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Zwischen Labor und Klinik

Nur wenige Medizinerinnen und Mediziner arbeiten parallel zum klinischen Alltag wissenschaftlich. Dabei profitieren sowohl Ärzte als auch Patienten von der Nähe zwischen Forschung und Klinik. Ein Ziel des Exzellenzclusters „Cells in Motion“: Die Expertisen näher zusammenbringen und die Übersetzung von Laborergebnissen in die klinische Anwendung stärken. Dazu dienen insbesondere „CiM Clinical Translation Professorships“ und der von CiM initiierte und aufgebaute Masterstudiengang „Experimentelle Medizin“.

Georg Lenz ist CiM-Professor für Translationale Onkologie und arbeitet gleichzeitig als Kliniker und als Forscher.
© Uni MS/Peter Grewer

Behandlungsstrategien verbessern

Es ist Dienstagvormittag und Prof. Georg Lenz ist in der onkologischen Ambulanz des Universitätsklinikums Münster unterwegs. Der Spezialist für Lymphdrüsenkrebs kommt gerade von seiner Patientenvisite. Nun legt er jedoch den Arztkittel ab – um ihn ein paar hundert Meter weiter gegen den Laborkittel einzutauschen. Denn Georg Lenz arbeitet gleichzeitig als Kliniker und als Forscher. Er pendelt zwischen den Patientenstationen im Universitätsklinikum und seinem Labor an der Medizinischen Fakultät, wo er sich mit den Entstehungsmechanismen von Lymphdrüsenkrebs beschäftigt.

Dass Georg Lenz gleichzeitig in der Wissenschaft und als Arzt arbeitet, ist etwas Besonderes. Häufig laufen experimentelle Grundlagenforschungen und die klinische Praxis nahezu getrennt voneinander ab: Naturwissenschaftler erforschen zum Beispiel, wie sich Zellen im Körper verhalten. Aus den Ergebnissen entwerfen Ärzte später Therapieansätze für ihre Patienten. In ihrer Arbeit verfolgen Naturwissenschaftler und Mediziner unterschiedliche Herangehensweisen. Wenn diese zusammenkommen, begünstigt das die translationale Arbeit, also die Überführung experimenteller Forschungsergebnisse in die Klinik. Das ist eins der großen Ziele des Exzellenzclusters.

Im Zuge dessen entstand die CiM-Professur für Translationale Onkologie, auf die Georg Lenz 2014 berufen wurde. Deutschlandweit gibt es nur wenige Stellen, die eine solche verbindende Tätigkeit ermöglichen. Doch profitieren hiervon sowohl Ärzte als auch Patienten – zum Beispiel wenn es darum geht, Behandlungsmethoden auf die persönlichen Bedingungen des Einzelnen abzustimmen. „Es ist wichtig, dass derjenige, der an der Erkrankung forscht, auch weiß, wie sie sich in der Realität zeigt“, sagt Georg Lenz. „Der experimentelle Aufbau der Studien und die Interpretation der Ergebnisse werden entscheidend durch den Blickwinkel beeinflusst“, betont er.

Die Arbeitsgruppe von Georg Lenz besteht aus Medizinern und Naturwissenschaftlern. „Von der Zusammenarbeit können wir Ärzte sehr profitieren“, sagt er. Er ist im Labor angekommen, um mit seinen Mitarbeitern die aktuellen Ergebnisse aus den laufenden Studien zu besprechen. Bis Anfang Januar 2016 leitete sein Team eine weltweit durchgeführte klinische Studie, in der Patienten mit wiederkehrendem aggressiven Lymphdrüsenkrebs ein spezielles Medikament erhielten. Aus den Erkenntnissen möchten Georg Lenz und seine Kollegen ableiten, ob neue Therapien umsetzbar sind. „Langfristig ist das Ziel, die Behandlungsstrategien deutlich zu verbessern“, sagt Georg Lenz. „Wir profitieren in Münster von einer extremen fachlichen Vernetzung und auch der räumlichen Nähe“, führt er fort. Und schon ist der Onkologe wieder auf dem Weg zu seinen stationären Patienten, um mit ihnen Gespräche über Krankheitsverläufe und Therapieentscheidungen zu führen.

Eine neue Generation von Ärzten

 

Medizinstudentin Stefanie Bobe qualifiziert sich im neuen Studienprogramm „Experimentelle Medizin“ für die biomedizinische Forschung.
© CiM - Peter Grewer

Die Nachfrage nach experimentell forschenden Medizinern hat in den vergangenen Jahren zugenommen. „Die Medizin wird zunehmend komplexer. Zum Beispiel stehen die molekularen Eigenschaften einer Erkrankung mehr im Blickfeld, als es noch vor ein paar Jahren der Fall war. Für Ärzte wird es immer wichtiger, auch Erfahrungen im Labor zu machen“, sagt Georg Lenz. Doch entscheiden sich nur wenige Nachwuchsmediziner für diesen Weg. Das liegt nicht zuletzt an der Struktur der ärztlichen Tätigkeit: Meist sind Ärzte in ihrem klinischen Alltag voll ausgelastet.

