  • Einfach genial, dass wir diese schönen Tiere beobachten können
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  • Die Eisbären ziehen ab
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  • Wälzen im Gras macht Spaß
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14.7.2025

Man merkt sofort, dass das Wochenende vorbei ist! Anstatt gemütlich um 10:00 Uhr zu brunchen, müssen wir heute bereits schon um 7:30 Uhr beim „normalen“ Frühstück sein. Vorher noch duschen und Batterien für die GoPro nachladen und die kleinen Filmchen von gestern noch schnell herunterladen. Das bedeutet zu einer eher unchristlichen Zeit von 6:30 Uhr aufzustehen. Eigentlich hätte ich schon noch etwas länger schlafen können. Diese enorme Liste an Aufgaben erledige ich bereits vor dem Frühstück, zu dem ich mich pünktlich in die Schlange einreihe. Da steht man nun früh auf und was gibt es zum Frühstück: Porridge! Ah, es gibt nichts Besseres als das Jammen auf hohem Niveau! Da hilft es auch nicht, dass der Himmel wieder grau in grau ist. Es weht aber zumindest fast kein Wind, was für unseren Besuch der Blomstrandhalvøya-Insel sicher gut ist.
Wir wollen um 9.30 Uhr los und ich versuche alle meine notwendigen Habseligkeiten in meinen kleinen Tagesrucksack zu verpacken. Und tatsächlich, alles passt, nur natürlich nicht der Schlafsack, der in etwa genauso groß ist wie mein Rucksack. Auriane gibt uns die Gewehre und Signalpistolen und schon sind wir im Hafen und laden unsere Ausrüstung auf „Sabrina“. Marek hat mir versichert, dass der Ölstand nun voll ist und das alles funktionieren sollte. Ich glaube ihm und mache mir keine Sorgen. „Sabrina“ hat uns eigentlich immer dahin gebracht, wo wir hinwollten! Bevor wir ablegen, laufe ich noch schnell zum Souvenirladen, um eben Souvenirs zu kaufen. Wer weiß, ob der Laden aufhat, wenn wir zurückkommen. Während wir beim Frühstücken saßen, kam ein Kreuzfahrtschiff der Hanseatic Reederei in den Hafen und aus diesem einen Grund ist der Laden heute Morgen überhaupt geöffnet. Glück muss der Mensch haben!
Die Kreuzfahrer schauen uns natürlich zu, wie wir die Boote beladen und uns in die Überlebensanzüge zwängen. Der ein oder andere hat ein etwas mitleidiges Gesicht. Zeitgleich bringt auch Thomas die Gruppe von Mike A. nach Geopol, so dass schon einiges los ist am Dock und wir eine gute Show abliefern. Ich mache „Sabrina“ startklar, melde uns per Funk bei Auriane ab und dann geht es los, quer über den Fjord.
Wenn der Tag mit Porridge nur halbwegs gut angefangen hat, so gibt der Tag jetzt richtig Gas. Die Überfahrt ist ein Kinderspiel, weil es fast windstill ist und der Fjord praktisch keine Wellen hat. Auf der Fahrt lenzen wir gefühlt unendlich viel Wasser aus dem Boot und mit jeder Minute scheint „Sabrina“ dadurch lebendiger und agiler zu werden. Bei unserer Ankunft ist die Bucht bereits mit mehreren Schiffen belegt. Unter anderen ankert dort ein sehr kleines Kreuzfahrtschiff und zwei norwegische Motorboote, die dort im Päckchen vor Anker liegen. Wir fahren bis zum Strand und ankern das Boot dort. Die Bucht ist wirklich genial, steile Felswände auf beiden Seiten und am Ende ein Kiesstrand. Ich muss jetzt nicht erwähnen, dass unser Ankermanöver perfekt geklappt hat. Man will ja nicht prahlen! Raus aus den Überlebensanzügen und schon erkunden wir die London Hütten. Doch zunächst steigen Ernst und ich auf einen kleinen Hügel, von wo wir einen guten Rundumblick haben. Grund dafür ist, dass Maarten Loonen auf der Nachbarinsel heute Morgen zwei Eisbären gesehen hat. Wir wollen natürlich von den zwei Burschen nicht überrascht werden, darum halten wir von dort oben erst einmal Ausschau. Der Blick auf Ny Alesund, die Bucht und den Fjord ist fantastisch. Mindestens ebenso gut ist die Nicht-Aussicht auf die zwei Eisbären! London, wie die kleine Siedlung genannt wird, besteht heute aus zwei bewohnbaren Hütten, von denen eine offen steht und die andere verschlossen ist. Es ist die Hütte für den Sysselmesteren, Camp Mansfield, die mit einem dicken Schloss abgesperrt ist. Durch die Fenster können wir aber zumindest ins Innere spähen. Die zweite Hütte ist sehr komfortabel eingerichtet mit einer separaten Küche und eine Art Wohnzimmer mit zwei Sofas und einem Holzofen. Da lässt es sich sicher gut aushalten. Alles scheint sehr gut in Schuss zu sein und bereit zum Einziehen. Von mehreren anderen Hütten sind nur mehr die Fundamente übrig und ein paar Ausrüstungsgegenstände. Beeindruckend ist ein großer Holzofen mit zwei sehr großen Backrohren. Man kann sich buchstäblich ausmalen, wie so ein großer Ofen die Hütte zum Glühen gebracht hat und wieviel Mäuler damit wohl satt gemacht wurden. Wasserkessel, die auf dem Ofen stehen, wurden von irgendjemandem als Ziele für das Schießen verwendet. Zum Wasserholen sind sie damit nur mehr sehr bedingt geeignet. Auch eine alte 7up Flasche finde ich und einen alten Damenschuh, der aber seine schicken Zeiten längst hinter sich hat.
Etwas oberhalb der Hütte befinden sich große Dampfkessel oder Öfen auf Schienen, dazu jede Menge alte verrostete Zahnräder, Räder, Stangen, Konservenbüchsen. Weder Ernst noch mir erschließt sich unmittelbar für was diese Kessel ursprünglich genutzt wurden. Noch etwas weiter hangaufwärts finden wir einen massiven verrosteten Kran direkt neben einer Abbaustelle des Marmors und einer halbverfallenen Hütte. Schön ist der abgebaute Stein schon, aber man hätte sich schon an den Fingern einer Hand abzählen können, dass der Abbau vielleicht nicht unbedingt lukrativ ist. In anderen Worten, das Geschäftsmodel von Microsoft ist um Klassen besser. Direkt an der Steilküste der Bucht steht hoch oben ein Kran, der vermutlich zum Beladen von Schiffen mit dem Marmor verwendet wurde. Daneben wieder eine halbverfallene Hütte. Mehrere Loren liegen kreuz und quer direkt neben dem Kran. London ist quasi ein Industriemuseum en miniature und ich finde es hochinteressant. Auch die Fotomotive, die sich einem bieten, finde ich spannend, faszinierend und von morbidem Charme. Es ist aber schon sehr bizarr diese ganzen Geräte hier in der Wildnis verrotten zu sehen. Alles ist wie von einer anderen Welt und wirkt komplett fehl am Platz. Es ist schlichtweg erstaunlich, auf welche grandiosen Ideen Menschen kommen können und mit wieviel Anstrengungen sie versuchen, diese umzusetzen. Als wir mit unserer Besichtigungstour fertig sind, kommt eine kleine Gruppe Kreuzfahrer von einer Wandertour zurück und werden per Schlauchboot zum Mutterschiff zurückgebracht. Zeitgleich gehen auch die Norweger mit winzigen Schlauchbooten an Land, so dass der Strand gut bevölkert ist. Aber wir müssen eh weiter.
Wir diskutieren kurz ob wir im oder gegen den Uhrzeigersinn um Blomstrandhalvøya herumfahren wollen. Nico hat eher Bedenken, dass uns das Benzin ausgehen könnte oder dass wir wieder Probleme mit dem Ölstand bekommen könnten. Das sind natürlich keine wirklichen Gründe unsere heutige Expedition abzubrechen. Letztlich entscheiden wir uns für den Uhrzeigersinn! Die Fahrt ist sehr angenehm, weil wir von der Dünung im Fjord angeschoben werden und dementsprechend zügig vorankommen. Der Blomstrandbreen ist unser Ziel. Mit jeder Minute kommt er näher. Und mit jeder Minute wird er beeindruckender. Und die Fahrt im Uhrzeigersinn liefert deutlich bessere Aussichten, als in umgekehrter Richtung. Die umliegenden steilen Berge sind schroff und dunkel und bilden einen tollen Kontrast zum Eis des Gletschers, das in den unterschiedlichsten Blau- und Weißtönen in der Sonne leuchtet. Denn Sonne haben wir nun! Der Himmel hat sich innerhalb einer Stunde von wolkenverhangen bis strahlend blau verändert und wir genießen dieses tolle Wetter.


Zwischen Eisbergen hindurch geht es nach einer kurzen Tankpause weiter in Richtung Untersuchungsgebiet. Der Fjord ist nun völlig glatt und es ist schön, wie sich die Eisberge darin spiegeln. Ich muss zwar Slalom fahren aber es ist kein Problem, den Eisbergen und Eisschollen auszuweichen. Aber konzentrieren muss ich mich schon. Deshalb sehe ich auch die große Robbe nicht, die faul auf einem Eisberg in der Sonne liegt. Wirklich beeindruckend, wie groß und schwer diese Tiere werden können. Ich drehe ein Runde mit dem Boot, damit die anderen gute Fotos machen können. Die Robbe hebt nur gelangweilt den Kopf, macht aber keine Anstalten ins Wasser gleiten zu wollen. Wow, das war schon ein besonderes Erlebnis. Ebenso ein Erlebnis sind die absolut fantastischen Ausblicke auf die Kronebreen und Kongsvegen Gletscher. Aus dieser Perspektive haben wir sie ja noch nie gesehen und wir können nun erahnen, wieviel größer sie tatsächlich sind als der Teil, den wir sonst zu Gesicht bekommen. Uns verwundert z.B., dass sich die Gletscher hoch über uns hinter den Bergen auftürmen. Das ist ein einzigartiger Blick, speziell wenn man in einem kleinen Motorboot nur knapp über der Wasseroberfläche sitzt.
Auf unserer Fahrt ins Untersuchungsgebiet kommen wir anfänglich gut voran. Mit der Zeit wird das Eis aber immer dichter um uns rum und in der Mitte des Fjords ist es schließlich so eng gepackt, dass wir nicht mehr gegen die Treibrichtung des Eises fahren können. Stattdessen lassen wir uns im Leerlauf mit dem Eis treiben und fahren mehr oder weniger im Standgas in den Bereichen, wo das Eis etwas mehr Spielraum zum Manövrieren zulässt. Ernst und Mike schieben mit dem Bootshaken und einem Paddel die Eisberge aus dem Weg, die sich so bewegen lassen. Um die größeren muss ich es irgendwie schaffen herum zu kommen. Gar nicht so leicht, denn je langsamer ein Boot ist, desto schwieriger lässt es sich manövrieren. Nur für Geschwindigkeit ist hier kein Platz! In ca. 50 m Entfernung von uns bricht krachend ein großes Stück eines noch größeren Eisbergs ab und Tonnen von Eis kommen damit in Bewegung. Nur gut, dass wir weit genug weg waren. Das ist aber kein Zufall, denn beim Suchen einer Fahrrinne habe ich es schon so geplant, immer einen respektablen Mindestabstand zu halten. Wir kämpfen uns gute 15-20 Minuten durch das dichte Eisfeld als wir auf der anderen Seite freies Wasser sehen. Und nach ein paar weiteren Minuten haben wir es geschafft. Das Team hat super zusammengearbeitet und wir sind stolz, dass wir keinen einzigen Eisberg gerammt oder den Propeller beschädigt haben. Aber ein Abenteuer war es schon und ich bin ehrlich gesagt sehr erleichtert, als wir wieder aus dem Eis raus sind. Hätte der Wind aufgefrischt, hätte es schnell unangenehm werden können. Nun können wir auch nachdenken, ob wir weiter versuchen zum Untersuchungsgebiet zu fahren oder lieber in Richtung Corbel. Wir entschließen uns für das Untersuchungsgebiet, denn bei der Südwindlage sollte das Eis eigentlich auf dieser Fjordseite vom Ufer wegtreiben, so dass die Gefahr, dass wir vom Eis eingeschlossen werden, eher gering ist. Die Fahrt zum Untersuchungsgebiet verläuft denn auch eisfrei, zügig und ohne jedes Problem. Gleiches gilt für das Ankern.
Am Strand machen wir uns für den Aufstieg bereit, Ernst, Nico und ich gehen schon voraus während Andreas und Mike mit dem LIDAR-Gerät nachkommen. Von unserem Untersuchungsgebiet aus wird schnell klar, dass wir durch das dichteste Eis im ganzen Fjord geschippert sind. Die gute Nachricht ist aber auch, dass das Eis, wie gedacht, vom Strand wegtreibt. Ich mache mir noch Notizen und natürlich 25 Millionen Bilder von den unterschiedlichen Erosionsstrukturen. Mike hat großes Glück, denn eine seiner Zeitraffer-Kameras steht unmittelbar an einer Abbruchkante und droht in den Schlamm zu stürzen. Ernst und ich machen noch schnell ein paar Bilder der prekären Position der Kamera. Dann beeilen wir uns aber die Kamera zu retten, denn keiner von uns will Mike erklären müssen warum wir Fotos gemacht haben, anstatt die Kamera zu sichern. Was vorher toll war, wird jetzt zum Nachteil: Der Wind ist viel zu schwach, um eine Befliegung des Untersuchungsgebietes mit unserem Drachen durchführen zu können. Wir müssen uns also auf die Pole-Bilder beschränken, die Nico routiniert macht. Ernst baut inzwischen einige der Zeitraffer-Kameras ab. Ich beschäftige mich mit dem Abbau der Daten-Logger. Leider hat Mike seinen Computer nicht mitgebracht, so dass ich die Daten nicht sofort auslesen kann. Ich hoffe nur, dass es kein Problem macht, wenn man die Sensoren vom Logger trennt. Man wird sehen – ändern kann ich ja momentan sowieso nichts. Auch den letzten Langzeitlogger in 30 cm Tiefe kann ich leider nicht auslesen, weil mein altes Handy, das sich mit den Loggern verbinden kann, in Ny Alesund liegt. Ich bin solch ein Trottel! Als letztes baue ich noch meine eigene Zeitraffer-Kamera ab. Ein erster Blick darauf zeigt, dass das letzte Bild gerade erst gemacht wurde, Es scheint also alles funktioniert zu haben. Die letzten Markierungspunkte und Fähnchen sind auch schon eingesammelt und nachdem wir noch ein Panorama von unserem langjährigen Beobachtungshügel gemacht haben, laufen wir zum Strand hinunter. Damit ist die Feldarbeit für dieses Jahr abgeschlossen. Sie verging wieder viel zu schnell!
Uns stellt sich nun folgende Frage. Wir haben ja alle Arbeiten bereits heute abgeschlossen und könnten eigentlich direkt nach Ny Alesund zurückfahren. Alternativ könnten wir wie geplant in Corbel übernachten. Die Entscheidung fällt 3:1, mit einer Enthaltung, für Corbel aus. Bei diesem absolut gigantischen Wetter ist das sicher eine gute Entscheidung.
Andreas kocht uns Nudeln mit Thunfisch-Sauce und wir langen kräftig zu. Eine besonders angenehme Überraschung ist, dass wir heute sogar zwei Bier pro Mann und Nase zur Verfügung haben.
Das Resümee des Tages fällt also eindeutig aus. Bis auf die Haferflocken zum Frühstück war dies ein genial guter und interessanter Tag. Oder soll ich sagen genial sauguter Tag? Oder super grandioser Tag? Egal wie man es nennen will, wir haben heute viele neue Dinge kennengelernt und das Wetter hätte nicht schöner dafür sein können. Carolyn schickt mir am Abend per WhatsApp die Nachricht, dass es heute in Longyearbyen wärmer war als in Münster. Verrückte Welt! Heute war also einer dieser magischen Tage in der Arktis, an denen alles einfach perfekt ist und sich die Begeisterung kaum in Worte fassen lässt. Jeder, der vor einem großen Gletscher mit seinen tausenden Spalten in einem kleinen Motorboot sitzt, wird demütig. Die Natur hier ist einfach nur grandios! Ohne Wenn und Aber! Ich bin super froh, dass wir die Bootstour um Blomstrandhalvøya herum unternommen haben. Solche Erlebnisse graben sich einem tief in die Erinnerung ein! Schade nur, dass solche Tage nur 24 Stunden haben. Aber auch für morgen ist gutes Wetter angesagt! Mal schauen, was der morgige Tag so zu bieten hat! Aber eigentlich ist es schon der nächste Tag. Denn um kurz nach Mitternacht stehen wir im prächtigsten Sonnenschein vor der Hütte und trinken unser letztes Bier. Der nächste Tag beginnt also mindestens genauso gut wie der alte Tag aufgehört hat. Bravo!

Fotos

„London“ heute
„London“ heute
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  • Waghalsiger Verladekran
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  • Kaum waren wir auf Blomstrandhalvøya angekommen, wurde ich auch schon beschimpft
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  • Die Bucht mit Ausblick auf die Kvadehuksleta Halbinsel
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  • Alter Herd
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  • Alter Damenschuh
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  • Die Hütte des Sysselmesteren
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  • Die Eingangstüre zur zweiten Hütte
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  • Die Kessel, deren Nutzung uns unklar ist
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  • Schöner Schrott – Teil 2
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  • Die Konservenbüchsen haben ihre beste Zeit hinter sich
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  • Sorry Carolyn! Dieses Herz war zu groß, um es mitzubringen
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  • Kran auf ein paar Meter Schienen
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  • Die Abbaugrube des Marmors
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  • Eis und Felsen
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  • Farbenspiel
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  • Chaos
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  • Das SPLAM-Team auf Erkundungstour
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  • Der Blomstrandbreen
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  • Eismassen
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  • Einer der Seitenarme des Kronebreen-Gletschers
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  • Kratzspuren, die durch die Gletscherbewegung entstanden
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  • Mikes Kamera steht gefährlich nahe am „Abgrund“
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  • Kreuzfahrtschiff vor dem Kronebreen-Gletscher
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  • Der Kongsvegen-Gletscher
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  • Mike und unser Gepäck
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  • Interessanter Gesteinsbrocken
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  • Eine faule Bartrobbe
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  • Dichtes Eis vor dem Kronebreen-Gletscher
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13.7.2025

Kaiserwetter – Super Tag! So lautet meine Kurzzusammenfassung des heutigen Tages. Nach langen Tagen mit schlechtem Wetter war heute endlich Wohlfühlwetter. Bereits vor dem Brunch scheint die Sonne und als ich um kurz vor 10:00 Uhr vor die Türe trete ist es angenehm warm. Da hilft es natürlich auch, dass eher weniger Wind ist. Während ich mir den Brunch mit frischen Pfannenkuchen, Räucherlachs, Krabben, Rühreiern und meiner geliebten Tasse Kaffee schmecken lasse, schweift der Blick durch die Fenster der großen Glasfront der Kantine auf dieses einzigartige Panorama des Kongsfjorden. Immer wieder ein Genuss und ganz großes Kino!
Mit Marek hatten wir gestern schon die Waffenausgabe vereinbart und als ich mit dem Vervollständigen meines Feldbuchs fertig bin und mich für den Tag fertig gemacht habe, kommt Mike A. durch die Eingangstüre des Blauen Hauses. Auch er wartet auf Marek und Marten Loonen gesellt sich ebenso in die Schlange der Waffenausgabe. Das elektronische Logbuch habe ich schon vorher ausgefüllt. Ich laufe zum Rabot-Gebäude um zu sehen, wie weit die anderen mit ihren Vorbereitungen sind. Der Plan ist ja, die Bayelva-Station mit dem LIDAR zu scannen. Nico und Andreas ziehen es vor in Ny Alesund zu bleiben, aber mich drängt es bei dem schönen Wetter nach draußen. Ernst geht es ebenso. Mike braucht noch ein paar Minuten, um seine ganze LIDAR-Ausrüstung zu verpacken. Das gibt Ernst noch genügend Zeit einen Tee zu kochen und mir die Zeit mich noch kurz aufs Sofa zu legen. Mike hat sich bereits ein Fahrrad mit Anhänger organisiert, um seine schwarze Kiste einfach transportieren zu können. Ich funke Marek an und teile ihm mit, dass nur drei von uns ins Gelände gehen werden und dass wir nach Möglichkeit gerne Fahrräder hätten. Wir können die Fahrräder „Fred“ und „Olivier“ nehmen.
Am Ortsausgang lade ich das Gewehr teil, dann geht es den langen geraden Anstieg hoch in Richtung Tvillingvatnet. Mit dem Fahrrad war das noch nie ein Vergnügen und auch heute muss ich kräftig in die Pedale treten, um den Hügel hochzukommen. Bei der Abzweigung zum großen Wettermast parke ich mein Fahrrad. Ernst und Mike fahren mit ihren noch weiter bis zum Mast. Auf dem Weg dorthin kommen wir an einem alten abgebrannten Haus vorbei. Im Wesentlichen sind nur ein altes rostiges Bettgestell, ein Holzofen, ein paar angekohlte Bretter und ein paar Kleinteile übriggeblieben. Trotzdem finde ich, dass dieser „Schrotthaufen“ ein sehr schönes Fotomotiv abgibt, vor allem vor der grandiosen Kulisse der Gletscher und des Fjords. Es ist wirklich erstaunlich, wieviel spektakulärer die Landschaft ist, wenn die Sonne scheint und sich die Berge und Gletscher vor einem klaren blauen Himmel deutlich absetzen. Klar, dunkle Wolken sind auch manchmal interessant, aber im Vergleich zum heutigen Sonnentag, sind die Farben trüber und einheitlicher. Das macht es für das Auge vermutlich weniger spannend und damit auch weniger beeindruckend. Aber das ist natürlich nur meine Theorie. Was auch immer der Grund sein mag, ich freue mich heute darüber, schöne Fotos machen zu können. Dementsprechend macht es heute auch sehr oft „klick“. Ich fotografiere auch mit dem Handy und mit der Makroeinstellung lassen sich auch die kleinen arktischen Blumen sehr gut ablichten.
Von der Wetterstation ist es nur ein Katzensprung bis zur Bayelva-Station. Mike stellt zunächst seine DGPS-Station auf, Ernst erkundet die Gegend und ich stehe derweil Wache. Muss einfach sein, auch wenn es seit ein paar Tagen keine Eisbärsichtungen mehr gegeben hat. So sehe ich auch schon von weitem, dass sich uns vier Personen nähern. Wir kommen mit ihnen ins Gespräch und sie sind auf einem Segelboot unterwegs, In drei Monaten segeln sie von Island über Spitzbergen bis Grönland. Das könnte mir auch gefallen. Wie es der Zufall will, sind es Schweden aus Göteborg, der Heimatstadt von Andreas. Schade, dass er heute nicht dabei ist. Wir erklären ihnen den Weg zum Austere Brøggerbreen-Gletscher und widmen uns dann unserer Arbeit. Für den kurzen Ausflug haben die Schweden einen Gaskocher und Topf mitgebracht und kochen sich erst einmal einen Tee.
 

Mike scannt den gesamten Hügel ab, während Ernst und ich damit beschäftigt sind, die Landschaft zu genießen und Fotos von Gletschern, Bergen, dem Fjord, Blumen, Ny Alesund, und Rentierscheiße zu machen. Ich denke, die Blumen genießen die Sonne ebenfalls, denn sie strahlen in all ihrer Pracht um die Wette. Erstaunlich ist auch wie viele unterschiedliche Arten von Kot Rentiere produzieren können. Von kleinen cm-großen einzelnen Kötteln, bis zu massiven Würsten. Sehr interessant! Aber natürlich haben wir unsere Augen nicht nur auf den Boden gerichtet. Das knallrote Wasser des Bayelva-Flusses z.B. ist immer wieder frappierend und wirkt komplett unnatürlich. Als wir es uns genauer ansehen, entdecken wir eine alte Kernbohrung. Um die Borstelle herum liegen jede Menge Sandstein- und Konglomerat-Bohrkerne, einige davon sind sogar feinsäuberlich in Bohrkisten verpackt. Ernst und ich wundern uns, warum hier jemand gebohrt hat, dann alles in Holzkisten verpackt und sie schließlich in der Landschaft liegen lässt, damit sie vergammeln. Für uns ist das jedenfalls ein absoluter Glücksfund. Denn das Bohrgestänge ist fest im Sandstein verankert und somit ein stabiler Referenzpunkt auf den wir uns beziehen können, um zu sehen ob und wie sich die Landschaft hebt oder senkt. Solche Punkte zu haben ist für unsere LIDAR-Messung sehr gut und verbessert die Genauigkeit unseres Höhenmodells. Natürlich nehme ich auch die GPS-Koordinaten dieses Punktes. Interessant sind auch die vielen kleinen Hügelchen von ca. 1 m Durchmesser, die ähnlich wie die Steinkreise durch ständiges Gefrieren und Tauen entstehen. Sobald sie an leichten Abhängen auftreten, sieht man, dass das Material hangabwärts gleitet.
Nach mehr als einer Stunde ist Mike mit dem Scan fertig und wir können unser nächstes Ziel für heute ansteuern. Wir wollen zu dem kleinen Hügel laufen, an dessen Fuß sich Steinkreise befinden, die wir seit Jahren fotografieren und von denen Nico und ich vor Jahren versuchten im Schnee Radarprofile zu generieren. Es ist nur ca. 20-30 Minuten Fußmarsch dorthin, aber Mike beklagt sich darüber. Ist auch verständlich, denn während Ernst und ich mit relativ leichtem Gepäck unterwegs sind, hat Mike ja das nicht ganz so leichte LIDAR-Gerät auf dem Buckel.
Die Steinkreise haben sich auf den ersten Blick nicht sonderlich verändert. Ich denke, dass sich Veränderungen erst beim Vergleich der Bilder unterschiedlicher Jahre zeigen werden. Das bleibt also die Hausaufgabe, die Bilder aller Jahre herauszusuchen und zu vergleichen. Mike ist sichtlich geschafft und sitzt müde auf einem Stein, während Ernst und ich unsere Fotos machen. Ich habe auch die GoPro mitgebracht und mache einen „Überflug“ über die Steinkreise in 30 cm Höhe. Das muss sehr komisch ausschauen, denn Mike filmt mich dabei. Das veranlasst mich dazu einen Überflug über Mike einzubauen und am Ende lachen wir beide recht herzlich über unseren Unfug.


