(C2-4) Monarchische Herrschaft und religiöse Vergemeinschaftung

Welche Ressourcen stellt eine religiöse Tradition bereit, um politische Machtansprüche in der gesellschaftlichen Praxis wirksam werden zu lassen? Und wie kann unter Bezugnahme auf ein religiös begründetes Normengefüge der gesellschaftliche Konsens bekräftig werden? Diese Fragen sollen anhand exemplarischer Untersuchungen zu verschiedenen christlichen und islamischen Fällen untersucht werden. Ziel ist es herauszufinden, welche symbolischen Formen und institutionellen Mechanismen Herrschern zur Verfügung standen, um ihre jeweilige Position im Gefüge unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen zu verorten. Hierbei wird nach Bedingungen und Prozessen institutioneller Stabilisierung gefragt, die die Verankerung monarchischer Herrschaftsansprüche in der gesellschaftlichen Wirklichkeit bestimmten. Es geht um das Problem, unter welchen Bedingungen religiös konstituierte und konnotierte Ordnungszusammenhänge instrumentalisiert wurden, um politische Ordnungen zu untermauern, indem Untertanen und Amtsträger auf Initiative eines Herrschers mit dem Ziel stärkerer politischer Vernetzung zu besonderen sozialen Gemeinschaften zusammengeschlossen wurden.

Die Untersuchungen richten sich auf die Frage, welche Optionen bestimmte religiöse Traditionen monarchischen Herrschern eröffnete, um über ihre unmittelbare Umgebung und das etablierte Netzwerk ihnen nahestehender Amtsträger hinaus auf Dauer angelegte Beziehungen zu Angehörigen der Eliten und von ihnen abhängigen Personen auch in entfernteren Regionen knüpfen zu können. Diese Frage wird am Beispiel solcher Beziehungen untersucht, die sich auf religiöse Verbrüderungen stützten, genauer: auf besondere religiöse Gemeinschaften, die von der Gesamtgesellschaft durch bestimmte institutionelle Mechanismen unterschieden waren. Das Projekt analysiert, wie politische Akteure unter konkreten historischen Bedingungen zur Stabilisierung ihrer Herrschaft Potentiale nutzten, die sie in der jeweiligen religiösen Tradition sowie in politischen und sozialen Strukturen vorfanden.


Das Projekt ist Teil der Arbeitsplattform F Transkulturelle Verflechtungen und der Koordinierten Projektgruppe Transfer zwischen Weltreligionen: Aneignung – Transformation – Abgrenzung.

Teilprojekt: Nūr ad-Dīn und die sunnitischen ʿUlamāʾ von Damaskus (Nadeem Khan)

Das Promotionsvorhaben hat Nūr ad-Dīn Maḥmūd b. Zankī (gestorben 1174) und seine Beziehung zu den sunnitischen Gelehrten seines Regierungssitzes Damaskus zum Thema. Der Herrscher betätigte sich vor allem in den späteren Jahren seiner Herrschaft in einem bemerkenswerten Umfang als religiöser Stifter.
Als Beispiel für diese Praxis kann etwa der Ḥadīṯgelehrte Ibn ʿAsākir genannt werden, der beim Verfassen seines Hauptwerkes „Tārīḫ Dimašq“ von Nūr ad-Dīn finanziell unterstützt wurde. Die Schrift handelt in großen Teilen von den Taten bekannter Einwohner der Stadt Damaskus. Im Projekt soll sie herangezogen werden, um von Nūr ad-Dīn unterstützte ʿUlamāʾ zu identifizieren und die Art der Protektion festzustellen.

Davon ausgehend soll mit Hilfe anderer zeitgenössischer Werke, wie beispielsweise Ibn al-Aṯīrs „al-Kāmil fī at-Tārīḫ“, ein Soziogramm erstellt werden. Es ist zu fragen, ob die Unterstützung durch Nūr ad-Dīn an soziale oder ethnische Herkunft, Rechtsschulzugehörigkeit oder theologische Ausrichtung gekoppelt war.
In einem abschließenden Schritt soll Nūr al-Dīns Protektion sunnitischer Gelehrter in den Kontext seiner anti-schiitischen und gegen die Kreuzfahrer gerichteten Politik eingeordnet werden. Es soll exemplarisch untersucht werden, ob und inwieweit sich zunehmende religiöse Intoleranz gegenüber Schiiten und die Betonung des Ğihād bei den von ihm unterstützten Gelehrten nachweisen lässt.