Dr. Verena Spiegler habilitiert für das Fach Pharmazeutische Biologie und Phytochemie

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Am 14.05.2025 habilitierte sich Dr. rer. nat. Verena Spiegler am Institut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie der Universität Münster. Der Fachbereich 12 - Chemie und Pharmazie verlieh ihr die venia legendi für das Fach Pharmazeutische Biologie und Phytochemie und damit verbunden den Titel „Privatdozentin“.

Verena Spiegler, Jahrgang 1983, studierte von 2002 bis 2007 an der Ruhr-Universität Bochum Japanologie und Sprachlehrforschung, von 2007 bis 2011 Pharmazie an der Universität Münster und promovierte 2016 am Institut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie zum Thema „Anthelmintic activity of procyanidins from West African plants – From traditional medicine to phytochemistry and molecular investigations“ (Betreuer Prof. Dr. Andreas Hensel). Die Arbeit wurde mit der Bestnote „summa cum laude“ ausgezeichnet (erwähnenswert auch, dass diese Dissertationsschrift mit dem Innovationspreis der Gesellschaft für Phytotherapie geehrt wurde). Dr. Spiegler koordinierte nachfolgend ein von der DFG gefördertes internationales Forschungskonsortium im Bereich Infectiology zu anthelmintischen Naturstoffen und konnte hier vielfältige wissenschaftliche Fragestellungen bearbeiten, aber auch ausgesprochene Expertise im Projektmanagement sammeln. Dr. Spiegler wurde seitens des Fachbereiches Chemie und Pharmazie der Universität Münster 2019 als Nachwuchsgruppenleiterin installiert. Sie ist Autorin von mehr als 30 wissenschaftlichen Publikationen in angesehenen Fachjournalen.

Die von Dr. Spiegler dem Fachbereich Chemie und Pharmazie vorgelegte Habilitationsschrift „Plant-Derived Natural Products and their Potential against Infectious Disease Pathogens – Examples from Terrestrial and Marine Origin with Antibacterial and Anthelminitic Activities” bearbeitet sehr komplexe und neuartige Themenkomplexe rund um Struktur und Funktionalität von Naturstoffen aus unterschiedlichen Quellen. Neben biologisch aktiven Sekundärstoffe aus einer Vielzahl von Pflanzen beschäftigt sich Dr. Spiegler z. B. intensiv mit Naturstoffen aus Rotalgen. Es ist eindrucksvoll, welch großes Portfolio an bisher nicht beschriebenen Naturstoffen sie aus der Alge isoliert und strukturell exakt charakterisieren kann. Spannend auch ein Bromphenol, welches die Sensitivität multiresistenter Pseudomonaden gegenüber Gentamicin wiederherstellen kann. Hier liegt klinisches Potential in der Luft!

Naturstoffe aus Pflanzen: oligomere Proanthocyanidine, eine Klasse von Gerbstoffen, analytisch auf Grund der strukturellen Komplexität schwer zu fassen, nutzt Frau Dr. Spiegler für strukturanalytische Untersuchungen aber auch für funktionelle Prüfungen im Rahmen der Beschäftigung mit anthelmintischen Wirkstoffen. Im Rahmen dieser Untersuchungen zeigt sich, dass Dr. Spiegler gerne Themen bearbeitet, die nicht gerade im main-stream der aktuellen Forschung liegen. Sie kann durch systematische Studien zeigen, dass Tannine unterschiedlicher Struktur auch unterschiedliche Wirkungen gegen verschiedene Nematoden aufweisen (Tannin-reiche Pflanzen werden in Afrika sehr häufig zu Entwurmung von Mensch und Tier in der traditionellen Medizin eingesetzt; dieses Therapiekonzept wird auch auf Grund der massiven Resistenzsituation gegen gängige Anthelmintika seit einigen Jahren auch in Europa immer wichtiger!).Gleichzeitig kann sie sehr elegant belegen, dass bestimmte Tannine an die Kollagen-Cuticula des Fadenwurms Caenorhabditis elegans binden, deren Steifigkeit massiv erhöhen, womit die Beweglichkeit der Würmer herabgesetzt wird, was zu einer verminderten Vitalität und letztlich zum Absterben führt. Damit ist die seit langem offene Fragestellung nach der Wirkweise anthelmintischer Tannine eindeutig beantwortet. Dass im Rahmen dieser Untersuchungen plötzlich Abwehrproteine des Wurms gebildet werden, die bisher weitgehend unbekannt sind, nimmt Dr. Spiegler sofort als Ansporn diese Thematik intensiv zu bearbeiten und die Funktionalität der durch Tannine induzierbaren Defensemechanismen im Modelorganismus C. elegans zu untersuchen. Dies beinhaltet Transkriptomstudien, Generierung von Mutanten, Expression gfp-markierter Proteine u.v.m. Diese molekularbiologischen Arbeiten erschließen ein ganz neues Feld um die Reaktivität von Nematoden gegenüber exogenen Stressoren zu analysieren, zu verstehen und ggf. mit spezifischen Inhibitoren zu umgehen.

