„Mubarak spielt keine Rolle mehr“

Interview mit Islamwissenschaftler Prof. Dr. Marco Schöller zur Lage in Ägypten

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Prof. Dr. Marco Schöller

Stefan Küper von der Westdeutschen Zeitung hat Islamwissenschaftler Prof. Dr. Marco Schöller zur Lage in Ägypten interviewt.

Aus dem Interview:

Herr Schöller, Hand aufs Herz: Hätten Sie eine solche Entwicklung in der arabischen Welt vor zwei bis drei Monaten für möglich gehalten?

Schöller: Nein, das hat wohl niemand für möglich gehalten. Ich habe noch im November in einem Interview auf die Frage, ob in der arabischen Welt ein Aufstand zu erwarten sei, gesagt, dass ich dafür keine Anzeichen sehe. Und das Interessante ist: Sowohl der Fragesteller als auch ich dachten nur an eine islamische Revolution wie 1979 im Iran, nicht an eine "weltliche". Was aber nun in Tunesien, Ägypten und eventuell noch in anderen Staaten passiert, ist tatsächlich eine Stunde null.

Die Menschen im Westen verfolgen diesen demokratischen Aufbruch mit großer Freude. Aber gibt es auch Aspekte, die Ihnen Sorgen machen?

Schöller: Natürlich herrscht noch eine große Unsicherheit. Sollte es zum Beispiel in Tunesien, wovon ich ausgehe, und in Ägypten, wovon ich leider im Moment eher nicht ausgehe, bald ein freies Parteienspektrum geben, müssen wir auch mit einem gewissen Gewicht islamischer Parteien rechnen. Eine Mehrheit für solche Parteien sehe ich aber nicht. Nun setzt auch dieses ganze Gerede ein, mit Demokratie seien die Regierungen dort nicht mehr so verlässlich. Da muss man doch mal eines bedenken: Mit Israel haben wir das seit 60 Jahren. Da wurde doch nach Regierungswechseln oft die Politik der Vorgängerregierung geändert oder revidiert. Wir haben doch auch gelernt damit umzugehen. Es ist nicht einzusehen, warum da für arabische Staaten, in denen es vielleicht ähnlich kommt, andere Maßstäbe gelten sollten.

Das ganze Interview in: Westdeutsche Zeitung online vom 8. Februar 2011