Forschungsperspektive

Das Denken der Moderne ist maßgeblich durch den Gedanken der Freiheit bestimmt. Dieser Gedanke formiert das Selbstverständnis und Handeln der Menschen und ist an der Leitidee von Humanität orientiert. Aus der Idee der Freiheit resultiert die innere Würde des Menschen als einzigartiger Person und zur Humanität gehört die Sorge um ein gutes und gelingendes Leben möglichst aller Menschen.

Dabei zeigt die Moderne auch eine Dialektik, die in Paradoxien führt. So kann die Freiheit Mehr

Forschungsprojekte

  • Christlicher Glaube in der anthropologischen Denkform der Freiheit (2000 ff.)

    Prof. Dr. Dr. Bernhard Nitsche:

    Freiheit ist der Leitbegriff der Moderne und Geschichte die konkrete Bestimmung der Denkform. Der christliche Glaube und seine zentralen Inhalte werden freiheitstheoretisch und in einer transzendental-geschichtlichen Denkform erkundet und begründet.

    Teilprojekt: Geschichtssensible Transformation des Transzendentalen:
    Ausarbeitung einer transzendental-geschichtlichen Methode der Theologie (1999,2015, 2026)

    Teilprojekt: Transzendentalphilosophie, Phänomenologie und Theologie
    Kooperation mit Prof. Dr. Alexander Schnell (Wuppertal)
    Projektmitarbeiter: Dr. phil. Dominic N. Ekweariri: 2023 Tagung; 2025 Tagungsband: Phänomenologie und Theologie.

    Teilprojekt: Der göttliche Freiheits-Grund von Dasein und Bewusstsein (2006-2026)

    Teilprojekt: Offenbarung, Christologie, Pneumatologie, Gottes- und Trinitätslehre in freiheitstheoretischer und transzendental-geschichtlicher Rekonstruktion (2000-2027)

  • Religionsphilosophie (abgeschlossen)

    © The New York Public Library

    Im Ausgang von der Verabschiedung des Subjekts in der späten Moderne (Jaques Derrida, Michel Foucault, Jean-François Lyotard) und seiner intersubjektiven Verwindung in der kommunikationstheoretischen Moderne (Karl-Otto Apel, Jürgen Habermas) werden sukzessive die uneingelösten Problemüberhänge herausgearbeitet, die dazu legitimieren, weiterhin von einer transzendentalen Subjektivität zu sprechen, die durch die Idee des Ich und die Idee der Freiheit qualifiziert ist und die ursprüngliche, spontane Selbstaktivität des Subjektes begründet, die allen biografisch und geschichtlich bestimmten Subjektivierungsweisen und kommunikativen Handlungen vorausliegt. Die Möglichkeit bewussten Lebens und die Subjektivität des Menschen wird im Konflikt zwischen egologischen (Hermann Krings) und nicht-egologischen (Dieter Henrich) Begründungsverfahren ausgelotet und hinsichtlich der Alternativen von transzendentaler Reduktion und metaphysischer Reduktion mit dem Ziel diskutiert, legitime Ansprechbarkeit für das Göttliche zu gewinnen. 

    Dabei zeigt sich der von Dieter Henrich ausgewiesene Grund im Bewusstsein durch ein Sich-Differenzieren bestimmt, dass ohne subjektive Aktivität kaum gedacht werden kann. Hier tritt ein Widerspruch zutage, insofern der Grund im Bewusstsein im Verfahren der Reduktion von anderer Art sein muss als menschliche Subjektivität, wohingegen er im Verfahren der Deduktion der All-Einheit entspricht, die alles in ihren Prozessen des Sich-Differenzierens entspricht. Angesichts dieser Problematik erscheint es legitim, auch die anonyme All-Einheit als subjektiven All-Geist unter der Idee von Freiheit zu verstehen. Zugleich wird dies zur Rückfrage, ob der Gedanke der Retroszendenz bei Krings geeignet ist, um die geforderte präreflexive Vertrautheit des Ich mit sich zu begründen.

    Der All-Geist unter der Idee von Freiheit kann mit Krings als Idee vollkommener Freiheit gedacht werden, die das Sinn ermöglichende und Sinn verbürgende der lebenspraktischen Vernunft darstellt. Von daher werden Weltanschauungen als Rahmen-Interpretationen der Lebenswelt wie des uneinholbar Umgreifenden (Karl Jaspers) oder Ganzen (Volker Gerhardt) der Wirklichkeit verständlich, in denen der Mensch immer schon lebt und die er existenzbestimmend auslegt. Entsprechend wird die Wahrheit des Ganzen nicht überschaut und kann nicht einem Maßstab außerhalb des Ganzen unterzogen werden. Vielmehr wird sie in Existenzstellungnahmen »bezeugt« (Krings).

    Unter diesen Prämissen ist die Rede vom Göttlichen bzw. von Gott möglich und kann das Gott-Mensch-Verhältnis durch eine transzendental-noumenale Freiheits-Differenz von göttlicher Freisetzung und menschlichem Freigesetztsein bestimmt werden. Darüber hinaus kann in Auseinandersetzung mit Jens Halfwassen gefragt werden, ob die Abschlussgedanken höchster Freiheit und höchster All-Einheit auf einen gemeinsamen, ultratranszendentalen Ab-Grund der Einheit verweisen, aus dem beide Abschlusskonzepte hervorgehen und der in einem radikalen Sinne göttliches Geheimnis ist.
     

    Publikationen in Auswahl

    Göttliche Universalität in konkreter Geschichte. Versuch einer transzendental-geschichtlichen Vergewisserung der Christologie in Auseinandersetzung mit Richard Schaeffler und Karl Rahner (Religion – Geschichte – Gesellschaft 22). (LIT) Münster u.a. 22009.

    Endlichkeit und Freiheit. Studien zu einer transzendentalen Theologie im Kontext der Spätmoderne (Religion in der Moderne 8). (Echter) Würzburg 2003.

    Gott als Menschheitsthema? Karl Rahners theologischer Universalismus im Kontext der europäischen Spätmoderne. In: Zur Debatte 34 (2004), 4-6.

    Die Frage nach Gott. In: Benedikt P. Göcke / Markus Knapp (Hgg.), Gotteserkenntnis und Gottesbeweis. Philosophische und theologische Zugänge (QD 320). (Herder) Freiburg – Basel – Wien 2022, 43-83.

    Una fondazione trascendentale della relazione con Dio. In: Humanitas 78 (2023) H 3, 422-448.

    Rationale Theologie und Trinitätstheologie. In: Martin Breul / Mirja Kutzer / Julian Tappen (Hgg.), Menschen. Glauben. Gott. Zur philosophischen Theologie Saskia Wendels (Festschrift zum 60. Geburtstag von Saskia Wendel). (Herder) Freiburg-Basel-Wien 2024, 92-121.

  • Transformation des Transzendentalen I: Geschichtliche Modifikationen

    © Edwin Hooper

    Die Transzendentalphilosophie ist seit Immanuel Kant mit guten Gründen der primäre Bezugspunkt subjektphilosophischer Reflexion. Philosophisch ist dies u.a. dadurch begründet, dass dem Menschen nichts so sehr vertraut ist, wie sein eigenes bewusstes Denken und Fühlen. Daher richtet sich der Blick notwendig auf die »Bedingungen der Möglichkeit« des subjektiven Selbstvollzug im fühlenden und denkenden Bewusstsein sowie im erkennenden und handelnden Weltbezug. Dabei konnte Kant die am Ende der Kritik der reinen Vernunft formulierte Aufgabe, die Geschichte transzendentalen Denkens zu reflektieren, selbst nicht mehr einholen. Diese Aufgabe führt post Kant zum Programm und zur Aufgabe, in Anregung u.a. durch Georg Wilhelm Friedrich Hegel und den Historismus eine angemessene transzendental-geschichtliche Methode zu entwickeln.  
     

    Hatte Kant die Möglichkeit dieses Selbstvollzugs in den apriorischen Bedingungen transzendentaler Subjektivität und Freiheit begründet und die Möglichkeit von Erfahrung im erkennenden Weltbezug auf vor der Erfahrung selbst liegende Formen der Anschauung und Kategorien des Verstandes zurückgeführt, so steht dieser sogenannte Formen-Apriorismus seit Hegel in der Kritik. Dieser hatte darauf hingewiesen, dass dem Bewusstsein Hören und Sehen vergehen können muss, damit der Mensch das Erfahren lernen kann. Daher ist die Frage nach der Geschichtlichkeit des Transzendentalen und dem Wandel der Bewusstseinsformen eine zentrale Aufgabe philosophischer Reflexion und Begründung.