Über den Damm des Tvillingvatnet geht es anschließend zurück zur Wetterstation, wo Mike sein LIDAR auseinanderbaut und die Fahrräder abgeholt werden. Nachdem auch ich mein Fahrrad wiederhabe, geht es in rasanter Fahrt hangabwärts in Richtung Ny Alesund. So gefällt mir das schon viel besser! Ich entlade das Gewehr und melde mich bei Marek zurück. Im Blauen Haus werfe ich den Gewehrverschluss in den dafür vorgesehenen Safe und auch die Munition landet in einem zweiten Safe. Das Gewehr stelle ich in die Ecke und die Signalpistole nehme ich aus der Tasche, öffne sie und lege sie ins Regal. Noch schnell aus dem Logbuch austragen und schon sitzen wir bei einer Tasse Kaffee und einem Snack in der ansonsten leeren Kantine.
Da das Wetter so genial schön ist, zieht es mich noch an den Hafen hinunter, wo ein altes Passagierschiff an der Mole liegt. Gerade noch rechtzeitig, denn es legt gerade ab. Das Schiff ist ein echter Klassiker und ich könnte mir vorstellen, auf so einem Schiff auf eine Spitzbergenkreuzfahrt zu gehen. Wenn ich einmal zu alt bin, um hier in Ny Alesund Forschung zu betreiben. Ich glaube, dass das Schiff zu den Hurtigruten-Schiffen gehört, obwohl es nicht die typischen Farben hat. Zeitgleich legt ein etwas kleineres Kreuzfahrtschiff ab, so dass ich wirklich die vermutlich interessanteste Zeit des ganzen Tages am Hafen mitbekomme.
Aurianne ist mittlerweile auch wieder von ihrer Wochenend-Tour zurück. Sie ist bis zur Tyske Hytta marschiert, hat dort übernachtet und ist am nächsten Tag bis zur Jensebu-Hütte gelaufen. Für den zweiten Teil der Wanderung hat sie fast 12 Stunden gebraucht und fast hätte sie die Hütte nicht gefunden, weil sie etwas versteckt hinter zwei Felsen liegt.
So, langsam aber sicher geht ein richtig schöner Tag zu Ende. Meine Laune ist glänzend und der Wetterbericht für die nächsten Tage ist auch sehr gut, so dass wir zumindest ein paar Tage schönes Wetter in dieser Saison mitbekommen. Jedenfalls drücke ich uns die Daumen dafür, denn morgen wollen wir über den Fjord zur Blomstrandhalvøya-Insel fahren. Dort gibt es eine verlassene Marmormine, ein paar verfallene Hütten namens „London“ und eine fast viereckige Bucht, die bei Seglern sehr beliebt zum Ankern ist, weil man dort außer bei Südwind gut geschützt liegen kann. Wir waren noch nie dort und haben all dies noch nie gesehen. Ich freue mich schon jetzt darauf! Anschließend werden wir uns den Blomstrandbreen-Gletscher anschauen, bevor wir in unser Untersuchungsgebiet am Kongsvegen-Gletscher fahren und abends in der Corbel-Station übernachten werden. Dazu brauchen wir gutes Wetter, sonst fällt unser Masterplan leider ins Wasser.

Fotos

Die alte Kohlewäscherei. Irgendwie passt sie nicht so richtig hierher
Die alte Kohlewäscherei. Irgendwie passt sie nicht so richtig hierher
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  • Blumen!
  • Der Zeppelinfjellet thront über der Landschaft
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  • Auch Pilze gibt es im kurzen Sommer
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  • Ja, es gibt auch Mücken hier
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  • Zur Abwechslung mal ein Selfie
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  • Leuchtend gelbe Flechten
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  • Ausblick auf das Fjordende mit Kronebreen-Gletscher und Coletthogda
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  • Ny Alesund im Sonnenschein
  • Steinbrech in Großaufnahme
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  • Abgebranntes Haus – der Ofen und das Bettgestell haben überlebt
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  • Antennen vor gigantischer Landschaft
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  • Der Wettermast nahe Ny Alesund
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  • Der Zeppelinmast
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  • Sandstein mit Verwitterungsrand
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  • Olssonfjellet: Noch nie zuvor war der Gletscher nicht schneebedeckt
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  • Ny Alesund erscheint winzig in dieser Landschaft
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  • Der Vestere Brøggerbreen umfließt den Kloten Berg
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  • Rentier Nummer 265
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  • Mike scheint das Rentier nicht zu beunruhigen
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  • Das rote Wasser des Bayelva Flusses
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  • Kiste mit Bohrkernen
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  • Kleine Erdhügel, die durch das Tauen und Gefrieren des Bodens entstehen
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  • Der Beweis: Ernst am Telefon!
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  • Die Steinkreise am Fuß eines kleinen Hügels, die wir seit Jahren beobachten
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  • Ernst hat den Gipfel erreicht
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  • Mike braucht eine Pause. Er ist 11 km mit dem LIDAR auf seinem Rücken gelaufen
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  • Auf dem Damm des Tvillingvatnet
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  • Die Thiisbukta. Im Hintergrund das rote Wasser der Bayelva mischt sich mit dem Fjordwasser
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12.7.2025

Samstag - Brunch Time! Nachdem ich gestern Nacht noch bis 2:00 Uhr an der Fertigstellung des Blogs der letzten Tage gearbeitet habe, tut das Ausschlafen heute besonders gut. Brunch gibt es nämlich erst ab 10:00 Uhr. Es gibt auch keinen wirklichen Grund früher aufzustehen. Mein Zimmergenosse ist dieses Wochenende zur Tyske Hytta gelaufen, so dass ich das gesamte Zimmer im Blauen Haus für mich habe. Ich kann also tun und lassen was ich will und dazu gehört faul im Bett zu liegen und ganz langsam wach zu werden. Aber um 9:56 Uhr bin ich pünktlich in der Kantine. Man will ja auf keinen Fall etwas verpassen! Der Brunch ist wie immer sehr umfangreich in Angebot und Menge und bietet für jeden etwas. Wir langen ordentlich zu und ich habe mit Max ein nettes Gespräch über das Segeln im Allgemeinen und auf dem Chiemsee und Staffelsee im Speziellen. Auslöser für dieses Gespräch war, dass Anna-Sabrina heute ihren ersten Tag in der Segelschule am Aasee in Münster hat, um ihren „Sportbootführerschein Binnen“ zu machen.
Maarten Loonen berichte ich, dass ich zum Vogelbeobachter geworden bin. Denn als ich gestern mit meiner Familie telefonierte, hat ein ganzer Haufen von Gänsen mit ihren Jungen auf der Grünfläche vor dem Rabot-Gebäude Station gemacht, um zu fressen. Alle Tiere sind wild durcheinander gelaufen. Ein einziges Chaos. Und Geschnattere natürlich. Interessanter wurde es dann aber, als ein Polarfuchs aufgetaucht ist. Binnen weniger Sekunden ist in den wilden Haufen Organisation gekommen. Die erwachsenen Tiere, immer 4-6 Stück haben sofort mehrere „Wagenburgen“ gebaut mit den erwachsenen Gänsen am Rand und den Jungtieren im Zentrum. Alle haben ihre Flügel gespreizt und eine Gans ist mit ausgebreiteten Flügeln auf den Fuchs zugelaufen. Dann ist eine andere Gans aus einer zweiten Wagenburg auf den Fuchs zugelaufen, so dass er den Eindruck hatte von mehreren Seiten gleichzeitig angegriffen zu werden. Er unternahm zwar ein paar halbherzige Versuche an die Jungen zu kommen, aber die Gänse verteidigten sie vehement. Nach drei Versuchen gab er schließlich auf und lief davon. Ähnlich schnell wie sich die Wagenburgen gebildet hatten, lösten sie sich auch wieder auf und kaum war der Fuchs weg, herrschte wieder Chaos. Das war wirklich beeindruckend zu sehen, mit welcher Strategie die Gänse ihre Jungen verteidigen und wie furchtlos sie dabei vorgehen. Maarten sagt mir, dass er ein solches Verhalten in seiner ganzen Karriere bisher nur einmal beobachten konnte. Ich wünschte, ich hätte einen Film davon drehen können, aber bis ich mein Handy während dem Gespräch in den Kameramodus brachte, war auch schon wieder alles vorbei. Aber im Kopf habe ich die Bilder zumindest abgespeichert!
Der Tag heute ist wie Honig. Zähflüssig! Wir haben ein paar Kleinigkeiten aufzuarbeiten und ansonsten kein größeres Programm geplant. Eigentlich wollten wir die Bayelva-Station mit dem LIDAR abscannen, wie wir es schon letztes Jahr gemacht haben, aber ab und zu leichter Regen verlockt uns dann doch dazu, lieber in Ny Alesund zu bleiben. Ernst arbeitet an zwei Vorträgen. Einen davon wird er hier am kommenden Dienstag präsentieren. Denn am Dienstag gibt es immer wissenschaftliche Vorträge der unterschiedlichsten Forschergruppen und dieses Mal sind wir an der Reihe. Nico prozessiert parallel dazu schon die ersten Höhenmodelle von unserer Erosionsstruktur. Andreas ist auch an seinem Computer beschäftigt und Mike und ich sind in der Werkstatt tätig, um die Schäden der letzten Tage möglichst gut zu reparieren. Ich habe mir vorgenommen die Kameraaufhängung für den Drachen zu reparieren, die beim Absturz leider etwas gelitten hat. Diese Aufhängung ist ein eher kompliziertes Gebilde aus einem dünnen Seil und vielen Umlenkrollen, die dazu dienen sollen, die Kamera möglichst stabil zu halten. Manchmal gelingt das auch. Nun sind die Seile irgendwie durcheinander gekommen, so dass das gesamte Gebilde nicht mehr richtig seine Arbeit tun kann. Ich google ca. 30 Minuten nach einer Gebrauchsanweisung, werde aber nicht fündig. Also muss es ohne gehen. Mike schaut mir für fünf Minuten zu, googelt erneut und zeigt mir eine perfekte Gebrauchsanweisung. AAARRRGGGHHHH!!!!!
Teil eins der Reparatur ist somit in 15 Minuten erledigt. Die abgerissene Leine ist ein Kinderspiel zu reparieren. Teil zwei erledigt. Schließlich schaue ich mir noch die Führungsleinen des Drachen an, die ebenfalls durch die zwei Abstürze komplett verheddert wurden. Auch das ist eine einfache Reparatur. Teil drei erledigt. Wir sind wieder flugfähig!
In unserer Essenskiste haben wir für den Rücktransport auch einen größeren Müllsack untergebracht, der natürlich geleert werden will. Das ist immer eine Aufgabe wo die Schlange der Freiwilligen nicht gerade lang ist. Denn der gesamte Müll befindet sich ja in einem Sack, muss aber in Ny Alesund säuberlich getrennt entsorgt werden. Da gibt es Plastik, Weißblech, Alu, Papier, Pappe, Glas, Bio und Restmüll. Ich finde zum Glück blaue Einweghandschuhe und mache mich an die Arbeit. Wer jetzt denkt, dass Teebeutel in den Biomüll gehören, liegt damit falsch. Restmüll! Nach 20 Minuten ist alles erledigt und selbst das kleinste Fitzelchen Plastik ist irgendwann auch im Plastikcontainer gelandet. Als letztes fliegen die Handschuhe hinterher. Aufgabe Nummer vier ist somit Vergangenheit.
Um 15:00 Uhr lockt uns der Duft von frischen Zimtschnecken in die Kantine. Kaffee und die Schnecken sind ein willkommener Anlass, dass wir alle aus unseren Löchern kommen. Auch Mike A. und Max gesellen sich zu uns. Ein richtig schöner Kaffeetratsch, quasi! Bei der Gelegenheit erzählt Ernst, dass er sich die Telegraphenstation angeschaut hat. Jetzt kommen wir all diese Jahre hier her nach Ny Alesund aber ich bin immer schnurstracks an dem kleinen hellblauen Gebäude vorbeigelaufen, ohne jemals groß Notiz davon genommen zu haben. Das kann natürlich nicht angehen! Darum hole ich schnell meine Kamera und begebe mich dann auf direktem Weg damit zur Telegraphenstation. Die Station wurde immer wieder erweitert und das gesamte Gebäude wurde auch versetzt. Zudem war ursprünglich auch eine Unterkunft für die Familie des Telegraphisten darin untergebracht. In dem Gebäude befindet sich heutzutage ein kleines Museum, das die Geschichte der Station zeigt. Sehr schön finde ich die kleinen Modelle der jeweiligen Stationen mit kleinen Einrichtungsgegenständen bzw. Möbeln. Das macht die Stationen viel lebendiger und erfahrbarer als nur Grundrisse zu zeigen. Zudem sind sie auch sehr schön und detailgenau ausgeführt. Die Telegraphenstation war insbesondere zu Zeiten der großen Nordpol-Expeditionen und während der Zeiten des Bergbaus in Ny Alesund von besonderer Bedeutung, um z.B. die Erträge der Mine zu übermitteln. Vor Inbetriebnahme musste man zu Fuß bzw. mit Hundeschlitten bis nach Longyearbyen reisen, was natürlich im Winter nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich war. Mit Ende des Bergbaus im Jahre 1962 verlor die Station dann zunehmend an Bedeutung und 1984 wurde ihr Betrieb komplett eingestellt.
Natürlich muss ich auch meine Hafenrunde drehen. Das letzte Kreuzfahrtschiff hat eben den Hafen verlassen und steuert in Richtung Krossfjorden. Auf der gegenüberliegenden Seite wartet bereits das nächste Kreuzfahrtschiff. Es scheint allerdings recht groß zu sein, so dass es vielleicht gar nicht in Ny Alesund anlegen darf. Ansonsten sind im Hafen ein paar größere Segelyachten vertäut, die ruhig vor sich hindümpeln, weil nur ein ganz leichtes Lüftchen weht. Auch ist es jetzt am späten Nachmittag angenehm warm und ab und an spitzt die Sonne durch die Wolken. Ich schaue mir auch die Baustelle am Hafen an, wo das Kliff abgetragen wird, um Platz für die Ausrüstung des Marine-Labors zu schaffen. Der oberste Meter ist durch die Frostsprengung deutlich mehr beansprucht als das tieferliegende Gestein und einige schöne Störungen durchziehen das Gestein.
Louis, der Observatorium-Ingenieur, ist auf einem Fat-Bike unterwegs und lässt sich dabei von einem Husky ziehen. Viel besser als Elektroantrieb! Und noch nachhaltiger! Obwohl, wenn ich mir die CO2 Emissionen eines rennenden Huskies so betrachte…
Lange kann ich mir aber darüber keine Gedanken machen, denn es geht rapide schnell auf das Abendessen zu. Die erfahrenen Blog-Leser wissen bereits, dass das Abendessen am Samstag immer etwas Besonderes ist. Die Tische sind dann fein eingedeckt mit Servietten und Gläsern und man darf seinen eigenen Wein oder sein Bier mitbringen. Wenn ich es richtig gesehen habe, gibt es heute Hirschfilet. Ein Schokoladenmousse-Kuchen der besonders leichten Art macht dann auch jeden wirklich pappsatt. Das Allerbeste sind aber mehrere Belugawale, die vor unserem Fenster gemächlich den Fjord entlang ziehen. Zum Essen soll man sich auch entsprechend kleiden aber ich fürchte, ich tanze etwas aus der Reihe, denn ich habe lediglich drei unterschiedliche Outdoor-Hosen dabei aber keine Jeans. C‘est la vie! Ich vermute das Abendessen hat auch meinen Zimmermitbewohner wieder von der Tyske Hytta zurückgelockt, denn als ich vom Kaffee trinken zurückkomme, liegen seine Sachen auf dem Bett. Für mich bedeutet das, dass ich meinen Schlafsack wegräumen muss, den ich zum Auslüften über den kleinen Tisch gehängt habe. Aber sonst ändert sich nichts.
Mittlerweile ist die Sonne am Scheinen und es herrscht endlich das Wetter, das wir uns für die Geopol-Hütte gewünscht hätten. Wir sitzen deshalb zumindest auf der Terrasse des Blauen Hauses bevor es in die Melageret-Bar geht. Dort gibt es heute einen Dress-Code. Singles tragen grüne Klamotten, wer gelb trägt hat ein kompliziertes Privatleben und wer rot trägt ist vergeben. Ich werde also mein knallgrünes PANGAEA-Fleece heute nicht tragen, um keine falschen Signale zu senden.

Fotos

Die Telegraphenstation
Die Telegraphenstation
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  • Ofen in der Telegraphenstation
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  • Ausrüstung von einer bekannten Firma
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  • Eines der schönen Modelle der Telegraphenstation
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  • Arktischer Humor
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  • Das Observatorium des AWIPEV und die norwegische Station im Vordergrund
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  • Zahlreiche Messinstrumente sind auf einem Areal am Rande von Ny Alesund aufgestellt. Dieses Gebiet darf nicht von jedem betreten werden, um die Messungen nicht zu stören
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  • Die ehemalige Kohleeisenbahn
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  • Das Kreuzfahrtschiff hat den Hafen verlassen und dampft in Richtung Krossfjorden
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  • Das nenne ich mal eine Feuerschale! Da passen ganze Baumstämme rein. Genial!
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  • Andreas, Ernst und Nico genießen die ersten Sonnenstrahlen nach Tagen
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  • Der Schuttstrom, den ich bereits letztes Jahr fotografiert habe
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11.7.2025

Heute ist leider schon wieder unser letzter Tag in der Geopol-Hütte. Die letzte Nachricht die wir von Auriane gestern Abend bezüglich der Abholung erhalten haben, hat uns nur darüber informiert, dass sie uns heute kontaktieren wird. Wir wissen also nicht genau, wann wir am Strand sein sollen. Gegen 6:00 Uhr werde ich wach aber das ist definitiv zu früh, um die anderen aufzuwecken. Damit macht man sich nur sehr wenige bis gar keine Freunde. Also drehe ich mich noch ein paar Mal um, bis es schließlich kurz vor 8:00 Uhr ist. Ich fange einfach schon an meine Sachen zu packen. Mal schauen, wie lange es dauert bis jeder durch mein Packen wach wird. Ernst ist kurz nach 8:00 Uhr der Erste, gefolgt von Nico, Mike und schließlich Andreas.
First things first! Frühstück! Wie jeden Tag richte ich die Teller, Löffel, Tassen auf dem Tisch zurecht und koche Wasser. Eigentlich kocht heute Ernst das Wasser, weil er den großen Wasserkessel mit frischem Wasser auf unseren 2-Flammen Kocher stellt. Beim Frühstück geschehen eigenartige Dinge. Nachdem jeder eine Nudelsuppe verdrückt hat, bleiben die letzten zwei Suppen doch tatsächlich übrig! Dafür muss hier noch die Kreativität von Andreas und Nico erwähnt werden, die Frühstücksfleisch und Mayonnaise in ihre Suppe geben. Sehr interessante Kombination! Ich esse mein Frühstücksfleisch lieber auf den restlichen Scheiben Knäckebrot mit Senf. Mike gewinnt den Schönheitspreis, denn auf dem Knäckebrot folgt erst eine Lage Mayonnaise, dann eine Scheibe Frühstücksfleisch und oben Tupfen von Tomatenmark. Dazu trinke ich meine Geheimwaffe, 8-Kräutertee, den ich auch immer im Kleinwalsertal in meiner Thermoskanne habe, wenn es auf Exkursion mit Studenten geht.
Bevor wir abgeholt werden, müssen wir noch einige Dinge erledigen. Nico sammelt z.B. die letzten Markierungsfähnchen von den Steinkreisen 1-3 ein, die wir gestern nicht mehr angelaufen sind. Auch sucht er die Markierungstafel „102“, die wir gestern nicht aufgesammelt haben. Aber auch heute bleibt sie verschwunden, was Nico doch etwas ärgert. Ernst und ich schauen uns noch die Steinkreise an, die vor vielen Jahren von Kääb untersucht wurden. Glücklicherweise liegen sie keine 100 m von der Geopol-Hütte entfernt. Die Markierungsstifte sind noch immer sichtbar und wir machen Fotos von ihnen.
Per InReach informiert uns Auriane, dass sie um 13:30 Uhr mit zwei Booten zum Strand kommen werden, um uns abzuholen. Der Wind steht günstig und ist deutlich schwächer, als gestern vorhergesagt wurde. Wir sind also guter Hoffnung, dass die Abholung funktioniert.
Bis dahin muss natürlich noch die Hütte geputzt werden! Ernst ist der Weltmeister im Abspülen, ich sammle den ganzen Müll und verstaue das wenige Essen, das uns noch geblieben ist. Mein Bett ist ja schon fertig, d.h. die Matratze ist aufgestellt, so dass sie nicht schimmeln kann. Der Schlafsack und meine restliche Ausrüstung ist in meinen Rucksäcken bzw. in Trockensäcken verstaut. Ich bin also abmarschbereit! Bis auch die anderen soweit sind, staple ich die zwei großen Alukisten in einen Wagen und schnalle sie zusammen. Obendrauf kommt noch das Stativ des DGPS. Im zweiten Wagen verstaue ich Mikes blaue Kiste und sein Stativ, meinen Tagesrucksack samt Schlafsack und jede Menge anderer Schlafsäcke. Gott sei Dank müssen wir den Generator nicht wieder zum Strand bringen. Mike A. wird ihn nächste Woche brauchen, wenn er mit Max und Katie in der Hütte übernachten wird. Auch drei Büchsen Bier lassen wir für sie zurück. Als letzte Tat verhängt Ernst die Fenster mit den Fensterläden und ich kehre die Hütte durch. Erstaunlich, wieviel Dreck sich dort in ein paar Tagen ansammelt. Dann heißt es für dieses Jahr Abschied von der Geopol-Hütte zu nehmen. Dieses Jahr war sicher besonders, weil wir aufgrund des schlechten Wetters keinen einzigen Tag auf unserer Sonnenbank sitzen konnten. Das war noch nie der Fall! Zwar hatten wir schon viele Tage mit Wind, der uns um die Ohren pfiff, aber gefühlsmäßig hatten wir noch nie so lange soviel Wind. Da ich den großen Wagen mit den zwei Kisten ziehe, bleibt nur ein kurzer Blick über die Schulter, um einen letzten Blick der Geopol-Hütte zu erhaschen. Dahinter türmen sich schon die nächsten schwarzen Wolken auf.
Mit Rückenwind und bergab zieht sich der Wagen deutlich leichter als andersherum. Wir machen gute Fortschritte und an der Stelle an der wir letztes Jahr den Eisbären gesehen haben sehen wir dieses Jahr genau nichts. Ein paar hundert Meter weiter, fast schon am Strand, sehen wir Mike A und seine Truppe beim buddeln. Einer steht brav Wache auf einem kleinen Hügel, die anderen zwei arbeiten. Natürlich schauen wir uns das Loch an, das sie direkt neben einer Paläo-Lagune ausheben. Bei ca. 80 cm erreichen sie die Oberseite des gefrorenen Bodens. Der Aushub besteht ausschließlich aus tonig-schluffigem Material, das eine schwache Schichtung mit Lagen unterschiedlicher Färbungen aufweist. Mal etwas rötlicher, dann grünlicher und auch gelblich-braun ist dabei. Im Vergleich zu unseren Grabungen an den Steinkreisen ist diese Stelle um ein Vielfaches leichter auszuheben, da sie keine Steine aufweist, die das Eindringen des Spatens fast unmöglich machen. Andererseits ist das sehr feinkörnige, wassergesättigte Material aber sehr schwer zu bewegen. Nach einer kurzen Runde Erfahrungsaustausch, müssen wir aber auch schon weiter zum Strand. Alles ist bereit und nach wenigen Minuten kommen auch schon die zwei Motorboote um die Ecke gebogen. Es ist Thomas auf „Sabrina“ und Auriane auf „Beluga“. Sie haben Überlebensanzüge und Schwimmwesten für uns dabei, die wir auch brauchen, um die Boote beladen zu können. Thomas hat sehr viel Erfahrung alleine mit Sabrina umzugehen und sein Ankermanöver ist erstklassig. Auriane macht ihre Sache ebenfalls gut und in Nullkommanichts ist die gesamte Ausrüstung und wir fünf auf die zwei Boote verteilt. Am Strand ist das Wasser sehr schön ruhig, weil wir auf der Lee-Seite der Halbinsel sind und dies erleichtert natürlich das Beladen.
Die Fahrt nach Ny Alesund ist ein Traum. Ruhiges Wasser, kein Regen und interessante Ausblicke. Die leichten Wellen und die Vollgasfahrt fühlen sich an, als wenn man auf einem Massagestuhl sitzt. Herrlich! Dementsprechend vergeht die Fahrt auch viel zu schnell. Ich schieße ein paar schöne Bilder von „Sabrina“ die in voller Fahrt neben uns herfährt. Sie ist einfach ein schönes und dabei auch sehr praktikables Boot!
Auriane fährt ein gutes Anlegemanöver und als ich ihr das sage, freut sie sich sichtlich. Das AWIPEV-Auto „Emily“ mit Marek am Steuer holt unser Gepäck vom Hafen ab. Wir gehen noch mit unseren Überlebensanzügen duschen, um das Salzwasser loszuwerden, bevor wir sie aufräumen. Dann geht es zur KingsBay Rezeption, um uns anzumelden. Es ist ein paar Minuten vor 15:00 Uhr und wir sind überpünktlich. Wer hätte das gedacht!
Das meiste Gepäck endet im Rabot-Gebäude, während ich meine zwei Trockensäcke mit ins Blaue Haus nehme. Nico und Ernst bringen die Gewehre und die Signalpistolen mit ins Blaue Haus. Das Waffenreinigen steht als Nächstes an. Das ist auch dringend notwendig, weil sie in der permanenten Feuchte der letzten Tage doch gelitten haben. Wie früher bei der Bundeswehr gibt es anschließend einen Waffenappell, den Auriane aber viel besser hinkriegt als alle Unteroffiziere an die ich mich erinnern kann. Letztlich ist sie mit unseren Reinigungskünsten zufrieden, was den direkten Weg in die Dusche ebnet. Als wir sagen, dass nun Duschen angesagt ist sagt sie nur „Mhm!“ und ich interpretiere das so, dass es offensichtlich auch nötig ist.
Und ja, die Dusche ist genial. Ich bleibe ein paar extra Minuten darunter und genieße das heiße Wasser. Als ich fertig angezogen bin und mich wieder wie ein Mensch fühle, ist es auch schon 16:34 Uhr. Die schmutzigen Klamotten werden schnellstens in das AWI-Fleece verpackt und mit Kondensstreifen an den Ohren bewege ich mich in Richtung Servicegebäude. Ich finde zwei freie Waschmaschinen, eine für meine Wollsachen und eine für den Rest, und schon stehe ich in der Schlange zum Essen. Heute gibt es Hamburger und hinterher Wackelpudding. Natürlich dürfen ein paar Hobnobs und Kaffee nicht fehlen. Dann noch schnell die Wäsche zum Trockenen aufhängen. Die anderen durchlaufen die gleiche Prozedur nur etwas zeitversetzt. Nach diesem anstrengenden Treiben kollabieren wir im Aufenthaltsraum des Rabot-Gebäudes, wo uns Nico von den letzten Abenteuern mit seiner Wohnung berichtet. Er hat nun einen neuen Vermieter und die Löcher zur Behebung seines Wasserschadens sind noch immer nicht verschlossen. Da hilft nur ein Genießer-Schluck aus der Talisker Skye Flasche. Schöne Rauch- und Torfnoten! Ich kann ihn empfehlen!
Abends telefoniere ich noch mit Carolyn und den Kindern. Heute war der letzte Schultag und es hat Zeugnisse gegeben. Beide Zeugnisse sind sehr gut ausgefallen aber es ist schon fast witzig, dass Anna-Sabrina in Musik eine 3 bekommen hat. Jeder, der sie jemals Klavierspielen hat hören, kann darüber nur lauthals lachen. Aber so ist das Leben! Leider ist auch Anna-Sabrinas Hamster „Watson“ gestern gestorben, was für uns alle recht überraschend kam. Sehr schade, denn Watson war irgendwie ein cooler Hamster! So komisch das jetzt klingen mag. Während ich mit meiner Familie telefoniere, kämpft sich Nico tapfer durch die letzten vier Tage Blog. Anschließend ist dringend eine Stärkung notwendig, die wir in der Kantine finden. Dort treffen wir auch Mike A., Max und Katie, die gerade beim Abendessen sind. Natürlich quatschen wir noch eine Weile über alle möglichen Themen, bevor wir uns in die Federn begeben.

