Muslime in der Volksrepublik China heute – Parallelgesellschaften?


Bearbeiterin: Frauke Drewes

In China leben heute schätzungsweise etwa 20 Millionen Muslime. Damit gehört die VR zu den größeren „muslimischen“ Staaten. Dennoch wird diese Bevölkerungsgruppe international wenig beachtet, was einerseits wohl den Proportionen zuzuschreiben ist – 20 Millionen bedeuten in China weniger als 2 Prozent der Bevölkerung, andererseits aber auch der schwierigen Zugänglichkeit des Themas. Dabei nehmen die Muslime für den chinesischen Staat eine überproportional wichtige Rolle ein.

Hierbei muss vor allem zwischen den beiden größten der insgesamt 10 staatlich benannten muslimischen „Nationalitäten“ unterschieden werden. Die Hui-Chinesen stellen mit etwa 10 Millionen die größte dieser Nationalitäten. Sie gelten auch als die chinesischen Muslime in China, da sie sich sprachlich und kulturell kaum von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden. Diese weit über das Land verstreute Nationalität erhält von der chinesischen Regierung teilweise bedeutende Unterstützung. Diese steht zum einen im Zusammenhang der generellen Politik, die Minderheiten zu unterstützen, um ihnen den Aufstieg aus ihrer häufig sozial und wirtschaftlich benachteiligten Position zu erleichtern. Zum anderen spielen hier aber auch außenwirtschaftliche Faktoren eine Rolle, da die chinesischen Muslime auch Unterstützung für Aufbau und Erhalt internationaler Beziehungen bieten können, insbesondere mit Blick auf die energiepolitisch extrem wichtigen arabischen Ölstaaten. Auf der anderen Seite steht die zweitgrößte muslimische Nationalität der Uiguren. Bei diesen wird aufgrund ihrer geographischen Konzentration in der nordwestlichen Provinz Xinjiang sowie ihrer Zugehörigkeit zu den zentralasiatischen Turkvölkern eine erhöhte Gefahr des Separatismus angenommen. Dies führt zu teilweise erheblichen Einschränkungen und Spannungen zwischen den verschiedenen Volksgruppen in Xinjiang, wie 2009 bei den Unruhen deutlich wurde.

Das Promotionsprojekt untersucht die gesellschaftliche Position der Muslime, insbesondere der Hui-Chinesen, in der VR seit den 1990er Jahren. Maßnahmen und Fakten zu ihrer Integration in die Mehrheitsgesellschaft werden dabei ebenso herangezogen wie persönliche Einschätzungen von Muslimen und Nichtmuslimen. Auch die Beziehungen der verschiedenen muslimischen Nationalitäten zueinander werden betrachtet. Schließlich soll eine Einschätzung darüber getroffen werden, ob der Islam als Religion eine Sonderstellung der Muslime in China – im positiven oder negativen Sinne - eher begünstigt oder hierfür irrelevant ist. Eine Leitfrage ist dabei, inwiefern politische Ziele und Strategien von verschiedenen Akteuren mit dem Islam verknüpft werden und wie dies wiederum soziale Strukturen verändert. Hierbei werden auch insbesondere temporäre, regionale und ethnische Unterschiede verdeutlicht.