Erfassung sozialer Kompetenzen

Unsere Perspektive auf die Erfassung sozialer Kompetenzen lässt sich entlang vier zentraler Fragen beschreiben. 

  • Welche Ansätze zur Erfassung sozialer Kompetenzen gibt es?

    Es gibt verschiedene Möglichkeiten, soziale Kompetenzen zu erfassen. Drei zentrale Zugänge lassen sich unterscheiden:

    • Selbstkonzept: Wie Personen ihre eigenen sozialen Kompetenzen einschätzen (z. B. über Selbstbericht-Fragebögen)
    • Hypothetisches Verhalten: Was Personen angeben, wie sie sich in bestimmten sozialen Situationen verhalten würden oder sollten (z. B. durch Situational Judgment Tests)
    • Tatsächliches Verhalten: Wie Personen sich in realen oder simulierten sozialen Situationen tatsächlich verhalten (z. B. mittels standardisierter Verhaltensbeobachtungen)

    Selbstkonzepte und hypothetisches Verhalten können relevante Teilaspekte sozialer Kompetenzen erfassen, etwa Einstellungen, Überzeugungen oder Handlungspläne. Allerdings zeigen sich tatsächliche Unterschiede in den sozialen Kompetenzen erst im Verhalten in relevanten sozialen Situationen. Auch Studien zeigen, dass zwischen Selbstkonzepten und beobachtbarem Verhalten oft nur geringe Zusammenhänge bestehen siehe. Dies spricht für einen Fokus auf verhaltensnahe Verfahren, insbesondere wenn soziale Kompetenzen differenziert erfasst und gefördert werden sollen.

     

  • Wie kann man soziale Kompetenzen verhaltensnah erfassen?

    Verhaltensnahe Erfassung bedeutet, dass Personen in sozialen Situationen agieren und ihr Verhalten systematisch beobachtet wird. Dafür braucht es Verfahren, in denen echte zwischenmenschliche Interaktion stattfindet, zum Beispiel in Form von Simulationen mit anderen Personen („Rollenspielen“) mit definierten Anforderungen.

    Das Verhalten wird von geschulten Beobachterinnen und Beobachtern eingeschätzt. Grundlage sind klare Kriterien, die sich auf konkrete Verhaltensweisen beziehen. Solche Verfahren sind aufwändig, da sie realistische Situationen und trainierte Beurteilende erfordern. Gleichzeitig ermöglichen sie eine differenzierte und praxisnahe Einschätzung sozialer Kompetenzen und schaffen so eine fundierte Basis für Forschung, Diagnostik und Trainings.

    Unsere Forschung siehe zeigt, dass sich soziale Kompetenzen auf diese Weise besonders zuverlässig erfassen lassen. Für eine möglichst genaue Messung empfiehlt es sich, Personen mit einer Vielzahl eher kurzer interpersoneller Situationen zu konfrontieren, die gezielt auf jeweils eine soziale Kompetenz ausgerichtet sind.

     

  • Wie müssen Situationen gestaltet sein, um soziale Kompetenzen hervorzurufen?

    Unterschiede in sozialen Kompetenzen werden dann sichtbar, wenn für eine effektive Lösung einer zwischenmenschlichen Situation bestimmte Verhaltensweisen erforderlich sind. Daher gestalten wir am CeSoS simulierte Szenarien mit unterschiedlichen sozialen Anforderungen. In der Regel zielt jede Situation darauf ab, eine spezifische Kompetenz herauszufordern. Je nach Kompetenzbereich unterscheiden sich die Merkmale der Situation:

    Agency Skill

    Situationen, in denen aktives, selbstsicheres und durchsetzungsstarkes Verhalten erforderlich ist. Zum Beispiel:

    Konfrontation mit Widerstand oder Gleichgültigkeit

    Verantwortung für eigene Entscheidungen übernehmen und sie in die Tat umsetzen

    Austragen von Konflikten

    KI-generierte Bilder mit DALL·E (OpenAI)

    Communion Skill

    Situationen, in denen warmherziges, zugewandtes und einfühlsames Verhalten gefragt ist. Zum Beispiel:

    Begegnung mit hilfsbedürftigen oder traurigen Personen

    Umgang mit Verzweiflung oder Unzufriedenheit

    Überbringen belastender Nachrichten

    KI-generierte Bilder mit DALL·E (OpenAI)

    Interpersonelle Resilienz

    Situationen, die emotionale Stabilität und Gelassenheit erfordern. Zum Beispiel:

    Konfrontation mit Kritik oder sozialem Druck

    Leistungsbezogene Rückmeldungen

    KI-generierte Bilder mit DALL·E (OpenAI)

    Diese gezielt gestalteten Situationen ermöglichen eine verhaltensnahe Einschätzung – indem beobachtet wird, ob und wie gut es Personen gelingt, in kritischen Momenten angemessen zu handeln.

  • Wie gelingt eine gute Beurteilung sozialer Kompetenzen?

    Eine zuverlässige Beurteilung sozialer Kompetenzen erfordert geschulte Beobachter:innen und klar definierte Kriterien. In der Regel durchlaufen Beurteiler:innen eine strukturierte Schulung, in der sie lernen, relevante Verhaltensweisen anhand konkreter Verhaltensanker systematisch zu erkennen und einzuordnen. Um Verzerrungen zu minimieren, wird das Verhalten in der Regel von mehreren Beobachter:innen unabhängig eingeschätzt. Die Urteile werden anschließend aggregiert, um ein möglichst objektives und differenziertes Kompetenzprofil zu erhalten.