Fotos

Die Steinkreise von Kääb unmittelbar bei der Geopol-Hütte
Die Steinkreise von Kääb unmittelbar bei der Geopol-Hütte
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  • Die Überbleibsel der Forschungsstation von Hallet aus den 80er Jahren
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  • Home, sweet home. Auch dieses Jahr war die Geopol-Hütte wieder von unschätzbarem Nutzen für uns
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  • Mein kleines Reich der letzten Tage. Alle Ausrüstung muss auf diesem kleinen Raum irgendwie untergebracht werden
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  • Aufenthaltsraum und Küche der Geopol-Hütte. Klein aber unendlich fein, wenn es draußen stürmt und regnet.
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  • Alles was das Herz begehrt
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  • Gruppenbild mit Dame. Von links: Ernst, Max, Mike A., Katie, Mike, Andreas, Nico
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  • Ein sehr schönes Loch. In einer Tiefe von ca. 80 cm ist der Boden gefroren. Der obere Teil ist seit ca. Mai bis in diese Tiefe aufgetaut.
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  • Zwei Seeschwalben
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  • Gymnastik vor dem Abflug
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  • „Sabrina“ ist schwer beladen
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  • Alles was das Herz begehrt
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  • Harry mit Mikes Eisbär und Wal auf der Schulter während er das InReach nach Informationen zur Abholung mit den Motorbooten checkt
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10.7.2025

6:30 Uhr Schnarchen aus allen Rohren, 7:30 Uhr Schnarchen aus allen Rohren, 8:30 Uhr Schnarchen wird weniger, die ersten Lebenszeichen kehren in die Hütte zurück. Ernst und ich sind die Ersten und fangen schon mit der Vorbereitung des Frühstücks an, während einer nach dem anderen aus dem Schlafsack steigt. Schwierige Geburt! Aber es wird vollbracht und bei der obligatorischen Nudelsuppe und Knäckebrot mit Leberwurst werden die Pläne für den Tag geschmiedet. Auch stellen wir fest, dass wir Ernst in den letzten Jahren immer unrecht getan haben. Was die Lautstärke des Schnarchens anbelangt wird er um Klassen von Nico geschlagen. Ernst ist dagegen bestenfalls ein laues Lüftchen. Wer hätte das gedacht!
Wir wollen heute mit dem LIDAR die zwei Profile scannen entlang derer wir die Bodenradar-Daten gewonnen haben. Das Gleiche gilt für die Befliegung mit dem Drachen. Und uns fehlen ja noch immer die Detailaufnahmen der Steinkreise 11 und 12. Und selbst Steinkreis 10 müssen wir nochmals besuchen, weil beim ersten Mal die Batterie der GoPro zu Ende war und es dort so geregnet hat, dass wir nicht alles erledigen konnten. Der Plan steht also, er muss nur noch umgesetzt werden.
Zur Befliegung mit dem Drachen ist der Wind leider nicht ausreichend. Zwar gibt es immer wieder Böen, die zum Fliegen ausreichen würden, aber dazwischen ist es manchmal recht windstill. Ernst und ich laufen bis zum großen Gesteinsaufschluss vor, der wie eine Burg aus der Umgebung ragt. Von dort hat man einen guten Überblick über mehr oder weniger das gesamte Gelände. Im Wasser des kleinen Sees direkt daneben steht ein Rentier bis zu den Knien im Wasser und macht einen eher missmutigen Eindruck. Glücklich scheint es jedenfalls nicht zu sein. Abgesehen von dem kalten Wasser wird es auch kontinuierlich von zwei Seeschwalben angegriffen. Bei jedem Angriff macht das Rentier einen Satz in der vergeblichen Hoffnung eine der Seeschwalben zu erwischen. Mike, Nico und Andreas laufen das kurze Radarprofil ab und Nico weist mit seinem GPS den Weg, um auch alle gestern ausgelegten Markierungspunkte mit im Scan zu haben.
Wir treffen uns alle am Gesteinsaufschluss wieder. Andreas und Mike machen sich nach einer kurzen Pause wieder an die Arbeit das lange Radarprofil zu scannen. Der Wind reicht noch immer nicht aus zum Fliegen des Drachens und so arbeiten Ernst, Nico und ich das restliche Programm ab. Wir besuchen die Steinkreise 10, 11, und 12, um unsere detaillierten Beobachtungen an den anderen Steinkreisen zu vervollständigen. Natürlich halten wir auch Ausschau nach Eisbären, die wir in diesem Gebiet in den letzten Jahren besonders häufig zu Gesicht bekommen haben. Wir beobachten wieder einige Veränderungen an den Steinkreisen, mal weniger, mal mehr. Viele unserer Markierungen am Steinkreis 12 sind mittlerweile völlig verschwunden aber zwei markierte Steinkreise sind doch noch für unsere Zwecke nutzbar.
Nur etwas weiter in Richtung Strand steht der Mast der Kvadehuken Wetterstation, die auch die Tiefe zum Permafrost misst. Die Fundamente dieser Station, die erst vor ein paar Jahren gebaut wurde, schauen heute um ca. 15 - 20 cm weiter aus dem Boden als zu dem Zeitpunkt als man sie betonierte. Da die Fundamente tief im Permafrost verankert sind, ist dies vielleicht ein Zeichen dafür, dass sich die ganze Landschaft senkt. Das ist sicher eine spannende Arbeitshypothese, die wir in den nächsten Jahren weiterverfolgen können.
Der Weg zurück zum Gesteinsaufschluss ist eher beschwerlich. Denn es weht mittlerweile ein kräftiger Wind, der schnell stärker wird. Auriane hatte uns ja mitgeteilt, dass der Wind aus SE von 7 m/s ab 14:00 Uhr auf 10 m/s auffrischen wird. Nun ist es 15:00 Uhr und der Wind fühlt sich bereits deutlich stärker an. Am Gesteinsaufschluss gibt es zunächst Tee und die Sonderedition „Pistazie“ der Firma, die die Schokolade in Quadraten praktisch verpackt. Ich muss sagen, mir schmeckt sie!
Dann machen wir den Drachen fertig. Ich habe zwar größere Bedenken wegen der Windstärke, aber wenn wir es jetzt nicht versuchen, dann vermutlich nie. Der Aufbau ist ja mittlerweile gut einstudiert und ist in wenigen Minuten erledigt. Auch der Start gelingt ohne Probleme. Ich freue mich schon! Doch das ist deutlich zu früh. Bei der ersten starken Böe reißt die Drachenschnur und der Drachen fliegt davon, während die GoPro Kamera buchstäblich wie ein Stein vom Himmel fällt. Nico fängt den Drachen wieder ein, ich schaue nach der Kamera. Sie funktioniert noch einwandfrei und hat den Sturz ohne Probleme überstanden. Wir machen unseren Drachen wieder flugfähig und starten einen zweiten Versuch. Der Start ist wiederum bilderbuchartig. Dann kommt die erste starke Böe. Ja genau, ihr wisst jetzt schon was kommt! Im Gegensatz zum ersten Mal geht der Drachen aber in einen steilen Sturzflug über, bevor er sich losreißt. Das Ergebnis ist noch besser als beim ersten Mal. Die Kamera schlägt wie eine Granate mit voller Wucht auf den steinigen Boden auf. Keine weiche Erdschicht als Dämpfer, nein, wenn schon denn schon, fester Gesteinsuntergrund. Dieses Mal gehen Teile unserer Kameraaufhängung kaputt und das GoPro-Gehäuse bekommt einen Sprung. Die Kamera gibt keine Lebenszeichen mehr von sich. Erst als ich die Batterie entferne und wieder reinstecke, erwacht sie wieder zum Leben. Glück muss der Mensch haben! Unsere Flugzeit war heute somit äußerst kurz, denn mit den Schäden und dem weiter zunehmenden Wind, macht es keinen Sinn einen dritten Versuch zu starten. Wir packen ein!
Im waagrechten Regen und im starken Wind geht es in Richtung Geopol. Hey, zumindest kommt der Regen nicht genau von vorne, sondern nur von schräg vorne. Glück muss der Mensch haben. Vergnügen schaut trotzdem anders aus. Not a pleasure cruise! Andreas und Mike haben bereits in der Hütte Unterschlupf gefunden. Jetzt lernt man so eine Hütte wirklich zu schätzen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn wir hier in Zelten unterwegs wären. Vermutlich sehr laut, nass und kalt. Und unsere durchnässten Klamotten würden vermutlich nie trocknen. In der Hütte ist es zumindest weniger laut, trocken und halbwegs warm, so dass zumindest die Chance besteht, wieder alles zu trocknen. So schee kanns Leben sei! Aber der Wind pfeift auch bei der Hütte durch jede kleine Öffnung und die ganze Hütte wackelt ab und an. Selbst das Tee trinken will nun genau geplant sein. Denn so schön eine heiße Tasse Tee auch ist, irgendwann muss er auch wieder vor die Türe gebracht werden. Und man will bei so einem Wetter nur möglichst selten vor die Türe. Selbst meine bayerische Fahne hat mit dem Wind zu kämpfen und zerrt so heftig an meinem Fahnenmast, dass er immer schräger wird. Ich beschließe die Fahne zu sichern, damit sie in dem Wind nicht noch zerfetzt wird. Selbst das Türe öffnen kann zum Problem werden, wenn man nicht aufpasst, denn der Wind zerrt heftig an der Tür. Irgendwie ist das Wetter dieses Jahr extremer als sonst. Entweder es geht praktisch kein Wind oder aber sehr starker Wind. Und es regnet auch mehr als sonst, so jedenfalls mein Eindruck.


Auriane hat uns geschrieben, dass es morgen bis gegen 14:00 Uhr mit bis zu 14 m/s wehen soll. Eine Abholung erscheint daher erst für den Nachmittag möglich. Das wird noch spannend. Zumindest die Windrichtung ist gut, weil die Berge Windschutz geben, solange man nahe am Ufer mit dem Boot unterwegs ist. Wir schreiben zurück, dass wir ab 12:00 Uhr am Strand sein können und auf Kommando losziehen können.
Nach dem Tee zieht sich jeder in sein Bett zurück und es kehrt das gewohnte Schnarchen ein, während es draußen tobt. Das Bett ist in so einer Situation immer der beste Platz. Ein warmer Schlafsack und ein Nickerchen gegen die Langeweile, wenn man nichts tun kann. Und man steht niemandem im Weg um. Ich nutze die Zeit, um am Blog zu schreiben, Daten zu kopieren und m&m‘s zu essen. Zwischendrin ein Knäckebrot mit Mayonnaise. Aber irgendwann sollten wir heute noch einmal raus, um unsere Markierungspunkte einzusammeln. Das wird mindestens eine Stunde dauern und der Spaßfaktor wird sich da auf ganz niedrigem Niveau befinden. Letztlich machen sich Ernst, Nico und ich auf den Weg. Ernst und ich ziehen uns die AWI-Überhosen an, eine Entscheidung, die wir sehr schnell bereuen, weil es uns darin viel zu heiß wird. Trotz des starken Windes. Und regnen tut es momentan nicht, so dass wir die Hosen nicht wirklich benötigt hätten. Um 20:45 Uhr sind wir wieder an der Hütte, wo Andreas uns schon ein leckeres Abendessen gekocht hat. Es gibt rotes Curry mit Reis. Und das Bier schmeckt nach einen solchen Tag doppelt gut. Perfekt!
Der Tag war insgesamt gesehen „gemischt“. Einiges hat geklappt, anderes ist granatenmäßig in die Hose gegangen, wie z.B. unser Drachenflug. Aber so ist das eben. Bei den Bedingungen war einfach nicht mehr drin. Wir sind trotz des Wetters viel gelaufen und abends sind wir rechtschaffend müde. Trotzdem ist die Stimmung hervorragend und nach dem Abendessen schmieden wir bereits wieder Pläne für das nächste Jahr!

Fotos

Gebrauchsanweisung!
Gebrauchsanweisung!
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  • Dunkle Wolken brauen sich über der Geopol-Hütte zusammen
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  • So ganz glücklich schaut das Rentier nicht gerade aus
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  • Ein Beispiel wie völlig unterschiedliche Steinkreise in unmittelbarer Nähe auftreten können
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  • Die Koordinaten wo wir die Ohrmarke eines Rentiers gefunden haben. Wir werden beides weitergeben, da die Informationen für die Forschung wichtig sind.
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  • Das Fundament der Wetterstation auf Kvadehuksletta. Das Fundament ist im Permafrost verankert und schaut nun bereits ca. 20 cm heraus. Hat sich die Gegend abgesenkt?
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  • Nicht ganz optimales Wetter, um unsere Arbeiten erledigt zu bekommen
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  • Ein Blick auf dem Mitra-Berg mit dramatischen Wolken
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9.7.2025

Wir haben alle eine heiße Nacht hinter uns! Und nein, wir haben keine Party gemacht! Was ich meine sind unsere dicken Schlafsäcke. Ich wache jedenfalls gegen 3 Uhr morgens auf und bin verschwitzt. Also öffne ich den Schlafsack und sofort strömt kalte Luft hinein. Jetzt heißt es eine vernünftige Balance zu finden zwischen kalt und klamm und heiß und feucht. Gelingt aber irgendwie, denn ich schlafe gleich wieder ein und schlafe sehr gut. Nur ab und zu werde ich von Nicos und Andreas Geschnarche wach. Ist aber alles im grünen Bereich. Um 6:30 Uhr geht mein Wecker los obwohl ich dachte, das Handy ausgeschaltet zu haben, weil ich hier eh keinen Empfang habe. Keiner rührt sich oder macht auch nur die geringsten Anstalten aufzustehen. Und ich habe ehrlich gesagt auch keine Lust dazu. Um 8 Uhr sind wir aber dann doch alle wach und zum Frühstück bereit. Jetzt haben wir eine super schwere Essenskiste mit hierhergeschleppt und müssen feststellen, dass wir ausgerechnet vom leichtesten Essen überhaupt, den geliebten Nudelsuppen, nicht genügend dabeihaben, dass es für Frühstück und Mittag reicht. Wir müssen die Nudelsuppen also rationieren. Gleiches gilt leider auch für die Fischdosen, die wir ebenfalls normalerweise zum Frühstück und Mittag vertilgen. Auch da bleiben für die Tage nur 12 Dosen insgesamt. Es wird also eng! Wie bei den richtigen Polarforschern, die mit dürftigsten Rationen überwintern mussten. Na gut, ganz so schlimm ist es bei uns jetzt nicht.
Zum Frühstück bekommen wir auch gleich Besuch von insgesamt 9 Rentieren. Darunter sind auch vier Kälbchen, die sehr neugierig und zutraulich sind und bis auf zwei Meter an mich rankommen. Ernsts Schlafsack, dessen Innenseite grasgrün ist, erweckt das besondere Interesse der Jungtiere. Die Mütter und Väter sind etwas vorsichtiger und halten sich dezent im Hintergrund. Jedes der älteren Tiere hat Ohrmarken und einige tragen eine Art Sender um den Hals. Sie bleiben recht lange bei uns. Vermutlich, weil aufgrund der guten Düngung das Moos bzw. Gras etwas größer und saftiger ist als sonst wo. Wenn sich jetzt jemand über die Düngung wundert, sage ich nur soviel: Die Geopolhütte hat nur eine Spatentoilette! Jedenfalls, haben wir gute Gelegenheiten ein paar schöne Fotos von den Tieren zu schießen.
Nach dem Frühstück teilen wir uns in zwei Gruppen. Andreas und Mike werden möglichst viel Terrain mit dem LIDAR scannen, während Nico, Ernst und ich uns um die markierten Steinkreise und die Radarprofile kümmern wollen. Wir sehen wieder einige Veränderungen an einzelnen Steinkreisen aber einige andere scheinen komplett inaktiv zu sein. Leider müssen wir auch feststellen, dass einige unserer Steinmännchen offensichtlich absichtlich zerstört wurden. Dies trifft vor allem für die Steinkreise zu, die relativ nahe an Geopol dran sind. Je weiter wir in Richtung Strand kommen, desto weniger von diesem „Vandalismus“ beobachten wir. Ein Steinkreis zeigt verdächtige Spuren in unmittelbarer Nähe unserer blauen Markierungen und es schaut so aus, als ob jemand darauf gestiegen wäre. Aber natürlich kann es auch ein Rentier gewesen sein. Man will ja nur immer positiv über seine lieben Mitmenschen denken!
Wir arbeiten uns also systematisch von Steinkreis 1 bis 10 vor. Ernst und ich machen wie jedes Jahr viele Fotos aus allen möglichen Blickwinkeln und auch detaillierte Notizen. Nico legt währenddessen Markierungspunkte aus, die er mit dem DGPS einmisst. Anschließend macht er die Pole-Bilder. Dieses Muster wiederholt sich zehnmal. Wir sind mittlerweile so weit von der DGPS-Basisstation entfernt, dass Nico immer größere Probleme hat noch einen Empfang zu bekommen. Zusätzlich setzt am Steinkreis 10 ein heftiger Regen ein, den der Wind quer übers Land treibt. Warm ist es heute auch nicht gerade und der Wind und Regen lassen das Wohlfühlerlebnis rasch schwinden. Jedem ist trotz der roten AWI-Jacken kalt! Kein Wetter, um vernünftig arbeiten zu können, denn die Kameras und Feldbücher leiden unter diesen Bedingungen enorm. Die nächsten Steinkreise 11 und 12 sind zudem weit entfernt, so dass wir beschließen zur Hütte zurückzukehren.
Mit der „warmen und trockenen“ Hütte vor dem geistigen Auge, geht der Rückmarsch flott über die Bühne. Dort verkriechen wir uns erst einmal ins Innere, wo es heißen Tee und etwas zu Essen gibt. Eigentlich ist es kein Mittagessen mehr, denn es ist bereits mittelspäter Nachmittag als wir unsere verdiente Pause einlegen. Das tut sehr gut und die Motivation kehrt dann auch schnell wieder zurück.
Wir wollen noch entlang der vor ein paar Jahren abgelaufenen Radarprofile Markierungspunkte auslegen und anschließend mit dem Drachen abfliegen. Nico hat dafür extra eine enorme Zahl an durchnummerierten Markierungspunkten vorbereitet. Letztlich legen wir in einem leichten Zick-Zack Muster 133 Markierungspunkte aus. Jedes einlaminierte DIN-A4 Blatt wird mit Steinen beschwert und mit dem DGPS eingemessen. Ehrlicherweise haben wir diese Aufgabe etwas unterschätzt, denn es dauert gefühlt eine Ewigkeit. Nico bestimmt mit seinem Hand-GPS die Lage der Markierungspunkte, Ernst legt sie aus und befestigt sie mit Steinen und Nico misst sie anschließend mit dem hochgenauen DGPS ein. In den Drachenbildern sollten diese Punkte gut und schnell zu erkennen sein, was die Stereoprozessierung enorm erleichtern wird. Meine Aufgabe ist es die Waffen zu schleppen und nach Eisbären Ausschau zu halten. Besonders in Strandnähe ist das sehr wichtig, weil wir dort schon öfter Kontakt mit Bären hatten. Zuletzt war das letztes Jahr. Und Auriane hat uns per InReach mitgeteilt, dass gestern um 21:00 Uhr eine Eisbärenmutter mit ihrem Jungen bei Kongsfjordneset, unserem gestrigen Absetzpunkt, gesichtet wurde. Wir haben sie also nur um ein paar Stunden verpasst. Das die Eisbärin noch in der Gegend ist, ist jedoch eher unwahrscheinlich, weil diese Tiere enorme Tagesstrecken zurücklegen können. Ich bleibe trotzdem sehr wachsam und scanne die Ufergebiete regelmäßig ab. Es bleibt aber ganz ruhig und wir können unsere Arbeit erledigen. Während die anderen knechten, beobachte ich wie ein Polarfuchs von Seemöwen attackiert wird. Im Sturzflug greifen sie den Fuchs unermüdlich an und nerven sie ihn so sehr, dass er schließlich das Weite sucht. Auch einen brütenden Kormoran, oder das was ich dafürhalte, sehe ich auf dem kleinen See neben dem großen Gesteinsaufschluss am Ende der Radarprofile. Und auch eine Art großer Bachstelze lässt sich fotografieren. Auf dem Weg zurück zur Hütte finde ich noch Abfall, den ich einsammle und mitnehme. So etwas gibt es auch hier schon!
Wie gesagt, es dauert ewig und wir kommen mehr oder weniger durchgefroren erst um 19:00 Uhr an der Geopol-Hütte an. An ein Befliegen der Profile mit dem Drachen ist um diese Zeit nicht mehr zu denken, obwohl wir diese Option nach dem Abendessen tatsächlich noch kurz diskutieren. Da es aber schon kurz vor 21:00 Uhr ist und bei allen so ziemlich die Luft raus ist, wird diese Idee schnell wieder verworfen. Mike und Andreas sind bereits seit ca. 18:00 Uhr in der Hütte und Andreas ist schon in der Küche tätig, als wir ankommen. Der Stromgenerator generiert Strom bis ihm das Benzin ausgeht. Mikes Batterien sind aber wieder genügend voll, so dass er morgen weiter Daten generieren kann.
Mike und Andreas waren heute auch schon fleißig. Insgesamt haben sie Scans von 15 Lokalitäten durchgeführt und dabei ca. 300 GB an Daten gewonnen. Da sie auch viele Gebiete von Bernhard Hallet gescannt haben, wird er sich sehr freuen. Andreas hat in dieser Gruppe die Wachaufgabe übernommen und es erging ihm ähnlich wie mir. Auch er hat sich den Hintern abgefroren während Mike die Scans machte.
Das Essen von Andreas, Nudeln mit Schweinefleisch, ist nach so einem kalten, teilweise windigen und teilweise regnerischen Tag genau das Richtige. Der Abwasch ist heute meine Aufgabe. Ich mache mir Wasser warm und nach ein paar Minuten haben wir wieder sauberes Geschirr, das Mike auch gleich abtrocknet. Auch den Ofen, den Tisch und die Küchenablage mache ich gleich noch mit sauber, so dass alles blitzt und funkelt. Jedenfalls soweit das hier möglich ist. Auriane geben wir noch kurz Bescheid, dass bei uns alles gut ist. Dann gibt es noch den obligatorischen kleinen Whiskey und um kurz nach 22:00 Uhr liegen die meisten in den Betten. Der Tag hatte es in sich und jeder leckt seine Wunden. Schön war er trotzdem!
Der Wind weht mittlerweile recht frech um die Ecke und die bayerische Fahne weht in all ihrer Pracht. Aber sofort beginnen natürlich die Sorgen, dass unsere mühsam ausgelegten Markierungspunkte über Nacht eventuell weggeweht werden könnten. Aber jetzt können wir eh nichts mehr machen und wir werden es spätestens morgen feststellen, ob unsere Befürchtungen wahr geworden sind.