    Die Geschichtlichkeit des Transzendentalen kann erstens eingeholt werden, wenn zwischen den apriorischen Formen der Anschauung und den apriorischen Kategorien des Verstandes einerseits und ihrer Operationalisierung im konkreten Weltbezug andererseits unterschieden wird. Die operative Gestalt und Funktion der Formen der Anschauung und der Kategorien des Verstandes wird dann im Weltbezug konstituiert und modifiziert. In diesem Sinne kann zwischen den Anschauungsformen (des Nacheinanders: Zeit; des Nebeneinanders: Raum) sowie zwischen den Kategorien (z.B. Qualität) und ihrer kategorematischen Operationalisierung (Kriterien von Qualität) unterschieden werden. Zweitens kann mit Hermann Krings darauf hingewiesen werden, dass in jedem Akt des Weltbezugs sich sowohl der Akt selbst als auch sein Gehalt wandeln kann, weshalb es theoretisch so viele Kategorien des Verstehens wie Akte des Weltbezugs geben kann. Drittens ist mit Hegel ernst zu nehmen, dass die Gestalten des menschlichen Bewusstseins ebenso kontextuell und historisch variabel sind wie die Kriterien dessen, was als vernünftig und wirklich und wahr angesehen wird. Dadurch weitet sich die Frage nach dem Wandel der Erfahrung auf den Wandel der prägenden Bewusstseinsformationen, der leitenden Interessen der Erkenntnis sowie der inhaltlich normgebenden Gehalte im Selbstbezug, Sozialbezug und Weltbezug hin.

     

    Publikationen in Auswahl

    Göttliche Universalität in konkreter Geschichte. Versuch einer transzendental-geschichtlichen Vergewisserung der Christologie in Auseinandersetzung mit Richard Schaeffler und Karl Rahner (Religion – Geschichte – Gesellschaft 22). (LIT) Münster u.a. 22009.

    Endlichkeit und Freiheit. Studien zu einer transzendentalen Theologie im Kontext der Spätmoderne (Religion in der Moderne 8). (Echter) Würzburg 2003.

    Wahrheit und Geschichte - ihr Verhältnis als philosophisches und theologisches Problem. In: Tobias Trappe (Hg.), Wahrheit und Erfahrung. Chancen der Transzendentalphilosophie. (Echter) Würzburg 2004, 14-28.         

    Religiöse Pluralität und Wahrheit im transzendentalen Denken Richard Schaefflers. In: Bernd Irlenborn / Christian Tapp (Hgg.), Gott und Vernunft. Neue Perspektiven zur Transzendentalphilosophie Richard Schaefflers (Sciencia et Religio XI). (Karl Alber) Freiburg – München 2013, 224-239.          

    Religiöse Erfahrung ist möglich! In: Magnus Lerch / Christian Stoll (Hgg.), Religiöse Erfahrung. Bestandsaufnahmen und Perspektiven zu einer strittigen Kategorie (QD 333). (Herder) Freiburg-Basel-Wien 2023, 227-265.

    Thesen zu einer transzendental-geschichtlichen Denkform in kultureller und religiöser Differenz – Erkundungen eines Problemfeldes, in: Martin Bunte / Fabian Völker (Hgg.), Transzendentalität und Transkulturalität – (Systemata 1), (Herder) Freiburg- Basel-Wien 2024, 326-363.

  • Transformation des Transzendentalen II: Phänomenologische Komplementarität

    © Yumu auf unsplash

    Die Phänomene der Wirklichkeit zeigen sich dem Bewusstsein mittelbar so, wie sie sich zeigen. In dieser Weise schließt das Sich-Zeigen der Phänomene die Passivität eines Empfangens und eine (transzendentale) Aktivität der gewahrenden Offenheit des reinen Bewusstseins und seiner intentionalen Ausrichtung auf das Wahrnehmbare in sich ein. Diese Komplementarität besteht zwischen der ursprünglichen und freien Ich-Aktivität mit ihrer gewahrenden Offenheit des Bewusstseins und dem passiven (rezeptiven) Einbezogensein in sich zeigende Phänomene der Wirklichkeit für das Bewusstsein. Dieses passive Einbezogensein wurde in der französischen Phänomenologie auf doppelte Weise radikalisiert. Daraus entsteht die Aufgabe, die Konsequenzen dieser Komplementarität von transzendentaler Aktivität und phänomenologischer Passivität für eine Philosophie des Bewusstseins auszuloten, die Konsequenzen ihrer Radikalisierung zu erkunden sowie die Implikationen für die Gottesfrage freizulegen.

    Die doppelte Radikalisierung geschieht zum einen durch das Einbezogen-Sein und das In-Anspruch-genommen-Sein von der begegnenden Wirklichkeit. Dieses ist ursprünglicher als die Reflexion auf dieses Ereignis und die Reflexion darauf, wie ich mich gegenüber diesem Ereignis positioniere und verhalte. Sie geschieht zum anderen durch den Hinweis darauf, dass das Bewusstsein sich nicht selbst begründet, sondern als transzendentale Aktivität selbst auf einen Grund bezogen ist, der Bewusstsein eröffnet und bewusstes Leben ermöglicht.

    Emmanuel Levinas verbindet diesen uneinholbaren Grund des Gegebenseins mit der Idee der Unendlichkeit, die ins Denken einfällt, das Denken überfordert und es über seine Möglichkeiten hinausträgt. Diesem anarchischen Denken des Unendlichen entspricht das theologische Leitmotiv: Deus Semper maior. Subjekttheoretisch korrespondiert der radikalen Passivität des Bewusstseins das präreflexive Gefühl des Verdanktseins bei Dieter Henrich. Vordenkliches Verdanktsein und radikale Passivität erschließen den missverständlichen Begriff der »privilegierten Heteronomie« bei Levinas als »Investitur der Freiheiten«. Vor diesem Hintergrund werden transzendentale und phänomenologische Begründungsverfahren menschlichen Bewusstseins und freier Subjektivität begründungstheoretisch höchst aktuell und systematisch vorantreibend. Darin erschließen sie eine Offenheit für das Unverfügbare und den uneinholbaren Grund im Bewusstsein.

     

    Publikationen in Auswahl

    Endlichkeit und Freiheit. Studien zu einer transzendentalen Theologie im Kontext der Spätmoderne (Religion in der Moderne 8). (Echter) Würzburg 2003.

    Phänomenologie und Theologie. Ein Methodendiskurs. (Karl Alber). Baden-Baden 2025. Zusammen mit Dominic Ekweariri und Alexander Schnell.

  • Gott oder Göttliches I: Die Krise des personalen Gott Denkens (abgeschlossen)

    © Bettina Otott Kovács auf unsplash

    Die Krise des personalen Gott-Denkens in den nachtraditionalen, weil ebenso plural wie global kompilierten und individuell komponierten Patchwork-Spiritualitäten und in multitraditional bestimmten religionsphilosophischen Diskursen lässt danach fragen, was jeweils unterstellt und abgelehnt wird, wenn der Gedanke Gottes als Person abgelehnt wird. Vielfach wird – nicht nur in der populären Öffentlichkeit – die anthropomorph aufgeladene Vorstellung und das kindliche Bild vom alten weißen Mann auf einer Wolke als Superman dort oben identifizierbar, das gewiss nicht angemessen ist. Dies verbindet sich in der Regel mit der Vorstellung von Gott als einem interventionistischen Mega-Marionettenspieler, der alle Fäden des Geschehens in der Hand hält und mit seinen Fingern alle Geschicke spielerisch lenkt. Im Gegenzug wird erkennbar, dass Gott als personale und ethische Instanz unbequem ist, weil ein solcher Gott den Menschen als dialogischen Partner einfordert und mit seiner unhintergehbaren Rechenschaft als Individuum für das eigene Denken und Handeln konfrontiert. In diesem Kontext wurden moderne Spiritualitäten nach unterschiedlichen Metaphern und semantischen Bedeutungsgebungen untersucht und in Kooperation zwischen dem Seminar für Fundamentaltheologie und Religionsphilosophie in Münster mit dem Institut für Pastoralpsychologie der Hochschule Frankfurt St. Georgen durch empirische Erhebungen zu unterschiedlichen Typen der Gottesvorstellung und Gottesbeziehung klassifiziert.

    Religionsphilosophisch zeigt sich: Die Subjektivierung letzter Instanzen ergibt sich notwendig, wenn ihnen gegenüber eine affektive Bindung entsteht oder eine Beziehung als den letzten Grund des Ganzen der Wirklichkeit angenommen wird. In den Kontexten einer durchschlagenden Naturalisierung (weltanschaulich physikalistischer Naturalismus oder holistischer Naturverehrung) werden deshalb die Mutter Erde, die Mutter Natur, der Kosmos oder die Evolution wie ein göttliches Subjekt gefasst und durch planende bzw. steuernde Willenssetzungen beschrieben. Diese Perspektiven bestimmen auch den Akteurskosmopanpsychismus (Philip Goff).            

