Rom, 26. Mai 1944
Heiligster Vater,
wenngleich ich keine Katholikin bin, setze ich auf die große und wohlbekannte Nächstenliebe Eurer Heiligkeit, in der Gewissheit, dass Sie mir in meinem großen Kummer werden helfen wollen.
Mein alter Vater, Tranquillo DI CONSIGLIO, 77 Jahre alt, befindet sich derzeit aus Gründen der Rasse (jüdisch) im Gefängnis Regina Coeli, in der Abteilung VI (deutsche Abteilung). Er ist krank und müsste dringend in einer Klinik aufgenommen werden. Auch er hat die Religion seiner Väter bewahrt, aber ich weiß sehr wohl, dass dies aufgrund der großen Menschlichkeit Eurer Heiligkeit kein Grund ist, der Ihrer Nächstenliebe im Weg stehen würde.
Erhören Sie, Eure Heiligkeit, den verzweifelten Aufschrei einer Tochter, und nutzen Sie Ihren großen Einfluss, damit mein Vater dem liebenden Kreis der Seinen zurückgegeben werde.
Ich wage es nicht, meine Adresse diesem Papier anzuvertrauen: Eure Heiligkeit wird mir eine Antwort auf demselben Weg zukommen lassen, auf dem Sie dieser Brief erreicht hat.
Ich verspreche, Euer Hochwohlgeboren mein ganzes Leben lang ergeben zu bleiben und zum gemeinsamen Herrn des Himmels für Ihr persönliches Wohlergehen und für all Ihre erhabenen Wünsche zu beten.
Ergebenste Dienerin
Ester Di Consiglio
Die Antwort ist zu richten
an den Pater Sekretär der
Päpstlichen Universität Gregoriana
Piazza della Pilotta 4.
Archivio Apostolico Vaticano, Segreteria di Stato, Commissione Soccorsi 303, fasc. 29, fol. 10r