Forschungsteam erweitert Anwendungsbreite günstiger Photokatalysatoren

Einem Forschungsteam um Prof. Dr. Ryan Gilmour und Prof. Dr. Johannes Neugebauer (Organisch-Chemisches Institut) ist es gelungen, ein völlig neues Anwendungsgebiet eines enantioselektiven Aluminium-Salen Katalysators zu erschließen. In einer bahnbrechenden, im Fachjournal Nature Chemistry veröffentlichten Studie wurde der Katalysator erstmals für die katalytische Übertragung von Lichtenergie (engl. Energy-Transfer Catalysis) verwendet.
Die organische Chemie ist für unsere Gesellschaft von entscheidender Bedeutung. Sie ermöglicht die Entwicklung von wichtigen Arzneimitteln und Agrochemikalien, und erschließt die großtechnische Produktion derselben durch die stetige Innovation neuer synthetischen Methoden. Angetrieben von Faktoren wie der veränderten Bevölkerungsdichte oder dem Auftreten neuer gesundheitlicher Herausforderungen arbeiten Chemiker*innen kontinuierlich an der Herstellung und Charakterisierung von wirksameren funktionellen Molekülen. Folglich entwickelt sich die synthetische organische Chemie ständig weiter, um den sozioökonomischen Veränderungen Rechnung zu tragen.
Dabei hat sich die Katalyse als Schlüsseltechnologie erwiesen, mit der viele dieser gesellschaftlich wichtigen Moleküle effizient hergestellt werden können. Katalysatoren treiben eine Reaktion an, ohne dabei selbst verbraucht zu werden. Daher können sie immer wieder verwendet werden, wodurch der Prozess nachhaltiger und selektiver wird.
Viele gesellschaftlich wichtige Pharmazeutika und Agrochemikalien liegen in einer von zwei spiegelbildlichen Formen vor, den so genannten Enantiomeren. Mit Hilfe so genannter "chiraler" Katalysatoren ist es möglich, bevorzugt eine der beiden Varianten eines Moleküls zu erzeugen. Diese Fähigkeit heißt Enantioselektivität und ist für die Gewährleistung der richtigen biologischen Wirkung des Produktes essenziell. Unter den aktuell bekannten chiralen Katalysatoren gibt es eine sehr exklusive Untergruppe, die aufgrund ihrer Fähigkeit, viele verschiedene Arten von Reaktionen mit hoher Effizienz und Enantioselektivität zu katalysieren, als "privilegiert" gilt. Die Bedeutung einiger dieser Katalysatoren spiegelt sich in den Nobelpreisen für Chemie 2001 und 2021 wider. Bislang funktionieren diese enantioselektiven Katalysatoren jedoch ausschließlich durch thermische Aktivierung (Wärme). Eine weitere Möglichkeit für die Zufuhr der benötigten Reaktionsenergie besteht in der Bestrahlung mit Licht. Vermittelt der Katalysator zwischen Licht – und chemischer Energie, so spricht man von Photokatalyse. Allerdings ist bislang nur eine sehr geringe Anzahl von Photokatalysatoren bekannt, die sowohl eine große Bandbreite verschiedener Reaktionen katalysieren können, als auch bei diesen hohe Enantioselektivitäten erzielen (sogenanntes photochemisches Selektivität – Universalitätsparadoxon).
In der Studie zeigen die Autoren, dass Licht als alternative Aktivierungsstrategie genutzt werden kann, um einen repräsentativen privilegierten Aluminiumkatalysator zur Katalyse einer neuen Reaktion zu befähigen. Durch diese Form des "enantioselektiven Energietransfers (EnT)" können pharmazeutisch relevante Schlüsselmoleküle mit hoher Selektivität erzeugt werden. "Wichtig ist, dass dieser chirale Aluminiumkatalysator eine sehr unterschiedliche Reaktivität bei thermisch und durch Licht ausgelösten Reaktionen zeigt, und dieses Beispiel für Energietransfer ergänzt frühere Arbeiten der Gruppe", so Ryan Gilmour. In einer früheren Studie aus dem Jahr 2023 berichteten die Gruppen, dass ein sogenannter Einzelelektronentransfer mit demselben Aluminium-Salen-Katalysator möglich war. Im Gesamtbild zeigen diese Studien, dass zwei neue Aktivierungsmodi es ermöglichen, enantioselektive Reaktionen mit Licht als billigem und gut verfügbarem Stimulus in Gang zu setzen.
Angesichts ihres umwälzenden Einflusses auf die Art und Weise, wie wir Moleküle bauen können, erweitert die Identifizierung neuer privilegierter chiraler Photokatalysatoren die Grenzen der asymmetrischen Katalyse. Die veröffentlichten Studien sind daher ein wichtiger Schritt, um das photochemische Selektivitäts – Universalitätsparadoxon aufzulösen.