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Münster (upm).
Träume führen uns verschiedene Themen unseres Lebens vor Augen. Auch in der Bibel spielen sie eine große Rolle.<address>© robsonphoto - stock.adobe.com</address>
Träume führen uns verschiedene Themen unseres Lebens vor Augen. Auch in der Bibel spielen sie eine große Rolle.
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Traumbilder als Annäherung an die Erlösung

Jan-Hendrik Mönch eröffnet der katholischen Theologie neue Wege in der Zusammenarbeit mit den Humanwissenschaften

Träume sind Schäume, lautet ein bekanntes Sprichwort. Dr. Jan-Hendrik Mönch, katholischer Theologe und Priesteramtsanwärter des Bistums Münster, ist anderer Ansicht. Er vertritt die Meinung, dass Träume uns verschiedene Themen unseres Lebens vor Augen führen, und möchte ihre Bildwelten deshalb für die Theologie fruchtbar machen. „Die psychologische Traumforschung hat erkannt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Wachleben einer Person und ihren Trauminhalten gibt“, betont er. Im Herbst wird er seine Dissertation veröffentlichen, mit der er Pionierarbeit in der Soteriologie (Erlösungslehre), einer wenig bekannten Disziplin innerhalb der Dogmatik, leistet, indem er sie mit der Traumforschung verknüpft.

1993 in Nordhorn geboren, studierte Jan-Hendrik Mönch von 2012 bis 2018 an der Universität Münster katholische Theologie und Geschichte. Er absolvierte einen Forschungsaufenthalt in Oxford und arbeitete von 2018 bis 2023 bei der Leiterin des Ökumenischen Instituts, Prof. Dr. Dorothea Sattler, an seiner Dissertation zum Thema „Traum und Wirklichkeit menschlicher Existenz. Erkenntnisse aus der Traumforschung für eine erfahrungsbezogene Rede von Erlösung“. Er sei kein herausragender Träumer, räumt er schmunzelnd ein, und habe seine Träume nie aufgeschrieben. Häufig könne er sich aber an sie erinnern. Was für ihn viel wichtiger sei: In der Bibel spielen Träume eine große Rolle. Das könne seiner Meinung nach eine wichtige Hilfe sein, wenn es darum gehe, den Menschen von heute zu verdeutlichen, was „Erlösung“ sei. „Wir brauchen in der Theologie mehr Bilder, die mit dem Leben der Menschen von heute zu tun haben“, betont er. So beziehe sich etwa der Begriff „Erlösung“ auf das befreiende Gefühl, das damit verbunden war, wenn Sklaven in der Antike losgekauft und damit befreit, also erlöst wurden. Heutzutage aber sei es komplex, zu vermitteln, wie Erlösung geschehe, welche Ausgangssituation und welche Ziele damit verbunden seien. „Ich bin der Frage nachgegangen, ob Träume Bilder für das erlöste und unerlöste Leben haben können“, erläutert er.

Da niemand bisher ein ähnliches Thema in Angriff genommen hatte, war Jan-Hendrik Mönch auf sich allein gestellt, konnte allerdings kreativ vorgehen und wählte einen neuen, anthropologischen Zugang, mit dem er in der Tradition des Zweiten Vatikanischen Konzils steht. Er machte sich mit den Methoden der psychologischen Traumforschung vertraut und führte 2019 eine empirische Erhebung durch, um Traummaterial von lebenden Personen zu sammeln. Er befragte 450 Personen nach ihren typischen Träumen und stieß dabei auf gängige Motive wie das Zu-spät-Kommen, Etwas-nicht-finden-Können, eine beglückende erotische Erfahrung oder ein köstliches Essen. „Diese vier exemplarischen Motive kommen interessanterweise auch in der Bibel vor“, unterstreicht er. In einem zweiten Schritt untersuchte er diese Bildwelten daraufhin, welche Rolle sie für die Menschen haben und ob sie Metaphern für das unerlöste und erlöste Dasein sein und so einen Beitrag für eine lebensnahe und erfahrungsbezogene Rede von Erlösung leisten können. Möglichkeiten der Erlösung – anders ausgedrückt: eine Wende vom Schlechten zum Besseren oder zum Guten, vom Unglück zum Heil, von der Verzweiflung zur Hoffnung – könne man auch im Alltag erfahren und nicht erst nach dem Tod.

Dr. Jan-Hendrik Mönch<address>© privat</address>
Dr. Jan-Hendrik Mönch
© privat
„Träume sind ein guter Zugang, um mit Menschen über existenzielle Themen ins Gespräch zu kommen“, bilanziert Jan-Hendrik Mönch. „Andererseits muss man beachten, dass sie sich als Ergänzung gängiger Metaphern eignen, nicht aber dazu, sie zu verdrängen.“ Seine Arbeit stelle ein Plädoyer für eine große Vielfalt an Metaphern dar, die aber alle immer nur Annäherungen an das Gemeinte sein könnten und außerdem an Gott zurückgebunden werden müssten. Auch dürfe man seine Forschung nicht so missverstehen, als wenn man im Himmel ständig erotische Träume hätte oder diese gleichzusetzen wären mit der Erlösung. Irdische Erfahrungen könnten nur Verweise auf das Kommende sein, da der christliche Glaube davon ausgehe, dass der Himmel alle irdischen Erfahrungen übertreffe.

„Mein Anliegen ist, dass wir in der Theologie den Dialog mit den Humanwissenschaften, speziell der psychologischen Traumforschung, suchen“, hebt er hervor. Er erlebe, dass viele Menschen sich sehr für das Thema „Träume“ interessieren, was seine Hypothese bestätige, wonach sie ein wichtiger Zugang sein können. Der künftige Priester ist davon überzeugt, dass die Theologie viel zu bieten hat, bemängelt aber, dass zentrale Glaubensthemen heute nicht genug behandelt würden. „Wir können eine noch so schöne Botschaft haben – aber wenn wir sie nicht vermitteln können, läuft etwas schief“, betont er. „Der zentrale Begriff ,Erlösung‘ ist auch in der alltäglichen Pastoral längst zur Leerformel geworden, und das muss sich dringend ändern.“

Autor: Gerd Felder

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 4, 7. Juni 2023.

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