Stadtentwicklung im antiken Nahen Osten

Altertumswissenschaftler Engelbert Winter leitet neues DFG-Projekt in der Südosttürkei

Prof. Dr. Engelbert Winter

Prof. Dr. Engelbert Winter

© Julia Holtkötter

Stadtentwicklung und städtische Kultur im antiken Nahen Osten stehen im Mittelpunkt eines neuen Forschungsprojekts unter der Leitung des Altertumswissenschaftlers Prof. Dr. Engelbert Winter vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das zunächst auf drei Jahre angelegte Vorhaben „Doliche – Stadtentwicklung und kulturelles Milieu im hellenistisch-römischen Nordsyrien“ mit gut 600.000 Euro. Das neue Projekt, dessen Grabungen am Siedlungshügel nahe der antiken Stadt Doliche in der Südosttürkei stattfinden, nimmt den Zeitraum vom 3. Jahrhundert vor Christus bis in die Kreuzfahrerzeit hinein (11. bis 12. Jahrhundert nach Christus) in den Blick. Es ist der jüngste Baustein einer Reihe von Forschungsprojekten, in deren Rahmen sich die Forschungsstelle Asia Minor der Uni Münster seit mehr als 15 Jahren mit dem Heiligtum des Iuppiter Dolichenus beschäftigt. Angesichts der religionshistorischen Relevanz dieses heiligen Ortes sind die Forschungen eng mit den Arbeiten Prof. Winters sowie des Archäologen Dr. Michael Blömers am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ im Projekt B2-20 Mediale Repräsentation und „religiöser Markt“: Sichtbarkeit, Selbstdarstellung und Rezeption syrischer Kulte im Westen des Imperium Romanum verknüpft.

Urbane Zentren der hellenistisch-römischen Zeit sind Dr. Blömer zufolge im Nahen Osten nur unzureichend erforscht. So gebe es bislang für das syrische Binnenland über die städtische Kultur im antiken Nordsyrien – heute Teil der Südosttürkei – kaum Informationen zur städtischen Struktur, Topografie und zum kulturellen Milieu, etwa zu Wohnbebauung, Alltagsleben oder Religion. „Die wichtigsten antiken Orte, die für solche Untersuchungen infrage kommen, sind entweder stark überbaut, überflutet oder wegen des syrischen Bürgerkriegs auf unabsehbare Zeit nicht mehr zugänglich.“

Ziel des in Kürze beginnenden DFG-Projektes ist es laut Prof. Winter, „ein verlässliches Bild von der Urbanistik einer nordsyrischen Stadt von der hellenistischen Epoche bis in die Kreuzfahrerzeit entstehen zu lassen“. „Wir widmen uns Fragen, deren Beantwortung einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der historischen und kulturellen Entwicklung dieser Region leistet, deren politische Relevanz angesichts der aktuellen Geschehnisse im Vorderen Orient unbestritten ist“, so der Altertumswissenschaftler.

Zu dem Grabungsteam gehören insgesamt rund 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende und etwa 35 Grabungsarbeiter aus der Türkei. Dazu zählen auch Experten verschiedener anderer Universitäten im In- und Ausland wie Köln, München, Pisa (Italien), Oxford (Großbritannien) und Gaziantep (Türkei). Aus Münster selbst stammen rund 20 Beteiligte. (upm/han)