Fotos

Eines der jungen Rentiere, die uns besuchten
Eines der jungen Rentiere, die uns besuchten
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  • Rentiere in Bayern? Eher nicht!
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  • Ein ausgewachsenes Rentier mustert uns schon etwas kritischer. Viele tragen diese Ohrmarken und Halsbänder.
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  • Mike freut sich über seine gelungene Frühstückskombination
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  • Ist das noch Essen oder ist das schon Kunst?
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  • Zwei Wälle von Steinkreisen. Die einzelnen Gesteinsbröckchen des rechten Steinkreises haben sich seit 2012 bewegt, die des linken Steinkreises haben sich nicht bewegt. Dies ist an der blauen Linie zu erkennen, die ursprünglich über beide Steinkreise ging. Rechts ist sie unterbrochen, links aber noch zusammenhängend.
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  • Ein mehr oder weniger inaktiver Steinkreis
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  • Ernst macht Detailfotos an einem unserer markierten Steinkreise
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  • Schöne Wolkenstimmung
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  • Steinkreis an der Kante des planierten Flugfeldes aus den 1960er Jahren. Links wurde planiert und der Steinkreis dadurch vermutlich zerstört, rechts sieht man den Steinkreis noch in seiner ursprünglichen Form. Der Wall des linken Teils ist höher als die planierte Fläche und muss daher seit dem Planieren neu entstanden sein.
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  • Ein Rentier wird von zwei Seeschwalben attackiert
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  • Vogel bei der Nahrungssuche
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  • Ein Nest in mitten eines kleinen Sees
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  • Interessante Verteilung von Vegetation im Inneren eines Steinkreises
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  • Ein schöner Zweimaster zieht an uns vorbei
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  • Erstaunlich, welche ökologischen Nischen Blumen einnehmen können
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8.7.2025

Ich starte den Tag mit einer warmen Dusche und dem Sortieren von Ausrüstung. Denn heute geht es zur Geopol-Hütte! Endlich! Für mich immer ein Highlight der Saison. Leider werden wir dieses Jahr nur sehr kurze Zeit dort verbringen können, da wir uns bis Freitag 15:00 Uhr bei KingsBay zurückmelden müssen. Diese neue Regelung ist wirklich sehr ungünstig für Wissenschaftler, die im Feld tätig sind, weil es die Planungen erheblich erschwert. Als ich nach dem Frühstück an der KingsBay Rezeption Bescheid gebe, dass wir Ny Alesund heute verlassen und erst am Freitag zurückkommen, nickt die Dame nur. Es wird also nicht einmal vermerkt und ich komme mir reichlich verarscht vor. Ich glaube ich habe es jetzt oft genug gesagt, dass diese Regelung Unfug ist und werde mich entsprechend nicht weiter darüber aufregen.
Beim Frühstück treffen wir auch Kati, Max und Mike A., die heute bereits um 8:30 Uhr ihren Schießkurs haben. Wir packen unsere Sachen fertig, denn um 10:00 Uhr soll es losgehen. Der Berg an Ausrüstung und persönlichem Gepäck ist immens und gefühlsmäßig wird er jedes Jahr größer. Alleine Mikes LIDAR sind schon zwei schwere Boxen. Das DGPS und ein bisschen Kleinkram füllen eine große Zarges-Kiste und auch das Essen ist in einer großen Alukiste verpackt. Andreas meint es offensichtlich gut mit uns, denn gefühlt kann man davon wahrscheinlich 14 Tage satt werden. Pro Person und Tag ist auch eine Büchse Bier eingeplant, die natürlich nicht unwesentlich zum Gesamtgewicht beitragen. Die Schlafsäcke sind zwar relativ leicht, nehmen dafür aber viel Platz ein. Kurz, es schaut wie beim Auszug aus Ägypten aus! Alles wird in einen kleinen Transporter verladen, der das Gepäck zum Hafen bringt. Da wir auch zwei Karren für den Transport vom Strand zur Hütte mitnehmen, und diese nicht mehr in das Auto passen, müssen wir sie bis zum Dock schieben.
Wir haben heute fast keinen Wind und der Fjord liegt ganz ruhig da. Louis und Marek werden uns mit „Beluga“ und „Sabrina“ bis zum Absetzpunkt an der kleinen Lagune bringen. Als wir am Hafen ankommen, legt gerade ein Schiff der Hurtigruten an. Aus unserer Perspektive ist das Anlegemanöver sehr gewagt, da der Kapitän das Schiff im rechten Winkel zur Kaimauer steuert und erst wenige Meter davor mit der Drehung beginnt. Aber natürlich passt das Manöver wie die Faust aufs Auge und nach wenigen Augenblicken sind die Leinen fest. Ich war so stolz auf mein gestriges Anlegemanöver, aber heute hat man mir gezeigt, wie so etwas auch funktionieren kann. Respekt! Sind halt doch Profis, die das gelernt haben und nicht zum ersten Mal machen.
Mit vereinten Kräften gelingt es uns, unsre Ausrüstung auf die zwei Boote zu verladen. Jetzt müssen wir nur noch unsere Überlebensanzüge anziehen, dann wird es ernst. Direkt am Schiff des Syselmesteren vorbei und zig-mal von den Passagieren des Kreuzfahrschiffs fotografiert geht es Richtung Kvadehuksleta. Ernst und Nico haben bei Louis auf „Beluga“ Platz gefunden und Andreas, Mike und ich machen es uns bei Marek auf „Sabrina“ bequem. Leider kommen wir nicht allzu weit. Marek hat gerade Gas gegeben, als nach wenigen Minuten bereits die Öldruck-Warnleuche blinkt und ein Warnton erklingt. Marek checkt den Ölstand und siehe da, es ist nicht genügend Öl im Motor. Genialer Weise ist der sehr kleine Öleinfüllstutzen auf der Rückseite des nicht gerade kleinen 100 PS Motors und damit vom Boot aus nur sehr schwierig zu erreichen. Man müsste sich dazu über den Motor legen und selbst dann wäre es eine arge Fummelei. Ganz abgesehen davon, dass der Motor ja nun heiß ist. Wir funken Beluga an, damit wir von ihr aus, Öl nachfüllen können. Schon eine wackelige Sache obwohl heute eigentlich kein Wind ist. Wir beschließen in den Hafen zurückzufahren. „Beluga“ wird ihren Weg zum Absetzpunkt fortsetzen. Nach ein paar Minuten Schleichfahrt sind wir wieder im Hafen. Das wenige Öl, das wir auf dem Wasser nachfüllen konnten hat offensichtlich gereicht, denn der Ölstand ist nun genau da, wo er auch sein soll. Thomas ist tiefenentspannt, als ihn Marek um Rat bittet. „Ihr habt genügend Öl im Motor und hattet seit dem Nachfüllen keine Warnung mehr. Für mich schaut das gut aus“. Also legen wir wieder ab. Andreas und Mike sitzen auf der äußerst bequemen gepolsterten Bank direkt vor dem Motor und Mike freut sich tierisch darüber, während ich auf dem Backbord-Seitenrumpf Platz finde. Es wird aber schnell klar, dass wir mehr Gewicht am Bug brauchen. Also lege ich mich längs auf die Kisten. Nachdem auch noch zwei Trockensäcke nach vorne wandern, ist für ein bequemes „Bett“ gesorgt. Ich liege wie ein König und genieße den sehr ruhigen und kurzen Trip bis zum Absetzpunkt. Auch Mike muss nach vorne rücken und endet schließlich am Boden hinter den Kisten. Letztlich habe ich also die bessere Position erwischt. Wer zuletzt lacht, lacht am besten!
Schon von Weitem sehen wir Ernst und Nico am Strand stehen. Wir laden innerhalb von wenigen Minuten das Boot aus und verabschieden uns von Marek, der auch unsere Überlebensanzüge mit nach Ny Alesund zurücknimmt. Ursprünglich hätten wir sie bis zur Geopol-Hütte bringen sollen und ich bin froh, dass wir nicht auch noch dieses zusätzliche Gewicht nach oben bringen müssen. Denn die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass dabei jedes Gramm zählt.
Ich übernehme die Rolle des Lademeisters und verteile möglichst viel Gepäck gleichmäßig auf die zwei Wägen. Zum Glück passt die Essenskiste genau in den größeren Wagen. Ein paar Schlafsäcke obendrauf gezurrt. Fertig. Der andere Wagen nimmt Mikes schwere blaue Kiste, den Stromgenerator und die zwei großen Stative auf. Meinen kleinen Rucksack habe ich quer auf meinen großen Rucksack gezurrt. Ich ziehe mit Andreas den Wagen mit dem Generator, Ernst und Nico kümmern sich um den Wagen mit der Essenskiste und Mike zieht seine schwarze Kiste mit dem LIDAR hinter sich her. Er schaut dabei aus wie ein Tourist, der mit zu großem Koffer auf dem Weg zu seinem Hotel ist. Wir sind noch keine 500 m vom Strand entfernt, als die Deichsel von dem anderen Wagen abfällt. Zum Glück können wir sie reparieren, so dass es weiter gehen kann. Glück gehabt! Ich will mir gar nicht ausmalen was passiert wäre, wenn wir die Deichsel nicht hätten reparieren können. Vermutlich hätten wir die sauschwere Kiste dann tragend zur Geopol-Hütte bringen müssen. Ein Albtraum! Aber es geht ja wie gesagt weiter wie geplant. Jeder stapft vor sich hin und zieht wie ein Ochse. In der Arbeitspsychologie würde das als Teambildungsmaßnahme firmieren und für teures Geld angeboten werden. Hier gibt es das gratis dazu! Und wer will, kann auch noch einen Nachschlag davon haben, denn eine Kiste steht immer noch am Strand und muss noch geholt werden. Der Weg zur Geopol-Hütte ist beschwerlich mit dem ganzen Gepäck und keiner ist sonderlich glücklich über die Schlepperei. Es scheint, wir werden langsam aber sicher alt und haben zunehmend Probleme soviel Ausrüstung über weite Strecken zu bewegen. Sicher ist, dass ich dieses Jahr in der Vorbereitung nicht zum Konditionstraining bzw. Lauftraining gekommen bin, was sich jetzt natürlich bemerkbar macht. Andreas, der neben mir geht, durchläuft gerade die gleiche Leuterungsphase. Und ich vermute dem Rest der Mannschaft geht es nicht viel besser.
Aber irgendwann kommen wir auf einen Strandrücken von wo aus wir die Hütte sehen können. Das ist ein unglaublicher Motivationsschub, der auch dringend nötig ist. Denn mittlerweile regnet es und auch der Wind hat aufgefrischt und weht uns ins Gesicht. An der Hütte angekommen, lassen wir zunächst alles Gepäck einfach fallen. Gott sei Dank, wir sind nun wirklich endlich angekommen. Die Fensterläden nehmen wir zuerst ab, dann hole ich gleich Wasser für Tee und Nudelsuppen. Gasflasche anschließen und schon faucht der Gasofen vor sich hin. Bis das Wasser kocht, räumt jeder seine persönlichen Dinge weg. Soweit das eben geht bei 5 Personen in einer Hütte, die für vier ausgelegt ist. Ich schlüpfe in trockene Klamotten, weil ich mein T-Shirt total durchgeschwitzt habe und es fühlt sich grandios an.
Ah, eine heiße Rindfleisch- und eine Hähnchennudelsuppe. Sie schmecken wie das beste 3-Sterne Menü. Dazu eine Heringsdose mit Mango-Sauce. Laut Aufdruck auf der Konservendose handelt es sich dabei um die Variation „Leidenschaft“. Es ist schon erstaunlich, was den Werbetextern so alles einfällt. Ich würde sagen, der Geschmack geht so und auch Nico’s Gesicht schaut beim Essen nicht sehr leidenschaftlich aus. Grüner Tee und eine Tafel Rum-Trauben-Nuss Schokolade runden unseren verspäteten Mittagssnack ab. Es ist schon ca. 14:30 Uhr als wir mit dem Essen fertig sind.
Erst jetzt komme ich dazu, die bayerische Fahne zu hissen. Das hat ja mittlerweile Tradition und ist zudem sehr praktisch, um bereits aus dem Inneren der Hütte erkennen zu können, ob und wieviel Wind aus welcher Richtung weht. Außerdem macht sich die Fahne ausnehmend gut vor dem Gebirgs- bzw. Gletscherpanorama!
Mike will noch sein LIDAR aufbauen und schickt uns deshalb in unsere Betten, damit er Platz zum Basteln hat. Das hat natürlich fatale Folgen. Es dauert nämlich nur wenige Minuten bis Andreas und Nico sonore Geräusche von sich geben. Wir verpassen aber momentan auch nichts, denn es regnet und es ist sehr windig. Jeder der kurz vor die Tür muss, kommt schaudernd zurück und macht Kommentare über das Wetter. Wir sind also mal wieder auf Geopol gefangen und Mike, Ernst und ich warten erst einmal mit dem Hochholen der letzten Kiste. Morgen brauchen wir sie allerdings und es wäre schon gut, sie heute noch zu holen. Mal schauen!
In der Geopol-Hütte hat sich nicht viel geändert, außer dass es neue Bezüge für die Matratzen gibt. Die Matratzen selbst fühlen sich auch etwas dicker an, als ich sie aus dem letzten Jahr in Erinnerung hatte. Und meine weißen Badeslipper sind verschwunden. Das kann ja nur bedeuten, dass sie jemand für so hübsch erachtete, dass er sie mitgenommen hat. Mir solls recht sein. Ich ende dieses Jahr mit Frauenhausschuhen, was natürlich spöttische Kommentare aus Mikes Ecke nach sich zieht. Hauptsache warme Zehen!
Mike entschwindet auch ins Land der Träume. Also machen sich Ernst und ich alleine auf den Weg zum Strand, um die letzte Kiste zu holen. Das Problem ist nur, dass ich wieder mein kaltes und verschwitztes T-Shirt anziehen muss, um nicht ein weiters T-Shirt auf dem Rückweg einzusauen. Brrrrr. Es gibt schönere Gefühle! Wir nutzen eine Regenpause und es ist eigentlich ganz angenehm zum Strand hinunterzulaufen. Das T-Shirt ist mittlerweile wieder trocken! Am Strand machen wir noch ein paar coole Fotos von einer alten Seilwinde und einem verfallenen Haus. Alles vermutlich Kulturgüter, wie alles hier was älter als 1946 ist, glaube ich. Jedenfalls begnügen wir uns mit Fotos machen, was täten wir auch mit ein paar rostigen Eisenstücken und ein paar Brettern. Auf dem Weg nach oben wird es uns wieder gehörig warm Wir haben zwar keine schweren Rucksäcke mehr auf dem Buckel aber durch die verdrehte Haltung beim Ziehen des Wagens tut einem nach kurzer Zeit doch alles weh. Aber Schritt für Schritt kommen wir der Hütte wieder näher. Einfach nicht nachdenken und den Wagen ziehen. Der Weg ist das Ziel.
An der Hütte sehen wir schon von Weitem Nico Wache stehen und beim Näherkommen sehen wir auch Mike, wie er die Umgebung von Geopol mit dem LIDAR abläuft. In unmittelbarer Nähe sind ja die Untersuchungsgebiete von Hallet und Kääb aus den 80er Jahren und Bernard Hallet ist natürlich daran interessiert, wie sich sein Gebiet verändert hat. Adam Johantges hat im Laufe seiner Masterarbeit den Kontakt zu Bernhard Hallet vor ca. einem Jahr hergestellt und seitdem treffen wir uns alle 14 Tage auf Zoom, um über Forschung in Spitzbergen und speziell an den Steinkreisen zu reden.
Andreas hat währenddessen schon fleißig gekocht. Es gibt Reis mit Kichererbsensoße, was wie immer hervorragend schmeckt. Und dann nehmen wir auch eine deutliche Reduzierung der Masse unserer Essenskiste vor, denn jeder von uns bekommt ein Bier. Das macht schon mal 2,5 kg weniger, die wir eventuell wieder zum Strand schleppen müssten. Darum heißt die Devise möglichst viel essen und trinken. Denn je erfolgreicher wir damit sind, desto leichter wird unser Gepäck bei der Abreise sein. Allerdings haben wir für vier Tage Essen dabei obwohl wir nur drei Tage hier sind. Eine gewisse Reserve ist immer notwendig, denn bei schlechtem Wetter kann es sein, dass wir nicht mit dem Boot abgeholt werden können.
Nach dem Essen gibt es noch einen kleinen Schluck Irland bevor sich jeder langsam aber sicher zum Schlafen bereit macht. Immerhin ist es schon 22:10 Uhr, also mitten in der Nacht. Das Wetter ist geradezu prädestiniert, um früh schlafen zu gehen, denn der Wind hat deutlich zugenommen und es regnet relativ stark.

Fotos

Die Gänse haben Junge
Die Gänse haben Junge
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  • Das SPLAM-Team mit Ausrüstung am Dock
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  • Wir haben alles auf „Sabrina“ und „Beluga“ verladen
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  • Das Team in Überlebensanzügen
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  • Ein cooles Anlegemanöver eines Kreuzfahrtschiffs
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  • Auf Sabrina unterwegs in Richtung Geopol
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  • Die dampfenden Nudelsuppen
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  • Wir sind eingezogen
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  • Eine alte Seilwinde in grandioser Landschaft
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  • Hier hat es sich vermutlich ein Polarfuchs schmecken lassen
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  • Rentiergeweih
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  • Die Überreste eines Hauses
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  • Ein kleiner Gruß aus Irland
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7.7.2025

Kaum zu glauben, wie schnell die Zeit hier oben im Norden vergeht. Denn heute ist bereits der vorläufig letzte Tag in der Corbel-Station. Und das heißt putzen! Doch zunächst wird ausgiebig um 7:00 Uhr gefrühstückt. Ich begnüge mich mit einer Nudelsuppe, der Rest der Mannschaft braucht eine extra Portion Konservierungsmittel und Geschmacksverstärker. Das Packen meiner sieben Sachen ist innerhalb weniger Minuten erledigt. Ich habe meine Klamotten erst nicht groß ausgepackt, so dass ich jetzt auch nichts einpacken muss. Genialer Trick! Der Rucksack wird mit Jacken und Thermoskanne vollgestopft, der Schlafsack in seinen eigenen Packsack verstaut und anschließend das Zimmer gefegt. Fertig! Habe ich schon von den Schlafsäcken berichtet? Das AWI in Bremerhaven stellt uns diese fantastischen Daunenschlafsäcke mit zwei Lagen auf der Oberseite zur Verfügung. Man schließt also seinen Schlafsack und kann dann noch eine weitere Lage darüberlegen und erneut wie einen Schlafsack schließen. Für die Temperaturen in Spitzbergen ist die zweite Lage der absolute Overkill. Mir ist schon mit einer Lage wohlig warm, teilweise sogar zu warm. Aber man schläft wirklich hervorragend in diesen Schlafsäcken und es ist grandios in einen warmen Schlafsack zu kriechen nachdem man mitten in der Nacht auf die Toilette musste. Natürlich steht man dabei nur im T-Shirt und in der Unterhose im Freien und es wird einem trotz gebotener Eile schon etwas kühl um die Nase. Umso schöner ist die Rückkehr in einen noch warmen Schlafsack. Aaahhh, Reisverschluss zu und schon wird weiter gemümmelt! Zumindest bis einen der Wecker unbarmherzig um 6:40 Uhr aus dem Schlaf reißt.
Meinen ganzen Elektronikkram verpacke ich in meinem kleinen Tagesrucksack, ebenso meinen Computer, den ich sicherheitshalber nochmals in einem Trockensack verpacke. Der Rest meiner Ausrüstung verschwindet in meiner Roten Kiste. Nachdem alles in Trockensäcke verpackt ist, bin ich fertig! Auch die anderen machen gute Fortschritte. Ernst kümmert sich z.B. um den Abwasch, während ich die Müllstation übernehme. Es ist nämlich so, dass in der Corbel-Station Müll akribisch getrennt wird. Weißblech, Alu, Papier, Pappe, Weichplastik, Hartplastik, Bio und was weiß ich noch alles. Wir haben brav alles in getrennten Säcken gesammelt, die ich nun austausche, so dass die nächsten Besucher eine saubere Müllstation vorfinden. Nico kümmert sich um die Toilette. Auch hier wurde das Klopapier in einem Plastiksack gesammelt, den wir nun ebenfalls austauschen. Schon das Mindeste, was man den nächsten Besuchern an Gutem angedeihen lassen kann.
Der Berg mit gepackten Kisten und Trockensäcken wächst kontinuierlich vor der Hütte an. Das ist weiter keine große Überraschung, denn bereits unsere Ausrüstung und die Essenskiste umfassen mehrere Alu- und Hartplastikboxen. Dazu kommt die persönliche Ausrüstung eines jeden Einzelnen und natürlich Schwimmwesten, Gewehre und Signalpistolen. Nur gut, dass wir zwei Wägen haben mit denen wir alles zum Strand bringen können.
Wie üblich hat das SPLAM-Team einen überragend ausgefeilten Masterplan, der nun minutiös durchgeführt wird. Unser Plan sieht vor, dass ich mit Andreas und Mike und einem ersten Teil des Gepäcks nach Ny Alesund kuttere. Ernst und Nico machen währenddessen klar Schiff in der Corbel-Station. Die ganze Ausrüstung und die Passagiere so auf dem Boot zu platzieren, dass das Boot gut austariert ist, gleicht einem Tetris-Spiel in XL. Aber letztlich habe ich dann doch alles so verstaut, wie ich mir das vorstelle. Also, Anker hoch! Mike übernimmt den Buganker, Andreas den Heckanker. Eigentlich war der Wind bis jetzt recht flau. Aber gerade als wir uns auf den Weg machen, zieht eine große fette schwarze Wolke vorbei, die dann doch noch einmal ordentlich Wind bringt. In Nullkommanichts gibt es dann auch die bekannten kurzen und steilen Wellen. Wir fahren aber mit dem Wind, so dass die Fahrt absolut trocken ist und zum reinen Genuss wird. Kurz bevor wir in den Hafen einbiegen erkläre ich den beiden noch kurz, wie ich mir das Anlegemanöver vorstelle. Fender raus, Arme und Beine nicht zwischen Boot und Dock bringen, Dockleinen greifen, Leinen festmachen, Motor aus, Station-Leader anfunken. Gesagt getan! Ich treffe in die Box und wir können mit dem Ausladen beginnen. „Beluga“ ist deutlich richtungsstabiler als „Polar Tomato“ und beim nächsten Anlegemanöver werde ich einen noch größeren Kurvenradius fahren. Ausladen geht ruckzuck und schon bin ich wieder auf dem Weg, um Ernst, Nico und den Rest der Ausrüstung zu holen. Der Wind hat nochmal kräftig zugelegt und es zeigen sich vereinzelt Schaumkronen. Ich muss die Geschwindigkeit permanent anpassen, damit „Beluga“ nicht zu hart auf die Wellen aufschlägt. Aber sie ist wie gesagt ein gutes Boot und fährt sich auch alleine bei rauen Bedingungen sehr gut. Mir macht die Fahrt jedenfalls Spaß! Nichtsdestotrotz habe ich die Leine für den Motornotstopp um das Handgelenk gelegt. Falls ich über Bord gehen sollte, fährt das Boot zumindest nicht ohne mich bis in den Sonnenuntergang. Realistisch gesehen würde es aber vermutlich schneller wegtreiben als man hinterherschwimmen kann, so dass ich keinen besonderen Wert auf dieses Experiment lege. Ich beschließe kurzerhand an Bord zu bleiben!
Das Ankermanöver ist bei dem Wellengang und dem Wind natürlich etwas trickreich, weil ich ja zumindest den Heckanker und das Boot bedienen muss und auch den Buganker an Nico übergeben muss. Alles klappt wie am Schnürchen und es ist ein blitzsauberes Manöver mit einer Punktlandung vor den schweren Kisten. Durch die geöffnete Bugklappe ist das Einladen anschließend ein Kinderspiel. Das Gewehr entladen, Klappe zu, AWIPEV anfunken, dass wir in Richtung Ny Alesund unterwegs sind. Auriane antwortet wie immer fröhlich und gut gelaunt. Die gesamte Prozedur ist uns mittlerweile zur Routine geworden. Die Fahrt nach Ny Alesund verläuft ohne Probleme und ich habe genügend Zeit mich an der tollen Landschaft sattzusehen. Die Sonne kommt zwischen den Wolken hindurch und taucht alles in ein klares warmes Licht, das den Kontrast zwischen weißen Gletschern und dunklen Bergen noch hervorhebt. Da geht mir das Herz auf. Es sind genau diese Momente, warum ich Spitzbergen so liebe. Es gibt nichts Besseres!
Mit einem größeren Kurvenradius klappt das zweite Anlegemanöver noch besser als das erste. Das Boot liegt ganz ruhig mittig in der Box, so dass Ernst und Nico nur mehr die beiden Festmacherleinen belegen müssen. Als ich sage, dass das ein richtig gutes Anlegemanöver war besteht Ernst darauf, dass ich das im Blog der interessierten Menschheit kundtue. Also, das ist hiermit geschehen. Ausladen, das Boot fertig machen und die Waffen zurückgeben, sind so ziemlich die letzten Dinge, die uns von einer warmen Dusche und einem Mittagessen trennen. Es ist 11:34 Uhr als wir unsere Überlebensanzüge abgeduscht haben und im Auto in Richtung des Rabot-Gebäudes unterwegs sind.
Die Dusche ist natürlich ein wahrer Hochgenuss! Die frischen Klamotten sind nicht weniger gut. Die eingesauten Klamotten schmeiße ich alle auf einen Haufen, um sie gleich in die Wäsche zu bringen. Ich habe Glück, denn zwei der Waschmaschinen der Marke mit dem „M“ sind frei, so dass ich meine Wollsachen getrennt von den anderen Bekleidungsstücken waschen kann. Andreas und ich machen dabei den gleichen Fehler und wählen das Waschprogramm „Delicates“ aus. Als Folge wird die Wäsche nicht genügend geschleudert, so dass unsere AWI-Fleeces schwer und tropfnass aus der Trommel kommen. Im Nu produzieren wir einen kleinen See im Trockenraum.
Während die Wäsche in der Trommel schwindelig wird, sitzen wir genüsslich beim Essen und beim Kaffee. Aber zum Trödeln habe ich keine Zeit, denn jetzt muss natürlich der Blog der letzten Tage möglichst schnell online gehen. Ich kopiere alles auf den Uni-Server und kurze Zeit später hat Thomas auch schon alles hochgeladen. Danke Thomas, prima Service! Und natürlich rufe ich Carolyn an. Hans-Peter hat gestern im strömenden Regen an einem 5000 m Lauf teilgenommen und ist in seiner Altersklasse als vierter ins Ziel gekommen. Eine Superleistung, wenn man bedenkt, dass er das ganz spontan gemacht und nicht dafür trainiert hat. Wir können also in Zukunft gemeinsam laufen gehen. Vermutlich bin ich ihm aber zu langsam…
Dann brauche ich dringend einen Kaffee. Ich finde die anderen im Rabot-Gebäude auf dem Sofa bzw. in den Betten. Nur Ernst arbeitet am Computer. Es bedarf nicht viel sie zum Kaffee und Tee zu überreden. Wir wundern uns, warum es in der Kantine so voll ist, bis jemand sagt, dass der Bus zum Flughafen jetzt zum Einsteigen bereit ist. Die armen Schweine müssen also heute Ny Alesund verlassen! Auch wir werden in ein paar Tagen ebenfalls zu diesem Haufen gehören, wenn es wieder zurück nach Longyearbyen geht. Es bedeutet auch, dass Mike Angelopolous und seine Truppe mit dem Flugzeug ankommen werden. Es gibt somit ein freudiges Wiedersehen!
Da das Wetter sehr sonnig und mild ist, spaziere ich zum Hafen, um zu checken was dort vielleicht los ist. Es liegt die „Fram“ an der Pier und ein weiteres Kreuzfahrtschiff auf Reede. Ny Alesund ist somit mit Blaujacken und Rotjacken übersät. Ich treffe Thomas, der am neuen Kran auf „Jean Floch“ arbeitet. Er berichtet mir von seinen Erfahrungen während des Überwinterns und ich höre gespannt zu. Die Rotjacken werden Gruppenweise mit Schlauchbooten von der Pier abgeholt, die Blaujacken gehen direkt an Bord.
Oh Gott, es ist 16:40 Uhr und das Abendessen läuft bereits seit zehn Minuten. Ich spute mich nur um festzustellen, dass ich der Erste bin. Egal, ich fange schon mal an. Kurze Zeit später sind dann beide Gruppen, die von Mike A. und unsere, vereint beim Essen fassen. Um die nächsten Tage planen zu können, haben wir um 19:00 Uhr ein Treffen mit Auriane.

