„Hindenburg ist eine zutiefst antidemokratische Figur“

Historikerin Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger über den Streit um umstrittene Straßennamen

Barbara-stollberg-rilinger

Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger

Über den Streit um umstrittene Straßennamen in Münster hat Historikerin Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger vom Exzellenzcluster dem Magazin „DAMALS – Das Magazin für Geschichte“ ein Interview gegeben.

In Münster hat der Stadtrat im März beschlossen, den traditionellen Hindenburgplatz in Schlossplatz umzubenennen. Eine Bürgerinitiative will nun erzwingen, dass die Umbenennung zurückgenommen wird. Wie schätzen Sie die Lage ein?

In Münster ist eine längere Debatte geführt worden, an deren vorläufigem Ende der Beschluss des Stadtrates zur Umbenennung des Hindenburgplatzes in Schlossplatz stand. Diejenigen, die mit dem Verweis auf eine gewisse Tradition, an der man nicht rühren solle, nun dafür kämpfen, den Beschluss rückgängig zu machen, haben ein Problem. Denn mit dem Ratsbeschluss der Umbenennung ist eine neue Situation eingetreten: Wer jetzt für den Namen Hindenburgplatz plädiert, muss aktiv begründen, welche positiven Werte er mit Hindenburg verbindet. Die Benennung ist jetzt ein symbolischer, geschichtspolitischer Akt, mit dem man eine Botschaft sendet.

Welche Argumente sprechen dafür, dass der Hindenburgplatz umbenannt wurde und den Namen Schlossplatz behält?

Es gibt einmal jüngere Erkenntnisse, wonach Hindenburg durchaus verantwortlich zu machen ist für die Kanzlerschaft Hitlers. Er war keineswegs senil oder unfähig, sein eigenes Handeln zu übersehen. Das hat beispielsweise Wolfram Pyta in seiner Hindenburg-Biographie beschrieben. Hindenburg ist zudem eine zutiefst antiparlamentarische und antidemokratische Figur, der nur unwillig die Regeln der demokratischen Verfassung zur Kenntnis genommen hat. So gratulierte er 1934 Hitler sogar nach dem sogenannten Röhm-Putsch, mit dem sich Hitler in Wirklichkeit durch Mord zahlreicher Gegner entledigte. Er zeigte großes Verständnis für diese Aktion, unter anderem mit dem Hinweis: „Ohne Blutvergießen geht es nicht“.

Wie erklären Sie sich, dass es nachdem Stadtratsbeschluss eine solch heftige Reaktion aus Teilen der Bürgerschaft gibt?

Ich glaube, die Mehrzahl dieser Bürger bringt damit ihre Politikverdrossenheit zum Ausdruck. Sie fühlen sich durch politische Entscheidungen wie die Umbenennung überfahren, sind von einem diffusen Unmut gegen die Komplexität der heutigen Welt geprägt. Sie sehnen sich danach, in einer bestimmten Frage ein klares Ja oder Nein sagen zu können – das ist im Streit um den Hindenburgplatz leichter und direkter möglich, als zum Beispiel einen klaren Standpunkt für oder gegen den Euro-Rettungsschirm zu entwickeln. Insgesamt ist es eine durchaus konservative Bewegung, die im Randbereich auch rechte Tendenzen hat. Der Riss geht dabei quer durch die CDU, die auch den Bürgermeister stellt, der für den Schlossplatz wirbt. Von der Mitte nach links sind, soweit ich sehe, alle für den Schlossplatz, rechts von der Mitte für den Hindenburgplatz.

Das ganze Interview: „Hindenburg ist eine zutiefst antidemokratische Figur“ (Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger, in: Damals 08/2012)