„Fünf Fragen und ein Cafézinho“ mit Jessica Oyie

PhD Forschungsaufenthalt an der UM bei Prof. Dr. Martin Götte
Jessica Oyie (UNIFESP), eingeladene Promotionskandidatin
© jessica oyie

1. Brasilien-Zentrum: Wie hat der Forschungsaufenthalt an der Universität Münster zu deiner Forschung und deinem wissenschaftlichen Werdegang beigetragen?

Jessica Oyie: Hinsichtlich meines Forschungsprojekts habe ich durch meinen Aufenthalt in Münster viele neue Techniken lernen können, die mir hier (an der UNIFESP) nicht zugänglich sind. Was mein berufliches Profil betrifft, habe ich es geschafft, einen Übersichtsartikel zu publizieren. Außerdem haben meine Forschungsergebnisse, die ich dort an der Universität (UM) im Rahmen meines PhD-„Sandwichs“ erzielt habe, in breiter Weise dazu beigetragen, nicht nur die Fragestellung meines Forschungsprojekts zu beantworten, sondern auch einen weiteren Artikel zu veröffentlichen und meinen Lebenslauf für die wissenschaftliche Karriere zu bereichern.
Ich habe zudem Erfahrung im Labor gesammelt, denn die Experimente, die ich hier an der Uni (UNIFESP) durchführe, werden in Deutschland anders durchgeführt. Dies ist sehr gut gewesen, weil ich dasselbe Experiment anders betrachten konnte, was zu meinem kritischen Sinn als Forscherin beigetragen hat.
Noch bezüglich meiner Forschungsergebnisse während meines Aufenthaltes in Münster ist mir zudem wichtig zu berichten, dass sie mich dazu gebracht haben, über ein größeres Forschungsprojekt nachzudenken, das ich im Rahmen eines Post-Docs weiterführen möchte und somit neue Ergebnisse erzielen kann. Dies habe ich mit meinem Gastprofessor, Prof. Dr. Martin Götte, besprochen, ihm hat die Idee so gut gefallen, dass wir gemeinsam ein neues Projekt erarbeitet haben. Nun plane ich, im nächsten Jahr nach Münster zurückzukehren, nachdem ich mein PhD-Studium abgeschlossen habe.

Jessica Oyie (UNIFESP), eingeladene Promotionskandidatin
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2. Brasilien-Zentrum: Gab es bei deinem Forschungsaufenthalt besondere Herausforderungen? „Ja“ oder „nein“ Antwort bitte begründen oder auch vermuten.

Jessica Oyie: Ja, am Anfang hatte ich Schwierigkeiten, aber genau aus dem Grund, dass das gleiche Experiment, die gleiche Technik unterschiedlich durchgeführt worden sind. Wenn ich im Labor arbeite, führe ich so oft das gleiche Experiment durch und das wird sehr automatisch. Wenn ich in einem anderen Labor bin, in dem die Leute das gleiche Experiment auf eine andere Art und Weise durchführen, half mir das, kritisch darüber nachzudenken, weil die Vorgehensweise nicht mehr so vertraut ist. Ich hatte deswegen anfangs Schwierigkeiten, aber dann begann ich, diese Fähigkeit zu entwickeln, stets darüber nachzudenken, wie man das Experiment anders durchführen kann, ohne die gleichen Reagenzien wie hier (UNIFESP) und unter anderen Bedingungen. Das war am Ende eine gute Sache.

Jessica Oyie (UNIFESP), eingeladene Promotionskandidatin
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3. Brasilien-Zentrum: Wie hat sich der Aufenthalt auf persönliche Ebene ausgewirkt?

Jessica Oyie: Ja, dieser Aufenthalt hat mir mehr Mut bereitet, denn schließlich habe ich meine Komfortzone verlassen und bin an einen Ort gegangen, an dem ich niemanden kannte, mit einer völlig anderen Kultur. Das gab mir mehr Mut, mich den Hindernissen und Schwierigkeiten, die auftauchten, zu stellen, weil man weiß, dass es klappen wird, dass man es durchsteht.
Außerdem hat mich diese Erfahrung toleranter gemacht. Denn von dem Moment an, in dem man in einer anderen Kultur ankommt, muss man tolerant sein, weil die Mitmenschen hier nach ihrer Kultur handeln, d.h. auf einer persönlichen Ebene machte es mich toleranter gegenüber Menschen, ihren Arten und Gewohnheiten. Und es hat auch die Art und Weise verändert, wie ich über Brasilien selbst denke. Ich habe angefangen, Brasilien anders zu betrachten, ich habe angefangen, auch die stärksten Qualitäten dieses Landes zu sehen. Ich ging und begann zu verstehen, wie gut es auch hier (in Brasilien) ist.