Fotos

Nebel an der Corbel-Station
Nebel an der Corbel-Station
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  • Coletthogda in den Wolken
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  • Der Blick aus meinem Zimmer – es gibt Schlimmeres
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  • Batterien der Corbel-Station
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  • Das Hauptgebäude der Corbel-Station. Links befindet sich der Aufenthaltsraum mit Küche. Im rechten Teil gibt es ein Labor und das Badezimmer.
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  • Kreuzfahrttouristen schreiben Postkarten vor dem Souvenirladen
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  • Autonomes Fahren mal anders
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  • Ein Segelschiff nach meinem Geschmack
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  • Schöne Wolkenstimmung über dem Scheteligfjellet
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  • Spazierstöcke für die Kreuzfahrttouristen
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6.7.2025

Ich gönne mir 3 Minuten langsames Wachwerden und Aufstehen. Um 7:00 Uhr steht das Frühstück trotzdem auf dem Tisch. Um 7:02 Uhr ist noch immer niemand im Aufenthaltsraum. Skandal! Ich dokumentiere den leeren Frühstückstisch mit einem Foto. Aber dann geht alles sehr schnell und innerhalb von weniger als 5 Minuten sind alle da. Geredet wird nicht viel, denn das Knistern beim Zerdrücken der Nudelsuppen sagt eh alles. Wir lassen es uns schmecken. Ich habe heute die Rindfleisch-Variante der Nudelsuppen gewählt. Könnte schon sein, dass der Lastwagen, der die Suppen in den Supermarkt gebracht hat, irgendwo an irgendeiner Kuh vorbeigefahren ist. Mehr hat die Nudelsuppe aber sicher nicht mit Rindfleisch zu tun. Die E-Nummern bringen den Geschmack!
Die reichlich verwendeten Zwiebeln in dem Hühnerfrikassee vom gestrigen Abend haben eine verheerende Wirkung und so wird die Spülleistung des kleinen Bachs unter unserem Toilettenhäuschen ausgiebig getestet. Ich denke ich bin der Testmeister.
Der Wind weht heute morgen mit 9 m/s, in Böen bis zu 13 m/s. Das sind umgerechnet ca. 5-6 bft. aus Südost. Das Toilettenhäuschen wakelt! Bei der Windrichtung müssen wir direkt gegen Wind und Welle an motoren, um in unser Untersuchungsgebiet zu kommen. Da wir auch noch zusätzlich Mike’s LIDAR und unser Gepäck haben, wird es vermutlich eine langsame, nasse und unerfreuliche Fahrt. Wir diskutieren, ob das LIDAR und jeder von uns heute ins Gelände muss, denn ein leichteres Boot ist in steilen und ruppigen Wellen um Klassen besser zu manövrieren. Wir checken zwei Wettervorhersagen und beide sagen voraus, dass der Wind am Nachmittag abnehmen soll. Die Wettervorhersage von „Barentswatch“ ist für unsere Zwecke mit weitem Abstand die Beste, weil sie neben aktuellen Messwerten von Temperatur, Niederschlag, Windstärke und -richtung auch die Wellenhöhe angibt. Super praktisch. Wir vertagen unsere Entscheidung bis zum Eintreffen am Strand. Also machen wir uns alle fertig, verpacken das LIDAR in eine schwarze wasserdichte Box und laufen zum Strand runter. Die Regenschauer, die uns ab und zu eindecken, erhöhen nicht gerade unsere Lust ins Gelände zu gehen. Aber auch sie waren vorhergesagt. Schauer den ganzen Tag, aber nicht sehr ergiebig. Es besteht Hoffnung!
Am Strand schaut die Situation gut aus. Wellen und Wind scheinen handhabbar zu sein. Wir laden ein und schon geht es los. Die Ankercrew ist mittlerweile perfekt eingespielt und nach ein paar kleineren Feinjustierungen im Gewichtstrimm dampfen wir in Richtung Kongsvegen. Natürlich nicht, ohne vorher beim AWIPEV Bescheid zu geben. Die Fahrt ist anfangs etwas ruppig aber nach ein paar Minuten habe ich herausgefunden, wie „Beluga“ am besten die Wellen nimmt. Von da an ist es eine gute Fahrt, nur ab und an kommt etwas Gischt über. Aber wirklich kein Problem. Da haben wir schon ganz andere Bedingungen gemeistert. Nichtsdestotrotz bin ich sehr erfreut über die Seetüchtigkeit von „Beluga“. Sie fährt sich in den Wellen viel trockener und stabiler als „Polar Tomato“. Die größere Breite und die andere Rumpfform sind hier von Vorteil. Und die 70 PS schaden auch nicht! Tschuk, tschuk, tschuk, der Motor brummelt bei 3900 Umdrehungen zufrieden vor sich hin und schiebt uns zuverlässig in Richtung Untersuchungsgebiet. Auch hier beweist die Ankercrew ihr Können. Es klappt mittlerweile wie am Schnürchen und wir stehen uns auch nicht mehr gegenseitig im Weg herum wie anfangs. Alles bestens!
Wir haben heute ein volles Arbeitsprogramm vor uns. Mike und Andreas werden LIDAR Scans machen, Nico, Ernst und ich mittlerweile die restlichen markierten Steine mit dem DGPS vermessen, dann wollen wir den Drachen fliegen lassen und ich muss noch meine Datenlogger auslesen, die ich letztes Jahr verbuddelt habe. Und schließlich müssen wir noch die Kanten der Erosionsstrukturen mit der Kamera am Ende einer ca. 3 m langen Stange fotografieren. Die sogenannten „Pole-Bilder“. Volles Programm also! Vor allem im Regen!
Während Nico und Ernst die Steine einmessen, stehe ich Wache auf einem Hügel. Von dort aus sehe ich auch Mike und Andreas. Und ich sehe auch, wie sich den zweien eine Person nähert. Ich frage mich, wo die wohl herkommt? Da sie aus Richtung Kongsvegen kommt und es später Vormittag ist, vermute ich, dass der Wanderer in der Jensebu-Hütte übernachtet haben muss und jetzt zurück in Richtung Ny Alesund unterwegs ist. Andreas bestätigt mir meine Vermutung beim Mittagessen, denn sie haben mit der Person ein kurzes Schwätzchen gehalten.
Der Drachen wird fertig gemacht. Wenn ich den Wetterbericht richtig interpretiere, haben wir nur ein relativ kurzes Zeitfenster in dem der Wind nicht zu stark oder nicht zu schwach ist. Außerdem sollte es nach Möglichkeit nicht regnen, um keine Wassertropfen auf der Linse zu haben. Wir starten. Der Drachen hat ordentlich Zug und bei Böen mache ich mir immer Sorgen, dass unsere Leine vielleicht reißen könnte. Das wäre natürlich eine Katastrophe, weil der Wind den Drachen samt Kamera wegwehen würde und mit großer Wahrscheinlichkeit alles im Schlamm landen würde, wo wir es nicht mehr so leicht erreichen könnten. Ich sehe mich schon in Unterhosen im Schlamm waten. Aber es kommt Gott sei Dank anders und ich kann meine Hosen anbehalten. Tatsächlich fliegen wir ein sehr großes Gebiet ab, weil der Wind mittlerweile genau richtig zum Fliegen ist. Also fliegen wir! Von dem vielen Herumlaufen, rauf und runter, links und rechts, wird mir gut warm und ich komme heftig ins Schwitzen. Man glaubt es kaum bei 8°C Lufttemperatur und leichtem Nieselregen. Schließlich landen wir den Drachen und die Kamera sicher und nach ein paar Minuten ist alles weggeräumt und verstaut. Das ist besser gelaufen, als ich gedacht habe!
Heringsfilet in Dillsauce, ein Stück Brot und Tee sind mein heutiges Mittagessen im nun heftigeren Regen. Ein wahrer Genuss. Rum-Trauben-Nuss Schokolade gibt es zum Nachtisch. Wer den Blog aus dem letzten Jahr gelesen hat weiß, dass Mike denkt, dies sei eine Schokolade für alte Männer. Nach einem Jahr sorgfältigem und ausgiebigem Nachdenken darüber, stimme ich noch immer nicht zu. Ich bleibe dabei: Das ist völliger Unfug!
Ein nächstes Highlight ist das Auslesen der vergrabenen Logger. Ich kann die Daten von zwei Loggern problemlos herunterladen. Was mich auch fasziniert ist, dass ich mir die Daten selbst gleich per Email schicken kann und das mitten aus Nirgendwo. In Deutschland gäbe es in so einer Gegend mit Sicherheit ein schönes fettes Funkloch. Den dritten Logger sehe ich zwar und er zeigt mir sogar die gegenwärtigen Messwerte an, aber ich kann mich nicht mit ihm verbinden. Dann hat mein Handy leider keine Batterie mehr. Der dritte Logger kann also erst in ein paar Tagen ausgelesen werden. Hey, aber immerhin bei zwei von drei Loggern hat alles perfekt funktioniert. Nur fällt es mir schwer zu glauben, dass ich mit einem fast leeren Handy hier angetanzt bin. Schon fast peinlich.
Nico hat währenddessen die Pole-Bilder gemacht, so dass wir gegen 15:30 Uhr alle Arbeiten in Rekordzeit erledigt haben. Der Wind ist mittlerweile nur noch 2-3 bft. stark und so beschließen wir, den Rest des Nachmittags damit zu verbringen, den Kongsvegen bzw. den Kronebreen-Gletscher aus der Nähe zu inspizieren. Es ist kein Eis im Fjord und wir kommen gut voran. Außer uns ist noch ein großes Passagierschiff nahe dem Gletscher und aus unserer Perspektive scheint es gefährlich nahe an der Coletthogda zu liegen. Aber der Kapitän wird schon wissen, was er macht. Für uns ist es interessant einmal um die Coletthogda herumblicken zu können und die Lateralmoräne des Kongsvegen direkt am Gletscher sehen zu können. Ganz klar, dass wir viele Fotos schießen. Nur schade, dass es noch immer regnet.
Nachdem wir uns sattgesehen haben tuckern wir in Richtung Corbel. Mike fragt ob ich Benzin sparen will, aber ich genieße die langsame Fahrt und die Ausblicke auf die zahlreichen Gletscher. Es pressiert ja nicht. Andreas sagt mir später, dass er zweimal eingeschlafen ist. Dann hat die Schleichfahrt ihren Sinn erfüllt! Aber irgendwann ist es auch gut und es ist schön am Corbel-Strand anzukommen. Heckanker runter, Klappe auf, Buganker an den Strand, ausladen, Boot fertig machen, zu Corbel hochlaufen. Andreas und ich machen uns erstmal eine schöne Tasse Espresso. Ah, das Leben kann so schön sein!
Dann macht sich unser Küchenmeister ans Schnipseln und Rühren und ein köstlicher Duft liegt in der Luft. Nico und Ernst machen noch DGPS-Messungen von Fixpunkten auf Gesteinsaufschlüssen und Mike scannt noch schnell die Corbel-Hütte mit seinem LIDAR.
Dann versammeln wir uns alle um die Fleischtöpfe, in denen es heute Truthahn und Nudeln gibt. Nico übernimmt heute den Abwasch, während ich schon mal die Logger-Daten anschaue. In 60 cm Tiefe ist der Boden am 28.9.2024 zum ersten Mal gefroren. Der Logger hat also funktioniert und nimmt noch immer Daten auf. Genial! Auch die Bilder die ich heute aufgenommen habe sind größtenteils gut. Abends stellen wir fest, dass es vermutlich nicht viele Forschergruppen gibt, die so viele Feldsaisonen auf dem Buckel haben wie wir. Für Mike ist es seine 4., für Nico ist es seine 5., für Ernst ist es seine 14., für mich meine 15. und für Andreas gar seine 16. Saison. Hey, ich feiere dieses Jahr Jubiläum! Und zusammengerechnet macht das 54 Saisonen.
Ach ja, bevor ich es vergesse. Abends liegt der Fjord speigelglatt vor unserem Fenster und es regnet noch immer, mal stärker, mal weniger stark. Kurze Sonnenscheinminuten gibt es obendrein. Habe ich schon gesagt, dass das Leben wirklich schön sein kann?

Fotos

Der Beweis: Um 7:02 Uhr war noch niemand am Frühstückstisch
Der Beweis: Um 7:02 Uhr war noch niemand am Frühstückstisch
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  • Die Grenze zwischen Schutt und Eis
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  • Zwei unserer Datengewinnungspunkte
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  • Unsere Erosionsstruktur
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  • Der Kronebreen-Gletscher in seiner ganzen Pracht
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  • Meine Kamera am Steinmännchen mit Kronebreen-Gletscher im Hintergrund
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  • Frostsprengung: Ein bißchen Wasser kann auch den größten Gesteinsbrocken
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  • Kreuzfahrtschiff vor der Wand der Coletthogda
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  • Coletthogda in ganzer Länge. Im Jahr 2011 war der Gletscher noch am linken Bildrand
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  • Viel fehlt nicht mehr, dann sind Kronebreen- und Kongsvegen-Gletscher getrennt
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  • Blick auf die Lateralmoräne unmittelbar am Kongsvegen-Gletscher
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  • Die „Ostecke“ der Coletthogda
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  • Abendessen ist serviert!
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5.7.2025

Pünktlich um 0:23 Uhr kommt die Sonne heraus und blendet mich beim Schreiben des Blogs. Es ist eh Zeit ins Bett zu gehen, weil mir die Augen zufallen.
Als letzter im Bett, als erster wieder aus den Federn. Um 7:00 Uhr steht das Frühstück pünktlichst auf dem Tisch. Ich bin schon fertig damit, als die anderen auftauchen. Da heute Samstag ist, spendiere ich jedem eine Enten-Nudelsuppe und öffne ein Glas Rotwurst. Der Anblick ist immer wieder gewöhnungsbedürftig. Schließlich war sie seit Januar irgendwie unterwegs nach Ny Alesund. Aber das Verfallsdatum ist noch lange nicht erreicht. Schmecken tut sie auch, also esse ich zwei Brote davon. Andreas bekommt heute einen Espresso von mir und natürlich freut er sich darüber.
Nach dem Frühstück macht Ernst klar Schiff, Mike versucht sein LIDAR zum Laufen zu bekommen, ich packe alle Dinge zusammen und notiere mir die Bildnummern der gestern gemachten Fotos in meinem Feldbuch. Nico und Andreas nutzen die extra Zeit zur Entspannung. Da Mikes Batterien noch nicht vollgeladen sind, verzögert sich unsere Abfahrt bis ca. 10:00 Uhr.
Am Strand stellen wir fest, dass an einem Gewehr der Schutz für das Korn fehlt. So kriechen wir alle fünf auf allen vieren, um das kleine Metallstück zu finden. Leider vergeblich. Und irgendwann müssen wir auch los. „Beluga" lässt sich durch die Bugklappe sehr leicht beladen. Eine ungeheure Erleichterung gegenüber allen anderen Booten. Dafür gibt es keine Ankerbox am Bug, sondern nur direkt vor dem Steuerstand. Das hat zur Folge, dass man beim Ankern mehr aufpassen muss, um die Leine richtig zu führen. Ansonsten würde man die Reling beschädigen. Eine weitere Folge ist, dass man ständig über die Ankerleine stolpert. Wir fahren heute zum ersten Mal mit fünf Personen auf „Beluga“ und haben uns noch nicht an die neue Platz- und Aufgabenverteilung gewöhnt. Nico ist am Buganker obwohl er normalerweise den Heckanker übernimmt. Und da jeder versucht die Bugklappe nach dem Ablegen zu schließen, wird der Heckanker zunächst nicht bedient. Ich hätte das vorher besser absprechen sollen. Letztlich klappt aber alles gut und wir sind auf dem Weg ins Untersuchungsgebiet. Wir müssen gegen die Wellen und den Wind fahren und zunächst haben wir zu viel Gewicht am Bug. Nachdem Andreas nach hinten gerückt ist. Funktioniert es bestens. Die Fahrt ist trotz Wellen und Wind angenehm trocken. Ich würde sagen, „Beluga“ hat den Wellentest bestanden.
Am Strand des Untersuchungsgebiets baut Mike seine GPS-Basisstation für sein LIDAR auf. Ernst, Nico und ich „sprinten“ zu unserer Erosionsstruktur, während Andreas mit dem zweiten Gewehr bei Mike bleibt. Nach einer schnellen Tasse Tee suchen Ernst und ich eine gute Stelle für die Datenlogger. Direkt oberhalb der Erosionsstruktur, die ich „Wet Slump“ nenne, werden wir fündig. Zwei Logger können wir in 60 und 90 cm Tiefe installieren, die anderen zwei vergraben wir so gegen 30 cm tief. Auch einen Sensor zur Messung der Sonnenstrahlung installieren wir. Und da Mike seinen Computer mit der Logger-Software mitgebracht hat, klappt das Starten der Logger ohne jedes Problem. Ein kurzes Auslesen der Daten zeigt, dass die Logger im Loggerloch loggen. Sagenhaft. Und Poesie. Quasi! Nico installiert mittlerweile ganz profan die Basisstation des DGPS.
Es ist bereits kurz vor 14:00 Uhr, als wir zum Mittagessen kommen. Nico hat Markierungspunkte für seine DGPS-Messungen ausgelegt und Mike und Andreas waren die ganze Zeit mit den LIDAR Scans beschäftigt. Der Vormittag war also sehr effektiv und gut. Für den Nachmittag wollen wir erneut mit dem Drachen eine Befliegung durchführen. Die ganze Zeit war es windig, aber als wir den Drachen in der Luft haben wird schnell klar, dass er nicht lange da oben bleiben wird. Und so kommt es wie es kommen muss. Der Drachen landet unsanft. Bei einem zweiten Versuch schaffe ich es ihn genau im Schlamm einer Erosionsstruktur zu landen. Herzlichen Glückwunsch, Harry! Gut gemacht. Das beendet die heutigen Flugversuche. Stattdessen mache ich Skizzen der Erosionsstrukturen und vermerke darin die Position der Steinmännchen und der Markierungspunkte. Plötzlich sehe ich ein Rentier, das zwischen den Hügeln Nahrung sucht. Die anderen haben es auch gesehen. Allerdings war es doch schon relativ nahe bevor wir es überhaupt entdeckten. Perfekte Tarnung. Jedem geht natürlich durch den Kopf, dass es auch ein Eisbär hätte sein können. Obwohl wir eigentlich wachsam waren, ist es dem Rentier doch gelungen uns zu überraschen. Wir werden also unsere Anstrengungen verbessern müssen. So geht Andreas mit Mike, um ihn bei seinen LIDAR-Scans zu beschützen. Ich laufe mit Ernst und Nico mit, die mit dem DGPS jene Steine vermessen wollen, die wir vor Jahren markiert haben. So können wir feststellen, wie sich die Landschaft ändert und wie sich die Gesteine bewegen. Als um kurz vor 17:00 Uhr die Batterie der DGPS-Basisstation beschließt leer zu sein, beschließen wir den Arbeitstag zu beenden. Trotz der relativ kurzen Zeit, haben wir doch eine Menge geschafft. Wir haben ja mittlerweile auch viele Jahre Routine im Abarbeiten von Messungen und Beobachtungen. Wir packen also unsere sieben Sachen und gehen zurück an den Strand, wo „Beluga“ vor sich hinplätschert. Ich trage Mikes blauen Koffer, den Ernst heute Morgen hochgeschleppt hat. Das ist auch okay, weil darin der Computer ist, den ich für meine Datenlogger gebraucht habe. Außerdem macht Mike auf dem Weg zum Strand ein LIDAR-Profil, so dass er alle Hände voll zu tun hat.
Jetzt klappt es mit der Platzverteilung auf dem Boot schon viel besser. So positionieren wir die Ersatzbenzinkanister im Bug, wodurch im Heck mehr Platz frei wird. Zudem können Andreas und Ernst nun beide vorne sitzen, was bei den Seebedingungen einen besseren Bootstrim bewirkt und außerdem für alle eine bequeme Sitzposition ermöglicht. Ich sehe rundum zufriedene und lächelnde Gesichter. So hat uns „Beluga“ doch noch von sich überzeugen können. Insgesamt ist sie ein gutes Boot! Das Ankermanöver am Strand von Corbel klappt supergut. Jeder weiß, wo er was machen muss und im Nu ist das Boot ausgeladen. Noch schnell nachtanken, Batterieschalter umlegen, Leinen kontrollieren. Klappe zu! Ich springe von Bord. Der einzige Nachteil ist, dass wir etwas zu weit im Luv der eigentlichen Landestelle vor Anker gegangen sind. Ich habe mich etwas verschätzt. Trotz Wind und Wellen hat der Anker viel besser gehalten als gedacht. Somit sind wir nicht weiter nach Lee gedriftet wie ich mir das ausgemalt habe. Aber was solls?
Ernst sucht noch nach dem kleinen Metallschutz für das Gewehr, während wir uns schon auf dem Weg zur Station machen. Nach gefühlt wenigen Minuten duftet es dann auch schon nach Essen. Es gibt eine Art Hühnerfrikassee mit Reis und wir langen wie gewohnt kräftig zu. Der Abwasch ist heute meine Sache. Am längsten dauert es, das Wasser zu kochen, der Abwasch selber ist dann schnell erledigt. Ernst liest wie jedes Jahr ein Buch über Polarforschung. Er ist bereits zur Hälfte damit fertig und meint ganz lapidar „Die ersten sterben schon“. Ansonsten daddeln Andreas und Mike auf ihren Handys herum und Nico schaut zunächst zum Fenster hinaus und korrigiert dann den Blog. Ein entspannter Abend, der durch einen kleinen Whiskey weiter verschönt wird. Ab ca. 23:00 Uhr bin ich aber wieder alleine im Aufenthaltsraum. Erst verabschiedet sich Mike, dann Ernst, dann Nico und zuletzt Andreas. Ich bin auch tot müde und brauche ewig, um die Fotos für den Blog zu editieren, weil ich zwischendurch immer wieder kurz einnicke und dann wieder von vorne beginnen muss. Aber um 23:30 Uhr ist alles fertig und auch ich kann ins Bett gehen.

