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Ordnung bei der Organbildung

CiM-Forscher haben herausgefunden, warum wandernde Ur-Keimzellen im Zebrafisch-Embryo an Ort und Stelle bleiben
Links die Situation in einem typischen Zebrafisch-Embryo: Die Ur-Keimzellen (grün) bilden zwei Cluster. Der Darm (rot) fungiert als Barriere und trennt die beiden Zell-Cluster. Rechts ist diese physische Barriere entfernt worden und die Zellen vermischen sich. Die Aufnahme entstand unter einem konfokalen Mikroskop.
© ZMBE/Nature Communications

Während der embryonalen Entwicklung wandern Zellen an bestimmte Stellen im Embryo. Dort werden sie später zusammen mit anderen Zellen Organe bilden. Bleiben sie nicht an den richtigen Stellen, kann das fatale Folgen haben: Organe können fehlplatziert sein oder nicht richtig funktionieren. Die Zellbiologen Azadeh Paksa und Prof. Erez Raz vom Exzellenzcluster „Cells in Motion“ der Universität Münster haben drei Faktoren ermittelt, die Zellen während der embryonalen Entwicklung an den gewünschten Positionen festhalten: chemische Signalstoffe, physische Barrieren und Zelladhäsion, also das „Zusammenkleben“ von Zellen. Für ihr Projekt haben die Wissenschaftler Ur-Keimzellen, aus denen später Eizellen und Spermien gebildet werden, in Zebrafisch-Embryonen beobachtet. An der Studie war ein internationales Team mit Forschern aus Israel, Frankreich und den USA beteiligt. Erschienen ist sie in der angesehenen Fachzeitschrift Nature Communications.

In  vorherigen Studien hatten die Zellbiologen im Labor von Prof. Erez Raz vom Zentrum für Molekularbiologie der Entzündung (ZMBE) herausgefunden, dass sich Ur-Keimzellen von chemischen Signalstoffen in die Region lotsen lassen, in der später die Geschlechtsdrüse (Gonade) entsteht. „In der neuen Studie haben wir untersucht, was danach passiert: in der Phase, in der die Zellen an der richtigen Stelle bleiben und mit anderen Zelltypen interagieren müssen“, resümiert Azadeh Paksa. „Wir haben herausgefunden, dass physische Barrieren und abstoßendes Gewebe die Zellen daran hindern, die Gonadenregion wieder zu verlassen. Während die Zellen immer einen gewissen Abstand zum abstoßenden Gewebe halten, kommen sie mit den Barrieren in Kontakt. Hier prallen sie ab und wandern in die entgegengesetzte Richtung.“ Hinzu kommt der Prozess der Zelladhäsion: Die von den Barrieren in Schach gehaltenen Ur-Keimzellen fügen sich an einer bestimmten Position zu größeren Bündeln zusammen.

Graduiertenschülerin Azadeh Paksa
© privat

Um diese Beobachtungen möglich zu machen, stellten verschiedene Forschungsinstitute auf der ganzen Welt ihre speziellen Bildgebungsverfahren zur Verfügung. Die Forschergruppe um Dr. Philipp Keller vom Howard Hughes Medical Institute in den USA bot spezielle Lichtscheibenmikroskope für die Studie an und half bei der Aufbereitung der gewonnenen Daten. Dr. Nadine Peyriéras und ihre Gruppe vom Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung in Paris halfen bei der 2-Photonen-Mikroskopie. Prof. Nir Gov’s Gruppe vom israelischen Weizmann Institute of Science nutzte die Forschungsdaten aus Münster für mathematische Modellierungen.

An die Ergebnisse der Arbeit möchten die Forscher aus Münster anknüpfen. „In einer Folgestudie möchten wir verstehen, welche Mechanismen für die beobachtete Zellantwort verantwortlich sind“, so Azadeh Paksa. „Was passiert im Innern der Zelle, wenn sie von einer Barriere abprallt und ihre Wanderroute ändert?“ Die in der Studie beobachteten Prozesse können auch für die Krebsforschung aufschlussreich sein: Denn bei der Tumorbildung versagen die Mechanismen, die Zellen in ihrer gewünschten Position halten. Zellen gehorchen chemischen Signalen nicht oder durchbrechen physische Barrieren, was zu Metastasen führen kann.

Originalpublikation:
Paksa A, Bandemer J, Hoeckendorf B, Razin N, Tarbashevich K, Minina S, Meyen D, Biundo A, Leidel S, Peyrieras N, Gov N, Keller P, Raz E. Repulsive cues combined with physical barriers and cell–cell adhesion determine progenitor cell positioning during organogenesis. Nat Commun 2016;7:11288. Abstract