Habilitationsprojekt:
Arbeitstitel: Der männliche Weber im europäisch-mediterranen Hochmittelalter. Frühe Fallbeispiele für eine Globalgeschichte der Lohnarbeit.
Arbeiten wird in der westlichen Gesellschaft immer noch vorwiegend als Männersache und als Lohnarbeit konzipiert. Die männliche Lohnarbeit als Grundlage der Wirtschaft und der Gesellschaft wird allerdings heutzutage infrage gestellt. Sie sollte deswegen umso dringender historisiert werden. Wann und in welchem Kontext verbreitete sich die männliche Lohnarbeit? Für diese Frage erscheint die Textilarbeit ein signifikantes Fallbeispiel zu sein, da sie einerseits seit dem Frühmittelalter ursprünglich als Frauenaktivität angesehen und anderseits vermehrt auf Lohn bezahlt wurde. In der Karolingerzeit wurde die Textilproduktion von den Frauen erledigt, entweder als Heimarbeit oder in großen grundherrschaftlichen Werkstätten (genitia, pisiles), die dem Grundherrn gehörten. Noch lange nach der Karolingerzeit bleibt der Topos der textilverarbeitenden Frauen erhalten, so etwa in der altfranzösischen Literatur bis weit ins 13. Jahrhundert hinein und danach. Allerdings sind männliche Textilarbeiter im 13. Jahrhundert in ganz Europa keine Ausnahme mehr. Überall wo sich das Textilgewerbe als eine marktorientierte Wirtschaftsaktivität entwickelte, setzte sich nicht nur der massive Einsatz von Lohnarbeit durch, sondern auch die Beteiligung der Männer an der Textilarbeit, die somit den häuslichen Rahmen deutlich gesprengt hatte und zur Haupterwerbstätigkeit geworden war. Die männliche Lohnarbeit im Textilbereich entwickelte sich also im Lauf des Hochmittelalters. Ab wann und in welchen Orten verbreitete sie sich, aus welchen Gründen und welche gesellschaftlichen Folgen hatte sie? Der Lohnarbeiterstatus konnte als Befreiung im Vergleich zum Leibeigenen angesehen werden, er konnte aber auch zu neuen Abhängigkeits- und Ausbeutungsformen führen.
Ziel des Projekts ist es, frühe Erwähnungen von männlichen Webern zu erschließen und auf dieser Grundlage deren Arbeitsstatus zu untersuchen. Zuerst werde ich männliche Weber im nordwesteuropäischen Raum (römisch-deutsches Reich, Frankreich, Niederlande, England) zwischen dem 9. und dem 12. Jahrhundert erforschen. Diese sollen dann mit den männlichen Webern im islamischen Raum verglichen werden, die etwas früher – bereits im 9. Jahrhundert – in den Quellen vorkommen.