Grafschaft Rietberg
Kartengrundlage: Nicolas Sanson d’Abbeville, Cercle de Westphalie, dat. 1659, erschienen 1675, Ausschnitt bearbeitet
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Grafschaft Rietberg

Reformierender Landesherr: Otto III. von Rietberg, reg. 1516–1535, Johann II. von Rietberg, reg. 1553–1562, Agnes von Rietberg, reg. 1562–1566
Reformator: /
Kirchenordnung: 1573/81

  • Der Reformationsprozess bis 1545

    Wie eng die Einführung der Reformation mit dem persönlichen Kirchenregiment des jeweiligen Landesherrn verknüpft war, zeigt sich deutlich am Beispiel der Grafschaft Rietberg. Während sich etwa in Bentheim und Tecklenburg die Reformationsprozesse innerhalb eines überschaubaren Zeitraums ereigneten und zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht wurden, zog sich die Reformation in Rietberg über eine Spanne von 60 Jahren hin; erstaunlich zudem, weil es sich bei diesem Territorium mit einer Fläche von lediglich rund 300 Quadratkilometern um eines der räumlich kleinsten in Westfalen handelte, das zunächst nur zwei Pfarreien umfasste. Die Ursache hierfür war ein Erbkonflikt im Grafenhaus.

    Den Anstoß zu reformatorischen Maßnahmen gab die persönliche Verbindung mit dem Landgrafen Philipp von Hessen (1504–1567), denn Rietberg war seit 1456 hessisches Lehen. Später werden Einflüsse der Grafen von Hoya durch eheliche Verbindungen deutlich.
    1529 setzte Otto III. († 1535, Regent seit 1516) den Herforder Magister Hieronymus Grest, natürlicher Sohn des Herforder Dechanten und Ibbenbürener Pfarrers Johann Grest, als Hofprediger und als Erzieher seiner beiden Söhne ein. Grest hatte in Wittenberg Theologie und alte Sprachen studiert und war in diesem Kontext mit Luthers Lehre in Berührung gekommen. Er blieb aber nur für kurze Zeit in Rietberg. 1535 nahm Otto den aus Lippstadt vertriebenen Wilhelm Cappel auf und berief ihn zum „Hilfsprediger“ (adjunctus) des Neuenkirchener Pfarrers; ein zweiter aus Lippstadt vertriebener Prädikant wurde ebenfalls 1535 zum Prediger in Rietberg ernannt. Doch als der Graf im gleichen Jahr starb, führten Erbstreitigkeiten zwischen den Söhnen Ottos, den aus erster Ehe stammenden Otto IV. († 1552) und dem von seiner Mutter Anna, der zweiten Ehefrau, vertretenen minderjährigen Sohn Johann († 1562), dazu, dass bis 1555 die Reformation von Seiten der Grafen nicht weiterbetrieben wurde. Ersterer bekannte sich 1537 zur Reformation. Gegen die Einflussnahmen des Lehnsherrn, des hessischen Landgrafen Philipp, der 1537 die Assistenz seiner Theologen und eine Visitation (!) angeboten hatte, paktierte Otto IV. mit katholischen Landesherren, um seinen Anspruch auf eine ungeteilte Landesherrschaft aufrechtzuerhalten. Die Reformation geriet darüber in den Hintergrund.

  • Der Reformationsprozess bis 1565

    Erst nach dem Tod Ottos 1552 konnte Johann die ungeteilte Herrschaft übernehmen und setzte 1555 den lutherischen Prediger Bernhard Elbertz, der zuvor in Lemgo gewirkt hatte, zum Pfarrer von Rietberg ein. Da Johann 1557 wegen einer Fehde in Gefangenschaft kam und 1562 – zwei Jahre nach seiner Entlassung – starb, kam es wiederum zu keinen weiteren Schritten.

