Von antiken Kulten bis zu Jesuiten in Chile

Weitere Dissertationsprojekte in der Graduiertenschule abgeschlossen

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In der Graduiertenschule sind weitere Dissertationen zum Abschluss gekommen

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In der Graduiertenschule des Exzellenzclusters sind weitere Forschungsprojekte zum Abschluss gekommen. Die Bandbreite der Themen reicht vom politischen Einfluss der jesuitischen Ordensgemeinschaft in Chile über die Legitimation protestantischer Missionsarbeit um 1900 und Kants Philosophie der Erkenntnis bis zu religiösen Kulthandlungen im antiken Südbabylonien. Es handelt sich um folgende Arbeiten:

Die Dissertation „Gehorchen und Gestalten“ der Historikerin Antje Schnoor befasst sich mit politischen Haltungen und Aktionen der Jesuiten in Chile von 1962 bis 1983. Dies reicht von der christdemokratischen Regierung unter Eduardo Frei über die sozialistische Regierung unter Salvador Allende bis zur Militärdiktatur unter Augusto Pinochet. In diesem Zeitraum seien die Jesuiten als eigenständiger politischer Akteur aufgetreten und hätten sich oftmals für Demokratie und soziale Gerechtigkeit eingesetzt, schreibt die Wissenschaftlerin.

Die politischen Einstellungen der Ordensleute seien eng mit dem Wandel des jesuitischen Gehorsamskonzeptes verknüpft gewesen. „So lässt sich der jesuitische Einsatz für soziale Gerechtigkeit, der 1975 normativ als zentrale Aufgabe der Jesuiten verkündet wurde, als neue Form religiösen Gehorsams verstehen“, erläutert Antje Schnoor. „Zugleich spielte die Ordensgemeinschaft eine wichtige Rolle innerhalb der katholischen Kirche Chiles, da die Jesuiten die politische Positionierung der Bischofskonferenz stark mitbeeinflussten.“ Die Studie ergab weiter, dass die katholische Kirche in Chile nicht als einheitlicher Akteur auftrat und es auch aufgrund ihrer „institutionellen Heterogenität“ vielfältige Positionen gab. Der Untertitel der Dissertation lautet „Jesuiten und Politik in Chile unter Frei, Allende und Pinochet“.

Die Historikerin und Skandinavistin Hanna Acke untersucht in ihrer Promotionsstudie, wie die schwedische Missionsorganisation „Svenska Missionsförbundet“ (Der Schwedische Missionsbund) in ihren Publikationen um 1900 die protestantische Missionsarbeit in Asien und Afrika darstellte und rechtfertigte. Dazu kombiniert Acke sprach- und geschichtswissenschaftliche Methoden. Sie macht sprachliche Muster und Strukturkontinuitäten sichtbar, die Sprecher nutzten und nutzen, um ein bestimmtes Wissen als gültig zu konstruieren. Um die christliche Missionsarbeit etwa im Kongo und in China als notwendig darzustellen, wird demnach in den Missionspublikationen eine (Wissens‐)Gemeinschaft konstruiert, die eigene Position mit besonderer Autorität versehen und komplexe Sachverhalte werden vereinfacht dargestellt.

„Dass die christlich-religiösen Vorstellungen mit kolonialistischen, rassistischen Überlegenheitsvorstellungen verflochten waren, trug ebenfalls dazu bei, die Missionsaktivität zu rechtfertigen“, so die Wissenschaftlerin. Für Schweden sei die Missionsarbeit als Form von Kolonialismus zu betrachten, da sie eine Verankerung des Landes im europäischen kolonialen Überlegenheitsdiskurs ermöglicht habe. Die Dissertation trägt den Titel „‚Bis ans Ende der Erde.‘ Die diskursive Legitimierung christlicher Mission in den Publikationen von Svenska Missionsförbundet um 1900“.

In seiner Dissertation „Erkenntnis und Funktion“ stellt Philosoph Martin Bunte die Frage in den Mittelpunkt, ob die Philosophie der Erkenntnis des deutschen Philosophen Immanuel Kant (1724–1804) beweisbar vollständig und in sich geschlossen ist. Dies gehört seit jeher zu den zentralen Herausforderungen der Kant-Forschung, wie der Wissenschaftler erläutert. So gebe es bislang keinen konsistenten Beweis für die Geschlossenheit von Kants „Urteilstafel“, die die Tätigkeit des Verstandes systematisch ordne. Aus der bisherigen Forschung hebt Martin Bunte den Ansatz hervor, dass der Beweis vom transzendentalen Selbstbewusstsein ausgehen müsse. Eine aus systematischer und exegetischer Sicht befriedigende Lösung könne ihren Ausgangspunkt nur in den Aussagen von Kants Werk „Kritik der reinen Vernunft“ (1781/1787) haben.

In Abkehr zu bisherigen Überlegungen muss, wie der Autor schreibt, jedoch ein wirklicher Beweis „nicht bloß als Plausibilisierung eines vom transzendentalen Korpus losgelösten Theorieelementes angesehen werden, sondern sich auf die Idee des Systems als Ganzes beziehen“. Insofern sei der Beweis weniger Zugabe als Fundierung des kantischen Programms. Die interpretierend ausgerichtete Studie trägt den Untertitel „Zur Frage der Vollständigkeit und Geschlossenheit von Kants Philosophie der Erkenntnis“.

Mit einer Verschiebung religiöser Kulte in der südbabylonischen Stadt Uruk auf dem Gebiet des heutigen Irak befasst sich die englischsprachige Promotionsarbeit von Assyriologin Julia Krul erstmals systematisch und umfassend. Dort sei etwa 250 vor Christus der Himmelsgott Anu mit der ebenso alten Stadtgöttin Ischtar als lokal wichtigste Gottheit in Konkurrenz getreten, so die Wissenschaftlerin. Im Zentrum ihrer Studie steht eine mit dem Anukult wiedereingeführte nächtliche Feuerzeremonie. So schildert eine von Krul neu übersetzte Tontafel, die zur Sammlung des Museums Louvre in Paris gehört, ein Nachtritual, in dem bestimmte kultische Handlungen wie Tieropfer, Gesänge oder das Entzünden von Feuern zur Ehre des Gottes Anu ausgeführt wurden, sobald bestimmte Sterne am Himmel zu sehen waren.

Die Assyriologin deutet dieses Ritual als ein Winterfest, das im Zusammenhang mit der Wintersonnenwende gefeiert wurde. Sie erörtert in ihrer Arbeit auch, inwiefern die breiteren politischen Umstände – etwa königliche Religionspolitik und die Autonomie der lokalen Oberschicht – die religiösen Entwicklungen in Uruk beeinflussten. Die Studie trägt den Titel „‚The Beautiful Image Has Come Out‘: The Nocturnal Fire Ceremony and the Revival of the Anu Cult at Late Babylonian Uruk“ („Das schöne Bild ist zum Vorschein gekommen“: Die nächtliche Feuerzeremonie und die Wiederbelebung des Kultes des Gottes Anu im spätbabylonischen Uruk). (han/vvm)