Reliquienstatuette der Heiligen Agnes

Reliquienstatuette der heiligen Agnes, um 1520/25

© Stephan Kube

Rund 45.000 Besucher haben im Jahr 2012 die dreimonatige Ausstellung „Goldene Pracht. Mittelalterliche Schatzkunst in Westfalen“ in Münster gesehen. „Wir konnten einem breiten Publikum gut 300 Goldschmiedewerke des 10. bis 16. Jahrhunderts präsentieren, darunter viele Stücke von internationalem Rang“, sagte der Direktor des LWL-Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, Dr. Hermann Arnhold, zum Abschluss der Präsentation. „Die Pracht der Schreine, Kreuze und Kelche hat viele Besucher erreicht“, unterstrich Historiker Prof. Dr. Gerd Althoff vom Exzellenzcluster. „So konnten wir ihnen die fremd gewordene Frömmigkeit einer fernen Epoche nahebringen.“ Bei der Ausstellung handelte es sich um eine Kooperation des Exzellenzclusters „Religion und Politik“, des Bistums Münster und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL).

Der Direktor der Domkammer, Dr. Udo Grote, sagte: „Die Ausstellung hat die hohe Qualität der Goldschmiedekunst Westfalens vor Augen geführt, die zuvor im allgemeinen Bewusstsein weitgehend unbekannt war.“ Auch das Begleitprogramm aus Führungen, Vorträgen, Filmen und dem Musikfestival „Musica Sacra“ habe tausende Menschen angezogen und in die Welt der mittelalterlichen Schatzkunst eingeführt. „Adel und Bürgertum stifteten kostbarste Werke. Nichts anderes war damals so geeignet wie Gold, Silber und Edelsteine, um Gott und die Heiligen zu ehren, wie die Ausstellung eindrücklich gezeigt hat.“

Der Beckumer Prudentia-Schrein

Prudentia-Schrein aus Beckum, um 1230/40

© Stephan Kube

Fruchtbare interdisziplinäre Zusammenarbeit

Historiker Althoff bilanzierte, die Ausstellung habe auch einen wichtigen Beitrag für die Wissenschaft geleistet. Der Katalog „Goldene Pracht. Mittelalterliche Schatzkunst in Westfalen“ sei mit seinen neun Aufsätzen, 300 Katalogtexten und 450 Abbildungen zum Standardwerk für die mittelalterliche Schatzkunst geworden. „Darin schlägt sich die fruchtbare interdisziplinäre Zusammenarbeit von Kunsthistorikern, Historikern und Theologen des Exzellenzclusters und der Museen nieder. Wir konnten viele neue Erkenntnisse zur Geschichte der Goldschmiedekunst gewinnen – von der Produktion in den Goldschmiedewerkstätten bis zum mittelalterlichen Stiftungswesen.“

In der Ausstellung im LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte und in der Domkammer der Kathedralkirche St. Paulus waren auf 1.500 Quadratmetern in zwölf Räumen mehr als 300 herausragende Exponate des 10. bis 16. Jahrhunderts zu sehen, darunter 240 nationale und internationale Leihgaben. Darunter waren prachtvolle Schreine und Kelche, edelsteinbesetzte Kreuze und filigrane Schmuckstücke des Mittelalters. Leitthemen der Schau, über die Medien in großer Zahl berichteten, waren Schreine und Kathedralen, die Symbolik der Farbe Gold, das mittelalterliche Stiftungswesen, Prachtentfaltung und Reliquienkult, Goldschmiede und Werkstätten sowie Schatz und Schicksal.

Das Borghorster Reliquienkreuz

Reliquienkreuz aus dem Stift Borghorst, 1046/56

© Stephan Kube

Das Publikum gab seiner Begeisterung im Besucherbuch Ausdruck: „Man kann sich nicht sattsehen“, hieß es darin. „Nicht nur die Exponate sind wundervoll! Herzlichen Glückwunsch für die außergewöhnlich gute Präsentation. Das hat Stil!“, schrieb ein weiterer Gast. „Es ist ja eine unglaubliche Fülle von wertvollen Exponaten zusammengetragen worden. Lohnenswert, sich die Ausstellung anzusehen!“, so ein Eintrag. „Eine sehr ansprechende und ausführliche Ausstellung. Die Fülle an Details sowie an Informationen ist eine Bereicherung für das Münsterland.“ Schließlich: „Eine sehr gelungene Ausstellung, die auch unseren Kindern Spaß bereitete.“

