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Münster (upm/bn)

Die Ausbreitung der griechischen Kultur

Altphilologe Prof. Martin Sicherl gestorben

Prof. Dr. Martin Sicherl, Emeritus für Klassische Philologie und ehemaliger Direktor des Instituts für Altertumskunde der Westfälischen Wilhelms-Universität, ist am 11. Oktober im Alter von 94 Jahren gestorben. Fast 20 Jahre lang, von seiner Berufung 1963 bis zu seiner Emeritierung 1982, hat er die Geschichte dieses Instituts gelenkt. Unter seiner Leitung wurde es eine in der Fachwelt anerkannte Lehr- und Forschungsstätte der Klassischen Philologie.

Geboren in Mirschowitz/Westböhmen, studierte Martin Sicherl von 1933 bis 1937 an der Deutschen Universität Prag. Seine Dissertation über die griechischen Zauberpapyri brachte ihm ein Jahresstipendium in Rom ein. Dort entdeckte der junge Wissenschaftler sein eigentliches Arbeitsfeld, die Erforschung der griechischen und lateinischen Handschriften. Der Kriegsausbruch bedeutete eine jähe und langjährige Unterbrechung der wissenschaftlichen Arbeit, die Martin Sicherl erst 1950 an der Universität Mainz, wo er sich 1955 auch habilitierte, fortsetzte. 1963 folgte er dem Ruf an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster.

In den zwei Jahrzehnten seiner Tätigkeit in Münster vertrat Martin Sicherl sein Fach in großer Breite, die sich von der frühgriechischen Lyrik bis hin zu den Humanisten spannte. Sein Hauptarbeitsgebiet blieb dabei die in Rom begonnene Erforschung der Überlieferungsgeschichte der antiken Autoren und die Ausbreitung der griechischen Kultur in Westeuropa durch den Humanismus. Viele Jahre hindurch ist Prof. Sicherl auch Leiter der Sektion für Altertumswissenschaft - Abteilung Klassische Philologie - in der Görres-Gesellschaft gewesen, an deren Gründung er maßgeblich beteiligt war und die unter seiner Ägide einen deutlichen Aufschwung erlebte.

Den Studierenden der Fächer Griechisch und Latein vermittelte er mehr als die reine Kenntnis der Sprache, er vermochte in ihnen auch die Begeisterung für die Antike und ihre Nachwirkungen zu wecken. Viele seiner Schüler erinnern sich gern an die zahlreichen Exkursionen, die zur Untersuchung antiker Handschriften zu Forschungsstätten und Archiven im In- und Ausland führten. Dazu gehörten auch regelmäßige Exkursionen nach Sizilien, wo Prof. Sicherl seine Studenten in die Geschichte und Kultur Großgriechenlands einführte.

Von der Görres-Gesellschaft mitgetragen ist ein großes Forschungsvorhaben, das sich die erste kritische Ausgabe der Gedichte des griechischen Kirchenvaters Gregor von Nazianz zum Ziel gesetzt hat und dessen Gründer und Leiter Prof. Sicherl ist. Die Ergebnisse erscheinen in der Reihe "Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums", in der einzelne Gedichte in kommentierten Ausgaben vorliegen.

Prof. Sicherl hat seit seiner Habilitationsschrift über die Überlieferung von Jamblichos "De mysteriis" der Forschung ein neues Feld geöffnet, weil er Überlieferungsgeschichte und Kulturgeschichte, Kodikologie und Griechischen Humanismus miteinander verbunden hat. Diese neue Methode hat ihm international ein hohes Ansehen gebracht. Sie ist von etlichen jüngeren Forschern aufgegriffen worden und gilt heute fast schon als eine Selbstverständlichkeit. An der geplanten Neuedition der Gedichte Gregors von Nazianz hat er bis zum Ende seines Lebens unermüdlich gearbeitet.

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