    Von daher ergibt sich die Herausforderung, wie ein Verständnis Gottes und seines Handelns entwickelt werden kann, das wissenschaftstheoretisch angesichts des dominanten szientifischen Paradigmas, eines physikalischen Naturalismus und einer holististischen Kosmosfrömmigkeit mit guten Gründen ausgewiesen werden kann und den berechtigten Einwänden dieser Positionen Genüge tut. Zudem sind die kulturgeschichtlichen Aversionen gegen einen monopolistischen und gewaltaffinen Monotheismus (Assmann) wie auch die berechtigten Einwände der klassischen und gegenwärtigen Religionskritik selbstkritisch aufzunehmen, um Gott als hoffnungsvollen Grund und Bürgen wahrer Humanität sichtbar und verständlich zu machen. Dies ist nur in den Kategorien der Freiheit möglich, die Gott unter der Idee vollkommener Freiheit (Krings, Pröpper) versteht und expliziert, um diesen Gott in seiner freien Zuwendung als den Erfüllenden sinnverlangender und existenzpragmatischer Vernunft verständlich zu machen. Von daher ist es möglich, unterschiedliche Anliegen für einen ganzheitlichen und holistischen Lebensvollzug produktiv aufzunehmen, um zu einer neuen Gestalt christlichen Gott-Denkens zu gelangen, die den Herausforderungen der späten Moderne im Übergang gerecht wird.Es muss dabei immer im Blick  behalten werden, dass Gott als eminente freie Subjektivität angemessen nur trans-personal gedacht werden kann, weil er – wie philosophisch in Auseinandersetzung mit Fichte klar wurde – jede endliche Vorstellung von menschlicher Personalität in seiner Unendlichkeit und Vollkommenheit konsequent überschreitet.

     

    Publikationen in Auswahl

    Personsein – philosophische Problemlagen, interkulturelle Einsichten, transkulturelle Perspektiven. In: ZKTh 134 (2012), 1-21.

    Glauben zwischen Trend und Milieu (EZW-Texte 239). (EZW) Berlin 2015.

    Die vielfältige Rede von Gott oder dem Göttlichen. Orientierungsversuche in der Krise des Theismus. In: Theologische Revue 113 (2017), 267-286.

    Formen des menschlichen Transzendenzbezuges (1. Teil): Hypothese. In: Bernhard Nitsche / Klaus von Stosch / Muna Tatari (Hgg.), Gott – jenseits von Monismus und Theismus? (Beiträge zur komparativen Theologie 23). (Schöningh) Paderborn 2017, 25-61.

    Gott – Geist – Materie. Personsein zwischen Natur und Transzendenz (Ratio Fidei 73). (Pustet) Regensburg 2020. Zusammen mit Florian Baab und Dennis Stammer

    Jakob Mertesacker / Hermann-Josef Wagener / Klaus Kießling, Gott oder Göttliches? Empirische Zugänge zu menschlichen Transzendenzbezügen. Faktorenanalytische Studie. Wege zum Menschen, 69 (1), 75-89.

    Jakob Mertesacker, Bindungstheorie und menschliche Transzendenzbezüge. Differenzierte Betrachtungen von Korrespondenz- und Kompensationshyptohese. In: Wege zum Menschen. Zeitschrift für Seelsorge und Beratung, heilendes und soziales Handeln Nr. 70 (3/2018), 219-232

    Hermann-Josef Wagener, Den Glauben in Form bringen. Eine Metaanalyse der Formenkreise religiöser Entwicklung (Zeitzeichen 51). (Grünewald) Ostfildern 2022.

  • Gott oder Göttliches II: God or the Divine— Religious Transcendence beyond Monism and Theism, between Personality and Impersonality?

    © Juliana Malta auf unsplash

    Wird Transzendenz nicht raumontisch als Welt hinter der Welt bzw. als Stockwerk über der Welt verstanden, sondern als reflexives Bemühen, um vom Ganzen der Wirklichkeit – in dem wir Menschen sind, leben und uns wiederfinden – ein angemessenes Verständnis zu gewinnen (Volker Gerhardt) und von daher den uneinholbaren Horizont des Daseins (Martin Heidegger, Karl Rahner) angemessen zu charakterisieren, dann weist die traditionelle Alternative von Personalität und Impersonalität in den Dialog mit den religiösen Traditionen Asiens ein. Denn ihnen werden bevorzugt religiöse Verständnisse ultimativer Wirklichkeit zugesprochen, die als monistisch angesehen oder als impersonal gekennzeichnet werden. Dieser Sondierungsprozess wurde 2016 durch eine internationale, interreligiöse und interdisziplinäre Twin-Konferenz realisiert, die seit 2023 publiziert vorliegt. In deren Vorfeld und Gefolge ist der inter-theologische Dialog mit Hinduismus und Buddhismus eine bleibende Konstante meiner Forschung. Darin wird deutlich, dass eine aufmerksame und legitime Binnendifferenzierung vorhandene Klischees überwinden kann und zu einer differenzierteren Sicht auf jeweils andere Traditionen anleitet. Von daher ergibt sich ein neuer Blick auf Brückenphänomene und funktionale Äquivalente zwischen den unterschiedlichen Religionen.

    Zusammenfassend können drei Aspekte besonders hervorgehoben werden:

    Die religionsgeschichtlich und religionsphänomenologisch übliche Unterscheidung von personalen und apersonalen/impersonalen Transzendenzvorstellungen ist unterkomplex, weil letzte Wirklichkeit sich in der Regel uneinholbar und unverfügbar zeigt und daher sowohl trans-personal als auch trans-impersonal gekennzeichnet werden muss.

    Zudem wird durch das im Rahmen dialogisch-komparativer Inter-Theologie entwickelte Analysemodell von kosmomorphen, soziomorphen und noomorphen Transzendenzbezügen deutlich, dass es drei verschiedene religiöse oder metaphysische Abschlussgedanken gibt, die entweder eine höchste Subjektivität, eine letzte All-Einheit oder einen uneinholbaren Ab-Grund benennen, aus dem die Alternative von höchster Subjektivität und letzter All-Einheit hervorgeht. 

    Die grammatische Unterscheidung von Semantik (metaphorischer Bedeutung), Syntaktik (Begründungslogik) und Pragmatik (Bezugnahmen in religiösen Handlungen) macht exemplarisch deutlich, dass der vielfach als monistisch angesehene Advaita-Vedānta Śaṅkaras im Hinduismus der Verehrung Viṣṇus verpflichtet ist und in diesem Kontext zumindest pragmatisch Formen der personalen Verehrung Viṣṇus als höchstem Herrn der Welten (īśvara) kennt. Entsprechendes gilt für die Anrufung des Buddha Amitābha im Shin-Budhhismus oder des Buddha Vairocana im Huáyán-Buddhismus.

     

    Publikationen in Auswahl

    Divine Transcendence and Personal Elements in Mahāyāna Buddhism. Christian »exegesis« or »eisegesis«? In: Takao Aoyama (Hg.), Hôrin. Vergleichende Studien zur japanischen Kultur. Comparative Studies in Japanese Culture. Eine Veröffentlichung des EKŌ-Hauses der Japanischen Kultur e. V., Düsseldorf. (Iudicium) München 2016, 197-221.

    Gott – jenseits von Monismus und Theismus? (Beiträge zur Komparativen Theologie 23). (Schöningh) Paderborn 2017. Zusammen mit Klaus von Stosch und Muna Tatari.

    Dimensionen des Menschseins – Wege der Transzendenz? (Beiträge zur Komparativen Theologie 27). (Schöningh) Paderborn 2018. Zusammen mit Florian Baab und Klaus von Stosch.           

    Gott – Geist – Materie. Personsein zwischen Natur und Transzendenz (Ratio Fidei 73). (Pustet) Regensburg 2020. Zusammen mit Florian Baab und Dennis Stammer.

    God or the Divine. Religious Transcendence beyond Monism and Theism, between Personality and Impersonality (De Gruyter). Berlin-Boston 2023. Zusammen mit Marcus Schmücker.

  • Gott oder Göttliches III: Historisch-systematische Studien zur Panentheismus-Debatte (abgeschlossen)

    © Lena Koval auf unsplash

    Die seit dem Ende des letzten Jahrtausends weit verbreitete Option für ein prozessphilosophisches und panentheistisches Denken operiert mit einer extensiven Beanspruchung des Panentheismus und bestimmt sich vielfach durch den Gegenbegriff des klassischen Theismus. Unklar ist dabei, was genau mit dem klassischen Theismus identifiziert wird. Oft erweist sich dieser als dualistisch angelsächsischer Deismus, der Gott und Welt wie zwei Entitäten behandelt. Panentheismus wird im Gegenzug als ein Denken beansprucht, das die Welt in Gott begreift, sodass auch Positionen von Thomas von Aquin, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling oder Karl Rahner dem Panentheismus zugerechnet werden. Hier besteht Klärungsbedarf!

