„Westen verschloss Augen vor Unrecht in Tunesien“

Prof. Dr. Marco Schöller über die Gründe für die aktuellen Konflikte

News Ansichtssache Schoeller

Prof. Dr. Marco Schöller

Arabisten des Exzellenzclusters geben derzeit zahlreiche Interviews zu Tunesien. Darunter im ZDF Heute journal und im WDR2-Morgenmagazin, dpa-Print und Audio.

Hier die zusammenfassende dpa-Meldung:

Der Westen hat das Regime in Tunesien nach Ansicht des deutschen Arabistikprofessors Marco Schöller für eigene Vorteile zu lange gestützt. „Es passt den westlichen Staaten gut ins Konzept, dass die arabischen Mittelmeeranrainer vermeintliche oder tatsächliche islamistische Terroristen mit Methoden bekämpfen, die in Europa politisch nicht durchsetzbar sind“, kritisierte der Professor vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster am Wochenende in einem eigenen Artikel auf der Website der Hochschule.

Dies gelte auch für die Flüchtlingspolitik. Europa habe davon profitiert, „dass sich diese Staaten dazu verpflichtet haben, afrikanische Flüchtlinge zu internieren und in ihr Elend zurückzuschicken, bevor es diesen gelingt, ihren Fuß auf europäischen Boden zu setzen“.

Tunesien und Ägypten seien in Europa traditionell beliebt, weil Firmen investieren könnten, heißt es weiter. Vor allem im Tourismus gehe es für die Wirtschaft um ein großes Geschäft: „Tunesien ist eines der absoluten Billigländer am Mittelmeer. Dass sich das nur mit wirtschaftlichen Nachteilen für die Bevölkerung und einem Verzicht auf Besserung der Lebensverhältnisse bewerkstelligen ließ, machte bisher nur wenigen Kopfzerbrechen“, so Schöller. „Jetzt brennen in Hammamet, Sousse und Mahdia - bekannt aus Reisekatalogen und Last- Minute-Angeboten – Häuser und Straßensperren.“ Schöller warnte in seinem Aufsatz: „Wirtschaftlich erleben die genannten arabischen Länder seit vielen Jahren eine Abwärtsentwicklung, die sehr wenige immer reicher macht, einen großen Teil der Bevölkerung immer ärmer und perspektivlos.“ Der Forscher lehrt am Institut für Arabistik und Islamwissenschaft in Münster. (Christof Bock, dpa)