Vita
Eva Schlotheuber hat an den Universitäten in Göttingen und Kopenhagen studiert und wurde 1994 in Göttingen mit der Dissertation „Die Franziskaner in Göttingen. Die Geschichte des Klosters und seiner Bibliothek” (Prof. Dr. Hartmut Hoffmann) promoviert. Von 1999 bis 2001 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Claudia Märtl an der Technischen Universität Braunschweig, ab 2001 dann an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Dort habilitierte sie sich 2003 mit einer Arbeit über ein Konventstagebuch einer spätmittelalterlichen Zisterzienserin. Nach einer Zeit als Oberassistentin an der LMU lehrte sie von 2007 bis 2010 als Professorin für Mittelalterliche Geschichte und Hilfswissenschaften an der Universität Münster. Seit 2010 hat sie als Nachfolgerin von Johannes Laudage den Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf inne. Im WS 2021 hat sie eine Gastprofessur an der Universität Pavia in Italien (Dipartimento di Sudi Umanistici, Prof. Daniela Rando) wahrgenommen. Seit 2014 ist sie ordentliches Mitglied der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica und seit 2016 Mitglied des Konstanzer Arbeitskreises für Mittelalterliche Geschichte. 2020 wurde sie zum Corresponding Fellow of the Medieval Academy of America sowie zum Mitglied der American Philosophical Society (APS) gewählt. Von 2016 bis 2021 war sie Vorsitzende des Verbands der Historiker und Historikerinnen Deutschlands.
Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die politischen Theorien des 14. Jahrhunderts, Herrschaftskonzeption und Herrschaftspraxis Kaiser Karls IV., sowie die Bildungs- und Bibliotheksgeschichte und insbesondere die Wissensordnung im digitalen Wandel. Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt ist weiterhin die Kultur- und Ordensgeschichte, insbesondere die Lebens- und Ausdrucksformen in den mittelalterlichen Nonnenklöstern. Seit 2016 leitet sie die digitale Edition „The ‘Nuns’ Network/Netzwerke der Nonnen. Digitale und Print-Edition der Briefsammlung der Benediktinerinnen von Lüne (ca. 1460-1555)“ als Verbundprojekt mit Prof. Henrike Lähnemann (Chair in Medieval German, Oxford), gefördert durch die Gerda Henkel-Stiftung und die Thyssen-Stiftung.
Forschungsprojekt
Die Goldene Bulle 1356 – die erste schriftliche Verfassung des römisch-deutschen Reichs
Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die Relevanz des Entstehungskontextes der Goldenen Bulle, die Legitimierung rechtlicher Normierung durch Karl IV. als politisches Instrument, sowie die rechtliche und politische Wirkung der ersten schriftlichen Verfassung des römischen-deutschen Reichs zu analysieren und in europäischer Perspektive einzuordnen. Die Ausgangshypothese ist, dass die Verschriftlichung von Verfassungen in der Vormoderne das Ergebnis von tiefgreifenden Konflikten und einer damit verbundenen Lösungs- bzw. Kompromisssuche ist. Sie können deshalb ohne die Kenntnis der damit verbundenen Machtauseinandersetzungen und grundsätzlichen Konfliktlinien auch in ihren Wirkungen nicht verstanden werden. Die weit verbreitete Annahme, dass die Goldene Bulle 1356 mehr oder weniger „nur“ bereits eingeführtes Gewohnheitsrecht verschriftlicht hat oder als ‚europäisches Unikum‘ das Reich von zukunftsweisenden Entwicklungen ausschloss, greift deshalb in jedem Fall zu kurz. Die Goldene Bulle war nicht zuletzt das Ergebnis komplexer Aushandlungsprozesse zwischen der römischen Kurie und Kaiser Karl IV. Da der hegemoniale Charakter der Kaiser- und der Papstwürde das römisch-deutsche Reich und Italien als gemeinsame Machtsphäre untrennbar miteinander verband, betrafen die mit diesen Aushandlungsprozessen verbundene Neuordnung der Verhältnisse sowohl Italien als auch das Reich. Sie schlugen sich deshalb auch in zwei großen Verfassungsentwürfen nieder, nämlich in der Goldenen Bulle von 1356 als erster Verfassung für das Reich und in den Constitutiones Aegidianae 1357 für den Kirchenstaat, denen beiden eine eindrucksvolle Geltungsdauer von über 650 Jahren beschieden war.
Einschlägige Veröffentlichungen
Schlotheuber, Eva, Reassessing Charles IV’s imperial coronation journey and the role of Petrarch (45 S., mit editio princeps des Briefes von Niccolò Acciaiuoli 1354), in: Rando, Daniela/Schlotheuber, Eva (Hg.), Carlo IV e l'Italia. Atti dei convegni Milano-Pavia e Roma, maggio-settembre 2019, Roma, Istituto Storico Italiano per il Medio Evo [in Druckvorbereitung, 2022].
Schlotheuber, Eva/Hamburger, Jeffrey/Marti, Susan/Fassler, Margot, Liturgical Life and Latin Learning at Paradies bei Soest, 1300-1425: Inscription and Illumination in the Choir Books of a North German Dominican Convent, Münster 2017, 2 Bde.
Schlotheuber, Eva, Der weise König. Herrschaftskonzeption und Vermittlungsstrategien Kaiser Karls IV. († 1378), in: Hémecht. Zeitschrift für Luxemburger Geschichte 63/3 (2011), 265-279.
Schlotheuber, Eva, Das Privilegium maius – eine habsburgische Fälschung im Ringen um Rang und Einfluss, in: Schmid, Peter/Wanderwitz, Heinrich (Hg.), Die Geburt Österreichs. 850 Jahre Privilegium minus (Regensburger Kulturleben 4), Regensburg 2007, 143-165.
Schlotheuber, Eva, Die Autobiographie Karls IV. und die mittelalterlichen Vorstellungen vom Menschen am Scheideweg, in: Historische Zeitschrift 281 (2005), 561-591.
Schlotheuber, Eva, Klostereintritt und Bildung. Die Lebenswelt der Nonnen im späten Mittelalter. Mit einer Edition des ‚Konventstagebuchs‘ einer Zisterzienserin von Heilig-Kreuz bei Braunschweig (1484-1507) (Spätmittelalter und Reformation; Neue Reihe 24), Tübingen 2004.