(C2-30) Vorurteile, Verschwörungstheorien und negative Stereotype: Der Einfluss individueller und kontextueller religiöser Faktoren

Vorurteile, Verschwörungstheorien und negative Einstellungen gegenüber als kulturell anders wahrgenommenen Gruppen / kulturellen Minderheiten stehen in engem Zusammenhang mit autoritären politischen Einstellungen, mit der Zustimmung zum Einsatz von Folter und militärischer Gewalt oder zur Einschränkung von Grundrechten für bestimmte Bevölkerungsgruppen. In Zeiten von „fake news“ und post-faktischer Politikgestaltung stellen die Projektleiter Prof. Dr. Mitja Back und Prof. Dr. Bernd Schlipphak die Frage: Welche Faktoren bedingen, ob BürgerInnen Vorurteile, Verschwörungstheorien und negative Stereotypen von Minderheiten (VVS) wahrnehmen und sich zu eigen machen?

In diesem interdisziplinären Überbrückungsprojekt sollen für eine Antwort zwei Argumentationsstränge erstmalig in Zusammenhang gesetzt werden. Aus psychologischer Sicht spielen individuelle Prädispositionen sowie Faktoren im Rahmen der individuellen Identitätsbildung eine wichtige Rolle. Die Politikwissenschaft weist demgegenüber der Kommunikation von politischen und gesellschaftlichen Akteuren – und damit auch dem gesellschaftlichen Kontext eines Individuums– einen großen Einfluss auf die Wahrnehmungen in der Bevölkerung zu. Beide Perspektiven – die individuelle psychologische und die kontextuelle politikwissenschaftliche – zusammenführend, argumentieren die Projektleiter, dass die Kombination aus individuellen Vorprägungen und Elitenkommunikation ausschlaggebend für die Wahrnehmung von VVS und damit auch für die oben skizzierten, mit VVS verbundenen politischen Einstellungen sind.

Religion, religiöse Vorstellungen und religiöse Diskurse haben in diesem Argument an zwei Stellen eine fundamentale Bedeutung für die Stimulation, Eindämmung und Modifikation von VVS. Zum einen deuten Studien auf einen Zusammenhang zwischen Religiosität und religiösen Vorstellungen (Providentialismus, Glaube an Engel und Teufel) und der Ausprägung einer sogenannten „conspiracy mentality“ hin. Allerdings scheinen unterschiedliche gesellschaftlich-religiöse Kontexte zu entgegengesetzten Effekten zu führen. Effekte von Religiosität auf der individuellen Ebene sollten also durch den religiösen Kontext moderiert werden.

Zum anderen haben Studien zur Kommunikation von politischen und gesellschaftlichen Akteuren gezeigt, dass zur Überzeugung der BürgerInnen explizite und implizite religiöse Bezüge in ganz unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden. Die Wirkungsrichtung und -kraft dieser religiösen Bezüge scheint aber durch individuelle Prädispositionen und religiöse Überzeugungen eingeschränkt zu sein. Effekte der medialen Vermittlung von Religion und Religiosität auf kontextueller Ebene sollten also durch individuelle Religiosität moderiert werden. Zusammenfassend ist daher zu erwarten, dass die gleichzeitige Betrachtung von Religion und Religiosität auf individueller und kontextueller Ebene ein vertieftes Verständnis für die Entstehung und Aufrechterhaltung von VVS ermöglicht. Damit soll das Projekt wesentlich zum Verständnis der Eskalation versus Eindämmung religiös und politisch motivierter Konflikte und Gewalt beitragen.

Zur Untersuchung dieser Fragestellungen sollen zum einen Sekundärdaten aus beiden Disziplinen ausgewertet , zum anderen Survey-Experimente in Deutschland und Polen sowie in Jordanien und Libanon durchgeführt werden. Die gewählten Länder spiegeln eine Vielfalt an Staaten mit unterschiedlich starken Eliten, die VVS kommunizieren, und unterschiedlich religiösen Kontexten wieder.