    Bereits für Thomas von Aquin zeigt sich, dass alles durch Gott ist, sodass Gott partizipations-ontologisch Grund von allem ist und als Grund durch Teilgabe letztlich in allem auf vermittelte Weise gegenwärtig ist. Die Reflexion auf Gott erweist sich für Thomas durch eine Bifurkation bestimmt. Insofern der Mensch eine Vorstellung von Gott ausbildet, stellt er sich Gott notwendig als ein Gegenüber zu sich vor und versteht Gott daher als höchstes oder vollkommenes Seiendes oder ens summum. Zugleich weiß er in der Reflexion auf Gott, dass Gott in seiner Unendlichkeit über alles hinaus reicht, was an Vollkommenheit denkbar ist und deshalb eine unfassbare Allheit bezeichnet, die Thomas begrifflich als ipsum esse per se subsistens fasst. Hegel macht dann deutlich, dass die Unendlichkeit nur angemessen gedacht werden kann, wenn sie an der Endlichkeit keine Grenze findet, sondern dieses Endliche in Differenz in sich einschließt. Das Unendliche wäre nicht das Unendliche, wenn es durch ein Endliches begrenzt würde und damit selbst zum begrenzten Endlichen depotenziert wäre.

    Die genauere Bestimmung von Gott in Welt und Welt in Gott bildet dann die entscheidende Herausforderung. Zwischen den exklusiven Alternativen von dualistischem Theismus und monistischem Pantheismus eröffnet sich ein Feld des Denkens von Einheit in Differenz. Dieses kann durch die Positionen des partizipationsontologischen Theismus, des freiheitsbestimmt relationalen Theismus, des modal schwachen soteriologischen Panentheismus und des modal starken prozessphilosophischen Panentheismus unterschieden und qualifiziert werden. Der Begriff des Panentheismus wird begrifflich trennscharf, wenn er eine »Feedbackschleife« ausweist, die entweder freiheits-dialogisch oder metaphysisch-ontologisch gedacht wird. Die Rückwirkung auf Gott führt notwendig zur Unterscheidung von Urnatur und Folgenatur in Gott.

    Unter diesem Blickwinkel werden die analoge Gott-Rede, das Gottesprädikat der Unveränderlichkeit, die Positionen des klassischen Theismus von Thomas von Aquin, Nikolaus von Kues, René Descartes, Baruch de Spinoza, Georg F. W. Hegel, Friedrich W. J. Schelling, Hermann Lotze, Alfred N. Whitehead, Jürgen Moltmann, Wolfhart Pannenberg, Philip Clayton, John Bishop, Ken Perszyk, Joseph A. Bracken,  Magnus Striet, Saskia Wendel und Thomas Oord untersucht.

     

    Publikationen in Auswahl

    Gott – jenseits von Monismus und Theismus? (Beiträge zur Komparativen Theologie 23). (Schöningh) Paderborn 2017. Zusammen mit Klaus von Stosch und Muna Tatari.

    Zwischen Theismus und Panentheismus. Historisch-Systematische Skizzen zur Panentheismusfrage (Scientia & Religio). (Karl Alber) Baden-Baden 2023.

  • Dialogisch-komparative Inter-Theologie

    © Daniel Romero auf unsplash

    Im Tübinger Institut für ökumenische und interreligiöse Forschung habe ich mich im Ausgang von Nostra Aetate und den religionstheologischen wie wahrheitstheoretischen Reflexionen meiner Dissertation dem Dialog der Religionen zugewandt. Angeregt durch die Debatten für eine angemessene Theologie in Verantwortung vor der bleiben Berufung Israels und den Kontakt zum Institutum Judaicum der Schwesterfakultät habe ich mich mit Judentum und Islam beschäftigt. Durch die Begegnungen mit Francis D‘Sa und Raimon Panikkar bin ich in die Erkundung und den Dialog mit dem religiösen Denken von Hinduismus und Buddhismus eingetreten. Seither bildet die dialogische Auseinandersetzung mit den abrahamischen Traditionen von Judentum und Islam sowie den asiatischen Traditionen von Hinduismus und Buddhismus einen festen Bestandteil meiner systematisch interreligiösen Forschung. Konzeptionell vertrete ich eine dialogisch-komparative Inter-Theologie.

    Diese komparative Inter-Theologie betont die Unhintergehbarkeit der eigenen hermeneutischen Perspektive und des eigenen normativen Standpunktes. Auf beiden Feldern wird lernoffen und anregungsbereit das Gespräch mit anderen Traditionen und Überzeugungen gesucht. Im Ausgang von der theologischen Annahme der Universalität Gottes erschließt sich daraus die Notwendigkeit einer lebenspraktischen Konvivenz und des wahrheitstheologischen Dialogs. Nach christlichem Verständnis vermittelt sich Gott durch seinen ewigen Geist exzentrisch und in konvexer Brechung des göttlichen Lichtes als Grund aller Wirklichkeit. Durch sein ewiges Wort der Wahrheit will er konzentrisch in aller Menschengeschichte sichtbar und erfahrbar Wort und Tat werden. Deshalb darf eine mögliche Präsenz Gottes und eine Wahrheitszeugenschaft anderer religiöser Traditionen angenommen werden. Durch diesen Dialog kann die christliche Überzeugung von der konvexen Bündelung und Unüberbietbarkeit der Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus inhaltlich vertieft, inklusiv geweitet und dialogisch bereichert werden.

    Methodisch blicke ich nicht nur auf mikrologisch naheliegende Phänomene der Vergleichbarkeit im Verständnis von religiösen Motiven, von religiös-ethischen Grundsätzen oder kultischen Praktiken, Figuren und Organisationsformen. Entschieden blicke ich auf Brückenphänomene und Familienähnlichkeiten in der Annahme ultimativer (göttlicher) Wirklichkeit. Denn diese bestimmen den Interpretationsrahmen der Transzendenzkonzepte und der Vermittlungsvorstellungen von göttlicher und menschlicher Wirklichkeit. Unter der Prämisse der Differenz zwischen den kulturellen wie religiösen Galaxien des Lebens und Verstehens, der inneren Differenzierung religiöser Universen in unterschiedlichen Hauptströmungen und (gegenläufigen oder kompensatorischen) Subsystemen frage ich auch makrologisch nach funktionalen wie figurativen Entsprechungen in der Vermittlung von göttlicher Transzendenz und menschlicher Immanenz.

    Religionsphilosophisch leitet mich die These an, dass es anthropologisch begründet drei fundamentale Bestimmungen göttlicher Transzendenz gibt, die ihren Ausgang von den drei grundlegenden Dimensionen eines ganzheitlichen Menschseins nehmen: dem leiblich vermittelten Weltbezug, dem kommunikativ und persönlichkeitsbestimmt gestalteten Sozialbezug und dem bewussten geistigen Selbstbezug. Daher sind die menschlichen Bezugnahmen auf göttliche Transzendenz kosmomorph, soziomorph und noomorph strukturiert. Diese drei Strukturformen werden gemäß der grammatischen Unterscheidung von Semantik (Bedeutungsfeld), Syntaktik (Beziehungslogik) und Pragmatik (Handlungsbezug) in religiösen Vollzügen oder Lehren aktualisiert. Dabei entstehen homogen-kongruente oder plural-differente Gestalten der Bezugnahme. Diese anthropologisch erklärbare Konsistenz und Varianz macht verständlich, warum es transkulturell und transreligiös figurative, funktionale und strukturelle Entsprechungen geben kann.

    Wahrheitstheoretisch betrachte ich die geschichtlichen Wahrheitsantizipation der Religionen mit Richard Schaeffler als ein Lernen auf dem Wege, das durch die größere Wahrheit des Göttlichen bzw. Gottes und die unabgeschlossene Geschichte für neue Aktualisierungen und Einsichten offen ist. Diese dialogische Lerngeschichte kann dort zu einem vorläufigen Ende kommen, wo die unterschiedlichen religiösen Überlieferungstraditionen sich nicht mehr durch disjunktive Urteile ihrer Wahrheitszeugenschaft verwerfen müssen, sondern in den anderen Traditionen alternative, aber nicht prinzipiell zu verwerfende Lösungen für vergleichbare Problemstellungen der Bestimmung letzter Wirklichkeit und der VermZu deittlung von göttlicher Transzendenz und menschlicher Immanenz formulieren.

