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Münster (upm/kk).
Die Studierenden begutachten die Insekten, die von dem ultravioletten Licht angelockt werden.© Nike Gais Fotografie
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Mit Nachtschwärmern unterwegs

Studierende untersuchen die Artenvielfalt im Botanischen Garten der Universität Münster

Gegen 22 Uhr – passend zum Sonnenuntergang – zieht eine Gruppe von rund 30 Studierenden an einem warmen Sommerabend durch den Botanischen Garten, um die nächtliche Biodiversität zu erkunden. Denn es gibt viele Pflanzen und Tierarten, die erst mit Beginn der Dämmerung aktiv werden. Der Botanische Garten und der Schlossgarten bieten ein besonderes Refugium für viele seltene Arten. Zudem bieten diese Orte Schutz vor der sogenannten Lichtverschmutzung, die vor allem im urbanen Raum zu einem immer größeren Problem wird. Während in der Innenstadt, entlang der Straßen und in vielen Siedlungen das Leben hell und laut ist, können sich die Tiere in der Dunkelheit der Nacht zurückziehen.

„Gemeinsam mit Studierenden der Landschaftsökologie der Universität Münster und Gaststudierenden der TU Berlin erfassen wir mithilfe von Fledermausdetektoren die Aktivität und die Vielfalt der hier vorkommenden Fledermäuse. Zeitgleich stellen wir drei zwei Meter hohe UV-Leuchttürme auf, um Nachtfalter anzulocken und die Tiere mit der ‚ObsIdentify-App‘ zu bestimmen“, erklärt Prof. Dr. Sascha Buchholz, Leiter der Arbeitsgruppe Tierökologie am Institut für Landschaftsökologie. Dadurch lernen die Studierenden einerseits die Methoden zur Erfassung der nächtlichen Biodiversität kennen. Andererseits schulen sie ihre Artenkenntnisse, die sie für ihren späteren Beruf benötigen.

Die Tiere lassen nicht lange auf sich warten: Eichenwickler, Gemüseeule, Hausmutter oder Ligusterwickler sind einige der Nachfalter, die die Studierenden erspähen. Nur bei dem Herbst-Kiefern-Nadelholzspanner zeigt die App eine 78-prozentige Sicherheit an. Bei einer zweiten Überprüfung stellt sich heraus, dass es sich um den Breitgebänderten-Staudenspanner handelt. So ungewöhnlich wie die Namen der Nachtfalter klingen, desto unauffälliger ist manchmal ihr Aussehen. Denn im Vergleich zu ihren Artgenossen, den Tagfaltern, die durch ihre intensiven Farben und Muster auffallen, sind die nachaktiven Insekten meist braun, grau oder weißlich und eher unscheinbar. „Auf diese Weise können sie sich tagsüber besser vor Fressfeinden verstecken“, sagt Sascha Buchholz. „Im Gegensatz zu den Tagfaltern brauchen die Nachtfalter keine bunte Flügelpracht, um potenzielle Partner anzulocken. Die Weibchen behelfen sich mit Sexuallockstoffen, die auch über große Entfernung von den Männchen wahrgenommen werden.“

Doch bei ihrem Mondscheinspaziergang müssen die Falter vor ihren größten Feinden auf der Hut sein: Wer durch die Baumkronen im Botanischen Garten in den Nachthimmel schaut, sieht regelmäßig die Konturen von kleineren und größeren Fledermäusen vorbeiflattern. Zwergfledermäuse, der Kleine- und Große-Abendsegler, Breitflügelfledermäuse oder Wasserfledermäuse können unter anderem über die Detektoren nachgewiesen werden. „Es ist eine außergewöhnliche Gelegenheit, die Tiere in dieser tollen Kulisse zu beobachten und zu bestimmen –  in deisem Fall lerne ich gerne bis in die tiefe Nacht hinein“, betont Ökologiestudentin Antonia aus Berlin.

Der Botanische Garten bietet für Nachtfalter und viele andere Insekten ein reichhaltiges Schlemmerbuffet. Die Tabakpflanze, die Türkenbund-Lilie und die Engelstrompete gehören beispielsweise zu den gern besuchten Nahrungsquellen. „Zudem verströmen sie einen sehr intensiven Geruch, der die Tiere anlockt. Wir sind sehr daran interessiert, die Tiere, die zur generativen Reproduktion der Pflanzen betragen, zu dokumentieren“, erklärt Dr. Dennise Bauer, Kustos und technischer Leiter des Botanischen Gartens. „Die Zusammenarbeit mit dem Team von Sascha Buchholz möchten wir daher zukünftig ausbauen und weitere Projekte im Bereich Flora und Fauna umsetzen.“

Grundsätzlich spielt die urbane Biodiversität – egal, ob Tag oder Nacht – eine wichtige Rolle für das Leben in der Stadt. Einerseits für Tiere, aber auch für uns Menschen. Lebendige Naturräume mit zusammenhängenden Strukturen und Bepflanzungen erhöhen die Aufenthaltsattraktivität und die Qualität von Wohnen, Arbeiten und Freizeit in der Stadt. Wer zudem eine zusätzliche Erholungspause benötigt, kann im stadtnahen Botanischen Garten an zahlreichen Orten verweilen und Energie tanken – natürlich zu den regulären Öffnungszeiten, denn nachts haben nur Tiere und dann und wann Studierende Zutritt.

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