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Unsichtbares sichtbar machen

Um zu analysieren, wie Zellen im Körper zusammenspielen, müssen Forscher sie sehen und beobachten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von „Cells in Motion“ nutzen dafür eine große Bandbreite an Bildgebungstechnologien. Interdisziplinäre Teams arbeiten daran, die Möglichkeiten der Bildgebung noch zu erweitern.

Bildgebende Verfahren haben unterschiedliche Stärken: Mikroskopische Verfahren vergrößern winzige Strukturen und ermöglichen detailgenaue Untersuchungen von einzelnen Zellen und ihren Bausteinen.
© Uni MS/Peter Leßmann

Zellen markieren

Wie lassen sich Vorgänge im Körper sichtbar machen, die dem Auge normalerweise verborgen bleiben? Indem Forscher Zellen oder Moleküle markieren: Sie erzeugen Signale, die Informationen aus dem Körperinneren nach außen tragen. Diese Signale lassen sich dann messen und in Bilder übersetzen.

Forscher können Zellen beispielsweise genetisch markieren. Das heißt, sie verändern die DNA – das Molekül im Zellkern, das die Erbinformationen, also die Gene, in sich trägt. Die Gene enthalten Bauanleitungen für Proteine, die unter anderem als Enzyme oder als Baumaterial bestimmte Funktionen in der Zelle übernehmen. Wenn Forscher ein Protein beobachten wollen, kombinieren sie die Bauanleitung für dieses Protein mit der Bauanleitung für ein anderes Protein, das ein Signal erzeugt. Am häufigsten wird die genetische Information des sogenannten grün fluoreszierenden Proteins (GFP) genutzt. Es stammt von der Qualle Aequoria victoria. Durch die Kombination der genetischen Informationen entsteht ein Protein, das unter Lichteinfluss leuchtet. „Wir sprechen hier von Reporterproteinen“, sagt Roland Wedlich-Söldner, CiM-Professor für Multiskalige Bildgebung und Zellbiologie. „Denn diese gezielt erzeugten Fusionsprodukte berichten uns, welche Akteure sich in der Zelle befinden und welche Prozesse dort ablaufen. Wir können in gewisser Weise der Zelle bei der Arbeit zusehen“, erklärt er.

Darüber hinaus können Forscher Vorgänge im Körper sichtbar machen, indem sie chemisch hergestellte Substanzen in den Blutkreislauf einbringen. Auch diese Substanzen enthalten einen Signalgeber, beispielsweise einen fluoreszierenden Bestandteil oder radioaktive Atome, die Strahlung aussenden. Außerdem sind sie als „Spürstoffe“ tätig, auch Tracer genannt: Sie können im Körper spezielle Moleküle finden, die beispielsweise auf eine Erkrankung hinweisen, und sich an sie heften. Das funktioniert, weil Wissenschaftler sie wie einen Schlüssel konstruiert haben, der nur in ein bestimmtes Schloss passt. Eine Herausforderung bei der Entwicklung solcher Spürstoffe ist, dass sie Vorgänge im Körper nicht verändern dürfen. „Große Hoffnung liegt auf chemischen Verbindungen aus Kohlenhydraten“, erklärt Ryan Gilmour, CiM-Professor für Chemische Biologie. Er entwickelt mit seinem Team Substanzen, die bei der Erforschung von Krankheiten wie Alzheimer oder Multipler Sklerose helfen. In einem anderen Projekt geben CiM-Forscher kleinste fluoreszierende Kunststoffkügelchen in den Blutkreislauf. Die Oberfläche dieser Kügelchen ist so beschaffen, dass Fresszellen sie aufnehmen und dadurch leuchten. So können die Forscher untersuchen, wie sich die Zellen bei Krankheiten wie Arteriosklerose verhalten.

Vom Signal zum Bild

Künstlich erzeugte Signale wie Licht, Schall oder die Strahlung radioaktiver Substanzen in Zellen und Organismen lassen sich messen und in Bilder umwandeln. Dazu nutzen Forscher Technologien wie Lichtmikroskopie, Ultraschall oder Positronen-Emissions-Tomographie (PET).

Eine gestochen scharfe Darstellung filigraner Strukturen in einzelnen Zellen und Geweben liefert die Lichtmikroskopie. Sie bringt Moleküle, die zuvor mit fluoreszierenden Farbstoffen markiert wurden, mit Laserlicht zum Leuchten. Hochempfindliche Kameras erfassen selbst schwächste Signale. Am Computer lassen sich aus den gemessenen Daten dreidimensionale Bilder rekonstruieren und sogar Bewegungen im Zeitverlauf beobachten. Die Lichtmikroskopie hat sich in den vergangenen Jahren rapide weiterentwickelt. Lange galten 200 bis 300 Nanometer – ein Nanometer entspricht einem Millionstel Millimeter – als physikalische Auflösungsgrenze. Dieses Limit lässt sich mit modernen hochauflösenden Mikroskopen inzwischen unterschreiten.

Die Signale fluoreszierender Moleküle werden durch dickere Gewebeschichten meist stark gestreut und lassen sich nicht mehr messen. Die Intravital-Lichtmikroskopie ermöglicht es aber, Zellen mithilfe besonderer Laser auch tiefer im lebenden Organismus zu untersuchen. Die Streuungseffekte des Gewebes umgeht auch die fotoakustische Bildgebung. Sie arbeitet ebenfalls mit Laserlicht, um Moleküle anzuregen. Anders als bei der Lichtmikroskopie wird jedoch nicht die Lichtstrahlung gemessen, sondern die Schwingung der Moleküle – mit einem Ultraschallgerät.

Verfahren der Ganzkörperbildgebung haben eine geringere Auflösung als Mikroskope. Dafür haben sie aber den Gesamtorganismus im Blick.
© Uni MS/Peter Leßmann

Den Blick in den Gesamtorganismus ermöglicht die Ganzkörperbildgebung, die sowohl in der Forschung als auch im klinischen Alltag bei Patienten eingesetzt wird: PET-Scanner beispielsweise machen Signale radioaktiver Spürstoffe sichtbar. Diese senden Gammastrahlung aus. Anders als Licht kann sie viele Gewebeschichten durchdringen.

Um Bildgebungstechnologien zu verbessern, entwickeln Mathematiker Rechenmodelle, die eine präzisere Bildrekonstruktion ermöglichen. Physiker bringen Wissen über die physikalischen Eigenschaften von Licht oder Strahlung in die Modelle ein. Informatiker entwickeln leistungsstarke Algorithmen, die gemessene Daten verarbeiten und darstellen. So entstehen einzigartige Lösungen, wie ein Aufbau, der PET-Scans wacher Mäuse ermöglicht und vermeidet, dass Stoffwechselvorgänge durch die Narkose verfälscht werden. „Wir erfassen die Bewegung der Mäuse und rechnen sie aus den Bilddaten heraus“, erklärt Physiker Prof. Klaus Schäfers. „Ohne die verschiedenen Disziplinen wäre eine so komplexe Entwicklung nicht möglich“, resümiert Informatiker Prof. Xiaoyi Jiang.