     

    Publikationen in Auswahl

    Jesus Christus zwischen jüdischem Messianismus und christlichem Triumphalismus – Thesen. In: Vereinigung katholischer Religionslehrerinnen und Religionslehrer an Gymnasien im Bistum Trier (Hg.), Tagungsband „Ernstfall Christologie. Christliche Identität und ungekündigter Bund (Röm 11,29)?“, Trier (2002). Trier 2003, 1-41.

    Gottesdenken in interreligiöser Perspektive. Raimon Panikkars Trinitätstheologie in der Diskussion. (Lembeck / Bonifatius) Paderborn 2005. Unter Mitarbeit von Guido Beck.

    Religiosität und Religionen – Der Dialog als Zeichen der Zeit. In: Peter Hünermann (Hg.), Das Zweite Vatikanische Konzil und die Zeichen der Zeit heute. Anstöße zur weiteren Rezeption (Karl Kardinal Lehmann zugeeignet). (Herder) Freiburg u.a. 2006, 146-160.

    God or the Divine. Religious Transcendence beyond Monism and Theism, between Personality and Impersonality (De Gruyter). Berlin-Boston 2023. Zusammen mit Marcus Schmücker.

    Dimensions of Human Personhood and Forms of Divine Transcendence. A Hypothesis in the Philosophy of Religion. In: Melanie Barbato / Fabian Völker / Mathias Schneider (Hgg.), Beyond Boundaries: Essays on Theology, Dialogue, and Religion in Honor of Perry Schmidt-Leukel (Religionen im Dialog 22). (Waxmann) Münster 2024, 127-138.

    Dimensionen des Menschseins –Perspektivierungen des Göttlichen. Religionsphilosophische Zugänge zu einer dialogisch-komparativen Theologie. (Herder) Freiburg – Basel – Wien 2026 (im Erscheinen).

  • Resonanz von Gottesbild und Lebensform

    Prof. Dr. Dr. Bernhard Nitsche:

    Die menschliche Lebensform, ihr Selbstverständnis und ihre Werthaltung stehen in Resonanz zum vorausgesetzten Ganzen der Wirklichkeit und bringen dieses vorausliegende und umfangende Ganze in korrelierender Existenzstellungnahme bewusst oder unbewusst zur Auslegung.

    Teilprojekt: Zur Möglichkeit unverfügbarer Transzendenzerfahrung (2023-2026)

    Teilprojekt: Inspirationen christlicher Theologie für ein gelingendes Leben und eine demokratische Lebensform

    Teilprojekt: Zur Resonanz von Gottesbild und Lebensform: Christliche und islamische Perspektiven in Auseinandersetzung mit Hartmut Rosa (2023-2027)
    Kooperation mit Ufuk Topkara (HU Berlin); Projektmitarbeiter: Robin Flack (Frankfurt)

  • Ekklesiologie: Uneingelöste Impulse und Desiderate des Zweiten Vatikanischen Konzils

    © Xavier Coiffic auf unsplash

    Meine ekklesiologischen Reflexionen begreifen Kirche als lebendige Überlieferungsgemeinschaft von Gottes Zusage an die Menschen, die in der Gestalt Jesu von Nazareth und der durch ihn und seine Geschichte ausgelösten und begründeten Gemeinschaft der Nachfolge bestimmt ist. Dabei zeigt sich Kirche im kulturgeschichtlichen und theologischen Wandel durch viele Umbrüche und Neugestaltungen bestimmt. Systematisch besondere Bedeutung für die Bestimmung der Kirche im römisch-katholischen Selbstverständnis gewinnen die orientierenden Leitlinien und Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65). Denn hier wird zum ersten Mal in der Geschichte eine lehramtlich umfassende Selbstreflexion auf den Grund, die Aufgabe, die Leitprinzipien und die Gestalt von Kirche vollzogen. Diese Orientierungen und Leitprinzipien sind in ihrer auch pastoralen, organisationalen und kirchenrechtlichen Umsetzung noch nicht vollständig eingeholt. Diesen Desideraten und den uneingelösten innovatorischen Impulsen des Konzils für eine evangeliumsgemäße und zukunftsfähige Kirche, widmen sich meine ekklesiologischen Überlegungen.

    Zu diesen orientierenden Leitmotiven gehört der positive Weltbezug, der alle Menschen guten Willens anspricht und Gott ein Wirken unter allen Menschen zutraut, sodass die Kirche nicht nur das Evangelium in die Welt hineintragen soll, sondern auch viele wichtige Impulse von anderen Menschen und Traditionen empfangen kann. Die Kirche selbst bedarf der steten Reinigung und Erneuerung (LG 8), um ihr Aggiornamento des Evangeliums zu realisieren. Primäres Ziel ist es, die Sinnfragen und Existenzbedürfnisse der Menschen, die sich in charakteristischen „Zeichen der Zeit“ äußern, im Lichte des Evangeliums zu verstehen, aufzunehmen und als Dienst zugunsten des Lebens zu gestalten (GS 1-11).

    Zu den leitenden Prinzipien gehört die in Taufe und Firmung aktualisierte und manifestierte gemeinsame Sendung aller Christ:innen, die Anteil am Priesteramt, Prophetenamt und Hirtenamt Jesu Christi als dem Haupt der Kirche haben (LG 9-12; AA 1-3). Diese fundamentale Gemeinsamkeit der christlichen Berufung geht allen Unterschieden und Differenzierungen innerhalb der Kirche voraus. Ihr entspricht die aktive Teilhabe (participatio actuosa: SC 11, 14) in allen Lebens- und Selbstvollzügen der Kirche, in Pastoral und Liturgie, in synodaler Beratung und partizipativer wie kommunikativer Leitung (bewusst: 11, 48, 79; voll 14, 21, 41;  innerlich und äußerlich ( 19). Führung und Leitung sind deshalb subsidiär und diakonisch als Dienst an den Diensten zu verstehen (LG 18). Sakramental ordiniert wird zu jenen Diensten, welche öffentlich, amtlich und beständig Sorge tragen für die konstitutiven Selbstvollzüge der Kirche:            

    (1) Für den beständigen apostolischen Hinweis darauf, dass die Kirche Nicht-aus-sich-selbst lebt, sondern aus Gottes Zusage und Gegenwart, und Nicht-für-sich-selbst da ist, sondern der Vereinigung der Menschen mit Gott und der Versöhnung und Vereinigung der Menschen untereinander dient (Martyria: LG 1)

    (2) für Orte, Zeiten und Rituale der Unterbrechung des geschäftigen Alltagsbetriebes, in denen Gottes Zuwendung zum Heil der Menschen bewusst werden kann und besonders in der Eucharistie gefeiert wird (Leiturgia)

    (3) für die Vergegenwärtigung der aufrichtenden Barmherzigkeit Gottes im Alltag der Menschen und als Dienst für gelingendes Leben (Diakonia).

    Ist die lebensdynamische Gemeinschaft des dreieinen Gottes nach dem Konzil Ur-Bild der Kirche (UR 2), sodass diese als das von der Gemeinschaft des Vaters, des Sohnes und des Geistes her geeinte Volk verstanden wird (LG 2-4), ergeben sich zahlreiche Desiderate für die Struktur und gestalte Kirche, in denen die Wegweisungen des Konzils noch nicht umfassend oder erst in Bruchstücken eingeholt sind. Meine Sondierungen wollen diese Potenziale in neutestamentlicher Rückbindung aufzeigen und freilegen. So kann Kirche in lebendiger Treue reflexiv begleitet und für eine plurale Wirklichkeit und dynamische Zukunft orientiert werden.

     

    Publikationen in Auswahl

    Die Analogie zwischen dem trinitarischen Gottesbild und der communialen Struktur von Kirche. Desiderat eines Forschungsprogrammes zur Communio-Ekklesiologie. In: Bernd J. Hilberath (Hg.), Communio - Ideal oder Zerrbild von Kommunikation (QD 176). (Herder) Freiburg – Basel – Wien 1999, 81-114.

    Geistvergessenheit und Wiederentdeckung des Heiligen Geistes auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil. In: Bernhard Nitsche (Hg.), Atem des sprechenden Gottes. Eine Einführung in die Lehre vom Heiligen Geist. (Pustet) Regensburg 2003, 102-144.

    Resonanz von Gottesbild und Lebensform. In: Ufuk Topkara / Bernhard Nitsche (Hgg.), Zur Resonanz von Gottesbild und Lebensform. Christliche und islamische Perspektiven in Auseinandersetzung mit Hartmut Rosa (Traditions in Transformation. Thinking With Theology 1). (De Gruyter) Berlin-Boston 2025, 93-121 Unter Mitarbeit von Robin Flack.

