Was bedeutet Nachhaltigkeit, was zeichnet ein Leben in ihrem Sinne aus, und wie kann sie gesellschaftlich umgesetzt werden? Über diese und weiterführende Fragen spricht ZIN-Sprecherin Prof‘in Doris Fuchs im 7. Podcast der WWU (aufgenommen Anfang Februar, veröffentlicht am 17.04.2020). Über die Inhalte des Podcasts geben wir hier einen kurzen Überblick:
Zu Beginn des Interviews geht es um den Begriff der „Nachhaltigkeit“: Er wird heutzutage vielfach verwendet – aber unter ihm wird nicht immer das gleiche verstanden. Im Podcast definiert Prof’in Fuchs Nachhaltigkeit für sich als „ein gutes Leben für alle, die jetzt und in Zukunft leben“ (Fuchs, 2020, 01:15*). Das beinhalte für sie drei Punkte: 1. Die Befriedigung von den wichtigsten, grundständigsten menschlichen Bedürfnissen, 2. Gerechtigkeit zwischen den Menschen, die jetzt und zukünftig leben, und 3. die Einhaltung der planetaren Grenzen, also nicht mehr zu verbrauchen, als die Erde uns zur Verfügung stellt.
Im Gespräch macht Prof’in Fuchs an vielen Stellen deutlich, dass sich für diese soziale und ökologische Nachhaltigkeit viel mehr, viel dringlicher und mit viel drastischeren Maßnahmen ändern muss, als uns als Gesellschaft bewusst sei bzw. uns vor allem von Seiten der Politik suggeriert werde. Denn alle unsere Systeme, die Wirtschaft genauso wie Wissenschaft, seien darauf aufgebaut, endliche Ressourcen zu verbrauchen und Menschen gerade in Ländern des globalen Südens auszubeuten.
Damit eine Transformation hin zu einem nachhaltigen, guten Leben für alle gelingen kann, braucht es laut Fuchs beides: Das Engagement jedes*r einzelnen und klare politische Signale und Maßnahmen, also grundlegende systematische Veränderungen.
Diese geteilte Verantwortung wird ausführlich am Beispiel unseres Konsumverhaltens thematisiert:
Ohne ein gewisses Maß an Konsum könne ein gutes Leben zwar nicht funktionieren. Und gleichzeitig sei es keinem*r Konsumenten*in möglich, jede alltägliche (Konsum-) Entscheidung im Sinne einer nachhaltigen Lebensweise zu treffen. Dem stünden schlicht finanzielle und zeitliche Ressourcen ebenso wie das Fehlen aller relevanten Informationen entgegen. Dennoch: Damit ausnahmslos jeder Mensch überall auf der Welt heute und zukünftig ein gutes Leben führen könne, werden viele ihren derzeitigen Konsum in deutlich hohem Maße reduzieren müssen. Insgesamt ist „oft das Beste, was [man] tun kann, etwas nicht zu kaufen […] weniger zu konsumieren“ (ebd., 11:04). (Konsum-)Bereiche in denen Fuchs Veränderungspotential sieht, sind Mobilität, Ernährung und Wohnen.
Nichtsdestotrotz bedürfe es auch hier strukturelle Veränderungen. Die politischen Entscheidungsträger*innen seien in der Verantwortung und der Pflicht, die Warnungen und Appelle von Wissenschaftler*innen ernst zu nehmen, und in konsequenter Weise Gesetze, Regelungen und andere Steuerungsmechanismen zu schaffen, die ein Leben über die planetaren Grenzen hinaus maßgeblich und langfristig begrenzen. Für Fuchs braucht es mutige Politiker*innen, die bereit sind, auch dann rigidere Maßnahmen zu treffen, wenn diese mit unbequemen Kosten für potentielle Wähler*innen einhergehen. Dass viele Menschen sich ein Umdenken und klare gesetzliche Vorgaben wünschten, zeige nicht zuletzt die Bewegung Fridays for Future. Fuchs appelliert an die Bürger*innen, sich weiterhin politisch einzumischen und ihren Volksvertreter*innen Druck zu machen.
Die Ausgestaltung unserer derzeitigen Demokratie in Deutschland sei hier ebenfalls nicht unwesentlich. So stellten bislang z.B. knappe Zeithorizonte wie Legislaturperioden, oder der Einfluss von Wirtschaftsmacht und Geld auf politische Entscheidungen Probleme dar, die es zu überwinden gelte. Deutlich wird: Eine Vorreiter-Rolle in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit habe Deutschland nicht (mehr).
Insgesamt wirft Prof’in Fuchs einen realistischen Blick auf die Möglichkeiten der Transformation und ist gleichzeitig „noch nicht bereit, die Hoffnung aufzugeben, dass wir es schaffen [eine] gesellschaftliche Diskussion zu führen“ (ebd., 19:10), die für diese Transformation nötig ist und sie ermöglicht.
*Die Zitate entstammen dem WWU Podcast, Folge 7: „Wie kann die Transformation zur Nachhaltigkeit gelingen? Interview mit Prof. Dr. Doris Fuchs“ vom 17.04.2020.
Zur Einordnung in die aktuelle Situation: Der Podcast wurde vor den Auswirkungen der Corona-Pandemie aufgenommen. Die neuen Möglichkeiten, die sich durch den Lock-Down für die Transformation zur Nachhaltigkeit ergeben könnten, thematisiert Prof‘in Fuchs in ihrem ZIN-Blog-Artikel „Was bleibt?“ vom 20.04.2020.