Theologie der Barmherzigkeit
Theologie der Barmherzigkeit

„Historisch kritischer Korankommentar unter Berücksichtigung von Aneignungs-, Transformations- und Abgrenzungsprozessen zwischen Islam und der jüdisch-christlichen Tradition“


Projektverantwortliche: Dr. Dina El-Omari

Das Projekt mit dem Titel „Historisch kritischer Korankommentar unter Berücksichtigung von Aneignungs-, Transformations- und Abgrenzungsprozessen zwischen Islam und der jüdisch-christlichen Tradition“ ist innerhalb der sogenannten „Theologie der Barmherzigkeit“ eingebettet und setzt sich zum Ziel, unterschiedliche Themenkomplexe des Korans inhaltlich zu analysieren und zu kommentieren, um so auf lange Sicht einen vollständigen Korankommentar in deutscher Sprache zu erstellen. Das Projekt ist dabei so ausgerichtet, dass es sowohl einen deskriptiven als auch einen normativen Teil beinhaltet, die nicht separiert voneinander, sondern ineinander verzahnt werden sollen.

Bei der Analyse steht jedem Mitglied des Projekts zum einem der Korantext selbst gegenüber, d.h. konkret die im jeweiligen Korpus eines Themas befindlichen Verse,  zum anderen aber eine Reihe an ausgewählten Exegeten und deren Aussagen zu den entsprechenden Versen. Innerhalb des Projektes hat man sich für folgende Exegeten entschieden: Aṭ-Ṭabarī, az-Zamaḫšarī, ar-Rāzī, al-Qurṭubī und Ibn Kaṯīr sowie wahlweise, falls es für die Forschung notwenig ist, as-Suyūtī, Ibn ʿArabī und aṭ-Ṭabarsī. Es bleibt jedoch jedem Forscher überlassen ob er noch weitere exegetische Werke, die möglicherweise relevant für sein Thema sind, in seine Betrachtungen einbezieht. Die Wahl der exegetischen Werke erfolgte vor dem Hintergrund der Tatsache, dass eine Eingrenzung auf bestimmte exegetische Werke unabdingbar für eine realistische Bewältigung der Aufgabe ist. Daher hat die Gruppe sich darauf geeinigt, dass man einen „Kernstamm“ festlegt, der die wichtigsten exegetischen Werke, die zudem die Vielfalt der unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten wiederspiegeln sollen, beinhaltet.
Sowohl der Korantext als auch die Aussagen der Exegeten sollen in einem ersten Schritt in ihrem historischen Kontext betrachtet werden. Was aber bedeutet dies hier konkret?
Zunächst muss betont werden, dass die Verortung von Koranversen in ihren historischen Kontext seit jeher eine bekannte Disziplin in der islamischen Theologie ist. Sie wird als die „Lehre von den Offenbarungsanlässen“ bezeichnet. Es ist dem Theologen also keineswegs fremd, den historischen Kontext in seine Auswertung einzubeziehen und daher Gegenstand der meisten exegetischen Werke. Was hingegen neu ist, ist die historische Verortung der Exegeten selbst, d.h. die Frage nach den Hintergründen der jeweiligen Auslegung. Dafür müssen das Umfeld, die möglichen Einflüsse und der gesamte historische Kontext eines jeden Exegeten genau durchleuchtet werden, denn diese geben Aufschluss darüber, wie der Exeget zu seinen Auslegungen gelangt ist. Jeder Exeget ist eben letztendlich Kind seiner Zeit.
Die Erarbeitung dieses deskriptiven Teils führt das Projekt unweigerlich zu dem normativen Teil, dessen Zielsetzung es ist, die in diesem Teil erzielten Ergebnisse auf der Grundlage der Theologie der Barmherzigkeit auszuwerten, um so zu einer Kommentierung zu gelangen, die auch den heutigen Lebenskontext einbezieht. Diese Theologie entwickelt ihre Maximen aus dem Koran selbst heraus, deren Basis bzw. oberste koranische Maxime die folgenden zwei Verse sind: „Wir haben dich [Muhammad] lediglich als Barmherzigkeit für die Welten entsandt.“ (Koran 21:107) und „Dieses Buch ist Rechtleitung und Barmherzigkeit“ (Koran 7:52). Darauf bauen sich dann in der Folge fünf Maximen auf: 1. Der Mensch ist Kalif und trägt somit die Verantwortung, Gottes Absicht auf Erden zu verwirklichen, 2. Das Ziel der Läuterung, 3. Das Ziel der Gerechtigkeit. 4. Freiheit und 5. die unantastbare menschliche Würde. Da es sich bei den Maximen um ethische handelt, müssen diese auch hinsichtlich ihrer theologischen Dimension ausgearbeitet werden.
Für das Projekt lässt sich also eine Drei-Schritt-Methode erkennen: 1. Historische Kontextualisierung der Verse und Aussagen der Exegeten (Warum hat der Exeget so argumentiert, wie er argumentiert), 2. Raster der Prinzipien/Maximen auf die Ergebnisse legen, 3. Frage nach der Bedeutung für uns heute und nach einem zeitgemäßen Verständnis des Korans.

Zurück