DAVO-Dissertationspreis für Islamwissenschaftler Preuschaft

Studie über Religion, Staat und Gesellschaft im saudischen Königreich ausgezeichnet

Menno-preuschaft

Menno Preuschaft

Mit dem Dissertationspreis der „Deutschen Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient für gegenwartsbezogene Forschung und Dokumentation (DAVO)“ ist Islam- und Politikwissenschaftler Menno Preuschaft vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster ausgezeichnet worden. Die Arbeit befasst sich mit dem Einfluss religiöser Vielfalt auf Identitätsdebatten im heutigen Königreich Saudi-Arabien. Sie entstand am Exzellenzcluster im Forschungsprojekt D12 „Vergleichende Studie zu Strategien der Pazifizierung religiöser Geltungsansprüche“. Die Studie mit dem Titel „Religion, Nation und Identität. Eine Untersuchung des zeitgenössischen saudischen Diskurses zum Umgang mit religiöser Pluralität“ erscheint Ende 2014 im Ergon-Verlag.

Der Forscher erhielt den mit 1000 Euro dotierten Preis im Rahmen des 21. DAVO-Kongresses in Köln. Der größte nationale wissenschaftliche Verband zur Orientforschung in Europa verlieh den jährlich vergebenen Preis zu gleichen Teilen auch an den Islamwissenschaftler Dr. Olaf Köndgen von der Amsterdam School for Cultural Analysis der Universität Amsterdam und die Politikwissenschaftlerin Dr. Irene Weipert-Fenner von den Universitäten Frankfurt und Marburg. Der Vorsitzende der DAVO, Geograph Prof. Dr. Günter Meyer von der Universität Mainz, bezeichnete die Arbeit in der Laudatio als „innovative Pionierleistung“. Die Dissertation widme sich in wissenschaftlich überzeugender Weise dem zeitgenössischen saudischen Diskurs zum Umgang mit innerislamischer Pluralität.

Preuschaft hat für seine Studie Publikationen staatlicher und halb-staatlicher Einrichtungen wie dem „King Abdulaziz Center for National Dialogue (KACND)“ ausgewertet. Hinzu kamen Texte von religiösen Gelehrten unterschiedlicher Konfession sowie von saudischen Intellektuellen. Ergänzend führte der Islamwissenschaftler im Rahmen eines Forschungsaufenthalts in Saudi-Arabien Interviews mit Vertretern der jeweiligen Gruppierungen.

„Das saudische Königreich sah sich um den Jahrtausendwechsel internationalen Vorwürfen der islamistischen Terrorförderung ausgesetzt“, erläutert der Autor. „Zugleich wurde es aber selbst Zielscheibe djihadistischer Angriffe.“ Daraufhin sei im Land eine lebhafte Diskussion über das Verhältnis von Religion, Staat und Gesellschaft entbrannt, die in der Gründung des KACND im 2003 gebündelt worden sei. Die Arbeit analysiert die dortigen Debatten und fragt, inwieweit sie sich angesichts eines starken, exklusivistischen Wahrheitsanspruches der staatlich protegierten wahhabitischen Lesart des Islams als Diskurs über die nationale Identität und das Verständnis der religiösen Lehren darstellen.

Die Untersuchung weist auf ein grundlegendes Interessendilemma im saudischen Identitätsdiskurs hin, wie Preuschaft darlegt. Es äußere sich im Spannungsfeld zwischen dem Interesse der Bewahrung religiös begründeten Kollektiv-Identität, der innersaudischen Vielfalt und einer Öffnung gegenüber der internationalen Gemeinschaft. „Als Auflösung des Dilemmas werden religiös begründete Toleranz- und Dialogkonzepte entwickelt und mit Forderungen nach größerer politischer Partizipation verbunden.“ Angesichts der derzeitigen Entwicklungen in der Nahost-Region dürfe die frühzeitige Hinwendung des Königshauses zum Dialogprojekt zumindest als vorausschauender Blick der Stabilitäts- und Machtkonsolidierung gewertet werden. Darin liegt nach Einschätzung des Wissenschaftlers Potential, die soziale und politische Identität auf Basis eines „toleranten und pluralitätsinklusiven Islamverständnisses“ neu zu definieren. (bhe/vvm)