    Göttliche Zusage – menschliche und christliche Berufung – kirchliches Amt. In: Alexander Löffler / Klaus Vechtel (Hgg.), Was ist Berufung? Theologische Sondierungen zu einem prekären Begriff (QD348). (Herder) Freiburg 2025, 80-120.

  • Ekklesiologie freiheitstheoretisch

    Ekklesiologie
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     Dr. Rainer Gottschalg:

    In meinen ekklesiologischen Arbeiten geht es um eine systematisch fundierte und diskurssensible Relecture der Kirche. Sie wird nicht primär als Struktur oder Institution verstanden, sondern als symbolisch verfasste, relationale Wirklichkeit, die sich wesentlich im Modus von Geschichte, Partizipation und Kommunikation konstituiert.

    Ausgangspunkt dafür ist eine kategoriale Aufwertung der Geschichtlichkeit: Ekklesiologie muss Kirche in ihrer gelebten Zeitlichkeit, ihren Brüchen und ihren narrativen Selbstdeutungen ernst nehmen – und zwar als Ort theologischer Erkenntnis. Dabei spielt die theologische Anthropologie eine zentrale Rolle: Kirche wird durch Subjekte getragen, deren Freiheitsvollzüge, Erfahrungshorizonte und Anerkennungsbeziehungen sie erst ermöglichen.

    Methodisch ist meine ekklesiologisches Arbeiten interdisziplinär verschränkt: Diskurstheorie, symbolische Kulturanalyse, Differenztheorie und Erkenntnisreflexion verbinden sich zu einer Ekklesiologie, die pluralitätsfähig ist und sich den Spannungen zwischen Tradition, Wandel und Wahrheit offen stellt. So wird das Themenfeld nicht bloß als Teilbereich der Dogmatik, sondern als grundlagenreflexive Theologie entwickelt, mit dem Ziel, Kirche als theologische Praxis inmitten gesellschaftlicher Wirklichkeit neu denkbar und sagbar zu machen.

    So werden zwei Bezugsverhältnisse dynamisch interpretiert: das zur Welt und das zur eigenen Tradition. Dazu wird explizit an den programmatischen Wendepunkten des Vaticanums II. angesetzt, um diese weiter zu entwickeln – nicht als bloße Fortschreibung, sondern als strukturtheoretische Relecture im Licht gegenwärtiger Herausforderungen

    Diskursformatierung statt bloßer Systematik: Ich argumentiere für eine ekklesiologische Reflexion, die nicht exklusiv dogmatisch oder pastoral, sondern in einer Verzahnung auch mit der Fundamentaltheologie operiert. Das erlaubt mir, die Identität der Kirche nicht nur aus ihren Lehrsätzen, sondern aus ihrer geschichtlichen Performanz und Beziehungsstruktur heraus zu denken.

    Geschichte als kategoriale Größe: Ich behandle Geschichte nicht allein als Kontext, sondern konstitutives Moment kirchlicher Selbstvergewisserung. Die Kirche ist nicht trotz, sondern durch ihre Geschichtlichkeit hindurch erfahrbar und erkenntnisfähig.

    Theologische Anthropologie als Folie: Meine ekklesiologischen Erwägungen sind grundlegend anthropologisch informiert. Der Mensch ist nicht nur Adressat, sondern epistemisch konstitutiv für die kirchliche Selbstbeschreibung, gerade in ihren Freiheitsvollzügen, Differenzwarhnehmungen und Narrationen.

    Synodalität, Ausdruck von (christlicher) Freiheit: Ich rekonstruiere Synodalität nicht allein strukturell, sondern im Horizont einer fundierten Freiheitshermeneutik. Dabei wird Freiheit zum performativen Ort von Ekklesiogenese: Kirche ereignet sich im diskursiven Vollzug der Anerkennung, Partizipation und pluralitätsfähigen Wahrheitssuche.

    Differenztheorie: Meine ekklesiologischen Erwägungen sind inkarnatorisch und kenotisch gedacht. Kirche ist in meiner Konzeption kein monolithischer Apparat, sondern ein Ereignis in Differenz – ein Ort der Übersetzung, des Erzählens, des Ringens um gemeinsames Verstehen im Modus von Nähe, Relationalität und Anerkennung.  

    So entwerfe ich eine post-dogmatische, fundamentaltheologisch fundierte Ekklesiologie, die sich aus den Bedingungen der Gegenwart erschließt, ohne ihre Herkunft zu verleugnen – dialogisch, geschichtlich sensibel, pluralitätsfähig und verantwortungsethisch.

  • Digitale Transformation / digital theologies

    Digitale Transformation
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    Dr. Rainer Gottschalg:

    Ausgehend von der Frage, wie sich der Mensch im Horizont digitaler Transformation neu begreifen und verantworten lässt, entwickle ich eine symboltheoretisch fundierte, theologisch reflektierte Kulturkritik, die Phänomene wie algorithmische Entscheidungsarchi-tekturen, datengetriebene Wissensordnungen und mediale Präsenzsysteme nicht nur technisch oder ethisch, sondern strukturelle-symbolisch analysiert. Im Zentrum steht ein erweiterter Begriff von Transzendenz, der nicht nur im theologischen Sinne verstanden wird, sondern als Denkfigur für Differenzerfahrung, symbolische Fremdheit und epistemische Offenheit.

    Gerade in einer Zeit, in der digitale Systeme oft auf Reduktion von Ambiguität, Steuerbarkeit und operative Verfügbarkeit ausgerichtet sind, wir die Fähigkeit, Differenz auszuhalten und zu deuten, zur kulturellen Überlebenskompetenz.

    Meine Forschung setzt daher bei der anthropologischen Frage im Zeichen digitaler Kultur an und entwickelt daraus systematisch-theologische Perspektiven, die nicht apologetisch oder additiv arbeiten, sondern Theologie als eine eigenständige Form kultureller Selbstaufklärung sichtbar machen.

    Meine Forschung ist getragen von der Überzeugung, dass geisteswissenschaftliche Reflexionen im digitalen Zeitalter nicht nur legitim, sondern unverzichtbar ist. Sie bietet Perspektiven auf das Menschsein, auf Verantwortung und auf die Gestaltung von Welt, die in rein funktional-technischen Narrativen keine Rolle spielen – und gerade deshalb umso notwendiger sind.

    In öffentlichen Diskussionen – etwa um das Metaverse, KI oder digitale Bildungsräume – zeigt sich immer wieder, wie sehr ein epistemisch und ethisch fundiertes Nachdenken über Technik fehlt. Mein Forschungsansatz schließt hier eine Lücke: Er führt technische Entwicklungen zurück auf ihre symbolischen Voraussetzungen und macht die Widerständigkeit theologischer, anthropologischer und philosophischer Perspektiven sichtbar – nicht um zu moralisieren, sondern um Reflexionsräume zu eröffnen.

    Darüber hinaus leistet meine Forschung einen Beitrag zur symbolischen Resilienz akademischer Bildung: Indem sie zeigt, das Konzepte von Transzendenz nicht antiquiert, sondern aus anthropologischer Sicht notwendig sind, dass Freiheit nicht beliebig, sondern begründet ist, und dass Differenz nicht bedrohlich, sondern produktiv ist, macht sie ein Angebot, das über den theologischen Raum hinaus Wirkung entfalten kann – in Bildungsprozessen, in öffentlichen Debatten, in interdisziplinären Diskursfeldern zwischen Kultur, Technik und Ethik.

  • Erkenntnisfragen

    Erkenntnisfragen
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    Dr. Rainer Gottschalg:

    Mein Zugriff überschreitet die klassische theologische Erkenntnislehre und entwickelt sich zu einer epistemischen Kulturtheorie. Dabei verschränken sich zwei Felder:

    Digitale Topologien als epistemische Strukturen: Digitale Räume sind keine neutralen Container, sondern symbolisch strukturierte Erkenntnismilieus. Sie präfigurieren, was als Wissen zählt, wie Erkennen organisiert wird und auf welchen sprachlich-rationalen Mustern Bedeutung entsteht. Darum spreche ich von Topo-Logiken, die selbst Erkenntnisräume bilden, was zu einer medientanthropologischen Epistemologie tendiert: Räume bestimmen mit, wie Welt erkennbar ist.

    Freiheit und Differenz als epistemische Prinzipien: Aus meiner theologischen Fundierung bringe ich einen anthropologischen Freiheitsbegriff ein, der epistemologische Konsequenzen fordert. Erkenntnis ist demnach auch immer Selbstvergewisserung des Subjekts in pluralen Zusammenhängen. Die digitale Transformation bedroht solche Differenzmuster, etwa durch algorithmische Homogenisierung. Dagegen votiere ich für ein Verständnis von Erkennen, das Wahrheit nicht als Output definiert, sondern als prozesshafte, relationale, freiheits-kompatible Bewegung begreift.

