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Münster (upm/nr)
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (vorne links) hat Prof. Dr. Bernd Strauß (vorne, 2.v.l.) zum Kommissionschef ernannt - auch WWU-Rektor Prof. Dr. Johannes Wessels (vorne rechts) gratulierte.<address>© BMI</address>
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (vorne links) hat Prof. Dr. Bernd Strauß (vorne, 2.v.l.) zum Kommissionschef ernannt - auch WWU-Rektor Prof. Dr. Johannes Wessels (vorne rechts) gratulierte.
© BMI

"Die Universität Münster wird ein guter Gastgeber sein"

Sportförderung: WWU-Sportpsychologe Prof. Dr. Bernd Strauß leitet "Potenzialanalysekommission"

Alfons Hörmann hatte möglicherweise das Gefühl, dass der eine oder andere Gast die Bedeutung der Veranstaltung unterschätzen könnte, zu der Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Montagnachmittag (8. Mai) in den Konferenzraum seines Hauses in Alt-Moabit gebeten hatte. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zögerte also bei seinem Grußwort nicht lange und rückte das "Kick-off der PotAS-Kommission", wie die Einladung offiziell überschrieben war, ins seiner Überzeugung nach richtige und angemessene Licht. "Heute wird ein neues Kapitel der Sportgeschichte aufgeschlagen", betonte der Funktionär, der kurz darauf erneut darum bemüht war, die Dimension des Treffens zu verdeutlichen. "Heute ist ein großer und wichtiger Tag für den deutschen Sport."

Prof. Dr. Bernd Strauß hörte in der ersten Reihe genau zu. Aber er zuckte nicht mal mit der Wimper, obwohl er spätestens in diesen Momenten wusste, was auf ihn zukommt. Der Professor für Sportpsychologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) steht als Vorsitzender an der Spitze der fünfköpfigen, neu geschaffenen "Potenzialanalysekommission", die in den kommenden Jahren die entscheidenden Zahlen, Daten und Fakten für die Bewertung der Förderwürdigkeit deutscher Spitzensportler liefern soll. Dabei geht es um reichlich Renommee – aber auch um sehr viel Geld. Aktuell überweist der Bund den Sportverbänden jährlich gut 150 Millionen Euro, die mit dem Geld wiederum ihre besten Athleten unterstützen und fördern – die PotAS-Kommission soll künftig als eine Art Leistungs-TÜV die, so Thomas de Maizière, "bestmöglichen Voraussetzungen für diese Entscheidungen liefern“. "Ich freue mich auf diese verantwortungsvolle Aufgabe", betonte Bernd Strauß, der nach seinem Studium und der Habilitation an der Universität Kiel seit 1998 an der WWU lehrt und forscht.

Rückblende: Vor dem Hintergrund einiger Enttäuschungen bei internationalen Wettkämpfen und Olympischen Spielen einigten sich das Bundesinnenministerium, der DOSB und die Sportminister der 16 Bundesländer im November 2016 auf ein Konzept zur Neustrukturierung des Leistungssports und zur Förderung des Spitzensports. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Regierung billigten den neuen Weg, der im Kern eine Abkehr vom alten Prinzip beinhaltet, wonach einst vor allem die Größe der jeweiligen Mannschaft sowie die Siege und Erfolge der Vergangenheit zählten. Künftig soll das Geld in erster Linie denjenigen zu Gute kommen, die bereits Medaillen einheimsten, denen die Wissenschaftler und Funktionäre aber gleichzeitig das größte Potenzial für die Zukunft beimessen. DOSB-Chef Alfons Hörmann fasste das neue Prozedere leicht nachvollziehbar zusammen: "Etwas weniger Bauch, etwas mehr Gehirn."

Dabei gilt es in Zukunft, mehr als 100 Sportarten anhand von rund 60 Attributen zu durchleuchten. Das Verfahren wird somit wesentlich anspruchsvoller und komplexer als in der Vergangenheit, auch Statistiker und Mathematiker werden zum Einsatz kommen. Um den zu erwartenden Wust an Daten zu beherrschen und wissenschaftlich einzuordnen, entsteht an der Universität Münster eine fünf- bis sechsköpfige Geschäftsstelle. Die PotAS-Kommission liefert und bewertet diese Daten, reicht sie an die "Strukturkommission" mit dem DOSB an der Spitze weiter, bevor schließlich die "Förderkommission" mit dem Bundesinnenminister als Vorsitzendem über den Geldfluss entscheidet. Am Ende stehen statt des bisherigen Gießkannenprinzips drei Förderstufen beziehungsweise eine „neue Drei-Cluster-Gesellschaft“, wie es der Berliner „Tagesspiegel“ bezeichnete: Die Sportarten, die es bis ins „Exzellenzcluster“ schaffen, haben eine großzügige Unterstützung sicher, die Sportarten aus dem "Potenzialcluster" müssen sich etwas bescheiden. Diejenigen, die im „Cluster mit wenig oder ohne Potenzial“ landen, gehen leer aus – Experten zufolge haben damit beispielsweise die deutschen Synchron-Schwimmerinnen kaum Chancen auf finanzielle Rückendeckung durch den Bund.

WWU-Rektor Prof. Dr. Johannes Wessels, den Bundesinnenminister und WWU-Alumnus Thomas de Maizière ebenfalls zum Kick-off nach Berlin eingeladen hatte, ahnt offenbar bereits, was auf Bernd Strauß zukommen wird. "Sie sind bestens vertraut mit der Materie und verfügen über ein hohes Maß an Bekanntheit und Kompetenz", wandte er sich an den neuen Kommissionsvorsitzenden. "Aber Sie haben glücklicherweise auch ein breites Kreuz, um die Zumutungen, die mit diesem Amt verbunden sein werden, zu ertragen." Tatsächlich wird es in den kommenden Jahren sowohl vor als auch hinter den Kulissen intensive Debatten über die Eingruppierungen in die drei Cluster geben. Bernd Strauß machte deutlich, dass er auf intensive und vertrauensbildende Gespräche mit den einzelnen Sportverbänden setzen wird. Thomas de Maizière wiederum versprach maximale Transparenz – alle Daten sollen öffentlich zugänglich sein. Für die Arbeit der Kommission und der ihr unterstellten Geschäftsstelle stehen pro Jahr 700.000 Euro zur Verfügung.

"Die WWU wird ein guter Gastgeber sein“, betonte Thomas de Maizière, als er Bernd Strauß seine bis Ende 2022 dauernde Ernennungsurkunde überreichte. „Es fiel uns leicht, uns auf Sie zu einigen.“ Der neue Kommissionschef versprach, sich mit seinen Mitstreitern sofort an die Arbeit zu machen. Am gleichen Abend stand die konstitutive Sitzung der Kommission an, die möglicherweise noch in diesem Jahr erste Zahlen liefern wird. Der Druck wird steigen, nicht nur der Bundesinnenminister erwartet „in vier, acht und zwölf Jahren sichtbare sportliche Erfolge".

Norbert Robers