Die Arzneipflanze des Jahres 2020: Echter Lavendel, Lavandula angustifolia Mill.

[Bilder und Texte von Lars Krüger]
© Uni MS/Krüger
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Mit dem echten Lavendel hat der „interdisziplinäre Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg wieder eine bekannte und dazu auch in unseren Gärten weitverbreitete Arzneipflanze zur „Arzneipflanze des Jahres 2020“ gekürt.

Der echte Lavendel gehört in die Familie der Lippenblütler (Lamiaceae), wird bis zu 0,60 m hoch (teilweise auch höher!) und zählt zu den sog. Halbsträuchern. Halbsträucher sind mehrjährige Pflanzen, bei denen die jungen, einjährigen Triebe krautig sind, während die älteren Triebe verholzen. Der Neuaustrieb erfolgt aus den holzigen Pflanzenteilen. Das kann man sehr schön im zeitigen Frühjahr beobachten, denn dann zeigen sich an der Basis der Lavendelpflanzen kleine, grüne Knospen und zu dieser Zeit ist auch der richtige Zeitpunkt, um den Lavendel mit einem beherzten Rückschnitt ins alte Holz zu verjüngen.

Wichtig ist, dass dieser beherzte Rückschnitt ausschließlich im Frühjahr vorgenommen wird, damit die jungen Triebe bis zum Vegetationsabschluß ausreifen können. Wird Lavendel nach der Blüte zurückgeschnitten, darf dieser Rückschnitt (jetzt ist es eher ein Formschnitt) nur im krautigen Bereich vorgenommen werden. Der echte Lavendel wächst aufrecht und ist stark verzweigt. Die Form der Laubblätter ist lineal-lanzettlich, die sehr schmalen Laubblätter wachsen gegenständig, sie sind silber-graufilzig behaart, der Blattrand ist eingerollt. Seine Blütezeit liegt im Juli und im August, die Blütenfarbe ist violett, die Blüten sind zygomorph (= die Blüte besteht aus zwei spiegelbildlichen Hälften und hat darum nur eine Symmetrieebene), der Blütenstand eine unterbrochene, langgestielte Scheinähre.

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Die ursprüngliche Heimat des echten Lavendels liegt in den Küstenregionen des Mittelmeergebietes (bis nach Dalmatien und Griechenland), dort wächst er an trockenen, felsigen und nährstoffarmen Hängen. Von diesen Standortangaben können wir auch auf die Gartenkultur schließen: Er steht am besten sonnig, ist wärmeliebend und hitzeverträglich, der Boden ist trocken bis frisch und durchlässig, ein zu viel an Wasser und Dünger behagt dem Lavendel nicht.

Der Name „Lavandula“ soll sich vom römischen Verb „lavare“ (= „Waschen“) ableiten, denn schon Plinius der Ältere berichtet davon, dass die Römer Lavendel vor allen Dingen zur Reinigung von Körper und Kleidung verwendet haben sollen. Auch bei uns soll Lavendel umgangssprachlich früher als „Waschkraut“ bezeichnet worden sein.

Im 11. Jahrhundert haben Benediktiner-Mönche die ersten Pflanzen des echten Lavendels über die Alpen in Richtung Norden mitgebracht. Aufgrund seiner Robustheit hat sich der echte Lavendel nördlich der Alpen zunächst in den Klostergärten etablieren können! Ab dem 16. Jahrhundert hat sich der echte Lavendel dann, von England ausgehend, zur beliebten Gartenpflanze entwickelt.

Mittlerweile umfasst das Sortiment in den Staudengärtnereien mehrere Dutzend Zuchtsorten, die im breiten Farbspektrum von verschiedenen Blautönen über weiß bis hin zu rosa blühen. Dass der echte Lavendel zur Arzneipflanze wurde, kann wohl als Entdeckung der Klostermedizin bezeichnet werden, denn schon Hildegart von Bingen betonte den starken Duft des Lavendels und hat ihn Mitte des 12. Jahrhunderts zur äußerlichen Anwendung, wie auch gegen Ungeziefer, empfohlen. Weiter empfahl Hildegart von Bingen auch einen „Lavendelwein“ bei Lungenbeschwerden: „Wer Lavendel mit Wein, oder wenn er keinen Wein hat, mit Honig und Wasser kocht und oft lauwarm trinkt, der mildert den Schmerz in der Leber und in der Lunge und die Dämpfigkeit seiner Brust.“

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Es sei uns noch ein kurzer Blick auf einige „Geschichtchen“ rund um den Lavendel erlaubt.

So schrieb der Feuilletonist Joseph August Lux 1910 im „Neuen Wiener Tagblatt“ über die Lavendelverkäuferinnen, die damals besonders im Sommer zum Wiener Straßenbild gehörten: „Das arme Weiblein ist schon fast ein Stück Legende, eine freundliche Spukgestalt. Man sieht es so selten, man hört nur seinen Klagegesang. Er scheint aus zeitlichen Fernen herzukommen, aus den Fernen der Vergangenheit, aus den Fernen unserer eigenen Kindheit. Die damals „Lavendelweiber“ genannten Frauen fielen durch ihren melodisch gesungenen Ruf auf: „Kaufts an Lawendel / Zwanz´g Groschen a Bischal Lawendel, / an Lawendel hauma do / wer kauft uns an o!“

Im Buch „Gart der Gesundheit“ von 1485 wird Lavendel als „Muttergottespflanze“ bezeichnet, welche „kuscheyt brenget“, also unkeusche Gelüste beseitigt – andererseits war der echte Lavendel auch als Liebespflanze bekannt, er ist das Symbol für ein geheimes Einverständnis in der Liebe, sein Duft galt als hilfreich bei Liebeskummer.

