Wer ist das „Covergirl“ der Ausstellung „Goldene Pracht“?

Die Silberstatuette der Heiligen Agnes lächelt lieblich von Plakatwänden und Litfaßsäulen

Reliquienstatuette der Heiligen Agnes (Detail)

Reliquienstatuette der Heiligen Agnes (Detail), um 1520/25, © Bistum Münster

Wer ist das „Covergirl“ der Ausstellung „Goldene Pracht“ in Münster? Die Silberstatuette der Heiligen Agnes erstrahlt seit Wochen auf violetten Plakatwänden und Litfaßsäulen in ganz Deutschland. Hinter dem lieblichen Lächeln steckt eine tragische Märtyrerlegende. „Das Mädchen Agnes soll im vierten Jahrhundert nach Christus wegen seines Glaubens in Rom hingerichtet worden sein“, berichtet die Kuratorin und Kunsthistorikerin Dr. Petra Marx vom LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster. Seit dieser Zeit werde die junge Römerin als Märtyrerin verehrt.

Das 50 Zentimeter hohe, silberne Standbild der Heiligen, das auf den Plakaten und Flyern zur „Goldenen Pracht“ zu sehen ist, gehört zum Bestand an Silberstatuetten in der münsterischen Domkammer. „Der hiesige Domschatz ist in Qualität und Umfang in Deutschland beispiellos“, erläutert Marx. Er sei ein Höhepunkt der umfangreichen Schau im LWL-Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte und der Domkammer der Kathedralkirche St. Paulus. Sie präsentiert bis zum 28. Mai auf 1.500 Quadratmetern in zwölf Räumen insgesamt 300 herausragende Werke der Goldschmiedekunst des 10. bis 16. Jahrhunderts. Es handelt sich um ein Kooperationsprojekt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), des Bistums Münster und des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster.

Reliquienstatuette der Heiligen Agnes

Reliquienstatuette der Heiligen Agnes, um 1520/25, © Bistum Münster

Agnes soll der Legende nach den Unmut des Präfekten von Rom erregt haben, weil sie als junges Mädchen das Werben seines Sohnes zurückwies. Sie ließ ihn wissen, dass sie um Christi willen ein Leben als Jungfrau gewählt habe. Bei dem Versuch, Agnes Gewalt anzutun, sei der junge Mann plötzlich gestorben. „Die Legende erzählt, wie Agnes den Mann durch ein Gebet wieder zum Leben erweckte und dafür wegen angeblicher Zauberei zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt wurde“, erläutert Kunsthistorikerin Marx. „Doch die Flammen wichen vor ihr zurück und konnten ihr nichts anhaben, wie es heißt.“ Daraufhin wurde sie mit dem Schwert getötet. In der achten Nacht der Totenwache am Grab der Getöteten soll sie den Eltern und Freunden erschienen sein, an ihrer Hand ein goldener Ring und an ihrer Seite ein weißes Lamm. Marx: „Der goldene Ring und das Lamm sind auch Teil der Statuette, die in der Ausstellung zu sehen ist. Der Ring stellt Agnes als Braut Christi dar. Das Lamm an ihrer Seite symbolisiert ihre Reinheit und Frömmigkeit.“

Aus wissenschaftlicher Sicht stellt die Silberstatuette ein herausragendes Beispiel für die enge Zusammenarbeit zwischen westfälischen Goldschmieden und Bildhauern im späten Mittelalter dar: Als Vorlage für die Goldschmiedearbeit diente Marx zufolge wohl eine Skulptur des münsterischen Bildhauers Heinrich Brabender (1467-1537). Eine vergleichbare Frauenfigur finde sich auf einem Epitaph, einer Gedenktafel, des Stiftsherrn von Lyntelo, ebenfalls ein Werk Brabenders. Marx: „Ziel unserer Ausstellung ist es auch, diese bisher unbekannten Verbindungen aufzuzeigen und die Objekte sowohl historisch als auch kunsthistorisch einzuordnen.“

Stifter der Statuette war im frühen 16. Jahrhundert der münsterische Stiftsherr Rudolf von Langen (1438-1519), wie einer umlaufenden Schrift auf dem Sockel der Figur zu entnehmen ist. Von Langen war einer der bedeutendsten Vertreter des Humanismus in Münster und Zeitgenosse des Reformators Erasmus von Rotterdam. Die Stifter der mittelalterlichen Goldschmiedekunst drückten mit den wertvollen Werken ihre Verehrung für Gott und die Heiligen aus. (ska/vvm)