Mönchspfeffer - Arzneipflanze des Jahres 2022

von Lars Krüger und Matthias Lechtenberg

In diesem Jahr hat der interdisziplinäre Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg den Mönchspfeffer, Vitex agnus-castus L., zur Arzneipflanze des Jahres 2022 gekürt.

Abb. 1. Vitex agnus-castus L. (Habitus)
© Uni MS/Krüger

Botanische Beschreibung

Der Mönchspfeffer, Vitex agnus-castus L., (Keuschlamm, Liebfrauenbettstroh) ist ein Strauch aus der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae) und stammt ursprünglich aus einem Gebiet, das sich vom Mittelmeerraum über Südwestasien bis zur Krim und bis Pakistan erstreckt. Er wächst dort an Flussufern und anderen feuchten Standorten.

Er wird 4 m hoch (teilweise auch höher), seine Zweige sind hellbraun, vierkantig und fein behaart. Die handförmigen Blätter sind 5- bis 7-zählig gefingert, die Fingerblättchen sind kurzgestielt, lanzettlich bis eilanzettlich, ganzrandig. An der Unterseite sind sie kurzfilzig behaart, dazu heller als auf der Oberseite. Die Blätter duften aromatisch und sind kreuzgegenständig.

Die endständigen Blütenstände sind dichte Scheinquirle, die Einzelblüten sind klein und duften. Der Mönchspfeffer blüht in verschiedenen Farben von violett, blau, rosa bis weiß.

Kulturhistorische Bedeutung und volksmedizinische Verwendung

Der Mönchspfeffer ist eine Pflanze, die geschichtlich einige interessante Aspekte zu bieten hat:

Der lateinische Gattungsname Vitex soll sich vom Verb viere ableiten, das für den Begriff „binden, biegen oder flechten“ im Deutschen steht. In Italien und Griechenland werden die Triebe vom Mönchspfeffer noch bis heute zum Flechten von Zäunen und zum Festbinden von Weinreben verwendet. Das artspezifische Epitheton agnus-castus wird zum einen vom griechischen hagnös (= verehrt, heilig oder auch jungfräulich, keusch) hergeleitet, aber auch von den phonetisch ähnlichen lateinischen Vokabeln agnus (= Lamm) und castus (= heilig, keusch). Die Kombination agnus-castus als „keusches Lamm“ im Sinne vom „Lamm Gottes“ als Sinnbild von Keuschheit und Reinheit wurde erst im Mittelalter, geleitet von christlicher Tradition, von Konrad von Megenburg und Albertus Magnus geprägt.

Die Früchte sind runde, dunkelbraune Steinfrüchte (manchmal auch als Steinbeeren bezeichnet), 2—3 mm groß und enthalten bis zu vier Samen. Die Früchte sind ungefähr ½ bis ⅔ von einem becherförmigen Kelch bedeckt.

Abb. 2. Blüten und Früchte von V. agnus-castus
© Uni MS/Krüger

Schon im antiken Griechenland galt der Mönchspfeffer als Symbol der Keuschheit. Damals sollten die Frauen an göttlichen Feiertagen enthaltsam leben und legten dazu Triebe des Mönchspfeffers auf ihre Betten. Auf dieselbe Art und Weise soll der Mönchspfeffer im Mittelalter auch den Mönchen und Nonnen geholfen haben, ihr Keuschheitsgelübde zu erfüllen. In den Klostergärten des Mittelalters wuchsen darum neben den bekannten Heil- und Gewürzpflanzen auch solche Pflanzen, die dafür bekannt waren, dass sie der „Abkehr von weltlicher Liebe dienten“. So hatten die Mönche und Nonnen mit dem Mönchspfeffer eine Pflanze, die ihnen nicht nur ein scharfes (= pfeffriges) Gewürz lieferte, sondern gleichzeitig den erwünschten Nebeneffekt hatte, die Triebe der Klosterleute zu dämpfen. Diese beiden Eigenschaften (= pfeffrig, scharf und triebdämpfend) brachten den Namen Mönchspfeffer hervor.

Dioskurides sagt über den Mönchspfeffer: „Agnos, Keuschlammstrauch, […] bei den Römern als wilder Pfeffer bekannt, ist ein baumartiger Strauch, welcher an Flüssen und Felsküsten wächst […] Er wird Agnos genannt, weil ihn bei den Thesmophorien die Weiber, welche ihre Keuschheit bewahren, als Lager nutzten […] oder weil er, getrunken, den Drang zum Beischlaf mäßigt.“

Franz von Sales schreibt in seinem Buch „Philothea“ im 13, Kapitel, in dem „Ratschläge zur Bewahrung der Keuschheit“ behandelt werden: „Wer sich auf das Kraut Agnus castus bettet, wird selbst keusch und schamhaft. So wird auch dein Herz von jedem Makel und böser Lust gereinigt, wenn es im Heiland ruht, dem wahrhaft reinen und makellosen Lamm.“