Fotos

Nico beim Aufstellen der DGPS Basis-Station
Nico beim Aufstellen der DGPS Basis-Station
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  • Powerboot und Eisberg
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  • Die Datenlogger-Station
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  • Kronebreen Eiswand
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  • Das LIDAR-gerät kommt endlich zum Einsatz
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  • Das sagenhafte Steinmännchen von Mike
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  • Ein interessanter Ausblick auf den Kronebreen-Gletscher
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  • Sehr hübsche Blumen, die derzeit überall blühen
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  • „Beluga“ fühlt sich vor dem Eisberg wohl
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4.7.2025

Was soll ich sagen? Die erste Nudelsuppe der Saison ist die Gemüsevariante. Ernst meint mir was Gutes zu tun. Meine Begeisterung hält sich eher in Grenzen. Zumindest muss ich kein Frühstück machen, denn als ich um 7:35 Uhr in den Aufenthaltsraum komme, ist Andreas, Ernst und Nico bereits eifrig zu Gange. Mike schläft noch. Offensichtlich hat gestern jeder eine andere Uhrzeit zum Frühstücken gehört, als wir darüber geredet haben. Mike und ich haben 8:00 Uhr gehört, die anderen 7:00 Uhr. Jedenfalls sitzen wir nun vor unseren dampfenden Schüsseln und löffeln unsere Nudelsuppen. Dazu gibt es Brot mit Frühstücksfleisch und Tee. Aber dann kommt bereits das erste Highlight des Tages. Ich hole meine kleine Bialetti heraus und meine kleine blecherne Espressotasse und Minuten später zieht frischer Kaffeeduft durch die Hütte. Ein Gedicht!
Dann geht es ans Packen der Ausrüstung für den heutigen Tag. Nachdem ich meine Datenlogger derzeit nicht mit meinem Computer verbinden kann und Mike sein LIDAR noch nicht geliefert bekommen hat, fallen schon einmal zwei Dinge weg. Wir nehmen das DGPS und den Drachen mit. Mit Hilfe des Drachens können wir mit einer GoPro Kamera Bilder aus größerer Höhe machen. Dies ist unsere Alternative zu einer Drohne, die wir hier aufgrund des Radioteleskops nicht fliegen dürfen. Außerdem sind wir ja in der Nähe des Flughafens von Ny Alesund. Auch die Markierungstafeln und die bunten Fähnchen zum Steine markieren nehmen wir mit.
Nach einer kurzen Sicherheitseinweisung und dem Verteilen der Sicherheitsausrüstung mache ich mich auf dem Weg zum Strand, um das Boot fertig zu machen. Die anderen folgen ein paar Minuten später. Jeder quält sich wie schon in den vergangenen Jahren in den Überlebensanzug. Wir geben ein Bild von gestrandeten Walen ab. An Eleganz kaum zu überbieten. Aber schließlich ist jeder in der Pelle, das Gepäck ist verladen und wir sind unterwegs zur Seitenmoräne des Kongsvegen Gletschers, die wir seit Jahren untersuchen. Ich erkläre den anderen noch wie das Motorboot funktioniert. Immerhin ist es ja schon ganz praktisch, wenn sie mich aus dem Wasser fischen können, sollte ich über Bord gehen. „Polar Tomato“ muss hart arbeiten, macht aber alles souverän. Die Fahrt ist sehr schön und vor allem trocken, weil das Wasser spiegelglatt ist. Heute schwimmen viele Eisberge aller Größen im Fjord und ich muss mich beim Fahren schon konzentrieren, während die anderen die Aussicht genießen und Fotos machen. Am Untersuchungsgebiet angekommen, mustern wir wie immer zuerst die Landschaft. In diesen Hügeln ist es leicht, einen Eisbären zu übersehen. Ich sehe tatsächlich einen dreckig weißen Fleck und drehe lieber noch eine Runde. Nico gibt mir ein Fernglas. Beim genaueren Hinsehen entpuppt sich der weiße Fleck als Stein. „Vermutlich ein Stein“ sage ich zur Entwarnung. Nico antwortet darauf nur trocken „Vermutlich tot!“ Recht hat er natürlich, aber ich bin mir schon sicher, dass es ein Stein ist.
Das Team ist in den Jahren immer besser eingespielt beim Ankern und das Manöver gelingt blitzsauber. Jetzt ist auch noch einmal eine gute Gelegenheit das Belegen auf einer Klampe zu zeigen. Dann aber nichts wie raus aus den Wurstpellen. Alle Anzüge ordentlich mit Steinen beschweren, Ausrüstung verteilen, dann geht es hangaufwärts. Ich habe das große Dreibein des DGPS auf dem Rucksack und allerlei Kleinkram im Rucksack. Jeder trägt halt irgendwas nach oben.
Der Aufstieg ist schnell erledigt. Es geht den üblichen Weg hoch. Obwohl sich die Landschaft hier rasend schnell verändert ist unser Weg doch immer der gleiche gewesen. Man kenn buchstäblich jeden Stein. Weiter oben im Untersuchungsgebiet schaut es schon ganz anders aus. Unsere Erosionsstruktur aus dem letzten Jahr ist nach unserer Abfahrt noch weiter hangaufwärts gewandert, ist aber nun eingeebnet und inaktiv. Und damit völlig uninteressant für uns. Etwas weiter östlich finden wir zwei neue Erosionsstrukturen, die vielversprechend sind. Eine davon liegt an einem sehr steilen Hügel und das blanke Eis ist großflächig sichtbar. Die andere Struktur scheint stark durchnässt zu sein. Wir diskutieren unser Vorgehen und beschießen das Ernst und Mike je eine Zeitrafferkamera an der „nassen“ Erosionsstruktur aufstellen, währen Andreas, Mike und ich unsere Zeitraffer-Kameras an der „steilen“ Erosionsstruktur aufstellen. Was folgt ist der Sandkasten für Erwachsene, denn bis auf Nico sammeln wir an mehreren verschiedenen Stellen große Steine um Steinmännchen daraus zu bauen an denen wir die Zeitraffer-Kameras befestigen können. Jeder hat da natürlich seine eigene Strategie. Mike bindet seine zwei Kameras einfach an große Steine, Ernst hat einen Steinmann aus wenigen großen Gesteinen gebaut. Andreas nennt seinen Ansatz den Schildkröten-Ansatz. Flach, breit und extrem stabil. Meiner besteht aus mittelgroßen Steinen und ist gut brusthoch. Nico läuft unterdessen durch das Gelände und sucht bzw. markiert unsere Gesteinsbrocken, die wir vor ein paar Jahren angesprüht haben, um zu sehen wie schnell sie sich bewegen und wie schnell sich die Oberfläche verändert.
Die Datenlogger, die ich letztes Jahr vergraben habe sind noch immer an ihrem Platz und alles schaut sehr gut aus. Morgen werde ich mal versuchen, sie auszulesen. Jetzt ist aber zunächst Mittagessen angesagt. Tomaten-BBQ Heringsfilets, Brot, Tee und natürlich Schokolade. Ich stehe auf dem höchsten Hügel Wache, solange die anderen essen bzw. rumlaufen, um Dinge zu erledigen. Frisch gestärkt, wollen wir den Drachen mit der GoPro darunter fliegen lassen. Mir fällt auf, dass ich die Beine des Kameragestells vergessen habe. Sollte der Drachen abstürzen, wäre die Kamera nicht geschützt. Daher mache ich zunächst einen Probeflug ohne Kamera. Alles funktioniert fehlerfrei und in dem stetigen Wind sollten wir gute Bilder bekommen. Wir starten den Drachen mit der Kamera und in der Tat liegt er relativ ruhig in der Luft. Ich fliege was das Zeug hält. Bei einer kurzen Zwischenlandung haben wir erst 49% der Batterieladung verbraucht und auch die Speicherkarte ist noch begierig weitere Daten speichern zu dürfen. Also nichts wie wieder in die Luft! Um kurz vor 16:00 Uhr ist die Batterie fast leer und mir ist vom Herumlaufen gut warm geworden. Der Drachen zieht ja ganz ordentlich und man muss aufpassen, wo man hin steigt und muss über viel Hügel steigen. Jetzt brauche ich erst ein Stück Schokolade und dann einen schönen Tee.
Wir packen unsere Ausrüstung zusammen und machen uns auf dem Weg zurück zum Boot. „Polar Tomato“ liegt friedlich im Wasser und wartet auf uns. Jetzt kommen die gestrandeten Wale wieder ins Spiel. Nach einer ruhigen und unspektakulären Fahrt zur Corbel-Station setzen wir Nico, Ernst und Andreas dort ab. Mike und ich machen uns auf nach Ny Alesund, um sein LIDAR zu holen, das heute per Powerboot aus Longyearbyen angekommen ist. Es ist alles da, aber leider ist der LIDAR-Sensor vermutlich durch die Bootsfahrt abgefallen. Mike nimmt alles mit in die Rabot-Werkstatt um ein neues Gewinde zu schneiden. Während er bastelt, mache ich das Boot bereit, denn wir konnten „Polar Tomato“ durch die leistungsstärkere „Beluga“ ersetzen. Wirklich ein schönes Boot, das uns deutlich mehr Platz bietet und vermutlich auch schneller ist. Immerhin hat es anstatt 40 PS satte 70 PS. Nachdem wir schon in Ny Alesund sind, kann ich auch die ganzen Unterlagen mitnehmen, falls wir vom Sysselmesteren oder der Polizei kontrolliert werden sollte. Zwar habe ich alle Genehmigungen auf dem Handy, aber sicher ist sicher. Weiteres wichtiges Papier nehmen wir ebenfalls mit, nämlich Toilettenpapier. 12 Rollen sind sicher Overkill für die kurze Zeit aber auch da gilt, sicher ist sicher. Auch laden wir die Hobo-Software auf Mikes Computer, die ich benötige, um meine Datenlogger steuern zu können. Aurianne und Louis schmeißen heute eine Party zu der sie uns einladen. Daraus wird aber natürlich leider nichts, denn die anderen warten bereits auf uns. In Ny Alesund ist heute die große norwegische Fahne gehisst. Zu Ehren des Geburtstags der Königin, der mit dem amerikanischen Independence Day zusammenfällt. Das Team um Aurianne leistet hervorragende Arbeit und wir haben auch jede Menge Spaß. Es ist einfach immer wieder super mit so motivierten AWIPEV Leuten zu arbeiten. Und das geht nun schon seit Jahren so. Das AWIPEV hat ganz offensichtlich ein gutes Näschen, die richtigen Leute für diesen Job auszusuchen.
Die Fahrt mit „Beluga“ zur Corbel-Station bestätigt den ersten guten Eindruck. Das Boot fährt sich hervorragend, allerdings ist das Wasser nach wie vor spiegelglatt. Der wahre Test kommt also erst noch, wenn Wellen sind. Momentan macht es jedenfalls Spaß mit „Beluga“ unterwegs zu sein und in Null Komma Nichts sind wir am Strand der Corbel-Station. Ich übernehme den Heckanker und Mike den Buganker. Und nach ein paar Minuten sitzen wir vor dampfenden Tellern mit Spaghetti Bolognese, die Andreas punktgenau fertiggebracht hat. Sagenhaft und extrem lecker. Ich bin aber auch hungrig, denn es ist bereits ca. 20:00 Uhr. Ernst übernimmt dankenswerter Weise den Abwasch, so dass sich Nico um das DGPS und Mike und ich um die Hobo-Software kümmern können. Nach anfänglichen Schwierigkeiten schafft es Mike schließlich die Logger mit dem Computer zu verbinden. Dazu muss er noch einen Treiber herunterladen und ich frage mich, warum der nicht gleich beim Herunterladen der Software dabei war. Aber die gute Nachricht ist, dass es funktioniert!
Gegen Abend setzt wieder leichter Nieselregen ein, während wir den ganzen Tag trockenes und auch relativ warmes Wetter hatten. Nur Sonne hatte wir heute keine. Um 23:30 Uhr verziehen sich die anderen in ihre Mumeltüten. Ich suche noch ein paar Bilder für den Blog heraus, laden Batterien und sichere die Bilder und Filme des heutigen Tages. Nico hat von den Filmen vorher auch schon Sicherungskopien gemacht.

Fotos

Das brandneue Boot „Beluga“
Das brandneue Boot „Beluga“
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  • Mein neues Zimmer
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  • Die erste Nudelsuppe der Saison
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  • Ein ordentlicher Espresso am Morgen weckt die Lebensgeister
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  • Auch das muss sein: Der Wassertank muss befüllt werden
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  • Neue Erosionsstrukturen im Untersuchungsgebiet. Links am Hügel in der Mitte sieht man die „steile“ Erosionsstruktur
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  • Wir machen uns abmarschbereit
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  • Strand, „Polar Tomato“, Eisberge und Gletscher – alles in einem Bild
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  • Die neue „Steile“ Erosionsstruktur
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  • Mein Steinmann
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  • Mikes Steinmann
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  • Die neue „nasse“ Erosionsstruktur
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  • Ernsts Steinmann
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  • Andreas Steinmann
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  • Teepause
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  • Mike beim Fotografieren von einem Eisbären und einem Wal
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  • Rost am Hafen von Ny Alesund
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3.7.2025

Der Wecker klingelt wie üblich um 6:30 Uhr. Nachdem ich ihn ausgeschalten habe, schlafe ich auch sofort wieder selig ein. Um 7:40 Uhr, also satte 10 Minuten nachdem das Frühstück begonnen hat, werde ich wach. Jetzt aber Gas geben. Kurz durch das Bad fliegen und schon sitze ich am Frühstückstisch. Es stellt sich aber heraus, dass ich mich nicht wirklich beeilen hätte müssen. Es gibt Porridge bzw. Haferflocken. Das Zeug schaut aus wie zweimal gegessen und ist absolut nichts für Mamas Liebling. Zum Glück gibt es aber auch noch andere Dinge. Und Hauptsache es gibt Kaffee. Kaum sitze ich am Tisch, gehen auch schon die Fotos von einem Eisbären herum, der heute Morgen um 7:40 Uhr, also vor wenigen Minuten, zwischen Ny Alesund und der Schießbahn gesehen wurde und der dann in Richtung Austere Brøggerbreen weitergezogen ist. Also genau die Gebiete, die wir erst gestern bzw. vorgestern besucht haben. Glück muss man haben! Denn im Gebiet des Austere Brøggerbreen hat man nicht viele Ausweichmöglichkeiten. Auf der einen Seite geht es steil zum Zeppelinfjellet hoch und auf der anderen Seite fließt die Bayelva.
Um 9:00 Uhr verabrede ich mich mit Marek, damit er mich in die Boote einweist. Ich kenne zwar die meisten bereits, aber es kann nie schaden, sich nochmals alles erklären zu lassen. Und siehe da, Marek zeigt mir ein brandneues Boot namens „Beluga“. Der Motor ist tatsächlich erst 14 Stunden gelaufen! Es ist dunkelgrau, etwa so lang wie „Polar Tomato“ aber wesentlich breiter. In der Form ähnelt es eher der altgedienten „Sabrina“. Clou des neuen Bootes ist eine Frontklappe, die das Ein- und Ausladen deutlich erleichtern wird. Marek erklärt mir wie die Frontklappe funktioniert und da ansonsten alles wie gewohnt zu funktionieren scheint, sind wir relativ zügig mit der Einweisung fertig. Das passt mir ganz gut, weil ich heute den ganzen Tag in einem wichtigen ESA Program Board Zoom-Meeting verbringen werde, das um 9:30 Uhr beginnt. Ich bin pünktlich!
Während ich den Präsentationen und Diskussionen folge, machen sich die anderen bereit, um zur Corbel-Station zu fahren. Sie durchlaufen die übliche Prozedur und ich kann über das Funkgerät verfolgen, was sie gerade machen. Um 11:30 Uhr höre ich Marek, wie er sich abmeldet als sie den Hafen verlassen. Mike und ich werden dann später dazustoßen. Soweit kommt es allerdings nicht. Denn der Wind und die Wellen sind noch immer so, dass ein Anlanden am Strand der Corbel-Station nicht möglich ist. Ebenfalls über Funk höre ich deshalb, dass Ernst, Nico und Andreas zurückkommen. Kurze Zeit später steckt erst Andreas und dann Ernst den Kopf in den Aufenthaltsraum, den ich kurzerhand zum Büro umfunktioniert habe. Ich liege auf dem Sofa und höre zu. Natürlich versuche ich möglichst viele Notizen zu machen. Im Meeting geht es um die ESA-Raumfahrtstrategie des HRE Direktorats, das sich mit der Exploration von Mond und Mars beschäftigt und auch die Aktivitäten auf der ISS koordiniert.
Um 12:15 Uhr ruft der Vorsitzende des Meetings zu einer Kaffeepause auf. Das ist das perfekte Timing, da es bei uns in Ny Alesund ja um 12:20 Uhr Mittagessen gibt. Heute gibt es eine Art Bratwurst. Zusammen mit geräuchertem Lachs, Pommes Frites und einem Nudelsalat wird daraus schon eine halbwegs gewagte Kombination. Zum Nachtisch gibt es Krabben, Hobnobs und einen Kaffee.
Da das Meeting nach der ESA-Mittagspause erst wieder um 14:30 Uhr beginnt, bleibt mir noch Zeit, die Software für meine Datenlogger auf meinem Mac zu installieren. Das funktioniert auch ohne Probleme und ich freue mich schon darüber. Allerdings zu früh, denn ich kann meinen Logger nicht mit dem Computer verbinden. Ich vermute, dass entweder das Kabel oder mein USB-C Adapter die Ursache sein könnten. Also probiere ich alle möglichen Kombinationen durch. Mit null Erfolg. Eine Internetsuche zeigt mir schließlich, dass mein Logger nicht mit MacOS 13 und 14 kompatibel ist. Selbstverständlich habe ich MacOS 13 auf meinem Rechner! Ich bitte deshalb Nico die Software auf seinen Rechner zu installieren. Nico hat allerdings ein LINUX Betriebssystem, so dass meine glorreiche Idee auch nicht funktioniert.
Unsere drei Musketiere wagen am Nachmittag einen zweiten Versuch, die Corbel-Station zu erreichen. Dieses Mal mit Erfolg. Thomas fährt mit „Polar Tomato“ und Marek fährt „Beluga“, um alles Gepäck und die Drei abzuliefern.
Um kurz vor 17:00 Uhr logge ich mich aus dem Meeting aus. Jetzt heißt es zügig alles einzupacken, die Waffen und andere Sicherheitsausrüstung abzuholen, das Exkursions-Logbuch auszufüllen, noch ein letztes Mal die Toilette zu benutzen und die ganze Ausrüstung und Benzinkanister auf das Boot zu verladen. Marek meint es wäre wohl am besten „Polar Tomato“ zu nehmen, weil wir das Boot im Notfall auch auf den Strand ziehen können. Gesagt, getan! Mike organisiert ein Auto, um alles Gepäck zum Hafen zu bringen. Dort angekommen verabschiede ich mich von den Schäfers. Wir werden uns am 17.7. in Longyearbyen wiedersehen, um gemeinsam Essen zu gehen. Der Raum mit den Überlebensanzügen überrascht mich sehr positiv. Es hängen dort viele nagelneue Anzüge. Offensichtlich hat das AWIPEV eine größere Investition gemacht und die alten und hundert Mal geflickten Anzüge ersetzt. Prima! Ich suche mir „L17“ aus. Ein sehr schöner Anzug!
Auf der Fahrt zur Corbel-Station wird der Anzug auch gleich gut getestet. Es weht noch immer ein starker Wind, der die Wellen teilweise doch recht hoch auftürmt. Da die Welle so kurz und steil ist, werden Mike, ich und unser Gepäck ordentlich abgeduscht. Oft muss ich das Gas wegnehmen, um ein hartes Aufschlagen zu verhindern. Abenteuerlich ist es schon, gefährlich nicht. Und irgendwann kommen wir auch am Strand der Corbel-Station an. Unsere Funksprüche an die Corbel-Station werden nicht gehört aber letztlich stehen Ernst und Nico bereit, um uns zu helfen. Als wir uns dem Strand annähern, werden die Wellen deutlich kleiner und ich entschließe mich zum Ankern nachdem ich zuerst gedacht habe, dass wir das Boot auf den Strand ziehen müssen. Die Wettervorhersage sagt außerdem voraus, dass der Wind abnehmen soll. Das Anlegemanöver klappt prima und auch das Ausladen ist kein Problem. Ich lenze noch das Wasser und justiere die Ankerleinen. Nach ein paar Minuten kommen wir an der Corbel-Station an. Dieses Jahr komme ich in einem neuen Zimmer unter, das sich im Batteriegebäude befindet. Macht auch keinen Unterschied in welchem Zimmer man schläft!
Andreas ist bereits am Kochen und es riecht schon köstlich in der ganzen Hütte. Ich versuche Carolyn anzurufen und siehe da, es funktioniert. Das ist das allererste Mal, dass ich von hier aus telefonieren kann. Wunder der Technik! Ernst ist auch glücklich, weil ihm Mike zwei rechte Schuhe mitgebracht hat. Ja genau, Ernst hat es geschafft mit zwei linken Schuhen Ny Alesund zu verlassen. Dazu gibt es nicht mehr zu sagen.
Das Essen riecht nicht nur gut, es schmeckt auch so. Dazu lassen wir uns ein Bier und einen kleinen Whiskey schmecken. Dann muss noch der Blog geschrieben werden. Die Bildauswahl geht heute sehr schnell. Dadurch, dass ich den ganzen Tag in dem Meeting gesessen habe und es auf der Bootsfahrt viel zu nass war, habe ich fast keine Fotos gemacht.
Heute gibt es auch noch eine gute Nachricht zu berichten. Mikes LIDAR hat es endlich bis nach Longyaerbyen geschafft und wird morgen per Powerboot nach Ny Alesund kommen. Wir können es also morgen Abend abholen.
Zum Schluss muss noch erwähnt werden, dass Mike heute den Abwasch erledigt. Er besteht darauf, dass diese weltbewegende Neuigkeit im Blog dem Rest der Menschheit berichtet wird. Okay, eigentlich geht es ihm nur darum, dass Nora, seine Frau, davon erfährt. Sein Wunsch wird also hiermit in Erfüllung gehen. Nora, ich denke Mike kann in Zukunft auch zuhause viel öfter den Abwasch übernehmen. Er macht das richtig gut!
Nach all dem vielen Wind der letzten Tage ist er heute innerhalb weniger Stunden komplett eingeschlafen. Haben wir uns vor ein paar Stunden noch durch hohe Wellen und gegen ca. 5-6 bft Windstärke gekämpft, liegt der gesamte Fjord nun mehr oder weniger spiegelglatt vor unserem Fenster herum. Es ist 21:45 Uhr und es ist absolut windstill und bedeckt. Auch zu nieseln hat es aufgehört, so dass wir morgen hoffentlich einen guten Feldtag haben werden. Um 22:30 liegen alle in der Tüte, während ich noch Batterien lade und Movies und Fotos kopiere. Leider funktioniert das Internet heute nicht, so dass ich meinen Blog nicht losschicken kann.

Fotos

„Polar Tomato“ ist bereit für neue Abenteuer
„Polar Tomato“ ist bereit für neue Abenteuer
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  • Mike beim Anziehen des Überlebensanzugs
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  • „Sabrina“ und „Beluga“: Alt und neu friedlich nebeneinander
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  • Die Flotte des AWIPEV wächst: „Beluga“, Sabrina“, „Luciole“, „Polar Tomato“
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  • Der erste Abend auf der Corbel-Hütte wird uns durch ein Festmahl verschönt
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  • Das SPLAM-Team beim Essen
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2.7.2025

Der Morgen graut und mir graut es auch. Regen und 7 bft. Windgeschwindigkeit. Wenn man draußen unterwegs ist, spürt man den Wind schon recht deutlich wie er an einem zerrt und rüttelt. Bei so einem Wetter jagt man keinen Hund vor die Türe. Das Problem ist nur, wenn man nicht vor die Türe geht, gibt es auch kein Frühstück. Anschließend hat jeder noch genügend Kleinkram zu erledigen. Emails checken, Bilder sortieren, Blog fertig machen, Löcher in die Luft schauen, sich vom anstrengenden Frühstücksstress erholen. Jeder macht, was er eben so machen muss. Gegen 10:00 Uhr treffen wir uns alle zum großen Pow-Wow, um unsere Pläne für den Tag zu schmieden. Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen, so dass einem Feldtag nichts mehr im Wege steht. Der Austere Brøggerbreen wird unser Ziel, weil wir dafür kein Boot brauchen und er halbwegs bequem und vor allem schnell zu erreichen ist. Sollte der Wind weiter zunehmen, wären wir schnell wieder zuhause. Ich vermute aber, dass der Zeppelinfjellet einen Großteil des Windes ablenken wird, so dass wir am Gletscher relativ ruhige Bedingungen haben sollten. Wir wollen das Mittagessen ausfallen lassen und gegen 11:30 Uhr loslaufen. Rückkehr dann pünktlich zum Abendessen. Auch der generelle Plan für morgen wird schon andiskutiert. Ernst, Nico und Andreas werden mit Marek bis Corbel fahren, das Gepäck dort ausladen und dann ins Untersuchungsgebiet am Kronebreen-Gletscher fahren. Mike wartet noch immer auf sein LIDAR Instrument, das morgen hoffentlich mit dem Nachmittagsflug ankommen soll. Ich selbst habe morgen den ganzen Tag ein wichtiges ESA Program Board Meeting, an dem ich über Zoom teilnehmen werde. Der Plan ist, dass wir dann mit einem Boot unser Gepäck zur Corbel-Station bringen und dann die anderen aus dem Untersuchungsgebiet abholen werden. Der ganze Plan ist natürlich stark wetterabhängig. Selbst wenn der Wind wie angekündigt weniger werden sollte, hat man noch immer hohe Wellen. Außerdem ist auch noch für morgen ganz ordentlich Wind angesagt. Erst am Freitag soll es dann ruhiger werden. Ich bin gespannt.
Ich laufe zum Hafen runter, um die Schäfers zu informieren. Dort unten bläst es aus allen Rohren, kein Vergleich zu den Verhältnissen im Dorf. Das Boot liegt gut vertaut in einer Ecke des Hafens aber es schaukelt doch ganz gut. Jürgen sagt, sie hatten eine eher unruhige Nacht. Das kann ich mir denken. Andere Boote liegen noch ungünstiger an einem Steg. Da so viele Boote dort festgemacht haben, mussten die Leute von KingsBay eine dicke Leine spannen, die sie an einem Bagger vertäut haben. Spezielle Situationen erfordern spezielle Maßnahmen!
Jetzt muss ich die Gewehre und Signalpistolen organisieren, ein InReach, Funkgeräte und natürlich die Eintragung in das AWIPEV Exkursionslog machen. Dadurch weiß die Station immer genau wer wo und wie lange im Gelände ist. Falls Gruppen überfällig sind, können Maßnahmen ergriffen werden. Dann brauche ich natürlich noch eine Thermoskanne Tee und etwas zu essen. Eine RitterSport Schokolade ist das Einzige, was ich auf die Schnelle finden kann. Schäfers sind überpünktlich und müssen etwas auf uns warten. Nach einer kurzen Sicherheitsunterweisung geht es los. Wir kommen endlich ins Gelände! Wir laufen am Tvillingvatnet vorbei auf die Lateralmoräne des Austere Brøggerbreen hoch. Hier rächt es sich, dass ich in der Vorbereitung, die nicht wirklich stattgefunden hat, nicht zum Laufen gekommen bin. Ich komme zwar gut hoch, aber vor 15 Jahren ist es leichter gefallen. Nur gut, dass es den anderen genauso geht. Alte, dicke Männer im Gelände! Ein Traum! Und pfeilschnell unterwegs!
An unserem üblichen Aussichtspunkt angekommen, machen wir die jährlich erschreckende Beobachtung. Der Gletscher ist wieder um einiges kürzer und dünner geworden. War es in den vergangenen Jahren schon erschreckend, so scheint es dieses Jahr noch mehr Grund zur Sorge zu geben. Ich erkläre den Schäfers wo wir den Gletscher bei unserem ersten Besuch gesehen haben, und sie schauen mich nur ungläubig an. Ich denke, dass mindestens ein Drittel des Gletschers bereits weggetaut ist. Wir laufen natürlich hinunter und versuchen auf den Gletscher zu kommen. Andreas und Nico bleiben auf der Lateralmoräne. Nico mit dem Kommentar „Ich bin Fernerkundler!“. Der Abstieg in diesem Geröll ist wirklich nicht so schön, aber wir schaffen es alle bis zum Gletscher. Es dauert eine Weile, bis wir eine geeignete Stelle finden, um den Schmelzwasserfluss überqueren zu können. Aber auch das schaffen wir! Und ich meine das jetzt wirklich ganz ohne Hintergedanken! Der Gletscher ist dieses Jahr sehr rutschig, weil an seiner Oberfläche großflächig Wasser abfließt. Das gehen darauf fällt dementsprechend viel schwieriger, als in den letzten Jahren. Einzelne Steine und Sedimentablagerungen sind tief in das Eis eingeschmolzen. Mit ihrer dunklen Farbe nehmen sie mehr Sonnenwärme auf und schmelzen somit das Eis um sie herum. In der Mitte des Gletschers gibt es noch immer einen sehr großen Schmelzwasserkanal, den wir bereits letztes Jahr bestaunt haben. Es ist immer wieder faszinierend, wie sich das Wasser in das Eis eingräbt und dabei tolle Mäander bildet. Am unteren Ende des Gletschers durchschneidet der Fluss eine Hügelkette und legt dabei mehrere Meter hohe Eiswände frei. Man läuft buchstäblich auf ein paar wenigen Zentimetern Schutt, darunter kommt klares Gletschereis. Schon super-cool! Der Gletscher ist es einfach immer wert, besucht zu werden. Dafür nehme ich auch gerne den beschwerlichen Aufstieg in Kauf.
Jetzt stehen wir natürlich vor dem nächsten Problem. Wir müssen wieder über den zuvor gequerten Schmelzwasserfluss. Nur sind wir jetzt viel weiter unten, wo die Wassermengen deutlich größer sind und entsprechend tiefer, schneller fließende und auch breitere Flussläufe überwunden werden müssen. Es dauert eine Zeit, aber schließlich habe ich einen Weg ausgekundschaftet. Alle nehmen diesen Weg und kommen trockenen Fußes über den Bach. Nur Ernst ist ein wenig zu ungeduldig und geht barfuß durch den Bach. Nachteil ist natürlich, dass er total schlammige Füße dabei bekommt.
Was wir vorher abgestiegen sind, müssen wir jetzt wieder ansteigen. War herunter schon nicht ganz einfach, so ist der Weg aufwärts in diesen Geröllmassen noch beschwerlicher. Oben warten Nico und Andreas und ich schenke mir erst einmal eine Tasse Tee ein. Wenig später kommen auch Ernst und die Schäfers an. Der Rückweg gestaltet sich anschließend völlig problemlos. Waren wir am Gletscher tatsächlich so wie vorhergesagt relativ windgeschützt, fängt es allerdings auf dem Rückweg wieder kräftig an zu pfeifen. Unangenehm ist, dass wir direkt in den Wind hineinlaufen. Ich empfinde das als wenig angenehm. Aber es lässt sich nun mal nicht ändern. Insgesamt war das Wetter aber besser als befürchtet. Obwohl dunkle Wolken den Himmel verhangen haben, hat es nicht geregnet. Im Gegenteil, ab und zu hat sogar die Sonne durch die Wolken stibitzt und dadurch wunderbare Lichteffekte geschaffen.
Gewehre entladen. „AWIPEV, AWIPEV for Harry. The Martians are back in Town”. Wenig später deponieren wir unsere ausgeliehene Ausrüstung im Blauen Haus und löschen unseren Logbuch-Eintrag. Es bleibt gerade noch soviel Zeit ein frisches T-Shirt und eine frische Unterhose anzuziehen, dann müssen wir uns auch schon zum Essen sputen. Okay, ich kann jetzt schon die Beschwerden hören, dass niemand wirklich wissen will, dass ich die Unterhose gewechselt habe. Zugegeben, aber jetzt habe ich es halt so geschrieben. Also, seid tapfer! Wichtiger ist vielleicht die Information, dass es heute Nackensteak, Kartoffeln und Gemüse zum Abendessen gibt. Zum Nachtisch Kaffee, Kuchen und Rhabarberkompott. Alles super!
Was folgt ist sogar noch besser. Eine ausgiebige heiße Dusche! Herrlich! Keine Diskussion! Mir war zwar heute nie kalt, ich habe sogar geschwitzt. Dennoch hat einen der Wind doch „ausgeblasen“ und die Dusche und das Essen bringen definitiv die Lebensgeister zurück. Allerdings höre ich während ich diese Zeilen schreibe doch ein ordentliches Gesäge aus den Nachbarräumen. Es war also nicht nur für mich anstrengend…
Ein schöner Regenbogen über dem Kronebreen Gletscher am Ende des Kongsfjorden ist das Sahnehäubchen auf dem heutigen Tag. Und natürlich das obligatorische Absackerbier. Auriane lädt uns netterweise zum Spielen ein, aber wer mich kennt weiß, dass ich nie Gesellschaftsspiele mache. Gesellschaftsspiele sind wie Backerbsen- beides ist für mich unerträglich. Auch die anderen lehnen dankend ab. Vielleicht liegt das auch an dem Talisker Skye Whiskey, den Jürgen und Christine Schäfer heute mit uns teilen. Da kann ich wiederum nicht nein sagen! Sehr torfig, sehr rauchig! So muss das sein! Es bleibt aber alles im Rahmen und wir haben viele spannende Gesprächsthemen. Nachdem alle heute müde sind, löst sich die Runde auch zeitig auf, was mir wiederum die Möglichkeit gibt, meinen Blog zu schreiben und mein Feldbuch zu aktualisieren. Der erste Tag im Gelände war sehr schön und wir haben wieder deutliche Veränderungen in der Landschaft beobachtet. Und wir haben keinen Eisbären gesehen. So kann es weitergehen.

