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Am Beispiel der Alternative für Deutschland (AfD), der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und der Schweizerischen Volkspartei (SVP) untersuchte Philipp Hövel, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es bei diesen ‚Geographien von rechts‘ gibt.<address>© CrazyCloud - stockAbobe.com</address>
Am Beispiel der Alternative für Deutschland (AfD), der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und der Schweizerischen Volkspartei (SVP) untersuchte Philipp Hövel, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es bei diesen ‚Geographien von rechts‘ gibt.
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Allein gegen alle anderen

Philipp Hövel erforschte die Rolle von Emotionen in drei rechtsorientierten Parteien

Es sind nur noch wenige Wochen bis zur Europawahl Anfang Juni. Manche Zeitungen titeln: „Europa droht gewaltiger Rechtsdruck“, „Rechte Parteien auf dem Vormarsch“ oder „Ein Kontinent driftet nach rechts“. In vielen europäischen Ländern gewinnen Rechtspopulisten stetig an Zustimmung und Macht. Was ihren Erfolg ausmacht, untersuchte Dr. Philipp Hövel in seiner Dissertation am Institut für Geographie der Universität Münster. Am Beispiel der Alternative für Deutschland (AfD), der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und der Schweizerischen Volkspartei (SVP) zeigt er auf, welche „Identitätskonstruktionen“ und „Raumproduktionen“ das gemeinsame Fundament der Parteien bilden. Sein Fazit: Gefühle und Emotionen sind bei rechten Parteien wichtige Stellschrauben, um ihre Wählerschaft zu mobilisieren. Sie entwickeln Feindbilder, etwa Migranten oder die Regierung, und lenken Gefühle wie Angst und Wut auf diese Gruppen – während andere Parteien bemüht sind, rationaler zu argumentieren.

Dr. Philipp Hövel<address>© Uni MS</address>
Dr. Philipp Hövel
© Uni MS
„Im Weltbild der extremen Rechten gehören Menschen ‚natürlich‘ in bestimmte Räume im Sinne eines gedanklichen Konstrukts. Festgemacht wird die Zugehörigkeit häufig anhand von Religion und Kultur – etwa die fleißigen und pünktlichen Deutschen, die gerne Bier trinken und Schweinefleisch essen. Wer das nicht erfüllt, gehört nicht dazu“, erklärt Philipp Hövel. Die drei untersuchten Parteien erfinden allesamt eine homogenisierte nationale Gemeinschaft und stellen das „Eigene“ (zum Beispiel die Deutschen) dem „Fremden“ (beispielsweise die Migranten) gegenüber. Dabei sei das Eigene zu schützen und das Fremde im Inneren zu zerstören. „Philipp Hövel zeigt erstmals auf, welche Argumentationen und Ansichten das gemeinsame Fundament der Parteien bilden, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es bei diesen ‚Geographien von rechts‘ gibt und wie sie emotional-affektiv aufgeladen sind“, fasst Prof. Dr. Paul Reuber, Leiter der Arbeitsgruppe Politische Geographie an der Universität Münster, die Arbeit zusammen.

Philipp Hövel wertete mehr als 400 Reden und Interviews von Funktionären der drei Parteien von 1990 bis 2020 qualitativ aus. Das bewusste Spiel mit Emotionen sei für rechte Parteien ein mächtiges sprachliches Werkzeug. Der Nationalismus bilde den „gemeinsamen Kitt der Parteien“. Damit dieser Nationalismus nicht allzu augenfällig ist, bedienen sich die drei Parteien harmloserer Begriffe wie Tradition, Heimat und Kultur – und laden diese entsprechend mit Bedeutung auf. In den Aussagen konstruieren die Parteien homogene Gruppen des Eigenen, nationale Gemeinschaften, die aufs Engste miteinander verbunden sind – etwa über Liebe und Stolz, aber auch über die Angst vor der Zerstörung dieses Eigenen oder dem Verlust des eigenen Wohlstands.

Die Forschungsergebnisse belegen, dass es der AfD und FPÖ schwerfällt, das Eigene zu definieren und mit positiver Bedeutung aufzuladen. Die Aussagen der SVP gehen im Gegensatz dazu mit einer starken Romantisierung des Eigenen sowie dessen Aufladung mit Gefühlen von Stolz und Liebe einher. Die Partei erzählt eine positive Geschichte des Eigenen, die erst in einem zweiten Schritt auf die Abwertung des Anderen zurückgreift. Diese Geschichte hat sowohl eine nach innen verbindende als auch nach außen abgrenzende Funktion.

Alle drei Parteien sehen sich als „alleine gegen alle anderen“-Parteien, die sich stets als Opfer inszenieren. Dem Fremden im Inneren wird dabei gleichzeitig die Schuld an negativen Prozessen zugeschrieben. Rufe nach Widerstand – gegen die Asylpolitik, die Regierung, die EU – sollen dadurch schleichend legitimiert werden. Diese Rufe kommen nicht mehr vom Rand: Die AfD ist im Bundestag und in fast allen Landesparlamenten vertreten, die FPÖ war bereits zweimal Regierungspartei, und die SVP stellt seit Ende der 1990er-Jahre die stärkste Partei in der Schweiz. „Die aktuelle Stärke rechter Parteien in Europa macht es unumgänglich, sich wissenschaftlich mit ihnen auseinanderzusetzen. Dabei sind Vergleiche zwischen Ländern und Parteien äußerst hilfreich, um Muster und Vernetzungen zu erkennen und entsprechend gegenzusteuern“, unterstreicht Philipp Hövel.

 

Autorin: Kathrin Kottke

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 8. Mai 2024.

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