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Rasante Fortschritte auf einem steinigen Weg

Mit den Lebenswissenschaften spielt die Universität Münster in der ersten Liga
Wl 1101 Thema Gesundheit

Gesundheitsforschung beginnt im Kleinsten: mit dem Blick in die einzelne Zelle

Foto: pg

Im Jahr 2050 wird etwa jeder dritte Bürger in Deutschland 65 Jahre oder älter sein. Die Zahl der Menschen, die an Demenz, Parkinson, Herzinsuffizienz oder Krebs erkranken, steigt. Das stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen – insbesondere die Medizin. Je früher eine Erkrankung erkannt wird, desto besser ist sie behandelbar. Daher sind neue Methoden der Diagnostik gefragt. Und noch dauert es mindestens zehn Jahre, bis eine Erkenntnis aus der Grundlagenforschung in eine verbesserte Therapie für die betroffenen Patienten mündet. Was können wir tun, um diese Zeitspanne zu verkürzen? Und wie kann Forschung dafür sorgen, dass wir gesünder altern und uns auch als Senioren noch einer hohen Lebensqualität erfreuen? Spannende Fragen, die jeden angehen. In Münster laden die Medizinische Fakultät und das Universitätsklinikum Münster die Öffentlichkeit dazu ein, sich im Wissenschaftsjahr 2011 über den aktuellen Stand der Forschung für unsere Gesundheit zu informieren.

"Bei der sogenannten Schweinegrippe haben wir bisher extremes Glück gehabt"

In den 85 Jahren ihres Bestehens hat sich Münsters Hochschulmedizin nicht nur national einen Spitzenplatz erarbeitet, auch weltweit ist sie hervorragend vernetzt und wettbewerbs-fähig. Schwerpunkte sind: Die Entzündungen und Transplantationen, die Erkrankungen des Herzens und des Gefäßssystems, die Neurowissenschaften, Onkologie sowie die Reproduktionsmedizin und Stammzellforschung. Der Trend zur Forschung im Verbund wurde früh erkannt. "Die Hochschulmedizin in Münster ist einer der Standorte mit den meisten Mitgliedschaften in Wissenschaftsverbünden", sagt der Prorektor für Forschung der WWU, Prof. Stephan Ludwig. Er betont zugleich die Bedeutung dieses Fachs für die Hochschule: "Die Lebenswissenschaften sind einer von fünf Bereichen, die wir strategisch weiterentwickeln möchten."

Stephan Ludwig, Direktor des Instituts für Molekulare Virologie, gehört selbst zu den führenden Influenza-Forschern. Mit dem FluResearchNet koordiniert er eine von drei nationalen Forschungsplattformen des Bundesforschungsministeriums, die von Münster aus geleitet werden. "Bei der so genannten Schweinegrippe haben wir bisher extremes Glück gehabt", betont er. "In vielen Fällen stehen wir aufgrund der entstandenen Resistenzen heute bei der Bekämpfung von Infektionen mit leeren Händen da." Der Virologe forscht nach Alternativen zu Tamiflu und konzentriert sich dabei auf Extrakte aus Pflanzen.

Lebenswissenschaftler, das sind nicht nur Mediziner und Biologen, sondern auch Chemiker und Pharmazeuten.  Bei der Lösung technischer Probleme wie der Aufbereitung und Visualisierung riesiger Datenmengen sind sie auf das Fachwissen ihrer Kollegen aus der Physik, Mathematik und Informatik angewiesen. Und das Teamwork endet auch nicht an den Grenzen der Institution. Alle Wissenschaftlichen Einrichtungen und Unternehmen, die sich in Münster mit Gesundheitsforschung beschäftigen, ziehen mittlerweile an einem Strang. Dabei werden sie von der Stadt und dem Land tatkräftig unterstützt. Im Frühjahr wird auf dem Gelände des Technologiehofes mit dem Bau des Nanobioanalytik-Zentrums begonnen. Damit macht Münster deutlich, dass es auch bei dieser zukunftsträchtigen Schlüsseltechnologie in der ersten Liga mitspielen will.

An der Medizinischen Fakultät haben sich in den vergangenen 20 Jahren – vor allem auch durch die Arbeit in mehreren thematisch darauf bezogenen Sonderforschungsbereichen und Graduiertenkollegs – zwei herausragende schwerpunktübergreifende Themen herauskristallisiert: die chronisch-entzündlichen Erkrankungen und die molekulare Bildgebung.

Chronische Entzündungen, das weiß man heute, sind für eine Vielzahl so unterschiedlicher Erkrankungen wie Morbus Crohn, Multiple Sklerose, Rheuma, Neurodermitis, Parodontitis oder Herzinfarkt mit verantwortlich. Die Initialzündungen für den Ausbau dieses Forschungsfeldes waren die Gründung des Zentrums für Molekularbiologie der Entzündung  mit fünf Lehrstühlen sowie des Interdisziplinären Zentrums für Klinische Forschung. Letzteres wurde Mitte der 90er-Jahre als eine Art Modellprojekt mit Mitteln des Bundes aufgebaut. Gemäß dem Motto "die Stärken stärken" initiierte es einen fakultätsinternen Wettbewerb um zusätzliche Gelder für aussichtsreiche Forschungsprojekte, wobei insbesondere der wissenschaftliche Nachwuchs verstärkt in den Blick genommen wurde. Eine weitere wichtige Einrichtung ist das "European Institute for Molecular Imaging", an dem mehrere Fakultäten der WWU beteiligt sind. Seine Gründung im Jahr 2007 wäre ohne die umfassende Vorarbeit des Sonderforschungsbereichs 656 "Molekulare kardiovaskuläre Bildgebung" nicht möglich gewesen.

"Mit Cells-in-Motion wollen wir die exzellente Forschung in den einzelnen Schwerpunkten bündeln"

Im Herbst 2010 haben sich die Spitzenforscher der Lebenswissenschaften um eine Förderung im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundesforschungsministeriums beworben. "Cells-in-Motion" nannten die Wissenschaftler ihren Antrag. "Damit wollen wir die exzellente Forschung in den einzelnen Schwerpunkten bündeln und unter ein gemeinsames Dach stellen", betont Prof. Peter Wieacker, Forschungsdekan der Medizinischen Fakultät.
Zellen bilden die elementaren Strukturen des Lebens. Die Wissenschaftler des "Cells in Motion"-Clusters analysieren, wie sie sich ausdifferenzieren und was in ihnen und zwischen ihnen vor sich geht. Aus ursprünglich pluripotenten Stammzellen werden bei der embryonalen Entwicklung spezialisierte Zellen. Sie bilden die Gewebe und Organe. Jede lebende Zelle ist fähig, Reize aus ihrer Umgebung wahrzunehmen, diese zu deuten und mittels Botenstoffen mit anderen Zellen zu kommunizieren. Das Entschlüsseln des molekularen Aufbaus dieser Botenstoffe, der Rezeptoren an den Zellwänden und der extrazellulären Matrix, des Raums zwischen den Zellen, verhilft den Grundlagenwissenschaftlern zu einem tieferen Verständnis der Krankheitsursachen.

Petra Conradi

www.uni-muenster.de/cim