  • Der Reformationsprozess bis 1590

    Weitere Maßnahmen unternahm erst die Witwe Johanns, Agnes von Bentheim († 1589), die nach dem Tode von Elbertz 1568 den gebürtigen Lemgoer und Konrektor der Osnabrücker Domschule, Simon Hagemann, berief. Dieser war als Lutheraner bekannt. Für das persönliche Kirchenregiment von Gräfin Agnes spricht auch, dass sie um 1570 bzw. 1577 die Verler Annenkirche und die Antoniuskapelle in Mastholte zu Pfarrkirchen erhob. Auch die Pfarre Neuenkirchen war 1563 mit einem Lutheraner besetzt worden, und zwar gegen den Willen des Kollators, des Wiedenbrücker Aegidiistifts. Es handelte sich um Jost Wetter, den Secretarius des kleinen Ländchens. Wetter stellte einen Vizekuraten ein. Dieser, Oliver von der Marsch, wurde nach dem Tode Wetters durch den lippischen Grafen Simon (s.u.) 1582 zum Pfarrer ernannt.
    Die skizzierte neue Pfarrstruktur ließ Hagemann faktisch in die Stellung eines Superintendenten hineinwachsen, nicht zuletzt auch deshalb, weil der Ehegatte von Armgard († 1584), der erbberechtigten Tochter von Johann und Agnes, Erich V. von Hoya († 1535–1575), 1573 die Hoyasche Kirchenordnung eingeführt hatte. Zumindest wurde diese laut Titel mit dem Anspruch versehen, Rietberg einzubeziehen: „Kirchenordnung der Graff- und Herrschaften Hoya, Rittpergh, […]“. Diese Kirchenordnung wurde 1581 durch die „verbesserte“ Ordnung des Grafen Otto VIII. von Hoya (1530–1582) ersetzt. Dieser war der Bruder Erichs und Ehemann von Agnes, der Witwe Johanns. Nach dem Tode Erichs heiratete Armgard 1578 den lippischen Grafen Simon VI. (1554–1613) – diese zweite Ehe blieb ebenso wie die erste kinderlos –, doch starb sie schon 1584. So blieb als Erbin der Grafschaft nur Armgards Schwester Walburgis (* 1556), die 1577 den Grafen Enno von Ostfriesland (1563–1625) geehelicht hatte. Sie starb 1586, drei Jahre vor ihrer Mutter Agnes.

  • Der Reformationsprozess bis 1650

    Im Jahr 1600 wurde der Tochter von Walburgis und Enno namens Sabina-Katharina (1582–1618) im sogenannten Berumer Vertrag die Grafschaft Rietberg vermacht, allerdings unter der Bedingung, dass sie den Bruder Ennos, Johann (1566–1625), also ihren Onkel, ehelichte. Da eine solche Verwandtenehe nur nach Erhalt eines päpstlichen Dispenses in Verbindung mit einem kaiserlichen Konsens möglich war, hatten die Grafentochter und ihr künftiger Gemahl zum Katholizismus zu konvertieren. Ein münsterischer Jesuit kam als Hofprediger nach Rietberg; 1601 fand die Hochzeit statt – die Rekatholisierung begann. 1610 erfolgten die Wiederweihe der Kirchen und die Einführung der Fronleichnamsprozession.

    Fragt man im Anschluss an dieses dynastische Verwirrspiel nach den Strukturmerkmalen der Reformation im Kleinstterritorium Rietberg, so lässt sich wie in Tecklenburg die Besetzung der Pfarrstellen als Instrument festhalten. Zudem ist ein Ausbau der Anzahl der Pfarrstellen (von zwei auf vier) anzuführen. Einen eigentlichen Reformator aber scheint es nicht gegeben zu haben. Explizit für das Territorium gültige Kirchenordnungen sind erst für 1573/81 belegt, doch waren sie ursprünglich für die Grafschaft Hoya konzipiert. Hinzu kam, dass die Territorialverwaltung kaum ausgebaut war. Eine Kirchenbehörde konnte sich nicht entwickeln. So hing alles an der persönlichen Verbindung von Grafen/Gräfinnen und ihren Pfarrern.

Literatur

Alois Schröer, Die Reformation in Westfalen. Der Glaubenskampf einer Landschaft, Bd. 1, Münster 1979, S. 134 – 139.

Werner Freitag, Die Reformation in Westfalen. Regionale Vielfalt, Bekenntniskonflikt und Koexistenz, Münster 2016, S. 182 – 184.

URL zur Zitation: www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/reformation-in-westfalen/Reformation_in_Westfalen/territorienderreformation/gftrietberg/index.html