Die Ausstellung führte „in eine faszinierende Epoche der europäischen Geschichte“, wie Historiker Althoff sagte. „Sie hat den Besuchern erzählt, warum Kaiser und Bischöfe, Adlige und Bürger über Jahrhunderte wertvollste Werke aus Gold, Silber und Edelsteinen stifteten, deren Ästhetik bis heute in Bann schlägt.“ Außerdem habe die Präsentation ein Stück westfälischer Geschichte neu geschrieben. Althoff: „Das Spätmittelalter stellt sich hier nicht als Zeitalter des Niedergangs dar, sondern als kulturelle Blütezeit: Ein selbstbewusstes Bürgertum stiftete aus tiefer Frömmigkeit hochwertige Kreuze, Kelche oder Schreine.“

Rundgang durch zwölf Räume

„Die Ausstellung bot einen spannenden Rundgang“, sagte der Direktor des LWL-Landesmuseums Dr. Arnhold. „Er begann mit der Bedeutung der Farbe Gold, die Sinnbild für das Ewige und Göttliche war, und endete mit der vielschichtigen Bedeutung des Kirchenschatzes, der auch immer von Zerstörung bedroht war.“ Weitere Räume befassten sich mit den frühen Stiftungen im 10. bis 12. Jahrhundert, dem Goldschmiedezentrum Osnabrück und dem künstlerischen Austausch zwischen Malern, Bildhauern und Goldschmieden in Münster, dem Wettstreit um den Kirchen- und Stadtpatron Patroklus in Soest und einzigartigen silbernen Heiligenstatuetten der Gotik. „Die Schau verdeutlichte auch den liturgischen Gebrauch der Werke und lud in die Welt der Goldschmiede ein.“ Deren seit Jahrhunderten unveränderte Arbeit wurde auch in Workshops im Goldenen Pavillon auf dem Domplatz vermittelt.

Der Osnabrücker Ratsschatz

Osnabrücker Ratsschatz, um 1559

© Stephan Kube

Der Generalvikar des Bistums Münster, Norbert Kleyboldt, hatte zu Beginn der Ausstellung erklärt: „Die Präsentation würdigt erstmals die Pracht westfälischer Goldschmiedekunst, die lange im Verborgenen schlummerte.“ Diese Schätze zu heben und einem breiten Publikum nahe zu bringen, sei Ziel der Kooperationspartner gewesen. Im Vergleich mit den internationalen Spitzenwerken habe sich dem Publikum das hohe Niveau der westfälischen Werke erschlossen. LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch unterstrich: „Unsere Kuratoren konnten wertvolle Stücke wie den Marienschrein aus Tournai in Belgien, die Thronende Muttergottes aus Walcourt, den Sifridus-Kelch aus dem finnischen Borga und vergoldete Emailplatten aus dem British Museum als Leihgaben gewinnen. Das macht uns stolz und wir sind froh, viele Besucher in unsere Museen zu locken.“

Weltweit älteste Monstranz

Wichtige Produktionsstätten der Goldschmiedekunst in Westfalen waren zunächst unter anderem die Bischofssitze Münster, Paderborn und Osnabrück, wie Dr. Petra Marx, Kuratorin im LWL-Landesmuseum, erläuterte. Ab dem 13. Jahrhundert entstanden die Werke auch zunehmend in den erblühenden Hansestädten Soest und Dortmund. „Der Beckumer Prudentia-Schrein, in westfälischer Produktion entstanden, erstrahlte in der Ausstellung neben dem berühmten Marienschrein aus Tournai aus der Werkstatt des Goldschmieds Nikolaus von Verdun, der auch wesentlich am Dreikönigsschrein im Kölner Dom mitwirkte.“

„Die Ausstellung zeigte einerseits sakrale Stücke wie die weltweit älteste Monstranz aus der Abtei Herkenrode in Belgien, andererseits weltliche Stücke wie das einzigartige Ratssilber aus Osnabrück oder filigranen Schmuck für die städtische Kundschaft“, so Kuratorin Marx. Bistums-Kurator Holger Kempkens fügte hinzu: „Viele Stücke haben wir erstmals aus dem Verborgenen geholt. So waren die Apostelfiguren vom Hochaltar des münsterischen Doms nach Jahrzehnten zum ersten Mal aus der Nähe zu sehen. Andere Werke wie der Sifridus-Kelch aus dem finnischen Borga, der im 30-jährigen Krieg (1618-1648) aus dem Osnabrücker Schatz verschwand, sind nur sehr selten in Deutschland zu bewundern.“ (vvm)