    Dieser Ansatz will kritisch-kompatibel sein, nämlich unter welchen Bedingungen Erkenntnis im Horizont der digitalen Transformation leisten muss, um human zu bleiben.

    In meinem Forschungsansatz entwickele ich also eine kulturhermeneutisch und anthropologisch fundierte Epistemologie, die Erkenntnis nicht als abstrakten Akt, sondern als situiertes, relationales Geschehen versteht. Im Zentrum steht ein freiheitstheoretisch motivierter Wahrheitsbegriff, der Erkenntnis als dialogische Bewegung in Kontexten von Differenz, Geschichte und symbolischer Ordnung begreift.

    Unter den Bedingungen der digitalen Transformation richte ich mein Augenmerk besonders auf die epistemischen Strukturen digitaler Räume: Ich verstehe sie als Topologien mit eigener Logik – als symbolisch und technisch codierte Erkenntnismilieus, die Wahrnehmung, Artikulation und Verstehen vorstrukturieren.

    Die Frage nach der Technizität des Technischen und der Topo-Logik digitaler Umgebungen ist dabei grundlegend: Mensch-sein und ihre Erkenntnis steht nicht jenseits dieser Räume, sondern wird durch sie mitkonstituiert. Meine Forschung zielt daher auf eine interdisziplinär anschlussfähige Anthropologie mit einer kongruierenden Epistemologie, die digitale Rationalitäten kritisch durchdringt und die Bedingungen freiheitsfähiger Erkenntnis im Zeitalter algorithmischer Ordnungsmuster neu konturiert. 

  • Theologie als freiheitssensible Herrschaftskritik in der Dialektik der Moderne

    Dr. Jonas Erulo:

    (1) Rahmen. Theologisch ist die Forschung in Ansatz und Gehalt dem emanzipatorischen Kern des Glaubens an einen Gott verpflichtet, der radikal für die Menschen in ihrer konkret-geschichtlichen Verfasstheit ist. Diesen Kern gilt es so zu artikulieren, dass er konkret auf gesellschaftliche Befreiungsprozesse einwirkt – ohne dabei die Autonomie menschlicher

    (2) Methodisch. Sowohl als Implikat des theologischen Vorzeichens eines Gottes, der andere Freiheit will (Eigenstand von Mensch und Welt gegenüber Gott als gottgewollt), als auch als Voraussetzung für eine kritische Arbeit, die auf dem Stand einer selbstreflexiven Moderne steht, muss eine Autonomie menschlicher Freiheit, ihrer Freiheitsgeschichte und ihrer Welt behauptet werden. Daraus folgt ein zentraler Fragenkomplex: Es besteht eine Korrelation und Spannung zwischen dem immanenten Modus der Kritik (der Ansatz der Kritik ist die Selbstreflexivität von Freiheit, die darüber ihren Unbedingtheitscharakter in Anschlag bringt und die Kritik an der eigenen Widersprüchlichkeit der Verhältnisse ermöglicht) und der das Gegebene transzendierenden Stoßrichtung, sowie zwischen der Orientierung auf eine andere Vermittlung dieser Verhältnisse („diese Welt anders“) und der Radikalität der Einforderung eines anderen Vermittlungsprinzips des Ganzen („neue Welt“). Die Problematik besteht sowohl normativ (Was ist Maßstab der Kritik?) als auch aktuativ (Frage nach dem Subjekt und der Verwirklichungskraft von Kritik und Veränderung).

    (3) Theologische Kristallisationspunkte:

    a. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Theologischen und dem humanen Maßstab.
    Ein gemeinsames Minimalkriterium ergibt sich aus der Konvergenz zwischen dem theologischen Prinzip der Götzenkritik (dessen Zeichen die erzwungene Minderung und Aufopferung menschlichen Lebens ist) und einer Herrschaftskritik, die eine Gesamtvermittlung der Wirklichkeit anstrebt, in der die Freiheit des Einzelnen nicht geopfert wird und in der eine „opferlose Nichtidentität des Subjekts“ (Adorno) für alle möglich wird.

    b. Soteriologische und eschatologische Bestimmung. Das definitive Heil sowie die Orientierung daran müssen dabei in Solidarität mit Befreiungsbewegungen in der Geschichte gedacht werden. Sie dürfen diese weder ersetzen noch ihre Bedeutung aufheben oder deren spezifisches Drama (auch: Ohnmachtserfahrungen, Rückschläge) zur Nebensächlichkeit erklären.

    c. Messianismus. Um die Bestimmung der Figur des Messianischen spielt sich die Koordination zwischen Eigenstand und Verwiesenheit ab – zwischen menschlicher Geschichte und göttlichem Heil. Darin liegt aber auch die Möglichkeit von Vermengungen und Kurzschlüssen. An dieser Stelle verortet sich sowohl eine kritische Betrachtung des christologischen Messianismus vor dem Hintergrund jüdischer Vorstellungen als auch die Analyse und Kritik philosophischer Messianismen (insbesondere: Agamben, Badiou, Žižek).

    5. Konkrete Themen. In diesem Rahmen wird – auch aus theologischer Motivation, aber im Eigenstand der Ausführung – auf Fragen konkreter Gesellschaftskritik eingegangen.

    a. Rechtskritik und Dialektik des Rechtes;

    b. Allgemeine Theorie von Herrschaft und Gewalt

    c. Frage nach einer „opferlosen“ Gesamtvermittlung;

    d. Frage nach dem Modus der Kritik und dem Subjekt der Veränderung.

    a. Migration und Kritik von Abschottung

    b. Klimagerechtigkeit 

    c. queer-feministische

    Diese Themen werden in Berücksichtigung der Erfahrungen, Praktiken und Erkenntnisse der konkreten sozialen Bewegungen und die involvierten Subjekte behandelt. Zur Seite des Projektes

  • Mündigkeit des Glaubens - eine kritische Theorie des Glaubensaktes und ein Entwurf der Fundamentaltheologie

    Dr. Jonas Erulo:

    Wie lässt sich Glaube als synthetischer Akt des Humanen verstehen – als jene Haltung, in der menschliches Subjektsein in all seinen Dimensionen und Bezügen Zugang zu seiner gelungenen Gestalt hat und darin Prinzip des Heils der Menschen ist?
    Wie ist wiederum die gleichzeitige Behauptung aufrechtzuerhalten, dass Glaube als universales Prinzip des Heils allen Menschen (auch in anonymer Gestalt) zugänglich sein muss – und dass Glaube als freie Teilhabe an der Weise, in der Jesus Christus in menschlicher, geschichtlicher Freiheit die Beziehung zum Vater im Modus des ewigen Sohnes lebt, adäquat zu deuten ist? Wie – bzw. unter welchen Bedingungen – kann schließlich dieser Glaube nicht als defizitärer Modus des Vollzugs von Freiheit und Vernunft ausgelegt werden?
    Selbst die Auslegung und Rechtfertigung dieses Glaubens muss eine Treue gegenüber dem Menschen in seiner Freiheitsstruktur und geschichtlichen Dramatik bewahren.
    Methodisch ist Fundamentaltheologie eine theologische Theorie des Glaubens – und darin eine kritische Überprüfung der Humanität und humanen Vertretbarkeit des Glaubens als Haltung und seiner Inhalte.

    Diese Fragen artikulieren sich in ein Programm, der als eine Skizze der Fundamentaltheologie verstanden werden kann.  Folgende Schritte werden ausgeführt:

    1) Erste anthropologische Bestimmung des Ortes des Glaubens

    2) Theologische Kritik der Religion und Theorie der Ambivalenz des Heiligen

    3) Christologische Offenbarung als Klärung der Vertrauens-Würdigkeit des Gottes vor den Ansprüchen geschichtlicher Freiheit

    4) Theologische Bestimmung von Glaube; Möglichkeit dessen auch anonymen Universalität; säkulare Effektualität.

    6) Theologische Anthropologie der Freiheit und der praedestinatio Filialis

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  • Geschichtsfähiger Gott – Eine Relektüre der zentralen Kapitel Systematischer Theologie

    Dr. Jonas Erulo:

    In Kohärenz mit dem Gesamtansatz ergibt sich ein dauerhaftes, begleitende Forschungsfokus, der sich auch in materialdogmatische Erwägungen übersetzt. Gott und sein Heil sind so zu denken, dass Freiheit und Geschichte in ihrer Autonomie und Eigenwürde zugelassen und bejaht werden und als solche in die soteriologische Auffassung berücksichtigt werden müssen.

    1) Christologisch: Einschreibung der Sohnesbeziehung in menschliche Freiheit und Geschichte als Verwirklichung und Vollendung menschlicher Freiheit.

