Studierendenprojekt "Imperium der Illusionen"
© Theater Münster

Zum Projekt

Wie klingt ein „Imperium der Illusionen“? Wie funktioniert eine Opernproduktion? Wie entstand diese humorvolle Dystopie? Und für wen ist das Stück gedacht?

© Johanna Huck

Im Sommer 2023 meldete sich Sabine Kuhnert (Dramaturgin und Konzert-/Musiktheaterpädagogin am Theater Münster) bei Michael Custodis (Professor für Musikwissenschaft an der Universität Münster) und lud ihn und die Studierenden ein, die Genese der Oper Imperium der Illusionen zu begleiten. Daraus entwickelte sich schnell eine intensive und inspirierende Zusammenarbeit: Während das Libretto von Carina Sophie Eberle und die Partitur von Helena Cánovas Parés entstanden, erarbeitete Michael Custodis mit zwei Seminaren Grundlagen musikwissenschaftlicher Wissenskommunikation und einen Überblick zur Kompositionsgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts. Bei mehreren Probenbesuchen und Gesprächen bekamen die Studierenden einen Einblick in die komplizierten und kreativen Abläufe bei einer Opernpremiere. Sie führten kurze Interviews mit Beteiligten, um deren Faszination an ihrer Arbeit mit der Kamera einzufangen, mit dem Ziel vor allem junge Menschen dafür zu begeistern, sich zum einen das Imperium der Illusionen anzuschauen und zum anderen auch die Arbeit von Musikwissenschaftler*innen im Dialog von Universität und Theater kennenzulernen. Die Ergebnisse dieses Studierendenprojektes können auf dieser Website eingesehen werden.

Imperium der Illusionen – Einführung

„Ich sage: Das menschliche Herz ist eine Illusion! Es besteht einzig und allein aus diesen Geschichten.“[1]

Sind wir als Menschen nur deshalb einzigartig, weil wir Geschichten über uns selbst erfinden oder weil wir sie anderen erzählen? Schon im Prolog wird klar: Wir alle erzählen Geschichten über uns. Ob diese jedoch Gewicht haben und die Wahrheit über uns offenbaren, wird dabei ad absurdum geführt. Auch die Protagonistin Lia stellt sich solche Fragen. Wer will sie sein? Was möchte sie in ihrem Leben erreichen?

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Doch zurück zum Anfang – Lias Leben befindet sich im Umbruch. Es geht um die Orientierung im Berufsleben, in das alle mit ungleichen Chancen starten. In der Berufsberatung wird ihr dazu geraten, ihr Potenzial voll auszunutzen. Lia fängt daraufhin ein Praktikum in der Redaktion der Zeitschrift „Noch schöner Leben“ an. Vor allem in Konkurrenzsituationen mit ihrer Mitpraktikantin Anouk, die aufgrund ihrer Beziehung zur Chefredakteurin bereits in den inneren Kreis eingeführt wurde, fühlt sich Lia fehl am Platz. Durch Zufall bekommt Lia das Smartphone der Chefredakteurin und nimmt in ihrem Namen zwei Reisetickets für eine Luxus-Spa-Reise zusammen mit Anouk an. Mit der Kreditkarte auf dem Handy der Chefredakteurin leisten sie sich jeden Luxus. Als die Karte jedoch gesperrt wird, zerplatzt die erste Illusion.

Lia flieht Hals über Kopf aus dem Hotel und landet am Bahnhof. Hier stößt Lia mit Julius zusammen. Die beiden verlieben sich wie in einem Hollywoodfilm, als sie sich zeitgleich nach Lias heruntergefallener Tasche bücken. Als eine Polizistin, die Lia sucht und verhaften will, die beiden nach ihren Namen fragt, nimmt Lia eine neue Identität an: Therese Swift, 25 Jahre alt, Psychologin. Diese neue Illusion wird erst bei einem Besuch bei Julius‘ Mutter in Italien aufgedeckt, als Lias Pass plötzlich aus ihrer Tasche fällt. Julius ruft enttäuscht und verärgert die Polizei und Lia flieht erneut.

