Der nahe Gott

Dreifaltigkeit A: 2 Kor 13, 11-13


I
Eine Geschichte erzählt: Eines Tages war Gott der Menschen überdrüssig. Ständig lagen sie ihm mit ihren Bitten in den Ohren, wollten dies und jenes von ihm. Also sprach Gott: Ich werde weggehen und mich eine Weile verstecken. Er versammelte alle seine Ratgeber um sich und fragte sie: Wo soll ich mich verbergen? – Einige rieten: Versteck dich auf dem höchsten Berg der Welt. – Andere meinten: Nein, versteck dich im tiefsten Meeresgrund, dort werden sie dich nicht suchen. - Wieder andere empfiehlen: Geh auf die dunkle Seite des Mondes, das ist das sicherste Versteck. Am Ende wandte sich Gott an seinen klügsten Engel und fragte ihn: Und was rätst du mir? Der Engel erwiderte: Versteck dich im menschlichen Herzen! Das ist der einzige Ort, auf den sie niemals kommen.

II
Daran mag etwas sein. Wo immer Menschen mit unbedingtem Interesse und Engagement nach etwas suchen, suchen sie nämlich nach nichts anderem als nach Gott. Die Wege, die sie dabei gehen, können ungewöhnlich, können geradezu verrückt sein. Es gibt Leute, die suchen Gott im Reichtum. Sie schuften, werkeln, plagen sich bis zum Zusammenbruch. Und alles, weil sie meinen, dass sie durch das Besitzen zum Ein und Alles ihres Lebens kommen, zu dem, was ihren paar Lebensjahren Sinn und Halt und Geschmack gibt. – Andere suchen das Gleiche in der Karriere: Dafür buckeln und schleimen sie, setzen Ellbogen ein gegen andere, machen sie Konkurrenten schlecht, um selber gut dazustehen. – Dritte setzen auf Sex: Möglichst viele Partnerinnen oder Partner, Abenteuer und Gefühle anhäufen, damit durch sie das innerste Geheimnis von Dasein und Leben spürbar werde – also eben wieder Gott. Nur gelingt es auch so nicht. Weitere Wege, die ähnlich in die Sackgasse führen, gibt es mehr als genug.

III
Einen ganz anderen gibt es allerdings auch noch. Unsere Geschichte von vorhin deutet in etwa die Richtung an. Gottes Platz im Herzen des Menschen. So etwas wie die genaue Markierung für den Weg dorthin ist die christliche Rede vom dreifaltigen Gott. Allerdings stiftet diese Rede – wird sie so einfach hingesagt – oft Verwirrung. Meint sie: Drei sind in Einem oder Einer ist in Dreien oder eins ist soviel wie drei und drei soviel wie eins oder ist es noch komplizierter? Neulich schrieb einer: Gott wollte mehr über sich erfahren, darum erfand er die Theologen. Der das schrieb, muss ziemlich genervt gewesen sein. Dabei wäre alles ganz einfach. Man muss nur richtig anfangen.

IV
Dieser richtige Anfang ist Jesus selber. Mit allem, was er war und hatte, bezeugte er, dass es Gott um den Menschen geht. Die Gleichnisse, die Heilungen, die Wunder – alles will einzig sagen: Gott ist nichts zuviel dafür, dass der Menschen Leben so wird, wie er es gemeint hat. Und wie hat er es gemeint? Ganz einfach: verbunden mit ihm. Von den ersten Zeilen der Bibel an ist klar, woran das Leben und sein Gelingen hängt: Am Verbundensein mit dem, der es gegeben hat, am Vertrauen zu Gott. Und er selber hat zu diesem Vertrauen das Fundament gelegt, hat sich selber gleichsam dem Innersten des Menschen eingeschrieben. Das meint die Schöpfungsgeschichte ja mit dem Gottesatem, den der Schöpfer dem Menschen einhaucht. Wir tragen dadurch, dass es uns gibt und wir leben, etwas von Gott in uns, jede und jeder und unverlierbar.

Unverlierbar – aber der Mensch kann diese Gegenwart Gottes in ihm vergessen, verzerren und übertünchen durch das, was er tut und wie er lebt. Und zwar bei sich wie bei den anderen. Und wenn er es tut, wird das Leben gnadenlos, das eigene und das der anderen. Genau um das aufzudecken, ist Jesus gekommen. Er wollte nichts anderes, als die ursprüngliche Verbundenheit des Menschen mit Gott wieder ans Licht zu bringen. Und weil er das nicht nur durch Worte und Taten, sondern unter Einsatz seines eigenen Lebens getan hat, gehört er selber unverzichtbar in diese Verbundenheit Gottes mit dem Menschen hinein, ja: ist er selbst ein sichtbar gewordenes Stück von Gott, um es so unbeholfen zu sagen.

V
Ebendarum ist die Rede vom dreifaltigen Gott entstanden: Gott ist Gott jenseits von Welt und Zeit, unseren Gedanken und Bildern unerfasslich. Gleichzeitig ist Gott der Gott in uns. Uns näher als wir uns selbst. Mit seiner Gegenwart einfach in der Tatsache, dass es uns gibt und wir im Denken und Fühlen nach ihm suchen, hat er sich selbst uns zu unserer innersten Mitte gemacht. Wir sagen Heiliger Geist dafür. Und weil der, der das tut, es aus Zuneigung und Liebe zu uns tut, nennen wir ihn Gott, den Vater. Ihn so anzusprechen aber hat uns Jesus gelehrt, um dieses unser wesentliches Verbundensein mit Gott uns unvergesslich zu machen. Weil er das aber dadurch tut, dass er sein eigenes Leben in engstem, untrennbarem Verbundensein mit Gott lebt, nennen wir ihn Gottes Sohn. Weil er der ist, der von Gott für uns kommt und dem Gott das anvertraut hat, was ihm am Herzen liegt: Die Verbundenheit mit uns.

Darum ehren wir den einen Gott als Vater, Sohn und Heiligen Geist. Und jedes Mal, wenn wir dieses Bekenntnis aussprechen und bei jedem Kreuzzeichen, das wir mit Bedacht machen, werden wir an den Schatz erinnert, den wir in uns tragen, Gottes Gegenwart. Sie macht unsere Würde aus. Die eigene und die des anderen. Daran hat Maß zu nehmen, was wir tun und lassen. Das bedeutet dann aber auch: Wer nach dem Ein und Alles seines Lebens, also nach Gott sucht – wie verborgen auch immer – braucht nur der Spur Jesu zu folgen und kommt zu Gott in ihm. Und weil derselbe Gott genauso in den anderen wohnt, wird er ihn ehren, indem er diesem anderen Menschen gut ist. Gott ist eben persönlich und alles zugleich. Und miteinander werden die, die um Gott in sich und ineinander wissen, diesen nahen Gott preisen als den Vater, den Sohn und Heiligen Geist.  So wie wir jetzt.