Matthioli schreibt 1626 in seinem Kreuterbuch über den Mönchspfeffer: „Er nimmt die Begierde zum Venushandel und solches tut nicht allein der Samen, sondern auch die Blätter und Blumen, nicht aber nur so man sie esset, sondern auch wenn man sie im Bett verstreut.“

Abb. 3. Blüten von V. agnus-castus, Detailaufnahme
© Krüger privat

Über all diese alten Geschichten, die uns als Menschen des 21. Jahrhunderts sicherlich sehr befremdend vorkommen, soll aber eines nicht verschwiegen werden:

Der Mönchspfeffer ist eine beachtenswerte Pflanze, die auch bei uns im Garten ganzjährig ausgepflanzt stehen kann, allerdings sollte der Standort im Beet nicht zu trocken sein. Er treibt zwar recht spät aus, blüht aber dafür im Juli und August, bis in den September hinein und ist eine schön anzusehende Gartenpflanze. Darüber hinaus wird er gerne von Insekten besucht und ist durch seine späte Blüte eine Bereicherung für den hochsommerlichen Garten.

Quellen:

Droge, Inhaltsstoffe, Extrakte und Anwendungsgebiete

Die Droge "Mönchspfefferfrüchte, Agni casti fructus" (Ph. Eur.)

Die Droge besteht aus den ganzen, reifen, getrockneten Früchte von Vitex agnus-castus L. [1]. Die Stammpflanze gehört zur Familie der Lamiaceae (früher Verbenaceae) [2]. Die Mönchspfefferfrucht ist oval oder nahezu rund mit einem Durchmesser von bis zu 5 mm. Der beständige Kelch ist grünlich grau, feinflaumig behaart, endet in 4 bis 5 kurzen Zipfeln. Die Früchte stammen von Wildvorkommen und Kulturen, hauptsächlich in Albanien und Marokko. Sie werden meist zur Herstellung von wässrig-alkoholischen Extrakten verwendet, die zu Fertigarzneimitteln verarbeitet werden [1, 2].

Die Identitätsprüfung erfolgt makroskopisch, mikroskopisch und dünnschichtchromatographisch [1]. Die olivfarbenen Früchte haben einen ausdauernden, filzig-grau behaarten Kelch, der die Frucht becherförmig bis zu zwei Dritteln umschließt. Teilweise ist ein langer Fruchtstiel vorhanden und gelegentlich die Ansatzstelle des Griffels erkennbar. Die mikroskopischen Merkmale entstammen den Zellen der äußeren Kelchepidermis, der Fruchtwand und der Samenschale. Charakteristisch sind u.a. die 1- bis 5-zelligen, gekrümmten Deckhaare des Kelchs, die kurzgestielten Drüsenhaare („Drüsenschuppen“) des Exokarps, die Steinzellen des Endokarps und die rippenförmige Verdickungsleisten der Testa [1, 3, 4]. Im Dünnschichtchromatogramm wird auf die Anwesenheit der beiden Iridoidglucoside Aucubin (1) und Agnusid (2) geprüft [1, 4].

Reinheit. Das Vorkommen anderer Vitex-Arten (v.a. V. negundo L.) kann durch die Prüfung auf Früchte mit einem wesentlich größeren Durchmesser ausgeschlossen werden [1].

Inhaltsstoffe

▶▶▶Abb. 4 (Zusammenfassung aus [2], [3], [5 - 7]):

  • Iridoidglykoside (ca. 1%), z.B. Aucubin (1), Agnusid (2), versch. Agnucastoside und Mussaenosidsäure
  • Lipophile Flavonoide (ca. 0,1%), z.B. Casticin (3) (PhEur = mindestens 0,08%), Apigenin (4) und Isoorientin (5, = Luteolin-6-C-glucosid)
  • Diterpene
    • Lipophile Diterpene vom Labdantyp, z.B. Rotundifuran (6), Vitexilactone (7), Vitetrifoline, Viteagnusine (z.B. Viteagnusin I (8)) sowie Vitexlactam A (9)
    • Clerodanderivate, z.B. Cleroda-7,14-dien-13-ol (10) oder Cleroda-,3,14-trien-13-ol
  • Ätherisches Öl (0,3 – 1,8%)
    • variable Zusammensetzung, v.a. Mono- und Sesquiterpene, u.a. Sabinen (11), 1,8-Cineol (12), α-Pinen (13) und β-Caryophyllen (14)
  • weiter: p-Hydroxybenzoesäure (vgl. 2), Gerbstoffe (0,2-1,6%), fettes Öl, mit Linol- und weiteren Fettsäuren
Abb. 4. Typische Inhaltsstoffe von V. agnus-castus (ohne Stereochemie)
© Uni MS/Lechtenberg

Extrakte, Wirkungen und Anwendungsgebiete

Mönchspfefferfrüchte werden heute in der Regel nicht mehr als Droge zur Herstellung eines Tees angewendet, sondern in Form von Zubereitungen, die entweder Extrakte oder (in seltenen Fällen) die pulverisierte Droge selbst enthalten.

