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Münster (upm/ch)
Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme des Gehirns einer Taufliege (Drosophila melanogaster): Mithilfe von Crispr/Cas9 wurde eine grüne Markierung in das Gen &quot;Bumpel&quot; eingefügt. Die roten und blauen Markierungen entstanden durch Antikörper-Färbungen. Rechts und links sind die Augen erkennbar, unten im Bild Teile des Bauchmarks.<address>© CiM – Kerem Yildirim, Bente Winkler, Christian Klämbt</address>
Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme des Gehirns einer Taufliege (Drosophila melanogaster): Mithilfe von Crispr/Cas9 wurde eine grüne Markierung in das Gen "Bumpel" eingefügt. Die roten und blauen Markierungen entstanden durch Antikörper-Färbungen. Rechts und links sind die Augen erkennbar, unten im Bild Teile des Bauchmarks.
© CiM – Kerem Yildirim, Bente Winkler, Christian Klämbt

Neue Verfahren zur Genom-Editierung wecken Hoffnungen und werfen Fragen auf

"Die Öffentlichkeit muss informiert werden"

Von Zauberscheren ist häufig die Rede, wenn Crispr/Cas9 gemeint ist. Seit dieses molekularbiologische Werkzeug 2012 bekannt wurde, setzen Forscher es weltweit in verschiedenen Varianten ein. Mithilfe der "Zauberscheren" können sie gezielt in das Erbgut eingreifen – sie schreiben das Erbgut quasi um, ähnlich wie einen Text. Diese Technik wird daher Genom-Editierung oder auch Genom-Chirurgie genannt. Für die Grundlagenforschung, aber auch für mögliche Anwendungen in der Landwirtschaft, zur Herstellung von Medikamenten, bei der Bekämpfung von krankheitsübertragenden Insekten oder in der Biomedizin ergeben sich neue Perspektiven – und Fragen.

"Ich habe den Eindruck, dass die Debatte um die Genom-Editierung in der Biomedizin derzeit richtig losgeht", berichtet der Philosoph Dr. Johann Ach, Geschäftsführer des Centrums für Bioethik der WWU. "Zwar ist sie nicht neu, da es auch vorher schon Werkzeuge gab, um das Erbgut zu verändern. Aber sie hat eine andere Dimension, da die neuen Methoden effektiver sind." Durch Eingriffe in menschliche Keimbahnzellen – was in Deutschland verboten ist – könnte man möglicherweise das Auftreten schwerer Erbkrankheiten verhindern. Allerdings gibt es viele Argumente, die gegen solche Eingriffe sprechen. Beispielsweise sind Risiken für die entstehenden Individuen und künftige Generationen kaum absehbar. "Eine somatische Gentherapie, also eine Therapie, die auf menschliche Körperzellen abzielt, könnte in vielen Fällen auch helfen und wäre weniger riskant", sagt Johann Ach.

Andere Einsatzmöglichkeiten der Genom-Editierung betreffen die "grüne Gentechnik". Forscher können damit in das Erbgut von Pflanzen eingreifen, ohne fremde Gene einzuschleusen. Damit wird die Pflanze zwar gentechnisch verändert, unterscheidet sich – abgesehen von der größeren Effizienz und Präzision der Methode – jedoch nicht von Pflanzen, bei denen Mutationen nach dem
Zufallsprinzip künstlich erzeugt werden. Der Einsatz der sogenannten Mutationszüchtung ist etabliert und unterliegt keiner gesetzlichen Regelung. Soll für "editierte" Pflanzen dennoch weiterhin das Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen gelten? Diese Frage wird auf Bundes- und EU-Ebene diskutiert.

"Die neuen Methoden der Genom-Chirurgie wecken Hoffnungen auf große Fortschritte", sagt Prof. Jörg Hacker, Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften. "Gleichzeitig werfen sie Fragen auf: Ist die Anwendung sicher und ethisch vertretbar? Welche Wechsel- oder Nebenwirkungen kann es heute oder in Zukunft geben?" Die Diskussion dieser Fragen sei wichtig, auch im Dialog mit der Gesellschaft. Die Öffentlichkeit müsse informiert werden, welche Chancen die Genom-Chirurgie biete und wie sie funktioniere. "Ziel ist es, die Möglichkeiten der neuen Methoden auszuschöpfen, ohne vermeidbare Risiken einzugehen."
 

CHRISTINA HEIMKEN

Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 7, 16. November 2016.

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