Dass solche anthelmintischen Effekte von oligomeren Proanthocyanidinen auch praktische Bedeutung in der Therapie haben, zeigt Frau Dr. Spiegler über internationale Kooperationen mit drei Forschergruppen aus West-Afrika, die mit solchen Tannin-angereicherten Extrakten im Tierinfektionsversuch an Ziegen sehr positive Ergebnisse berichten können. Auch sehr spannende anthelmintische Effekte dieser Substanzen gegen humane Wurmparasiten aus Infizierten können ex vivo belegt werden.  

Dr. Spieglers Arbeiten bewegen sich auf hochaktuellem Forschungsgebiet auf einem Grat zwischen Strukturchemie, Molekularbiologie und Bioaktivität und beinhalten auch ein gutes Maß an wissenschaftlichen Kooperationen zwischen Pharmazie, Medizin, und Infektiologie – und dies nicht nur in Europa; auch in West-Afrika (Ghana, Benin, Kamerun) und neuerdings auch in Brasilien etabliert Frau Dr. Spiegler ihre wissenschaftlichen Netzwerke.

Neben den Polyphenolen tauchen aus ethnopharmakologischen Studien auch Alkaloid-enthaltende Pflanzen in Frau Dr. Spieglers Labor auf. Sie isoliert und charakterisiert eine Vielzahl an strukturell hochkomplexen Indolalkaloiden. Auch hier können funktionale begleitenden Untersuchungen neue Anwendungen in Pharmazie und Medizin eröffnen. In Zusammenarbeit mit brasilianischen Kollegen wird auch das Thema „green chemistry“, im Sinne der umweltverträglichen Isolierung von Naturstoffen bearbeitet – Nachhaltigkeit im Labor wird in unserer Zeit ein immer größeres Thema. Gut, dass sich der wissenschaftliche Nachwuchs diesem Thema gezielt annimmt.

Kurz und gut: gebt der Frau Spiegler eine Pflanze in die Hand, dann wird sie ganz sicher jede Menge spannender und neuer Naturstoffe finden, exakt charakterisieren, testen und neue Ideen zur Anwendung generieren. Es ist erstaunlich, mit welcher Effizienz und Präzision das „Spiegler-Lab“ im Münsterischen Institut arbeitet.

Frau Dr. Spiegler hat ein sehr umfangreiches, publikatorisches Oeuvre vorzuweisen und ist häufig eingeladene Referentin für wissenschaftliche Vorträge im internationalen Raum. Ich bin sicher, die frisch gebackene Privatdozentin freut sich auch über künftige Einladungen für spannende Kolloquiumsvorträge an anderen Universitäten.

Was wäre Universität ohne Lehre? Frau Dr. Spiegler betreut seit vielen Jahren das phytochemische Praktikum im Hauptstudium für Pharmazeuten und hat auch seit 2024 die offizielle Leitung dieses Kurses mit hervorragender studentischer Evaluation übernommen. Seit 2024 gestaltet sie semesterweise auch die Hauptvorlesung Pharmazeutische Biologie und wenn irgendwo Not am Mann ist, springt sie gerne ein.

Pharmazeutische Biologie ist ein superspannendes, innovatives und aktuelles Fachgebiet der Pharmazie. Aber wichtig ist auch Forschung und Know-how aus dem akademischen Bereich in die Gesellschaft zu translatieren. Auch dies war Dr. Spiegler wichtig, und sie initiierte entsprechende Aktivitäten als gewähltes Vorstandsmitglied  der Gesellschaft für Phytotherapie (GPT) in verschiedenen Fortbildungsveranstaltungen und auch mehrere Jahre als Schatzmeisterin der Gesellschaft. Ein beachtliches wöchentliches Arbeitspensum neben der akademischen Forschung, Lehre und dem Tagesgeschäft!

Dr. Spiegler ist bei allen Kolleginnen und Kollegen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Pharmazeutischen Institute sowie den Studierenden sehr beliebt und hochgeschätzt. Daher schließt diese Gratulation von Seiten ihres Instituts gleichzeitig auch die der Lehreinheit Pharmazie und des Fachbereichs Chemie und Pharmazie mit ein: Herzlichen Glückwunsch und weiterhin viel Erfolg in der akademischen Laufbahn, Frau Privatdozentin Dr. Verena Spiegler!

Und ganz zuletzt noch eine persönliche Anmerkung vom Mentor: Ich freue mich sehr mit Dir über diesen Erfolg. Die Zusammenarbeit war mir immer eine Freude und wir haben in stets hervorragender Kooperation auch maximal komplizierte Projekte im fernen Afrika gemeistert. Es hat Spaß gemacht! Danke für die kollegiale Zusammenarbeit!

Wir wünschen Frau Dr. Spiegler für die weitere private und berufliche Zukunft alles Gute und ich bin sicher, dass PD Spiegler eine hervorragende Wahl für künftige Professuren im Bereich der Pharmazeutischen Biologie sein wird.

Prof. Dr. Andreas Hensel, Institut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie, Universität Münster.