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Münster (upm/bhe).
Ludger Hiepel, erster Beauftragter der Universität gegen Antisemitismus, im Südflügel im Schloss: Die achtstufige Treppe der Künstlerin Antonia Low ist ein Mahnmal für die NS-Opfer, denen die Universität Münster in den Jahren 1933 bis 1945 Unrecht angetan hat.<address>© Uni MS - Peter Leßmann</address>
Ludger Hiepel, erster Beauftragter der Universität gegen Antisemitismus, im Südflügel im Schloss: Die achtstufige Treppe der Künstlerin Antonia Low ist ein Mahnmal für die NS-Opfer, denen die Universität Münster in den Jahren 1933 bis 1945 Unrecht angetan hat.
© Uni MS - Peter Leßmann

Vielseitig engagiert

Ludger Hiepel ist der erste Beauftragte der Universität gegen Antisemitismus

Als das Rektorat Ludger Hiepel im Sommer fragte, ob es ihn als ersten Beauftragten der Universität gegen Antisemitismus berufen dürfte, sagte der Theologe und Altorientalist sofort zu. Die Universität Münster hat als erste Hochschule in Nordrhein-Westfalen ein solches Amt eingesetzt. Vor dem Hintergrund des Krieges in Israel seit Anfang Oktober kommt dem Thema eine besondere Bedeutung und Aktualität zu, auch für die Jüdinnen und Juden in Deutschland. Die Auswirkungen sind im Stadtbild sichtbar. Wenn Ludger Hiepel heute eine seiner ehrenamtlichen Führungen auf dem Jüdischen Friedhof Münster gibt, muss ein Streifenwagen der Polizei an der Straße stehen.

„Never again is now – nie wieder ist jetzt“, zitiert Ludger Hiepel eine aktuelle Gegenbewegung zu dieser unheilvollen Entwicklung. Der 38-Jährige sieht seine neue Aufgabe trotzdem nach wie vor hauptsächlich in der Präventionsarbeit gegen jede Form von Antisemitismus, beispielsweise in der Sensibilisierung möglichst vieler Menschen. „Wir müssen in der Lehramtsausbildung stärker auf das Thema Antisemitismus hinweisen“, unterstreicht er. „Die angehenden Lehrerinnen und Lehrer sollten diesen erkennen und darauf reagieren können. Antisemitische Äußerungen sind Straftaten.“

Aus diesem Grund möchte Ludger Hiepel noch weitere Formate initiieren und etablieren, etwa zu der Frage, wie eine Antisemitismus-Prävention im Unterricht aussehen kann. Andere Angebote richten sich auch an Personenkreise außerhalb der Universität und stoßen auf großes Interesse: Als das Polizeipräsidium Münster, die Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen und die Universität im September zu einer Veranstaltung über Resilienz gegen Antisemitismus in den Hörsaal H1 einluden, kamen mehrere hundert Studierende und Gäste der drei kooperierenden Institutionen. „Diese Veranstaltung werden wir verstetigen und wollen sie weiterhin jährlich gemeinsam anbieten.“

Eine neue Reihe der Universität in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde und Stefan Querl, dem Beauftragten in Antisemitismusfragen der Stadt Münster, wendet sich an die gesamte Stadtöffentlichkeit. Die „Haindorf-Lectures“, eine jährliche Vortrags- und Diskussionsveranstaltung an jedem 30. Januar, erinnern einerseits an den Holocaust und die NS-Verbrechen und unterstreichen anderseits die Relevanz von Bildung und Dialog, um Antisemitismus zu begegnen. Benannt sind sie nach dem Universalgelehrten Prof. Dr. Alexander Haindorf (1784–1862), der als Mediziner, Privatdozent und Pädagoge eine hohe Anerkennung genoss und zu den auch von der christlichen Mehrheitsgesellschaft akzeptierten Juden zählte.

Ludger Hiepels Interesse am Judentum wurde im Studium geweckt. Nach dem Abitur am Städtischen Gymnasium in Herten schrieb er sich 2005 an der Universität Münster ein, zunächst für ein Lehramtsstudium mit den Fächern katholische Religionslehre und Latein. Schließlich wechselte er in das Diplomstudium Theologie und entwickelte seinen Schwerpunkt im Alten Testament. „Wir beschäftigen uns mit der hebräischen Bibel, der gemeinsamen Schrift von Judentum und Christentum. Daher ist das Judentum ein wichtiger Gesprächspartner.“

Um für eine bibelwissenschaftliche Promotion besser aufgestellt zu sein, absolvierte er nach seinem Diplom zusätzlich den Masterstudiengang „Antike Kulturen des östlichen Mittelmeerraums“, lernte Keilschriften und promovierte mit einer Arbeit zur Geschichte der Altorientalistik in Münster. „Jetzt bin ich in der PostDoc-Phase, bereite aber eine zweite, kanonische Promotion zum Doktor der Theologie vor, die für eine wissenschaftliche Karriere auf diesem Gebiet nötig ist“, erläutert er. In dieser exegetischen Arbeit stehen die Psalmen 113 bis 118 im Mittelpunkt, das sogenannte „Pessach-Hallel“.

Transfer und Öffentlichkeitsarbeit ist Ludger Hiepel, der an der Katholisch-Theologischen Fakultät 2020 den „TheoPodcast“ initiierte, wichtig. So erarbeitete er in einem bürgerwissenschaftlichen Projekt der Arbeitsstelle Forschungstransfer Inhalte zu Spuren jüdischen Lebens in der Region. Neben einer vielbeachteten Ausstellung ist dabei ein Film entstanden, der Einblicke in die Jüdische Gemeinde Münsters gibt.

Stellvertretender Senatsvorsitzender der Universität, Mitglied im Lenkungskreis für das Diversity Audit, im Lehrbeirat des Rektorats der Universität und in Gremien des Fachbereichs: Ludger Hiepel ist in der akademischen Selbstverwaltung vielseitig engagiert. „Ich bin dankbar, in der Universität und Gesellschaft mitgestalten zu dürfen.“ Bei diesem Pensum beginnen viele seiner Arbeitstage um sieben Uhr morgens und enden spätabends. Motivation dafür schöpft er aus seiner Überzeugung: „Bei allem Interesse für die Antike – Theologen müssen auch aktuelle gesellschaftliche Themen anpacken. Mir sind vor allem Fragen von Ungerechtigkeit, Gewalt und Machtmissbrauch ein Anliegen.“ Viel Zeit für Privates oder Hobbys bleibe dabei zwar nicht. „Aber als sportlichen Ausgleich jogge ich um den Aasee, spiele Badminton oder mache Krafttraining.“

In seiner Wahlheimat Münster fühlt sich der gebürtige Gelsenkirchener wohl. Seine Lieblingsstadt ist jedoch Rom. „Ich war schon 13 oder 14 Mal da. Und wenn man die touristischen Sehenswürdigkeiten einmal kennt, dann kann man abseits des Trubels viel Spannendes und Schönes entdecken und vor allem das italienische Essen genießen.“ Sein Tipp für Nicht-Insider: In den Restaurants mit kleiner Tageskarte sei es oft besonders lecker und gut.

Autorin: Brigitte Heeke

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 8. November 2023.

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