    2) Theologische Anthropologie: Vorbestimmung aller zur eigenständigen Teilhabe an der geschichtlichen Freiheit Jesu.

    3) Trinitätslehre: Wie ist die Wirklichkeit Gottes und das Heilsmysterium so zu denken, dass Gott eine autonome Geschichte eröffnen und in ein (rettendes) Verhältnis zu ihr treten kann, ohne deren Autonomie und Eigenstand aufzuheben?

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  • „Das Subjekt des Begehrens und sein Gesetz – Konturen einer kritischen Theologie der Liebe“

    Dr. Jonas Erulo:

    Die Arbeit möchte eine kritische Theologie der Liebe in der Konstellation zwischen Freiheit, Gesetz und Begehren leisten.  Auf der Grundlage philosophischer Untersuchungen sollen Kriterien und Korrektive für den inflationären und teilweise unkontrollierten Gebrauch einer Semantik der Liebe zu liefern, sowie zu einer parallelen Abwertung der Dimensionen des Begehrens und des Gesetzes. Statt aber „Liebe“ in Reaktion darauf unter Generalverdacht zu stellen oder gänzlich in Absehung von der affektiven Dimension zu bestimmen, soll sie Vielmehr als die Chiffre und den Ernstfall des Humanum verstanden werden.
     

    Ausgangspunkt des Projekts steht die Rekonstruktion der Reziprozität zwischen dem vor-subjektiven Moment des Begehrens und dem unterbrechenden, formgebenden Moment des Gesetzes. Diese Beziehung soll als Dialektik von Kraft und Form im Hinblick auf eine integrative Theorie des Subjekts entfaltet werden. Die leitende Hypothese lautet: Erst die Formung durch eine Norm oder ein Gesetz setzt die transzendierende Kraft des Begehrens frei und macht es zum konstitutiven Moment des Subjekts – das Subjekt selbst als Geist soll in dieser Spannung gesucht werden.

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  • Kritik des christlichen Antijudaismus als Denkform

    Dr. Jonas Erulo:

    Aus systematisch-theologischer Perspektive liegt meines Erachtens der Ernstfall des Problems in der Frage nach einer intrinsischen Anfälligkeit grundlegender Aspekte und Funktionsweisen systematisch-theologischer Auslegung des Christlichen. Es geht dabei nicht nur um die historische Last des christlichen Antijudaismus; nicht nur um das Fortwirken der darin generierten Motive; und auch nicht nur um die Frage, wie sich das Christliche definieren kann, ohne das Jüdische zur Negativfolie, zum Kontrastmaterial oder auch nur zur Grundierung der eigenen Selbstbeschreibung zu degradieren.

    Im Zentrum meiner Überlegungen steht die Frage nach der Kategorie der „Vermittlung“. Es scheint mir, dass nicht nur die Behauptung, dass in Jesus Christus und in der Gabe des Geistes die definitive Heilsvermittlung erfolgt sei, problematisch ist – sondern vor allem das Wie dieser Vermittlung gedacht wird. Denn in der Weise, wie diese Vorstellung ausgeformt ist (sowie in den Wirkungsgeschichten der damit verbundenen Motive), liegt eine spezifische und besonders hartnäckige Anfälligkeit für antijudaistische Tendenzen. Diese speist sich daraus, dass sich in ihr Denkformen herausbilden, die strukturelle Analogien zur Funktionsweise des Antisemitismus selbst aufweisen.

    Gerade auf dieser Grundlage scheint es, spezifisch christlich Geprägte antisemitismusanfällige Denkformen zu geben, die maßgeblich das philosophische und politische Denken westlicher Moderne geprägt haben.

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  • Vom Judentum lernen

    Dr. Jonas Erulo:

    Meine Forschung richtet sich, spiegelbildlich zu dieser Kritik, mit systematisch-theologischem Interesse auf die Traditionen des Judentums – insbesondere als ausgeprägte Kultur des Nichtidentischen – und formuliert daraus Rückfragen an die christliche systematische Theologie. Was kann letztere vom Judentum lernen?

    Im Dialog mit ausgewählten Stimmen der jüdischen Theologie – insbesondere aus der Neuzeit und der Gegenwart – sollen kritische Impulse für das methodische Vorgehen und die inhaltlichen Bestimmungen der christlichen Theologie gewonnen werden.

    Im Zentrum stehen dabei folgende Aspekte für die jüdische Traditionen wichtige Ressourcen anbieten:

    Das Bewusstsein für die konstitutiven Spannungen in der Welt des Menschen und eine Kultur des Umgangs mit diesen Spannungen.

    Ein Bezug auf die konkrete Weltwirklichkeit und eine weltbezogene Vorstellung von Heil: Diese ist realistisch und geschichtlich gedacht – sie hängt von der Schaffung von Bedingungen ab, die den Widerspruch zwischen Allgemeinem und Besonderem überwinden, bleibt aber zugleich unverfügbar. Ihre definitive Komposition liegt in einer Umgestaltung der Weltverhältnisse.

    Eine Resistenz gegenüber Abkürzungen – und damit eine Skepsis gegenüber Projekten, die die Auflösung dieser Spannungen behaupten (und meist eine abstrakte Lösung propagieren).

    Die Suche nach einem Universalismus, der das Konkrete und Nichtidentische einschließt – und die kritische Aufmerksamkeit gegenüber den Fallstricken eines abstrakten Universalismus.

    Die Frage nach der Bedeutung und Funktion des Gesetzes.

Wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten

  • Habilitationsprojekte

    Jonas Erulo

    Rainer Gottschalg

  • Promotionsprojekte vereinbart

    Jomat Mathew Kollappallil

    Raphael Maercker

    Ajesh Devasia

    Robin Flack

    Stefan Gaßmann

  • Promotionen abgeschlossen

    Dennis Bouillon, Unter dem Blickwinkel der Zeit. Phänomenologie und Metaphysik bei Samuel Alexander. Münster 2024 (Nitsche: Zweitbetreuung)

    André Hille, Nachdenken über Freiheit – das Ureigene der Theologie. Der Open Theism im Gespräch mit dem Denken von Thomas Pröpper. Münster 2023 (Nitsche: Zweitbetreuung)

    Jonas Erulo, „…von der Wahrheit eines ganz anderen Ganzen her. Untersuchungen im Anschluss an Theodor W. Adorno zur Möglichkeit einer nicht-sakrifikalen Vermittlung der Wirklichkeit und deren Subjekt in fundamentaltheologischer Absicht.“ Münster 2022.

    Polycarb Okafor, Solidarity in Ubuntu Philosophy and in Honneth’s Struggle for Recognition: A Contribution to the Resolution of Ethnic and Religious Conflicts in Nigeria. Münster 2022 (Nitsche: Drittgutachten)

    Hanna Braun, Der vulnerable Mensch als Ebenbild Gottes. Eine Grundlegung für inklusive Sprechweisen in der theologischen Anthropologie. Münster 2021.

  • Magister und Bachelorarbeiten abgeschlossen (Erstbetreuung)

    Kieu Mi Do, Re(ve)latio Gottes in Wesen und Sendung der Kirche: Gastfreundschaft als Konkretion des Doppelgebotes der Liebe. Münster 2025. (Gottschalg)

    Frieda Kries, Mut zum Sein in der ökologischen Krise. Eine fundamentaltheologische Analyse von Klimaangst mit Paul Tillich. Münster 2024. (Nitsche)

    Lara Marie Sindermann, Antisemitismus als Ausdruck narzisstischer Kränkung? Antisemitismus und christlicher Antijudaismus aus psychoanalytischer Perspektive in kritischer Auseinandersetzung mit Béla Grunberger. Münster 2024 (Erulo)

    Lukas Schibowski, „Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt.“ (Kol 1,24). Das Evangelium des Leidens im Leben und in der Lehre des hl. Johannes Paul II. (1920-2005). Münster 2022. (Nitsche)

    Lisa Rüschenschmidt, Das Rettende bei Walter Benjamin. Ein Beitrag zur Klärung seines Rettungskonzeptes. Münster 2021 (Nitsche)

    Robin Flack, Ibn al-ʿArabī: Eine mögliche islamische Perspektive für die Panentheismusdebatte. Münster 2020 (Nitsche)

    Stefan Gaßmann, Selbststand und Unvertretbarkeit. Untersuchung zum Subjektbegriff Emmanuel Lévinas’ in der Verschränkung transzendentalphilosophischen und phänomenologischen Fragens. Münster 2019 (Nitsche)

    Jakob Ohm, Ethos der Liebe. Orientierungshilfes des Christlichen im Zeitalter des Individualismus. Münster 2018 (Nitsche)