Die Macht der Nonnen

Historikerin Prof. Dr. Eva Schlotheuber über den Einfluss von Frauenklöstern im Mittelalter

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Prof. Dr. Eva Schlotheuber

Die Düsseldorfer Historikerin Prof. Dr. Eva Schlotheuber hat in der Ringvorlesung „Religion und Geschlecht“ des Exzellenzclusters über den gesellschaftlichen Einfluss von Frauenklöstern im Mittelalter gesprochen. „Nonnen waren ein wichtiger und wirkmächtiger Bestandteil des sozialen, religiösen und kulturellen Lebens“, sagte die Wissenschaftlerin. Die gesellschaftliche und politische Rolle und das Selbstverständnis der oftmals hochgebildeten Frauen hätten sich im Wechselspiel mit den religiösen und sozialen Strukturen und Bedürfnissen ständig verändert. Prof. Schlotheuber nahm in ihrem Vortrag Frauenklöster vom 10. bis zur Umbruchzeit des 12. und 13. Jahrhunderts in den Blick.

Geistliche Frauen übernahmen im 10. Jahrhundert nicht nur die Bildung der Mädchen und Frauen der Oberschicht, sondern hatten auch erheblichen politischen Einfluss durch ihre Nähe zu den Herrscherhäusern, der weit über die Klostermauern hinausreichte, wie Prof. Schlotheuber sagte. „So begleitete Äbtissin Mathilde von Quedlinburg den römisch-deutschen Kaiser Otto II. auf seinen Italienzügen und fungierte als tatkräftige Stellvertreterin von Otto III. in Sachsen.“ Die enge Verbindung der Nonnen zur Reichspolitik und ihr freies Leben stießen jedoch im 11. und 12. Jahrhundert auf kirchliche Kritik.

„In einer tiefgreifenden Klosterreform beschränkte die Kirche die Macht der Frauen auf ein Wirken innerhalb der Ordensmauern.“ Das religiöse Leben der Nonnen durfte sich laut der Historikerin nur noch in Keuschheit, Gehorsam, Disziplin und Regeltreue im Kloster als „Braut Christi“ entfalten. Die männlichen Pröpste hätten nach der Reform wie ein Vormund für die Nonnen öffentliche Aufgaben übernommen, sagte sie. „Den Gebeten und Fürbitten der geistlichen Frauen kam in den Augen der Zeitgenossen jedoch die höchste Wirksamkeit zu, was ihnen wiederum besonderes Ansehen und eine hohe soziale Stellung einbrachte.“

Blütezeit der religiösen Frauenbewegung

Das veränderte Ideal der Nonne läutete eine neue „Blütezeit der religiösen Frauenbewegung“ ein, wie die Forscherin darlegte. „Zahllose Frauen aus allen Schichten wollten die neuen religiösen Möglichkeiten, die die Vorstellung von einer Brautschaft Christi und einem gleichsam intimen Verhältnis zum Gottessohn boten, aktiv mitgestalten.“ Gegen das streng gefasste Ideal der klausurierten Nonne habe sich im Laufe des 12. Jahrhunderts jedoch Widerstand geregt. Es seien viele zunächst halbreligiöse Laiengemeinschaften wie die Beginen entstanden, die in ordensähnlichen Hausgemeinschaften lebten. „Frauen entwickelten einen eigenen Zugang zu Gott, der nicht selten ohne Vermittlung oder Bestätigung durch die Kirchenhierarchie stattfand. Andere Frauen wie Clara von Assisi traten in den geistlichen Stand über und rangen um die Anerkennung ihrer besonderen Lebensform durch die Kirche – teilweise mit Erfolg“, so die Historikerin. Nicht wenige von ihnen hätten dabei jedoch die Lehrautorität der Kirche in Frage gestellt und seien als Häretiker verfolgt worden.

In diesen neuen Gemeinschaften wandten sich Frauen laut der Expertin vermehrt der Volkssprache zu, um sich damit vom gelehrten Latein des Klerus abzusetzen. „Eine radikale innere Hinwendung zu Gott ersetzte die gelehrte Bildung.“ Als sich die religiöse Armutsbewegung abschwächte, aus der beispielsweise die Magdalenengemeinschaften und die Clarissen hervorgegangen waren, begann die Kirche im Laufe des 14. Jahrhunderts die vielgestaltigen semireligiösen und religiösen Gruppenmehr und mehr festen Ordensregeln zu unterwerfen und sie in die Kirchenhierarchie einzugliedern.“

Prof. Schlotheuber ist seit 2010 Professorin am Institut für Geschichtswissenschaften der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Zuvor war sie Mitglied am Exzellenzcluster und ist weiterhin am Projekt „Goldene Pracht – Mittelalterliche Schatzkunst in Westfalen“ beteiligt.

Die Ringvorlesung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ befasst sich im Wintersemester 2011/2012 mit dem Verhältnis von Religion und Geschlecht. Unter dem Titel „Als Mann und Frau schuf er sie“ untersucht die Reihe, wie Religionen von der Antike bis heute die Geschlechterordnung beeinflussten. Zu Wort kommen Historiker, Soziologen, Theologen, Juristen, Ethnologen und Literaturwissenschaftler.
In der nächsten Woche, am 15. November, spricht der Islamwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Bauer zum Thema „Männerliebe in vormodernen und modernen islamischen Kulturen“. Der öffentliche Vortrag beginnt um 18.15 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22. (han)


Ringvorlesung „,Als Mann und Frau schuf er sie.‘ Religion und Geschlecht“

Wintersemester 2011/2012
Dienstag 18.15 bis 19.45 Uhr
Hörsaal F2 im Fürstenberghaus
Domplatz 20-22
48143 Münster