Fotos

Bei Sturm wird es eng im Hafen
Bei Sturm wird es eng im Hafen
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  • Der Vestere Brøggerbreen Gletscher glänzt in der Sonne
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  • Der Blick auf den traurig ausschauenden Austere Brøggerbreen Gletscher
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  • Tee Pause nach dem Aufstieg auf die Lateralmoräne des Austere Brøggerbreen
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  • Andreas und Nico während der Teepause
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  • Schmelzwasserfluss am Rande des Austere Brøggerbreen Gletschers
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  • Ins Eis eingeschmolzene Gesteine und Sedimente
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  • Der apere Austere Brøggerbreen Gletscher
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  • Schmelzwasser hat sich tief in den Gletscher erodiert. Auf dem Eis liegt nur sehr wenig Schutt
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  • Tief eingegrabener Schmelzwasserfluss und bunte Ablagerungen
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  • Dunkle Wolken aber ein bisschen Sonnenlicht lässt die Landschaft wieder neu erscheinen
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  • Regenbogen am Ende des Kongsfjorden
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1.7.2025

Ich habe gestern vergessen zu erwähnen, dass wir unseren alten Freund, Maarten Loonen, den Gänseforscher der Universität Groningen, wiedergetroffen haben. Es war ein großes Hallo und jeder hat sich gefreut den jeweiligen anderen zu sehen. Maarten ist ein Ny Alesund Urgestein und kommt schon viel länger hierher als wir. Aber auch bei uns setzt langsam ein gewisser Bekanntheitsgrad ein. So hat Auriane gestern gemeint, dass wir „Martians“ in Ny Alesund schon bekannt seien und sie unsere Ankunft erwartet habe. Wow! Und dabei haben wir hier doch nur jede Menge Spaß. Zwar dokumentieren wir die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landschaft sehr akribisch und haben mittlerweile Daten aus vielen Jahren aber keine unserer Veröffentlichungen hat wirklich bahnbrechende Effekte, geschweige denn, dass sie ein Umdenken anstoßen würden. Auch Thomas, den Logistik-Ingenieur des letzten Jahres treffe ich per Zufall im Rabot-Gebäude. So wie es ausschaut, wird er mit uns am 17.7. Ny Alesund verlassen. Dann ist erst einmal Urlaub für ihn angesagt. Wohl verdient, denn ein ganzes Jahr hier zu arbeiten ist doch sehr anstrengend und fordernd.
Das Wetter ist heute grau in grau in tiefen regenschweren Wolken und einem steifen Ostwind der Stärke 5, der im Laufe des Tages weiter zunehmen soll. Der ganze Fjord hat schon jetzt schöne Schaumkronen und Wellen, die es zumindest sehr unangenehm machen würden, mit dem Motorboot gegenanzufahren. Es ist noch immer unangebracht warm. Morgens um 7:00 ist die Welt also fast noch in Ordnung. Ich hoffe nur, dass wir nicht schon beim Schießtraining, das für 13:00 Uhr angesetzt ist, im Regen herumlaufen, der allerdings erst für später vorhergesagt ist. Aber zumindest gibt es dort ja die Hütte, so dass man beim eigentlichen Schießen schön im Trockenen steht. Vorher müssen wir um 10:00 Uhr noch zum „Eisbären-Kurs“.
So, damit kann ich mich jetzt in aller Ruhe zum Frühstücken begeben. Nach der üblichen morgendlichen Aufhübschungsprozedur geht es pünktlich um 7:30 Uhr AAARRGGGHHHH!!!! Was aus der Maschine kommt ist eher braunes Abspülwasser. Ich denke mal, jemand hat sich bei der Menge des Kaffeepulvers um ein paar Größenordnungen verschätzt. Ich steige deshalb auf Earl Grey Tee um. Geht auch. Außerdem muss ich das Frühstück eh etwas kürzer halten, weil ich ein Interview mit dem Kindermagazin des „Der Spiegel“ habe. Dort soll es einen Bericht über die wissenschaftlichen Untersuchungen auf dem Mond geben. Herr Wedig ist sehr gut vorbereitet und wir reden ca. 45 Minuten über die Wassereisvorkommen auf dem Südpol, Landestellenauswahl, private Anbieter, und und und. Wer mich kennt weiß, dass ich problemlos ein abendfüllendes Programm zum Thema Mond abliefern kann. Meine Begeisterung für den Mond geht da immer sehr schnell mit mir durch, so dass ich im Regelfall immer viel mehr rede als es irgendjemanden interessiert.
Pünktlich zum Eisbären-Kurs bin ich fertig mit dem Interview und ich schaue mal, ob es vielleicht jetzt doch noch eine kleine Koffeininjektion für mich gibt. Mit frischem Kaffee ausgestattet, sitzen wir zu fünft in dem Kurs. Wir lernen viel über Eisbären, deren Verhalten, Sicherheitsmaßnahmen, juristische Aspekte und natürlich über die Waffen, Munition und die Handhabung. Mit Übungsmunition können wir den Umgang mit dem Gewehr üben. Natürlich haben wir das alles schon zig Mal gehört und gemacht. Nichtsdestotrotz ist es immer wichtig zu verstehen, wie gefährlich ein Gewehr und natürlich auch die Eisbären sind. Da ist man schon gut beraten dem Vortragenden gut zuzuhören und aufzupassen. Falsche Sicherheitsgefühle und Schlampigkeit sind hier einfach fehl am Platz. Außerdem ist es auch immer wieder interessant zu hören, dass sich ein angreifender Eisbär mit ca. 11 m/s bewegt und man erst bei 35 Meter Abstand schießen soll. Da bleibt nicht viel Zeit. Ich hoffe, wir bleiben dieses Jahr wieder von Eisbären verschont, so dass wir in Ruhe unsere Arbeit erledigt bekommen. So schön und beeindruckend diese Tiere auch sind, ich bin immer froh keinen zu sehen, weil wir ansonsten einen Arbeitstag verlieren. Wer will schon im hügeligen Gelände Messungen durchführen, wohl wissend, dass jeden Moment ein Eisbär um die Ecke biegen kann. Da es dieses Jahr bereits mehrere Eisbärsichtungen um Ny Alesund gegeben hat, werden wir, wie auch in den vergangenen Jahren, eine Person auf einem Hügel zum Wachestehen abstellen. Sicher ist sicher! Um kurz vor Mittag sind wir mit dem Theorieteil des Kurses fertig. Der Energieverbrauch war dabei natürlich katastrophal hoch, so dass wir überpünktlich zum Mittagessen erscheinen, um unsere Fettreserven aufzupolstern.
Auf dem Weg zum Schießtraining stellen wir fest, dass die Brücke gesperrt ist und eine neue Straße angelegt wurde, um zur Schießhütte zu gelangen. Die letzten paar hundert Meter müssen wir zu Fuß bewältigen. Eine gewaltige körperliche Anstrengung. Rote Fahne hoch, Rolltore auf und schon geht es mit der Signalpistole los. Laden, zielen, feuern. Dann können wir nochmals den Umgang mit den Gewehren „trocken“ üben, bevor es mit vier Schuss kniend losgeht. Anschließend 5 Schuss stehend und wiederum danach 4 Schuss auf Zeit. Ich muss gestehen, dass ich noch nie so schlecht geschossen habe wie dieses Jahr. Alle Schüsse liegen zwar sehr eng zusammen. Aber alle sind nicht im Schwarzen, sondern leicht links unterhalb. Nico wird diesjähriger Schützenkönig! Da noch Munition übrig ist, können wir noch eine zweite Runde kniend schießen. Auffallend ist dieses Jahr die extrem hohe Versagerquote der Munition. Obwohl der Schlagbolzen trifft, explodiert die Treibladung nicht und es löst sich kein Schuss. Bei einer Übung versagen bei mir 3 von 4 Patronen. Unser Trainer, Ivar Bergend, meint, dass es sich um Munition aus mexikanischer Produktion handelt. Er versichert uns auch, dass es sich nur um die Übungsmunition handelt und dass die „richtige“ Munition dieses Problem nicht hat. Ivar hat uns übrigens auch schon letztes Jahr den Schießkurs gegeben und er macht das richtig gut, weil er uns auch kleine Tricks und Kniffe weitergibt. Am Ende sind wie üblich alle Bären tot und wir bekommen alle unser Zertifikat.
Eigentlich wollten wir nach dem Schießen ins Gelände und die Schäfers, meine Segelbekanntschaft, warten bereits auf uns, um uns zu begleiten. Es ist allerdings schon 15:30 Uhr, wir müssen noch die Waffen reinigen, um 16:30 Uhr gibt es Abendessen, um 17:30 Uhr einen Vortrag über PFAS in Vögeln, gefolgt von einem Rundgang durch die Anlagen des Radioteleskops. Keines dieser Events wollen wir natürlich verpassen und so beschließen wir zunächst Kaffee zu trinken und uns dann seelisch und moralisch auf die anderen Ereignisse vorzubereiten.
Nach dem Essen hole ich die Schäfers ab und wir gehen gemeinsam zum Vortrag. Der Vortrag ist wirklich gut und spannend und macht auch etwas nachdenklich. Denn diese PFAS sind chemisch sehr stabil und reichern sich im Körper an. Sie sind krebserregend, greifen in den Hormonhaushalt ein und führen zu einer Verminderung der Spermienqualität. Die Frage ob es auch bei Menschen solche Auswirkungen dieser Stoffe gibt, bejaht der Vortragende. Insgesamt also ein eher trübes Bild, das sich einem da präsentiert. Anschließend werden wir mit mehreren Autos zu Kartverket gefahren, die große Radioteleskop-Station. In kleinen Gruppen werden wir herumgeführt und können auch in das Innere der Radioteleskope klettern. Wir lernen sehr viel über die Arbeiten mit diesem Teleskop und über die Anwendungen der Ergebnisse für die Verfolgung von Satelliten und die Deformation der Erde. Das ist wirklich hochspannend und faszinierend und die Mitarbeiter geben sich viel Mühe, alle Fragen im Detail zu beantworten. Auch ein Laser-Ranging Teleskop können wir besichtigen, das in Zukunft mittels Laser einzelne Satelliten nachverfolgen bzw. lokalisieren wird. Auch einen kleinen Retroreflektor bekomme ich zu sehen, wie er auch für die Entfernungsmessungen des Mondes zur Erde verwendet wird. Der Kontrollraum hat einen fantastischen Blick über die gesamte Anlage und darüber hinaus den gesamten Fjord. Ein genialer Arbeitsplatz. Room with a view – at its best! Wir sind alle von dieser tollen Tour begeistert!
Den Abend lassen wir dann im Rabot-Gebäude ausklingen. Wir reden über tausend verschiedene Dinge und schädigen dabei Andreas, indem wir seinen Whiskey genießen. Gerade als die Schäfers gehen, kommt Aurianne, Thomas und ein Freund von Thomas herein, der 2. Offizier auf dem großen Motorboot „Anakena“ ist, das im Hafen festgemacht hat. Unsere Gespräche drehen sich natürlich um Dinge wie Thomas‘ neuen Job auf einem sehr skurrilen Boot namens „Tara“, das speziell dafür konstruiert wurde, um sich einfrieren zu lassen, um die polaren Eisströmungen zu studieren. Nansen lässt grüßen! Superinteressant. Während wir quatschen versucht Mike noch immer sein Gepäck zu bekommen. Er ist nach allen Telefonaten nun sehr erfreut darüber, dass Lufthansa sein Gepäck gefunden hat und es nun zumindest schon einmal auf dem Weg nach Oslo ist. Um kurz vor 1:00 Uhr lösen wir die Runde auf und Auriane geht nach Hause während wir noch einen kurzen Stopp in der Kantine einlegen.
Der Wind nimmt nun ständig zu und der ganze Fjord ist mit weißen Schaumkronen bedeckt. Der Windmesser zeigt durchgehend Windstärke 6 an. Laut Vorhersage soll es im Laufe der Nacht noch deutlich mehr werden und auch für Donnerstag ist noch sehr viel Wind in der Wetterwundertüte. Der starke Wind hat wohl viele Skipper im Hafen Schutz suchen lassen und so ist er auch reichlich voll. Selbst ein Dreimaster liegt nun in Ny Alesund fest. Bei meiner letzten Amtshandlung, dem Schreiben des Blogs, kann ich hören, wie der Wind ums Blaue Haus pfeift und daran rüttelt. Um kurz vor 2:00 Uhr ist der Tag dann endgültig verbracht.

Fotos

Die Schießbahn
Die Schießbahn
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  • „The Martians“: So ein ähnliches Foto gibt es auch von Nico im Blog von 2023
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  • Treffer!
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  • Gehörschutz ist Pflicht auf der Schießbahn
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  • Ein schöner Blick auf Ny Alesund
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  • Ein Frachtschiff entlädt seine Container
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  • Blick aus dem Kontrollraum des Radioteleskops
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  • Ein Laserreflektor zum Verfolgen von Satelliten. Ähnliche Reflektoren werden auch zu Abstandsmessungen zwischen Mond und Erde verwendet
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  • Das Laserteleskop
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  • Eine der zwei Radioteleskop-Antennen
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  • Kabeltrommel an der Basis des Radioteleskops
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  • Wir bekommen den Laser erklärt
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30.6.2025

Unser Flug nach Ny Alesund ist heute für 9:30 Uhr angesetzt. Frühstück gibt es ab 7:00 Uhr, was uns genügend Zeit geben sollte, alles in Ruhe erledigt zu bekommen, inklusive einer Dusche. Um 6:04 Uhr gehen die Augenjalousien hoch. Verdammt, vor der eigentlichen Weckzeit. Nico geistert schon in der Dusche herum und jetzt, wo ich wach bin, mache ich es ihm nach. Nach einer Nacht in der ich wie ein Stein geschlafen habe, ist eine schöne heiße Dusche genau das Richtige. Es macht halt schon einen Unterschied ob man in einer zugigen Flughafenhalle auf einer Steinbank zu schlafen versucht oder bequem in einem warmen und weichen Bett. Ich bevorzuge ganz klar Option Nummer 2. Zu packen gibt es heute Morgen ja nicht sonderlich viel. Dreckige Klamotten in den Rucksack, frische heraus. Dazu verteile ich zwei Dosen mit elektrischem Kram auf den Rucksack und die rote Kiste, so dass mein Handgepäckrucksack leichter und handlicher wird. Um 6:39 Uhr bin ich für das Frühstück bereit. Das Taxi ist schnell bestellt. Leider kann es uns nur um 7:45 Uhr abholen, so dass wir vermutlich bei „Lufttransport“ noch vor verschlossenen Türen stehen werden. Egal, heute ist absolut begnadetes Flugwetter. Strahlend blauer Himmel und ich kann nur ein paar sehr leichte Schleierwolken erspähen. Das sollte also ein todesgeiler Flug werden. Die Batterien der Kameras sind jedenfalls schon vollgeladen!
Beim Frühstück bekommt Andreas einen Schokoladenkuchen mit Sonne, Erde und Mond oben drauf, überreicht. Er freut sich riesig und bedankt sich vielmals bei uns. Nico und ich schauen uns aber nur etwas verlegen an, denn wir haben den Kuchen gar nicht bestellt! Wir klären ihn natürlich auf, dass wir nichts damit zu tun haben und auch gar nicht in der Lage wären soweit vorauszudenken. Das Hotel hat wohl irgendwie herausgefunden, dass wir Planetologen sind und hat Andreas mit dem „Planetenkuchen“ zu seinem Geburtstag überraschen wollen. Wir alle lachen herzlich über diese Verwechslung. Beim Selfiemachen stellt Andreas nur trocken fest, dass er in der Tat ein Jahr älter ausschaut!
Das Taxi ist überpünktlich und nach ein paar Minuten stehen wir auch schon am Flughafen. „Lufttransport“ hat seinen Warteraum umgebaut. Moderner, geleckter, mit kleinen Tischchen und blauen Drehsesseln. Der alte Charme ist dabei leider verschwunden. 08/15 Standarddesign wie man es überall findet. Schade eigentlich, dass wieder ein Stück „altes“ Spitzbergen verschwunden ist. Ich glaube ich werde alt! Tatsache ist aber, dass sich hier wirklich alles im Wandel befindet. Sei es das Klima, die Landschaft, die Stadt oder eben auch so kleine Dinge wie ein Aufenthaltsraum. Tempi passati! Longyearbyen hat sicher in den letzten Jahren einen gewaltigen Wandel hingelegt. Mit den zahlreichen Kreuzfahrttouristen sind moderne Hotels wie Pilze aus dem Boden geschossen, dazu schnieke Restaurants und selbst der Supermarkt wurde erweitert und modernisiert. Der Komfort ist natürlich insgesamt um Klassen gestiegen. Aber andererseits verliert Longyearbyen immer mehr den Charme einer Bergbau- bzw. einer Pionierstadt. Wenn immer alles genau so ist, wie man es überall und zu jeder Zeit findet, verliert man sein Alleinstellungsmerkmal. Und gerade das Raue und Ungehobelte, das Abenteuerliche haben wir ja immer gesucht und geschätzt. Aber so ist das Leben!
Mike versucht noch immer sein LIDAR zu bekommen und hängt ewig am Telefon, abwechselnd mit United Airlines und Lufthansa. Bisher leider ohne Erfolg, weil es scheinbar Probleme bei der Übergabe des Gepäcks von einer Fluggesellschaft zur nächsten gibt und keiner genau weiß, wo das Gepäck gerade ist.
Ohrstöpsel rein, Kameras raus! Das Flugzeug zittert! Die Motoren dröhnen! Bis man es richtig versteht ist man auch schon in der Luft. Mich fasziniert immer wieder mit welcher Kraft die kleine Propellermaschine startet. Viel uriger als in einem normalen Verkehrsflugzeug. Es ist wie gesagt ein Bombenwetter, auch wenn sich ein paar mehr Wolken blicken lassen. Ich lasse die GoPro Kamera in der einen Hand mitlaufen und versuche mit der anderen Hand Fotos zu schießen. Eine ganz schöne Aktion mit einigen Verrenkungen. Aber der Flug dauert heute laut Ansage auch nur 22 Minuten. Unter uns erstreckt sich eine faszinierende Welt aus Gletschern, Schmelzwassertümpeln, steilstehenden Gesteinsschichten und engen Fjorden. Wir fliegen ja nun nicht das erste Mal über diese Landschaft, aber gerade heute ist es besonders schön. Ernst stimmt mir da voll zu! Wir haben auch außerordentliches Glück, denn die Flugroute führt uns genau im richtigen Abstand an unserer Lateralmoräne vorbei, die wir seit Jahren beobachten. Besser geht es nicht und meine Kamera fängt zu glühen an. Und hoffentlich wird auch der GoPro Film gut. Ich wäre gerne noch weitergeflogen aber bevor ich einen Krampf im Finger vom vielen Drücken des Auslösers bekomme, rumpelt es kurz und wir sind in Ny Alesund. Der Bus steht bereits bereit und nach ein paar Minuten empfängt uns die neue Stationsleiterin Auriane Herbaut. Den Rest des neuen Teams lernen wir am Nachmittag kennen. Für uns besonders wichtig ist Marek Levray, der neue Logistikingenieur. Der dritte im Bunde ist Louis Grauwin, der das Observatorium betreut. Alex, die Stationsleiterin aus dem letzten Jahr wird voraussichtlich am 14.7. nach Ny Alesund kommen, so dass wir ein schönes Wiedersehen feiern können. Wenn alles nach Plan geht!
Die Anmeldung bei KingsBay ist schnell erledigt. Was wirklich super nervt ist die neue Regel, dass wir uns jedes Mal, wenn wir ins Gelände gehen oder von dort zurück kommen bei der Rezeption an- bzw. abmelden müssen. Die Bürostunden der Rezeption sind von 8:00-16:00 Uhr, freitags gar nur bis 15:00 Uhr. Das ist ein echtes Problem für uns, weil es unsere Arbeit nur unnötig erschwert. Ich kann nur hoffen, dass diese Regelung genauso schnell wieder verschwindet, wie sie aufgetaucht ist. So ein Unsinn, aber auch! Auch Auriane ist alles andere als begeistert. Wir leiden also alle gleichermaßen darunter.
Ich komme im Blauen Haus unter und die anderen vier im Rabot-Gebäude. Same procedure as every year, Miss Sophie! Ich packe schnell aus, auch die AWI-Klamotten, die in einem Seesack bereits auf uns warten. Internetkabel eingesteckt und schon kann der tägliche Wahnsinn weiter gehen. In Münster wollen schon wieder 1000 Leute etwas von mir, denen ich jetzt erst einmal erklären muss, dass ich keinen Handyempfang, WiFi-Empfang oder WhatsApp-Zugriff habe. Die gute alte Email und das Festnetztelefon sind meine Verbindung zum Universum.
Doch nun die absolut wichtigste Nachricht des Tages. Ich habe eine billige Uhr! Man glaubt es kaum, aber Mike hat tatsächlich eine Ersatzuhr dabei. Eine wunderbare schwarze Casio, die nun mein Handgelenk ziert. Das ist also eine würdige Weiterführung des Uhrenthemas, das sich ja nun schon ein paar Jahre durch den Blog zieht. Dieses Jahr ist die Uhr zwar nicht knallbunt, aber hat doch auf eigenartige Weise ihren Weg zu mir gefunden. Mal etwas anderes!
Mittagessen - Mahlzeit! Um 12:20 Uhr werden wir an die Tröge gelassen. Wir sind aber auch schon fast am Verhungern. Eier, Speck, Croissant, Käse und Kaffee des Frühstücks sind längst verbraucht und der Bauch will wieder etwas zu tun haben. Entsprechend macht er mit gluckernden Geräuschen auch lautstark auf sich aufmerksam. Es gibt Hühnchenkeulen und Reis. Zwei Hobnobs-Kekse und eine Tasse Kaffee komplementieren das Mittagessen. Hobnobs-Kekse sind die besten Kekse überhaupt, so schaut es aus! Jetzt, noch schnell ein paar Bilder für den Blog heraussuchen, bearbeiten und die Bildunterschriften verfassen, denn um 13:30 Uhr treffen wir uns mit Auriane und Marek, um die Pläne für unseren Aufenthalt zu besprechen. Morgen müssen wir erst das Eisbärtraining und den Schießkurs absolvieren, aber danach sollten wir frei sein. Wir wollen morgen eine Kamera bei der Geopol-Hütte platzieren und auch den Stromgenerator und Feuerholz zur Hütte mitnehmen. Ab Mittwoch sind wir dann in der Corbel-Station, am Wochenende in Ny Alesund, die folgende Woche in der Geopol-Hütte, am Wochenende wieder in Ny Alesund und am darauffolgenden Montag und Dienstag wieder in der Corbel-Station. Der 16.7. ist schließlich für das Packen und Säubern der Ausrüstung vorgesehen, bevor es am 17.7. auch schon wieder nach Longyearbyen zurückgeht. So ist der Plan. Mal sehen, ob das alles so funktioniert…
Einen Teil des Nachmittags verbringe ich im Hafen auf einer schicken Bavaria-Yacht. Jetzt wird sich vielleicht der ein oder andere wundern wie das zustande kam. Längere Geschichte. Vor ein paar Wochen habe ich in Witten eine Kinderuni über den Mond gehalten. Im Anschluss daran habe ich mit Friedhelm Klas gesprochen, dem Opa eines der Kinder. Dabei sind wir auch auf Spitzbergen zu sprechen gekommen und er hat erzählt, dass sein Nachbar gerade mit einem Segelboot dort unterwegs ist. Er hat meine Email-Adresse an seinen Nachbarn weitergegeben, der hat sich bei mir gemeldet und so haben wir uns heute getroffen. Jürgen und Christine Schäfer sind mit Ihrem Boot von Trømsø gekommen und das Erste was sie mich gefragt haben ist, ob ich einen Kaffee möchte. Sehr guter Start! Wir plaudern natürlich viel übers Segeln und die vielen Formulare, die für so eine Bootstour ausgefüllt werden müssen. Bürokratie bis in den letzten Winkel der Erde. Hallelujah!
Da heute insgesamt 11 Personen beim AWIPEV aufschlagen, ist heute etwas Stress für das Team angesagt. Nachdem die zweite Gruppe mit dem Nachmittagsflug angekommen ist, ist die große Besprechung für 18:00 Uhr angesagt. Darin wird man über die Regeln in Ny Alesund aufgeklärt und gleichzeitig können wir die nächsten Tage mit dem AWIPEV-Team planen. Zuvor öffnet aber der Laden in dem wir eine Flasche guten Whiskey für Andreas als Geburtstagsgeschenk kaufen wollen. Und natürlich ist es unsere Gelegenheit, auch Bier zu bunkern.
Der Wetterbericht vom heutigen Abend für die nächsten Tage scheint unseren Plan schon zunichte zu machen. Das Wetter soll ab morgen Nachmittag sehr schlecht und vor allem sehr windig werden, so dass wir vermutlich weder zur Geopol-Hütte noch zur Corbel-Station kommen werden. Bei bis zu 8 Windstärken ist nicht mehr an ein Bootfahren zu denken. Aber wir werden die Zeit sicher gut nutzen und wir denken bereits jetzt darüber nach, die Bayelva-Station von Julia Boike mit dem DGPS zu vermessen bzw. den Austere Brøggerbreen zu besuchen. Eine Übung, die wir seit Jahren machen.
Abends wird natürlich Andreas‘ Geburtstag gefeiert. Im Laden haben wir eine Flasche „Bunnahabhain“ Whiskey gekauft, den wir unbedingt probieren müssen. Wenn nur diese Whiskey-Marken einfacher zu buchstabieren wären. Laphroaig, Ardbeg und Lagavulin sind da ja noch die einfacheren… Damit geht dann aber auch ein langer und eigentlich auch erfolgreicher Tag zu Ende. Hey, wir sind in Ny Alesund!