aktuelle Datenlage

Wirkungen. Zitat [9]: "Verschiedene Arbeitsgruppen zeigten in präklinischen Studien inhibitorische Effekte auf die Prolaktinausschüttung sowie dopaminerge Effekte. Am Menschen wurde die Reduzierung erhöhter Prolaktinspiegel durch Mönchspfefferfrüchte nicht abschließend bewiesen. Widersprüchliche Ergebnisse gibt es bezüglich einer Bindung am Estrogen­rezeptor und zur Präferenz gegenüber dem β- oder α-Rezeptorsubtyp. Darüber hinaus gibt es einige Hinweise bezüglich einer β-Endorphin-ähnlichen Aktivität (möglicherweise durch µ-Opioid-Rezeptorbindung). In prä­klinischen Studien an Ratten zeigten sich Hinweise auf eine Lebertoxizität des Extrakts."

Unerwünschte Wirkungen. Zitat [5]: "Ernsthafte Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Gelegentlich können Kopfschmerzen, Müdigkeit, Hautmanifestationen und Beschwerden im Magen-Darm-Kanal und im Unterleib auftreten."

Monographie des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel HMPC der Europäischen Arzneimittelagentur

Drei Trockenextrakte und eine Tinktur wurden bewertet [8]. Nachfolgend eine zusammenfassende Übersicht (vgl. auch [9]):

Status „well-established use“

Trockenextrakt. Zugelassen zur Behandlung des prämenstruellen Syndroms (PMS).

Auszugsmittel Ethanol 60% (m/m), Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) 6-12:1, orale Anwendung in Form fester Arzneiformen, Tagesdosis 20 mg.

Status „traditional use“

Pulverisierte Droge, Tinktur und zwei Trockenextrakte (vgl. Tabelle 1). Zugelassen zur Linderung von leichten Symptomen in den Tagen vor der Menstruation (prämenstruelles Syndrom).

Tabelle 1: nach [9], leicht modifiziert
Wirkstoff Auszugsmittel DEV Tagesdosis
Pulverisierte Droge - - 2 x 400 mg
Tinktur Ethanol 68-70% (m/m) 1 : 5 1 x 165 mg
Trockenextrakt Ethanol 60% (m/m) 7-13 : 1 1 x 4 mg
Trockenextrakt Ethanol 50-52% (m/m) 10-18,5 : 1 1 x 2-3 mg

Präparate

Eine Auswahl an Präparaten, die auf dem deutschen Markt verfügbar sind, finden sich hier [9].

Fazit

Zitat [5]: "Der charakteristische Inhaltsstoff der Mönchspfefferfrüchte ist das Iridoidglykosid Agnusid, das neben Aucubin als Hauptinhaltsstoff der Droge gilt. Typisch sind außerdem lipophile Flavonoide mit Casticin als Hauptsubstanz. Iridoide und lipophile Flavonoide gelten als analytische Marker, während lipophile Diterpene vom Clerodan- und Labdan-Typ als potentielle Wirkstoffe bei der Anwendung von Extraktpräparaten zur Therapie des PMS gelten. Inwieweit die nachgewiesene phytoöstrogene Wirkung des Mönchspfefferfruchtextrakts von klinischer Relevanz ist, ist im Augenblick unklar."

Quellen

[1] Mönchspfefferfrüchte (Agni casti fructus), Monographie Ph. Eur. 10.0/2147

[2] Mönchspfefferfrüchte (Agni casti fructus), Kommentar zur Ph. Eur.

[3] Wichtl M (2009) Teedrogen und Phytopharmaka, 5. Auflage, WVG mbH, Stuttgart

[4] Rahfeld B (2009) Mikroskopischer Farbatlas pflanzlicher Drogen, 3. Auflage, Springer Spektrum Verlag

[5] Hänsel A, Sticher O (Hrsg.) Pharmakognosie – Phytopharmazie, 9. Auflage, Springer Verlag

[6] Chen S-N et al. (2011) Phytoconstituents from Vitex agnus-castus fruits Fitoterapia 82(4) 528-533

[7] Senatore F (1996) Constituents of Vitex agnus-castus L. Essential Oil Flavour. Frag. J. 11, 179-182

[8] Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC), European Union herbal monograph on Vitex agnus-castus L., fructus; EMA/HMPC/606742/2017 (zuletzt besucht am 23.02.2022)

[9] Fürst R, Ilse Zündorf (2009) Extrakte aus Mönchspfefferfrüchten, Pharmazeutische Zeitung online (zuletzt besucht am 23.02.2022)

Further reading

• Yao J-L et al. (2016) A Review on the Terpenes from Genus Vitex. Molecules 21(9), 1179.

• Daniele C et al. (2005) Vitex agnus castus. A Systematic Review of Adverse Events. Drug Safety 28(4), 319.

• Wuttke W et al. (2003) Chaste tree (Vitex agnus-castus)–Pharmacology and clinical indications. Phytomedicine 10: 348–357.