Sie nimmt eine weitere Identität an, die der Ärztin Dr. Elisabeth Frank, in einer futuristischen Neuro-Blink-Klinik. Mit einem angeblichen Zertifikat der Princeton Universität ist sie nun die „beste Version ihrer selbst“[2]. Während einer Pause lernt Lia Tilda, eine Laborkraft, kennen. Tilda bewundert Lia beziehungsweise Dr. Elisabeth Frank und die beiden verlieben sich. Gibt es inmitten all der Illusionen also doch etwas Echtes?

Die Komponistin Helena Cánovas Parés und Librettistin Carina Sophie Eberle beziehen sich auf Anna Sorokin/Delvey, die die Protagonistin Lia inspiriert hat. Komponistin und Librettistin lassen das Publikum darüber entscheiden, wie sie Lia und ihre Entscheidungen zu be- oder verurteilen sind.

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Musikalisch beschreibt Parés die Oper als einen Stilmix, bei dem das 13-köpfige Ensemble an manchen Stellen wie ein Sinfonieorchester klingt, an anderen wie eine Pop-Band. Die Komponistin erzeugt eine schnelllebige Atmosphäre durch eine große Vielfalt unterschiedlicher Stile, die in raschem Wechsel aufeinanderfolgen. Dazu greift sie bekannte Motive aus der Klassik, aber auch aus der Popularmusik anhand von unterschiedlichsten digitalen Sounds auf.

Die Librettistin Carina Sophie Eberle hat bereits in anderen Projekten mit der Komponistin zusammengearbeitet und ist darüber hinaus als Theaterautorin und Regisseurin tätig. Ihre Theatertexte wurden mit dem Deutschen Jugendtheaterpreis und dem Jugendstückepreis des Heidelberger Stückemarkt ausgezeichnet und waren auf der Shortlist des Kleist-Förderpreises für junge Dramatik. 

Text von: Frauke Kandler

 

[1] Cánovas i Parés, Helena; Eberle, Carina Sophie, Imperium der Illusionen, Klavierauszug, Theater Münster, Münster, 2024, S. 6.

[2] Cánovas i Parés, Helena; Eberle, Carina Sophie, Imperium der Illusionen, Klavierauszug, Theater Münster, Münster, 2024, S. 48.

CARINA SOPHIE EBERLE. Librettistin von Imperium der Illusionen im Interview

(1) Was machst du in diesem Stück? Wie sieht dein Aufgabenfeld aus?

Ich habe das Libretto für Imperium der illusionen geschrieben, also von der Stoffsuche an das Stück auf Textebene skizziert und gebaut.

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(2) Wie ist das Stück entstanden?

Vor gut zwei Jahren kam die Anfrage vom Theater Münster, ob Helena und ich uns vorstellen könnten, zusammen eine Oper für das Kleine Haus zu schreiben. Ja! Wir hatten viel Freiheit bei der Wahl des Stoffs. Eine Weile lang haben wir regelmäßig Kaffee zusammen getrunken, Themen diskutiert und gelesen. Irgendwann sind wir dann auf Inventing Anna gestoßen, die Netflix-Serie über Anna Delvey, die uns alle sofort fasziniert hat. Ich habe dann angefangen, in diese Richtung zu recherchieren – Hochstapler*innen, Chancengleichheit, Definitionen von Menschlichkeit im digitalen Wandel – und so entstand das Szenario, das der Oper zugrunde liegt. Wir wollten eine spannende Oper mit einem filmischen Drive und einer kontrastreichen, großzügigen Ästhetik! Im gesamten Regie-Team haben wir im Frühjahr 2023 dann die erste Libretto-Fassung diskutiert. Und zum Herbst 2023 hat Helena den Text übernommen für ihre Komposition.

(3) Wie klingt es? Nach was klingt es für dich?

Gute Frage zum jetzigen Zeitpunkt! Es ist der 7. Februar, noch anderthalb Wochen bis zur Premiere, und als Librettistin habe ich etwas Abstand zum Probenprozess; ich habe noch keine Orchesterprobe gehört. Mein Klangeindruck stützt sich bisher auf unsere Gespräche (inklusive kleiner Klangimpros), Helenas Noten-Dokumente und einige kleine elektronische Teaser. Auf dieser Basis: toll! Eine große Bandbreite, Helenas faszinierende Handschrift; überraschend, poetisch, elektronisch, wild, sanft, illusorisch? Ich bin schon sehr gespannt, wie sich alles zusammenfügen wird.

