„Einblicke in das Seelenleben eines Erzbischofs“

Projekt veröffentlicht Tagebücher Kardinal von Faulhabers

News Tagebuecher Faulhaber
Michael Kardinal von Faulhaber
© Erzbischöfliches Archiv München

Die ersten Jahrgänge der Tagebücher des Münchener Kardinals Michael von Faulhaber (1869-1952) sind in einer wissenschaftlichen Edition online zugänglich. Die beiden Leiter des Projekts, der Historiker Andreas Wirsching vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und der Kirchenhistoriker Hubert Wolf vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster, gaben kürzlich den Startschuss für die Website www.faulhaber-edition.de. „Die Tagebücher bieten intime Einblicke in das Seelenleben des Erzbischofs, aber auch eine detailreiche neue Perspektive auf die turbulentesten Jahre der deutschen Geschichte“, sagte Prof. Wolf.

Michael Kardinal von Faulhaber war von 1917 bis 1952 Erzbischof von München und Freising. Er führte seine Tagebücher mehr als vierzig Jahre lang, über alle geschichtlichen Umbrüche hinweg, im Kaiserreich, in den Weltkriegen, in der Weimarer Republik, im „Dritten Reich“ und in der Besatzungszeit und in den ersten Jahren der Bundesrepublik Deutschland. Zu besonders wichtigen Themen notierte er seine Überlegungen ausführlicher auf umfangreichen Beiblättern, die in der Edition ebenfalls berücksichtigt werden.

Die Wissenschaftler arbeiten für die geplante Edition eng mit dem Erzbischöflichen Archiv München zusammen, das die Tagebücher verwahrt. Ihr im Oktober 2013 begonnenes und auf zwölf Jahre angelegtes Editionsvorhaben wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Im Editionsteam arbeiten Historiker, Theologen und Informatiker interdisziplinär zusammen. Sie versehen die Dokumente mit Kommentaren zu Personen und zentralen Schlagworten. Vor allem aber transkribieren sie die Tagebücher und Beiblätter aus der Kurzschrift Gabelsberger, die Faulhaber fast durchgängig verwendete. Heute kann fast niemand mehr diese stenografischen Dokumente entziffern. Damit drohen umfangreiche Bestände in deutschen Archiven für die Geschichtswissenschaft verloren zu gehen. „Es wird daher sicherlich noch zahlreichen anderen Forschungen zugutekommen, dass unser Projektteam im Entziffern der Kurzschrift geschult worden ist“, sagte Wirsching.

Die Edition ermöglicht es, den Scan des Originaldokuments, die einfache Transkription und eine ausführliche, kommentierte Leseversion nebeneinander anzuzeigen. Der Umfang der zu bearbeitenden Dokumente ist enorm: Die beteiligten Wissenschaftler schätzen, dass die Tagebücher und Beiblätter zusammen fast 30.000 herkömmlichen Textseiten im DIN-A4-Format entsprechen. (upm/ska)