Jessica Oyie (UNIFESP), eingeladene Promotionskandidatin
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4. Brasilien-Zentrum: Würdest du so einen Aufenthalt weiterempfehlen und warum?

Jessica Oyie: Ja, ich würde es empfehlen. Ich bin sogar hier angekommen und habe schon allen meinen Freund*innen gesagt, dass sie für eine Weile ins Ausland gehen müssen, weil diese Erfahrung mich als Person und mein berufliches Leben verändert hat. Man wird dadurch toleranter. Diese Erfahrung „mutig zu sein“ ist sehr stark, die Komfortzone zu verlassen und an einen "fremden" Ort zu gehen, oder? Das macht einen stärker, deshalb würde ich es empfehlen. Ich sage immer, dass ich mich sogar körperlich, emotional und geistig verändert habe. Ich denke, es ist eine sehr gute Erfahrung.

5. Brasilien-Zentrum: Lost or found in Translation? Kannst du diese Erfahrung mit einem Wort, einem Satz oder einem Zitat „übersetzen“?

Jessica Oyie: Ich denke mit dem Wort, das ich in diesem Interview am meisten benutzt habe: Mut. Aber es geht auch um Träume, denn ich habe einen Traum verwirklicht, den ich schon lange geplant hatte. Das ist es: Mut und Traum.

Jessica Oyie (UNIFESP), eingeladene Promotionskandidatin
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Brasilien-Zentrum: Sollen wir zu unserem Cafézinho-Augenblick übergehen?

Jessica Oyie: Klar, meinen Kaffee habe ich schon hier bereit.

Brasilien-Zentrum: Der Cafézinho-Augenblick ist der Moment, in dem du uns frei von einer Anekdote, einem Fettnäpfchen oder einer bemerkenswerten Geschichte von deiner Erfahrung in Münster erzählen kannst. Kurz gesagt, eine Geschichte, die man bei einer Tasse Kaffee erzählt.

Jessica Oyie: Ja, meine Lieblingsgeschichte ist, wie ich den Schnee kennengelernt habe. Als ich in Deutschland ankam, habe ich alle Leute gefragt, ob es in der Stadt schneit. Und sie sagten immer, dass es in Münster nicht so oft schneie, dass es schon lange nicht mehr geschneit habe und dass es in diesem Winter wahrscheinlich nicht schneien würde. Noch vor dem Wochenende, an dem es geschneit hat, sagten die Leute: "Es wird nicht schneien, es schneit hier nicht". Also beschloss ich, eine Reise zu planen, um irgendwo anders Schnee zu erleben, aber dann bekam ich einen Brief, in dem stand, dass ich wegen des Visums und des Lockdowns Deutschland nicht verlassen durfte. Und zwei Tage nach meinem Geburtstag, am 17. Januar, fiel dann doch der erste Schnee. Es war nicht viel, aber es war Schnee und für mich war es schon perfekt. Einige Zeit später schneite es so stark, dass ich nicht mehr laufen konnte, dass ich fiel, dass ich einen Schneemann bauen konnte... es war wunderbar!
Ich habe viele Geschichten... darf ich noch eine erzählen?

Brasilien-Zentrum: Ja, klar. Ein Cafézinho-Augenblick-Bonus lassen wir sicher zu.

Jessica Oyie: Ich habe eine Geschichte aus dem Labor. Als ich im Labor ankam, stand an einer Tür "Büro". Ich dachte immer wieder: "Aber wer ist diese Person?" Weil der Name an der Tür stand, richtig? Also dachte ich immer wieder: "Aber wer ist diese Person?" Eines Tages unterhielten wir uns bei einem Kaffee im Labor, und ich sagte: "Mensch, aber wo ist Büro? Er taucht nie auf, ich habe ihn noch nicht kennengelernt". Dann haben sie mir erklärt, was Büro bedeutet und dass deshalb auf der Tür "Büro" steht, aber das ist keine Person (lacht).

Brasilien-Zentrum: Jessica, vielen Dank für deinen Bericht und herzlichen Glückwunsch zu dem erfolgreichen Aufenthalt an der UM. Wir freuen uns, dich hier gehabt zu haben und wünschen Dir viel Erfolg für deine berufliche wie private Zukunft. Wir sehen uns in der Postdoc-Phase!

Jessica Oyie (UNIFESP), eingeladene Promotionskandidatin
© jessica oyie