Um bereits bei Studierenden das Interesse für die experimentelle Forschung zu wecken und sie zusätzlich naturwissenschaftlich auszubilden, gibt es seit kurzem eine Neuheit im Medizinstudium an der Universität Münster: Den Masterstudiengang „Experimentelle Medizin“, der von CiM initiiert und im April 2016 akkreditiert wurde. Mit ihm können sich Studierende der Humanmedizin zusätzlich für die biomedizinische Forschung qualifizieren. „Der Studiengang wird neue motivierte Mediziner für die translationale Arbeit begeistern“, ist Georg Lenz sicher.

Davon ist auch Prof. Rupert Hallmann überzeugt. Er ist einer der Koordinatoren des Studiengangs und Mitglied des Exzellenzclusters. „Es ist deutschlandweit einmalig, dass Medizinstudierende in einem anerkannten Studiengang klinisch ausgebildet und gleichzeitig an experimentelle Grundlagenwissenschaften herangeführt werden“, sagt er. CiM bildet eine tragende Säule des Studiengangs und trägt mit seinen Arbeitsgruppen intensiv zu den Lehrveranstaltungen an der Medizinischen Fakultät bei. Damit ist das Programm „Experimentelle Medizin“ ein Teil der Strukturveränderungen, die der Exzellenzcluster an der Universität Münster bewirkt hat.

„Wir möchten Fachleute ausbilden, die sowohl die Sprache der Naturwissenschaften als auch die der Medizin sprechen“, erklärt Rupert Hallmann das übergeordnete Ziel. Die Studierenden legen einen Schwerpunkt darauf, Versuche aufzubauen und Forschungsfragen im Labor zu bearbeiten. Die experimentelle Grundlagenausbildung des Programms beginnt bereits parallel zum klassischen Studium der Humanmedizin mit der sechssemestrigen „Junior Class“. Die erste Kohorte startete im Sommer 2015. Je Semester können bis zu 15 Studierende beginnen.

Stefanie Bobe ist eine der Studierenden, die sich für das Programm entschieden haben. Die 21-Jährige hatte nach ihrem Abitur vor der Wahl gestanden, Humanmedizin oder Chemie zu studieren und sich dann für das Medizinstudium entschieden. Als sie in einer Vorlesung vom neuen Studiengang hörte, war sie sofort interessiert. Nach zwei Semestern „Junior Class“ hat sie nun schon Erfahrungen an verschiedenen Mikroskopen gesammelt, viel über die Gewebeanalyse mit Immunfluoreszenzen gelernt und bereits selbst Präparate hergestellt. „Die Arbeitsergebnisse waren unglaublich interessant und wirklich cool anzusehen“, erzählt sie. Die biomedizinischen Themen findet sie besonders spannend: „Ich werde später mit ganz anderem Blick an Fragestellungen herangehen.“

Mögliche Arbeitgeber für Stefanie Bobe und ihre Kommilitonen dürften größere Kliniken und Forschungseinrichtungen sein, aber auch forschende Industrieunternehmen. „Wir sind sicher, dass die Nachfrage nach Absolventen groß sein wird“, sagt Prof. Ulrich Mußhoff vom Institut für Ausbildung und Studienangelegenheiten der Universität Münster. Er bildet mit Rupert Hallmann und der Biologin Dr. Sarah Eligehausen das Koordinatorenteam des Studiengangs. Die drei sind es auch, die dafür sorgen, dass die Studierenden die Lehrveranstaltungen zweier Studiengänge unter einen Hut bringen können. „Die Koordinatoren versuchen, den organisatorischen Aufwand für uns möglichst gering zu halten“, sagt Stefanie Bobe, die in ihrer Freizeit unter anderem in verschiedenen Chören singt. „Ich musste noch keines meiner Hobbys aufgeben“, sagt sie.

Wenn Stefanie Bobe den Masterabschluss in der Tasche hat, kann sie damit auch einen naturwissenschaftlichen Doktorgrad erlangen, zum Beispiel in einer Graduiertenschule. Welchen Weg sie nach ihrem Studium einschlägt, weiß sie noch nicht genau. Ihr nächstes Ziel ist ein Auslandssemester. Aber eines steht fest: Die Studentin möchte später auf jeden Fall klinisch arbeiten und gleichzeitig in der Forschung tätig sein.