Apropos Muttergottespflanze: In den Alpen galt Lavendel als besonders heilig! Er hilft gegen den Teufel und kann selbst Hexen retten, die von Teufel verfolgt werden; sie brauchten sich nur auf einen Lavendelstrauch zu setzen... In der Johannisnacht gepflückter Lavendel hielt bösen Zauber fern, im Volksglauben damals schützte Lavendel vor (bösen) Geistern, wenn man ihn in Schlüssellöcher stopfte oder als Büschel über die Eingangstür hängte. Und ein Mann namens Beuchert wußte zu berichten, dass König Ludwig XIV, wenn er eine Dame begehrte, ihr in Ambra getränkte Lavendel-Ähren schicken ließ. War die Dame geneigt, diesem Begehren nachzugeben, schob sie sich vor den Augen des Königs eine dieser Ähren in den Mund…

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Die moderne pharmazeutische Nutzung des echten Lavendels (Lavandula angustifolia Mill.; syn. Lavandula officinalis Chaix) begann im späten 19. Jahrhundert, seit dieser Zeit wird er bei nervösen Unruhezuständen und gegen Schlaflosigkeit verwendet.

Zur Gewinnung der Droge "Lavendelblüten" werden die in Scheinquirlen angeordneten Blüten kurz vor dem Aufblühen abgestreift und getrocknet. Die Kronblätter fallen beim Trocknen leicht ab und schrumpfen stark, weshalb in der Droge die röhrenförmig-ovalen, rippigen, blaugrauen Kelche optisch dominieren [1].

Gemäß Monographie des europäischen Arzneibuches enthalten Lavendelblüten mindestens 13 mL/kg ätherisches Öl, berechnet auf die wasserfreie Droge [2].

Hauptkomponenten des Öles (vgl. Abb.) sind Linalool (1) und Linalylacetat (2), daneben finden sich weitere Monoterpene wie z.B. Limonen (3), 1,8-Cineol (4), Terpinen-4-ol (5), α-Terpineol und Campher (6). Weitere Inhaltsstoffe von Lavendelblüten sind Chlorogensäure (7), Rosmarinsäure (8) und verschiedene Flavonoide, die von Apigenin (9), Luteolin und Quercetin abgeleitet sind. Die Abwesenheit von Lavandinblüten (Lavandula x intermedia Emeric ex Loisel) wird dünnschichtchromatographisch überprüft.

Pharmazeutisch verwendet wird neben den Lavendelblüten auch das Lavendelöl, das durch Wasserdampfdestillation aus den Blütenständen von Lavandula angustifolia Mill. gewonnen wird [3]. Die Zusammensetzung des Lavendelöls wird gaschromatographisch überprüft und durch Vergleich mit einem Referenz-Lavendelöl ausgewertet. 

Lavendelblüten und Lavendelöl werden heute innerlich eingesetzt bei Unruhezuständen, Einschlafstörungen und funktionellen Oberbauchbeschwerden [4, 5]. In der Balneotherapie findet Lavendelöl seinen Einsatz bei der Linderung funktioneller Kreislaufstörungen. In der Aromatherapie ist Lavendelöl das am meisten verwendete ätherische Öl und gilt neben dem Rosenöl als Therapeutikum mit den vielfältigsten Anwendungsmöglichkeiten (u.a. in der Altenpflege).

Eine umfassende wissenschaftliche Bewertung findet sich in den aktuellen HMPC–Monographien und den zugehörigen Bewertungsberichten („assessment reports“) [5, 6].

Literatur

[1] Max Wichtl (2009) Teedrogen und Phytopharmaka, 5. Auflage, WVG mbH, Stuttgart
[2] Lavendelblüten (Lavandulae flos) Monographie Ph. Eur. 9.5/1534
[3] Lavendelöl (Lavandulae aetheroleum) Monographie Ph. Eur. 9.5/ 1338
[4] Lavandulae flos, Lavandulae aetheroleum, ESCOP Monographs, Second Edition, Supplement 2009, Thieme Verlag, Stuttgart
[5] Herbal medicinal product: Lavandulae flos, HMPC monograph und assessment report, European Union herbal monographs
[6] Herbal medicinal product: Lavandulae aetheroleum, HMPC monograph und assessment report, European Union herbal monographs
[7] Schmeil – Fitschen, Flora von Deutschland, 92 Auflage, Verlag Quelle & Meyer
[8] IPBP, Arzneipflanzen entdecken, 2. Überarbeitete und erweiterte Auflage, Selbstverlag
[9] Encke, Pareys Blumengärtnerei, Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg, 1958
[10] Staudengärtnerei Dieter Gaissmeyer, Illertissen: Zauberkräuter, Selbstverlag
[11] Rudi Palla, Verschwundene Arbeit, Das Buch der untergegangenen Berufe, Chr. Brandstätter Verlag, 2010 (zitiert in Servus TV: Heimatlexikon – unser Österreich)
Internetlinks (zuletzt aufgerufen am 9.1.2020)

HINWEIS

  • Wiederkehrende Angstzustände oder andauernde Schlafstörungen unbedingt von einem Arzt abklären lassen.

  • Ätherisches Öl in konzentrierter Form kann Haut und Schleimhäute reizen.