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„Du musst selbst davon überzeugt sein, dass du gleichwertig bist“

Karriere in der Wissenschaft: Prof. Noelia Alonso Gonzalez, Biologin und Mutter von zwei Kindern, über ihre Forschung zu Immunzellen und Entzündungen, internationale Mobilität und Gleichberechtigung
© Uni MS/Doris Niederhoff

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Video auf Englisch mit deutschen Untertiteln.

Der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Wissenschaft ist zwar in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen, doch Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) zeigen: Noch immer ist nur etwa ein Viertel der Professuren in Deutschland durch Frauen besetzt. Die Biologin Dr. Noelia Alonso Gonzalez hat vor Kurzem eine neu eingerichtete Professur für Makrophagenbiologie an der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster angetreten. Sprungbrett war für sie ein Programm des Forschungsnetzwerks „Cells in Motion“ der WWU, das explizit darauf zielte, zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Wissenschaft beizutragen, und es ihr ermöglichte, ihre eigene Arbeitsgruppe aufzubauen. „Es ist für Frauen zwar heute einfacher, Karriere zu machen, als noch vor 20 Jahren“, sagt die 41-jährige Spanierin, „aber Chancengleichheit ist auch in der Wissenschaft noch immer ein Thema.“

„Während meiner Postdoc-Zeit wurde mir bewusst, dass ich mit meiner Forschung wirklich etwas bewirken kann.“

Noelia Alonso Gonzalez erforscht mit ihrem Team, wie sich Entzündungen im Körper rechtzeitig auflösen, bevor sie chronisch oder lebensbedrohlich werden. Besonders interessiert sie sich dabei für Makrophagen. Diese Zellen des Immunsystems beseitigen Zellen, die durch eine Entzündung absterben, und produzieren Moleküle, die dazu beitragen, Gewebeschäden zu reparieren. „Je nachdem, welches Organ betroffen ist, laufen Entzündungen unterschiedlich ab“, erklärt sie. „Wir wollen herausfinden, wie verschiedene Arten von Makrophagen unterschiedliche Entzündungen erkennen und sich daran anpassen, um sie richtig bekämpfen zu können.“

Nach ihrer Promotion an der spanischen Universität Las Palmas de Gran Canaria ging Noelia Alonso Gonzalez als Postdoktorandin in die USA an die Universität Yale. „In dieser Zeit habe ich verstärkt mein wissenschaftliches Netzwerk aufgebaut und angefangen, die Ergebnisse meiner Arbeit in einem größeren Zusammenhang zu sehen“, erzählt sie. Zu merken, dass sie mit ihrer Forschung wirklich etwas bewirken könne – für ihr wissenschaftliches Themengebiet und vielleicht für die Gesellschaft – habe sie dazu motiviert, ihren Weg in der Wissenschaft weiter zu gehen. Nach einem Forschungsaufenthalt am „Spanish National Centre for Cardiovascular Research“ in Madrid kam sie im Jahr 2017 mit einem Humboldt-Forschungsstipendium als Postdoktorandin an die Universität Münster. Wenig später bewarb sie sich hier als Nachwuchsgruppenleiterin im „Gerty-Cori-Programm“ des Forschungsnetzwerks „Cells in Motion“. Das Programm – benannt nach der österreichisch-US-amerikanischen Biochemikerin Gerty Cori, die im Jahr 1947 als erste Frau den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhielt – hatte zum Ziel, die wissenschaftliche Karriere herausragender Forscherinnen und Forscher im Themengebiet „Zelldynamik und Bildgebung“ zu fördern, zu ihrer Gleichstellung beizutragen und die Forschenden bei entsprechender Bewährung an der WWU zu halten. Die Wissenschaftlerin baute ihre eigene Arbeitsgruppe auf, vernetzte sich mit anderen Forschungsgruppen in Münster und ist in mehreren Verbundforschungsprojekten der WWU aktiv – unter anderem warb sie bereits Drittmittelförderungen für Projekte in zwei Sonderforschungsbereichen ein.

„In der Gesellschaft ist noch immer die Einstellung zu spüren, dass Frauen sich mehr um das Familienleben kümmern sollten als Männer.“

„Ich persönlich habe nicht das Gefühl, dass ich im Arbeitsalltag vor besonderen Herausforderungen stehe, weil ich eine Frau bin – aber durchaus, weil ich Mutter bin“, sagt Noelia Alonso Gonzalez. Die Angebote der Universität zur Kinderbetreuung seien sehr hilfreich – ihre dreijährige Tochter und ihr einjähriger Sohn gehen in die Kita des Universitätsklinikums. Auch Möglichkeiten für Notfallbetreuungen haben sie und ihr Partner schon in Anspruch genommen. In der Gesellschaft sei aber immer noch die Einstellung zu spüren, dass Frauen sich mehr um das Familienleben kümmern sollten als Männer. „Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich mich fast dafür entschuldige, dass ich wieder arbeiten gehe, bevor unsere Kinder ein Jahr alt sind“, erzählt sie. „Mein Partner hingegen muss das nie erklären, weil davon ausgegangen wird, dass er arbeitet.“

Eine Herausforderung, die eine Karriere in der Wissenschaft mit sich bringe und die auch die Familie betreffe, sei Mobilität: Wenn man eine Leitungsposition anstrebe, seien internationale Forschungsaufenthalte fast ein Muss. „Für mich hat das zu meiner persönlichen Lebenssituation gepasst und zu den Erfahrungen die ich machen wollte“, sagt sie, „aber ich kenne auch Leute, die das nicht möchten, und die fantastische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind.“

Dass Frauen in leitenden Positionen in der Wissenschaft unterrepräsentiert seien, werde in fast jedem Meeting sichtbar. Man müsse sich immer bewusst sein, dass es passieren könne, dass jemand einen als nicht fähig genug für etwas ansehe, weil man eine Frau sei. Ihr Rat an den Nachwuchs: „Glaub nicht, dass du etwas nicht kannst, weil du eine Frau bist. Du musst selbst davon überzeugt sein, dass du gleichwertig bist.“

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Autorin: Doris Niederhoff