(4) Worum geht es? Wovon handelt das Stück?

Das Stück dreht sich um Lia, eine fiktive Hochstaplerin, die im Laufe des Stücks Namen, Berufe und Alter wechselt, sich verschiedene Identitäten schafft. Lia changiert zwischen kriminellem Potential und einer konsequenten Umsetzung von „fake it till you make“ it. Es geht um die Suggestion von Chancengleichheit, um die Absurdität des täglichen Funktionierens in einer besorgniserregenden Gegenwart. Und es geht darum, worüber wir uns als Menschen letztlich definieren: Wer bist du ohne deine Geschichte? Und ist diese Geschichte nicht immer schon eine Illusion?

(5) Für wen ist das Stück? Warum ist das Stück für ein junges Publikum?

Das Stück ist für alle Menschen ab 13 Jahren gedacht. Es wird auch für alle interessant sein. Dass Lia eine junge Protagonistin ist, die nach einem Platz in der Welt sucht, schafft natürlich Identifikationspotential für junges Publikum. Und da wir keine Oper im traditionellen Wortsinn gebaut haben, könnte der Abend auch für Menschen einladend sein, die sich eher nicht für Verdi interessieren, dafür aber für eine spannende Kriminalgeschichte, in der Elektronik, Gesang und Sprechszenen in einem multimedial bespielten Bühnenraum ineinander übergehen.

Fünf Fragen an...

Im Zuge des Studierendenprojekts durften die Studierenden unter Anleitung mit dem künstlerischen Team ins Gespräch kommen. Hieraus ist folgende Videoreihe entstanden.

Interview der Komponistin Helena Cánovas Parés - Studierendenprojekt "Imperium der Illusionen"

Helena Cánovas Parés wurde 1994 in Tona, Barcelona geboren. Sie hat Komposition an der Musikhochschule von Aragón studiert. Derzeit lebt sie in Köln, und durfte ihre Oper "Imperium der Illusionen" am Theater Münster uraufführen. Cánovas Parés‘ Klangpalette bewegt sich zwischen dokumentarisch und verträumt. Inspiration für Ihre Arbeit sind Räume, die entweder verlassen und kalt oder humorvoll und frisch sind. Sie interessiert sich parallel für Vokal-, Instrumental- und elektronische Musik und ist der festen Überzeugung, dass sich diese perfekt ergänzen, um theatralische Musik zu erschaffen.

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Interview mit der Schauspielerin Soraya Abtahi - Studierendenprojekt "Imperium der Illusionen"

Soraya Abtahi, 1993 geboren, schloss 2017 ihre Schauspielausbildung in Köln ab und begann vier Jahre als freischaffende Künstlerin zu arbeiten, u.a. am Theater Bonn, im Casamax Theater und artheater in Köln.  Sie spielt in Imperium der Illusionen, die an ihrer Existenz hadernden Lia.

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Interview der Regiesseurin Clara Kalus - Studierendenprojekt "Imperium der Illusionen"

Clara Kalus, geboren in Münster, arbeitet seit 2014 als freischaffende Regisseurin für Musiktheater und lebt in Heidelberg. Ihre Arbeiten stehen für punktgenaue Theatralik am Schnittpunkt von Szene und Musik. Sie übernimmt die Regie der Jugendoper.

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Interview des Dirigenten Thorsten Schmidt-Kapfenburg - Studierendenprojekt "Imperium der Illusionen"

Thorsten Schmid-Kapfenburg wurde 1967 geboren und wuchs in Hamburg auf.  Seit der Spielzeit 2004/2005 ist Thorsten Schmid-Kapfenburg als 2. Kapellmeister an den Städtischen Bühnen Münster engagiert. Gleichzeitig ist er seit 2007 auch als Chefdirigent der Alten Philharmonie Münster tätig. Neben der sinfonischen Musik umfasst sein Repertoire Opern und nun reiht sich auch "Imperium der Illusionen" in sein Schaffenswerk ein.

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