Fotos

Es ist Sommer: Blumen
Es ist Sommer: Blumen
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  • Campingplatz am Flughafen. Der Zaun wurde nach einem Eisbärenangriff vor ein paar Jahren errichtet.
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  • Mike auf dem Weg nach Ny Alesund
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  • Ist das beeindruckend oder ist das beeindruckend?
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  • Gletscherspalten eines kalbenden Gletschers
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  • Schmelzwassertümpel
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  • Die Gletschermühle unterhalb der Jensebu Hütte
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  • Der Kongsvegen-Gletscher mal aus einer anderen Perspektive
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  • Sedimentfahnen im Fjordwasser
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  • Blick auf unser Untersuchungsgebiet
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  • Angeschwemmte Eisberge
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  • Ein schöner Schwemmkegel
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  • Hier kann man sehr schön sehen, wie weit sich der Austere Lovenbreen-Gletscher zurückgezogen hat
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  • Tümpel mit Eis
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  • Der Zeppelinfjellet. Beim genauen Hinsehen sieht man die Bergstation und die Hütte an der das Schießtraining stattfindet
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  • Die neue Uhr - Ohne Worte!
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  • Die Bavaria-Yacht der Schäfers
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29.6.2025

Kurz vor 4:00 Uhr! Kurze Nacht! Der Flughafen belebt sich und damit steigt auch der Lärmpegel an, so dass ich aufwache. Unglaublich, wieviel Krach ein paar Leute machen können. Außerdem ist mir kalt und muss ich auf die Toilette. Herr Dr. Schmedemann ist noch im Land der seligen Träume und sägt leise vor sich hin. Ich stelle fest, dass die Sicherheitskontrolle bereits geöffnet ist und entschließe mich spontan die Prozedur schon mal hinter mich zu bringen. Jetzt ist es ja noch relativ ruhig, so dass ich meine 27,5 Tupperdosen mit elektronischen Geräten, Kabeln, Steckern und Adaptern bequem und stressfrei aus- und wieder einpacken kann. So zumindest der Plan. Denn ich bin noch nicht ganz wach und stelle mich bei der Sicherheitskontrolle an wie der erste Mensch. Aber letztlich gelingt es mir doch im dritten Versuch alle Taschen auszuräumen, so dass das nervige Piepen des Scanners dann doch endlich ausbleibt. Was für ein Abenteuer!
Ich schreibe den gestrigen Blogeintrag zu Ende, suche ein paar Bilder aus und schicke dann alles an Thomas damit er es auf unsere Webseite hochladen kann. Ich kenne nämlich mindestens eine Person im Universum, die schon ungeduldig darauf wartet. Mama! Dem Rest des Universums ist mein Blog vermutlich eher egal. Das ist eher traurig, aber verständlich, wenn man es im Kontext von Sternbildung, schwarzen Löchern, dunkler Materie, Supernoven und der Entstehung des Lebens im Allgemeinen sieht.
Die SAS-Lounge ist im Anschluss schnell erreicht. Leider muss ich feststellen, dass ich keinen Zugang mehr zur „Gold Lounge“ habe. SAS hat nämlich mal wieder die Regeln geändert und erlaubt nur mehr Goldmitgliedern ihres eigenen Meilenprogramms Zutritt zu dieser Lounge. Was für ein Unfug! Wieder ein schönes Beispiel von „Kundendienst“ und „Kundenfreundlichkeit“. Wie buchstabiert man diese Worte? Sehr flache Lernkurve, in der Tat! Der normale Teil der Lounge ist voll und das Buffett um diese Tageszeit bereits deutlich dezimiert. Aber immer noch besser als am Gate sitzen. Allerdings ist der Espresso den Namen nicht wert. Ein trauriges braunes Wässerchen, das da aus der Maschine kommt. Ein Bayer auf Reisen - jetzt ist aber genug gegrantelt!
Ich treffe die anderen am Gate F18. Erst taucht Andreas auf, dann Ernst und Nico und schließlich Mike. Und schon gibt es „gute“ Nachrichten. Mikes LIDAR ist vom Gepäckband gefallen und hat es nicht bis nach Oslo geschafft. Er hat bereits mit der Fluggesellschaft Kontakt aufgenommen und jetzt heißt es halt hoffen, dass es noch pünktlich ankommt bevor wir Longyearbyen bzw. Ny Alesund verlassen. Leider habe ich heute Morgen die Nachricht bekommen, dass unser Freund Ingo Beninga bereits die letzten sechs Wochen in Ny Alesund war und schon wieder von dort zurück ist. Sehr schade, dass wir uns dieses Jahr nicht sehen, denn ich habe die Gespräche mit ihm immer sehr genossen. Ingo, Du wirst uns sicher fehlen, wenn wir unser Abendbier in der Mitternachtssonne auf der Terrasse vor dem Blauen Haus trinken werden!
Boarding geht schnell und so machen wir uns bei herrlichstem Sonnenschein, keiner einzigen Wolke am blauen Himmel und angenehmen Temperaturen auf den Weg nach Norden. Arktis, wir kommen. Ich sitze auf Platz 2A und hoffe natürlich auf ein paar schöne Fotos von Spitzbergen aus der Luft. Jedenfalls habe ich die Kamera griffbereit am Gürtel hängen. Und das Handy ist natürlich auch griffbereit.
Von Oslo aus geht es direkt nach Norden. Leider bedecken bereits kurz hinter Oslo dichte Wolken die Landschaft die man bestenfalls durch einige kleine Wolkenlücken erahnen kann. Auch über dem Meer, liegt eine dichte Wolkendecke und ich kann nur hoffen, dass uns Spitzbergen in seiner üblichen Art mit weniger Wolken begrüßen wird. Denn der Anflug auf Spitzbergen ist immer das erste Highlight unserer Reise, das mich immer wieder aufs Neue gefangen nimmt. Spitze Berge, majestätische Gletscher, schmale Fjorde und die Schneebedeckung lassen einem immer wieder das Herz aufgehen. Speziell, wenn alles im Sonnenlicht funkelt.
Und es funktioniert tatsächlich auch dieses Jahr wieder. Über Spitzbergen scheint die Sonne und die Wolken sind kein Problem. Dieses Jahr fliegen wir den Flughafen nicht entlang des Adventdalen an, sondern kommen den Isfjorden hoch. Ein kleiner Schwenker nach Nordosten und schon sind wir gelandet. Dieser Anflug war aufgrund des steifen Winds aus nordöstlicher Richtung notwendig aber zum Fotografieren ist er definitiv weniger „ergiebig“, vor allem wenn man auf der linken Seite des Flugzeugs sitzt. Meist ist der Blick aufs offene Meer gerichtet und erst die letzten 15 Minuten sieht man Land. Das Erste was ich dieses Jahr von Spitzbergen zu sehen bekomme ist das Gebiet um Ispynten, die zwei Lognesdalsbre Gletscher, Drystaddalen, Kap Martin, Fridtjovbreen, Grønfjordbreen Berzeliusdalen und Paxfjellet. Schön ist auch, dass ich über das Grøndalen hinweg Barentsburg und Kap Linné erkennen kann. Letztes Jahr war ich dort mit meiner Familie! Westlich des Isfjorden ist eine ganze Reihe beeindruckender Gletscher zu sehen. Einfach ein gigantisches Panorama! Und aus dem Flugzeug betrachtet noch beeindruckender als es eh schon ist! Mich fasziniert diese Landschaft immer wieder und ganz klar, die Fotokamera wird kurzerhand zur Filmkamera, so schnell schieße ich Fotos. Leider ist wie gesagt nach ca. 15 Minuten alles schon wieder vorbei und man hat wieder festen Boden unter den Füßen. Schade eigentlich!
Nach der Landung komme ich noch mit einem Kapitän eines Segelschiffs ins Gespräch, der mit 12 Gästen auf Segeltour gehen wird. Interessanterweise beklagt auch er die zunehmend sinnfreie und überbordende Bürokratie und Anzahl an Formularen. So haben die Veranstalter genau festgelegte Zeiten, die vorab beantragt werden müssen, um an Land gehen zu dürfen. Sollte es aufgrund von Verzögerungen durch schlechtes Wetter nicht möglich sein an Land zu gehen verfällt die Erlaubnis. Folglich versuchen die Veranstalter trotz eines höheren Risikos an Land zu gehen. Da kann man fast darauf warten, dass etwas passieren wird. Und wenn etwas passiert gibt es natürlich weitere Formulare und Bürokratie.
Das Gepäck kommt bis auf Mikes LIDAR komplett an und nach ein paar Minuten sitzen wir auch schon im Taxi zum Hotel. Wie üblich, Mary Ann’s Polarrigg – keine Experimente! Ein Zimmer ist schon fertig, die anderen zwei sind in Arbeit. Wir machen es uns also erst einmal im Wohnzimmer gemütlich. Jeder arbeitet am Laptop. Ich habe gut 300 Emails zu sortieren, was mir enormes Vergnügen bereitet. Ein echt zähes Geschäft! Als ich damit endlich fertig bin, ist auch schon Nicos und mein Zimmer fertig zum Beziehen.
Jetzt haben wir uns aber wirklich eine Belohnung verdient. Wir machen uns also zum Fruene Café auf, unserem Stammcafé. Eine Tasse Kaffee und ein Thunfischsalat-Sandwich sind meins! Beim Kaffee diskutieren wir die gegenwärtige Situation bei der NASA und sind alle doch reichlich besorgt und frustriert. Da muss man natürlich sofort zum Einkaufen gehen. Leider kann ich keine billige Uhr finden, so dass es die nächsten Wochen wohl ohne Zeitanzeiger gehen muss. Die billigste Herrenuhr die ich heute am Sonntag in Longyearbyen finden kann ist mit gut 200 Euro immer noch weit über meiner Schmerzgrenze. Aber wenigstens Ernst und Andreas finden ein paar Wollklamotten, so dass sich der Shopping-Spurt nicht völlig als Fehlschlag herausstellt. Mike macht derweil ein kleines Nickerchen. Jet Lag, sagt er. Und Andreas macht uns eine Reservierung in der Kroa-Bar. Eine Tradition ist schließlich eine Tradition!
Der restliche Nachmittag geht dann mit Arbeiten drauf. Wir sitzen nebeneinander und reden kaum ein Wort. Nur ab und zu flucht einer vor sich hin. Zum Glück geht der Kaffee aber nicht aus. Nur kurz unterbreche ich das Arbeiten um in die Svalbardbutikken zu gehen. Ich habe die Hoffnung auf eine billige Uhr noch nicht aufgegeben, werde aber erwartungsgemäß enttäuscht. Es gibt dort fast alles, nur keine billige Uhr. Teure Uhren gibt es dort wie auch in den anderen Geschäften. Aber wenigstens Ernst kriegt zwei Packungen gesalzene Erdnüsse. Immerhin kein kompletter Schneidergang.
Kaum zurück lade ich die Bilder von der Anreise auf meinen Computer und schreibe am Blog weiter während Andreas versucht sein Zimmer umzubuchen. Von Mike war den ganzen Nachmittag nichts zu sehen. Ich vermute Vollkoma!
Pünktlich zum Abendessen taucht Mike aber wieder auf. Das Kroa Restaurant ist wieder gut wie immer und ich bestelle wie immer einen Moose Burger und ein großes Mack-Bier. Eine Tradition, ist eine Tradition, ist eine Tradition! Schließlich werden es zwei Biere. Wir sind aber alle etwas angeschlagen und müde und so sind wir bereits um kurz vor 10:00 Uhr wieder im Mary Ann’s. Von den anderen ist nichts mehr zu sehen aber im Aufenthaltsraum sitzen noch Leute. Wie letztes Jahr. Hier hat sich wirklich nicht viel verändert. Es scheint noch immer die Sonne und es ist jetzt fast schon angenehm warm, weil der Wind deutlich nachgelassen hat. Die Luft ist schön klar und ich mache noch ein paar Fotos. Zum Wetter passt auch die chillige Musik im Aufenthaltsraum. Insgesamt war es ein guter Tag und wir sind bereit zu neuen Taten in Ny Alesund.

Fotos

Eines der ersten Bilder von Spitzbergen
Eines der ersten Bilder von Spitzbergen
© KOP 132 SPLAM
  • Gletscherwelten
    © KOP 132 SPLAM
  • Was Spitzbergen am besten kann: Spitze Berge
    © KOP 132 SPLAM
  • Was Spitzbergen am besten kann: Gletscher
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  • Barentsburg mit seinem Schornstein
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  • Grøndalen
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  • Blick auf den Isfjorden
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  • Das obligatorische Foto bei der Ankunft in Longyearbyen. Wie immer warten wir auf das Taxi.
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  • Eine neue Bank bei Mary Ann’s Polarrigg
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  • Longyearelva
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  • Ein etwas eigenartiger Eisbär
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  • Longyearbyen in all seiner Pracht
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28.6.2025

B-A-B-A! Autoabgabe in Frankfurt am Terminal B, Abgabe des Gepäcks in Terminal A, Gate in Terminal B, Lounge in Terminal A. Ah, wie habe ich den Frankfurter Flughafen vermisst! Jedenfalls klappt die Autoübergabe ganz gut. Ein Mitarbeiter der Firma Phoenix erscheint pünktlich und macht jede Menge Fotos vom Auto. Da wir ca. 1,5 Stunden vor der verabredeten Übergabe das Auto loswerden wollen, müssen wir 19 Euro extra zahlen, plus 5 Euro für die Kurzparkzone. Nico und ich sind heute mit dem Auto nach Frankfurt gefahren, um unseren lang herbeigesehnten Flug nach Longyearbyen anzutreten. Wir fliegen heute recht feist Business-Klasse, die aus einem unerfindlichen Grund beim Buchen billiger war als die Economy-Klasse. Uns solls recht sein! Leider fliegt der „Luft Hans“ seit einiger Zeit nicht mehr von Münster nach Frankfurt und so waren wir vor der Alternative den Zug zu nehmen oder mit dem Auto zu fahren. Angesichts des vielen Gepäcks das wir wieder mit uns rumschleppen, fiel die Wahl relativ leicht. Die Aussicht auf erhebliche Verspätungen, ausgefallene Klimaanlagen und volle Züge haben ihr Übriges getan. Die Fahrt nach Frankfurt war okay und verlief ohne größere Probleme. Das Außenthermometer meines Autos hat zwischenzeitlich 35°C angezeigt und auch in der letzten Woche war es schon reichlich warm. Speaking of, letzte Woche war meine ganze Gruppe und ich mit der Durchführung des European Lunar Symposiums mehr oder weniger ganztags beschäftigt. Die Arbeit hat sich gelohnt, denn das Symposium war ein voller Erfolg und alle Teilnehmer haben uns sehr für die tolle Organisation gelobt. Highlight war sicher der Vortrag von ESA-Astronaut Matthias Maurer, der über die Vorbereitungen zur Rückkehr zum Mond berichtete. Sehr spannend und die vielen anwesenden Kinder haben Matthias schlichtweg Löcher in den Bauch gefragt. Anschließend gab er noch für eine gute Stunde Autogramme, bis auch das letzte Kind und auch der letzte Erwachsene sein Autogramm hatte. Leider konnte Matthias nicht zum Konferenzdinner mitkommen, denn er musste gleich wieder zurück nach Köln.
Die enge Taktung von Symposium und unserem Abflug nach Longyearbyen hat mich letzte Nacht nicht besonders gut schlafen lassen. Man liegt im Bett und versucht an alle Dinge zu denken, die man beim Packen möglichst nicht vergessen sollte. Angefangen von Adaptern bis zur Zahnbürste! A-Z, quasi! Um 8:30 Uhr wecke ich schließlich den Rest meiner Familie, die darüber nur mäßig erbaut ist. Aber ein schnelles Frühstück bei der Bäckerei Schrunz entschädigt dann zumindest etwas dafür. Dann noch schnell eine LED-Birne für das Badezimmer kaufen, diese einbauen und schon bin ich am Herauskramen meiner Ausrüstung. Wo ist das ganze Zeug? Nach unserem Küchenumbau ist unser Haus noch immer nicht vollständig funktionsfähig, was die Sache doch deutlich erschwert. Wo ist z.B. meine kleine Bialetti-Espressomaschine. Ohne die kann ich nicht nach Spitzbergen fahren! Geht einfach nicht! Parallel, wasche ich noch schnell ein paar Trommeln Wäsche. Und siehe da, der Rucksack füllt sich langsam und nachdem ich noch die Kamerabilder auf meinen Laptop heruntergeladen habe und Batterien für die Datenlogger eingebaut habe, bin ich pünktlich um 14:00 Uhr bei Nico, um ihn abzuholen. Der Abschied von meiner Familie fällt mir heute nicht leicht, denn die letzten Wochen waren so verrückt, dass ich sie fast nicht gesehen habe. Erst war ich in Rom auf einem BepiColombo Meeting, dann war die Konferenz und jetzt bin ich schon wieder auf Achse. Aber was solls! Muss ja sein, schließlich ist der Spitzbergen-Trip ja seit langem geplant. Und klar, freue ich mich auch darauf!
Jedenfalls steht Nico schon abfahrtbereit vor seiner Haustüre. Eine kurze Verabschiedung von Jeny und schon geht es in Richtung Frankfurt. Nicht so schnell, denn erst hole ich noch meine Brille, die ich zuhause vergessen habe. Das fängt ja gut an! Auf der Fahrt fällt mir auf, dass ich dieses Jahr meine „normale“ Uhr am Armgelenk habe. Auch das war eher nicht so geplant. Ich muss also schauen, dass ich noch irgendwo eine billige Uhr finde…
Eine fast leere Senator-Lounge und gut gefüllte Fleischtröge! Wir können loslegen! Ich habe jedenfalls Hunger und das erste alkoholfreie Weißbier verdampft quasi auf dem Weg nach unten. Dann geht es aber auch schon an das Schreiben des ersten Blogeintrags und das Aufarbeiten von Dingen, die die letzte Woche liegen geblieben sind. Kein wirkliches Vergnügen, aber es muss halt sein. So steht z.B. eine Zusammenfassung des Symposiums an und das Kommentieren des Struktur- und Entwicklungsplans des Fachbereichs. Noch ein Weißbier oder soll ich gleich auf härtere Kost umsteigen? Zeit sollte ich eigentlich genug haben, denn unser Flug heute verlässt Frankfurt erst um 21:50 Uhr. Der neue Flugplan resultiert darin, dass wir Oslo morgen bereits wieder um 7:05 Uhr verlassen werden. Die diesjährige Mannschaft hat daher beschlossen, kein Hotel in Oslo zu nehmen, sondern im Flughafenterminal zu nächtigen. Das Abenteuer beginnt also dieses Jahr bereits mitten in der Zivilisation. Wenn uns nicht die Hälfte unseres Gepäcks geklaut wird, sparen wir ca. 100 Euro pro Mann und Nase.
Hier ist vielleicht eine gute Möglichkeit, die Expeditionsteilnehmer kurz vorzustellen. Da haben wir zum einen Ernst Hauber vom DLR in Berlin, Andreas Johnsson aus Schweden, Nico und mich aus Münster und zum anderen Mike Zanetti aus den USA, der es trotz der gegenwärtigen Vorgaben für Reisen von NASA-Angehörigen irgendwie geschafft hat, eine Reisegenehmigung zu bekommen. Sagenhaft, was in der freien Welt so alles machbar ist! Wir haben also exakt die gleiche Zusammenstellung wie letztes Jahr. Wenn alles gut geht, treffen wir uns alle irgendwann in der Nacht in Oslo im Flughafen. Andreas kommt irgendwann mit dem Zug dorthin und von Mike wissen wir nicht, wann er auftauchen wird. Jedenfalls sollten wir alle im gleichen Flugzeug nach Longyearbyen sitzen. Sagenhaft präzise ausgearbeiteter Masterplan! Ganz einer SPLAM-Tour würdig!
Im Vorfeld unserer Reise gab es durchaus noch das ein oder andere kleinere Hindernis, das wir aus dem Weg räumen mussten. So will KingsBay nun exakt wissen, wann wir ins Gelände gehen und von dort zurückkehren wollen. Dazu müssen wir uns an der Rezeption an- und abmelden. Sollte die Rezeption dafür extra geöffnet werden müssen, weil wir außerhalb der normalen Bürozeiten aus dem Gelände zurückkommen, wird dafür eine Gebühr von 400 Euro fällig. Die Regelung ist der Tod in Tüten, weil wir speziell unsere Rückkehr alleine schon wegen des Wetters nicht immer so planen können, dass wir auch „pünktlich“ in Ny Alesund ankommen. In Bayern sagt man „So ein Schmarrn!“ Aber wahrscheinlich ist es eine gute Möglichkeit noch den ein oder anderen Euro aus den Wissenschaftlern herauszuquetschen. Sehr nervig und kontraproduktiv! Und auch das Hotel in Longyearbyen will kurzerhand eine Vorabbezahlung unserer Hotelzimmer. Früher hat man halt einfach bei Abreise bezahlt, heute traut man offensichtlich auch seinen Stammkunden nicht mehr, die alle Rechnungen in den letzten zehn Jahren immer brav und pünktlich bezahlt haben. Vermutlich ein Seiteneffekt des zunehmenden Tourismus in Longyearbyen. Die 2010 NOKS sind allerdings auch schnell überwiesen und vielleicht ist es ja tatsächlich einfacher so. Schau mer mal, um unseren Kaiser zu zitieren.
Der Flug verläuft angenehm und problemlos. In der Business-Klasse serviert man uns ein kleines Abendessen, das ich mit einem Glas Sauvignon Blanc runterspüle. Als Nachtisch gibt es einen feinen Whiskey, der mich in die nötige Bettschwere versetzt, so dass ich erst kurz vor Oslo wieder aufwache. Ein Bus bringt uns zum Terminal obwohl wir direkt davor parken – Münster läßt grüßen! Da wir uns nicht absolut sicher sind ob unser Gepäck bis Longyearbyen durchgecheckt wurde, warten wir an der Gepäckausgabe bis das Band stehen bleibt. Ernst durchläuft am Nachbarband die gleiche Prozedur. Da in beiden Fällen kein Gepäck auftaucht einigen wir uns, dass unsere Rucksäcke und die bekannte orange Kiste wohl bis Longyearbyen durchgecheckt wurden. Ein negatives Ergebnis ist also in diesem Fall eine feine Sache.
Der Flughafen ist um diese Zeit nur wenig bevölkert. Aber da es mittlerweile 1:30 Uhr ist, haben wir Probleme ein Schlafplätzchen zu finden. Alle der nicht gerade zahlreichen Bänke sind bereits belegt. Unverschämtheit! So müssen sich LKW-Fahrer fühlen, die auf der Suche nach einem Parkplatz für die Nacht sind. Oder Obdachlose, wenn die besten Plätze unter der Brücke bereits belegt sind. Aber schließlich finden wir eine Bank mit grandiosem Ausblick auf die Zuggleise, die für den Rest der Nacht unser Zuhause sein wird. Hart, aber immerhin eben, so dass man sich ausstrecken kann. Es dauert nicht lange und ich bin eingeschlafen.

Fotos

Mein Auto wird an den Parkservice übergeben.
Mein Auto wird an den Parkservice übergeben.
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  • Der übliche Haufen…
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  • Nico in der Lufthansa-Lounge in Frankfurt
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  • Der Mond über dem Flughafen Frankfurt. Passend zu den letzten Tagen.
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  • Das Essen in der Business-Klasse: Übersichtlich aber fein.
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  • Anflug auf Oslo um kurz vor Mitternacht
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