„Von Humorlosigkeit im Islam kann keine Rede sein“

Arabist Thomas Bauer zur Empörung von Muslimen über Mohammed-Karikaturen

Thomas Bauer

Prof. Dr. Thomas Bauer

Die Empörung in der islamischen Welt über neue Mohammed-Karikaturen hat nach Ansicht des Islamwissenschaftlers Thomas Bauer wenig mit kulturellen Unterschieden zu tun. „Anders als hier oft wahrgenommen gibt es in der islamischen Welt eine tausend Jahre alte Tradition der Satire, des Humors, in den letzten zweihundert Jahren auch der Karikatur, die auch vor religiösen Themen nie haltgemacht hat“, sagte der Professor an der Universität Münster der Nachrichtenagentur dpa.

„Man hat sich zum Beispiel immer über anmaßende religiöse Würdenträger lustig gemacht“, sagte Bauer. Von Humorlosigkeit könne also keine Rede sein. „Was man aber dort nicht verstehen würde ist, wenn man sich über die zentralen Figuren der eigenen oder der anderen Religionen lustig machen würde.“ Zudem seien Jesus, Maria, die Erzväter und Propheten ja auch Teil der islamischen Heilsgeschichte.

„Es ist in muslimischen Gesellschaften nicht üblich und gilt als verwerflich, Religion zu beschimpfen“, unterstrich Bauer. „Ein Muslim käme wohl nie auf die Idee, eine Papst-Karikatur zu verbreiten, das Christentum oder das Judentum als Religion zu beleidigen.“

Nach den Worten von Bauer sind Bilder des Propheten im Islam aber grundsätzlich nicht ausgeschlossen. „Es gibt im Koran kein Verbot bildlicher Darstellungen des Propheten Mohammed.“ Es gebe Buchmalerei, in der das Gesicht weiß gelassen werde, sagte Bauer.

Verboten sei allerdings, Bilder anzubeten. „Die Tendenz ist eher, den Propheten gar nicht darzustellen. Bilder in verehrender Absicht hätten keine nennenswerten Reaktionen ausgelöst“, sagte er. Hintergrund der Ausschreitungen ist nach Ansicht Bauers eher das Gefühl vieler Menschen in der islamischen Welt, Spielball der westlichen Machtinteressen zu sein. „Da gibt es all die politischen Demütigungen wie den Einmarsch in Afghanistan, in den Irak, die Tatsache, dass der Westen das radikalste Regime der islamischen Welt, nämlich Saudi Arabien, unterstützt, dass der Westen Demokratie fordert, aber der Befreiungsbewegung in Bahrain, wo saudische Panzer stehen, nicht hilft, die kompromisslose Unterstützung der israelischen Siedlungspolitik, etc.“

Bauer weist noch auf einen weiteren Punkt hin: „Es ist die bewusste Beleidigung und Verunglimpfung, die diese Gefühle auslöst. Es geht hier nicht um irgendwelche geheimnisvollen religiösen Tabus.“ „Und dann müssen sich die Menschen in der islamischen Welt auch noch beleidigen lassen?“ Das führe zu einer Empörung, die nicht kulturspezifisch sei, fasste Bauer zusammen. „Das würden andere genauso empfinden.“ (Matthias Benirschke, dpa)

Mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Presse-Agentur