„Fünf Fragen und ein Cafézinho“ mit Ursula Dahmen

Kuze Forschungsaufenthalte durch wwu.usp an der USP bei Prof. Dr. Luis Fernando Massoneto
© ursula dahmen

1. Brasilien-Zentrum: Wie hat der Forschungsaufenthalt an der USP zu deiner Forschung und deinem wissenschaftlichen Werdegang beigetragen?

Ursula Dahmen: Für mich war es super interessant für meine eigene Forschung nach Brasilien zu gehen, weil ich eine ganz andere Perspektive auf das eigene Rechtssystem gewinnen konnte. Ich studiere Jura und befinde mich an der Schnittstelle zu Rechtswissenschaft und Stadtplanung. Eigentlich denkt man, man hat den nationalen Blick auf das eigene Rechtssystem, was soll man da von anderen Systemen lernen? Aber da konnte ich eigentlich noch einmal Eigenheiten von einem Rechtssystem herausarbeiten und nochmal Ideen bekommen, was man vielleicht von einem Rechtssystem umsetzen könnte. Und ich hatte besonders Glück: mein Betreuer von der juristischen Fakultät konnte mir Einblicke geben und seine Frau, Professorin an der Fakultät für Architektur und Stadtplanung, hat mir die Stadtplanung nähergebracht, sodass ich direkt in beide Bereiche hineinschauen konnte.

Dann war São Paulo für mich interessant, weil man dort eine Stadtstruktur vorfindet, die man hier in Deutschland nicht findet, mit dieser dichten Bebauung, die sehr in die Höhe geht - das hat man hier in keiner Großstadt. Das konnte ich mir auf Exkursionen selbst anschauen. Ich wurde auch von der Professorin z.T. begleitet, die mir einiges erklärte. Vieles ist mir danach viel klarer gewesen als hier (in Deutschland).

 

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2. Brasilien-Zentrum: Gab es bei deinem Forschungsaufenthalt besondere Herausforderungen?

Ursula Dahmen: Ich war zweimal zum Forschungsaufenthalt in São Paulo. Das erste Mal in 2018 und da hatte ich ein bisschen Probleme bei der Wohnungssuche, weil ich nicht genau wusste, wo ich gucken soll, wo ich etwas für Studierende finde oder ob man in einer WG zusammenwohnen kann. Also, das ist mir ein bisschen schwergefallen und auch die Frage, in welchem Viertel man in São Paulo wohnen sollte oder nicht. Weil man ein bisschen aufpassen muss, da nicht alle Viertel in Betracht kommen und man darauf achten muss, dass man in der Nähe von einer Metrostation wohnt, um gut angebunden zu sein. Das musste ich erst ein bisschen für mich herausfinden, aber ich habe dann auch Informationen dazu bekommen und dann hat es auch ganz gut geklappt. Aber ich würde sagen, dass das so eine Schwierigkeit im Vorhinein war.

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3. Brasilien-Zentrum: Wie hat sich der Aufenthalt auf persönliche Ebene ausgewirkt?

Ursula Dahmen: Also, da war der Aufenthalt sehr wertvoll. Ich habe Kontakte geknüpft, die bis heute bestehen: nicht nur für den wissenschaftlichen Bereich, sondern wirklich auch Freund*innen, mit denen man sich immer wieder austauscht.

Ich bin vorher noch nie in Brasilien gewesen. Ich habe also eine ganz neue Kultur kennengelernt; Musik gehört, zu der ich vorher keinen Kontakt hatte; Essen probiert, das ich vorher noch nie gegessen hatte, also, insgesamt richtig schöne Erlebnisse. Ja und ich habe eine neue Sprache gelernt, denn Portugiesisch konnte ich vorher nicht und der Aufenthalt hat mich so motiviert, dass ich dann auch hier an der Universität Münster weitergemacht habe, Kurse belegt habe. Ja, das habe ich auf jeden Fall für mich mitgenommen.

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4. Brasilien-Zentrum: Würdest du so einen Aufenthalt weiterempfehlen und warum?

Ursula Dahmen: Ja! Auf jeden Fall ja. Selbst wenn man vielleicht denkt, dass man sich gar nicht in andere Forschungsarbeiten einarbeiten sollte, aus anderen Kulturen ist es vielleicht trotzdem immer wertvoll, weil man dadurch andere Einblicke bekommt, einen anderen Input, eine andere Perspektive auf die eigene Forschung. Ich glaube, man wird dadurch kreativer, gerade wenn man mal mit anderen Personen darüber spricht und darauf guckt, die ja auch ein anderes Studiensystem durchlauf haben. Ich glaube, dass das immer sehr wertvoll ist - gerade weil man sich jetzt in der Zeit befindet, in der man selbst forscht, so frei vielleicht nicht mehr sein wird und dass man vielleicht solche Möglichkeiten, einen Forschungsaufenthalt zu machen, wahrnehmen kann. Wenn man die Möglichkeit dazu hat, das irgendwie in seine Forschung einzubauen, dann würde ich das jedem empfehlen.

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5. Brasilien-Zentrum: Lost or found in Translation? Kannst du diese Erfahrung mit einem Wort, einem Satz oder einem Zitat „übersetzen“?

Ursula Dahmen: Also, bei „lost in translation“ musste ich wirklich denken wie lost man mit der Sprache ist. Ich war immer lost! Meine Erfahrung in Brasilien war eigentlich, dass man immer irgendwen gefunden hat, der einem hilft. Ich war vielleicht „lost in translation“, aber ich wurde immer wieder gefunden, wurde immer wieder auf den Weg zurückgebracht. Das war wirklich eine schöne Erfahrung in Brasilien.

Brasilien-Zentrum: Jetzt gehen wir zu unserem Cafézinho-Augenblick über. Hast du deinen Kaffee dabei?

Ursula Dahmen: Na klar! (lacht)

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Brasilien-Zentrum: Wie du schon weißt, ist der Cafézinho-Augenblick der Moment, in dem du uns gerne von einem Fettnäpfchen, einer Anekdote oder einer bemerkenswerten Geschichte über deine Erfahrung in Brasilien erzählen kannst. Kurz gesagt, eine Geschichte, die man bei einer Tasse Kaffee erzählt.

Ursula Dahmen: Also, eine Geschichte, die ich einfach richtig schön fand, hat sich direkt zum Beginn des ersten Aufenthalts in 2018 abgespielt, als ich noch ganz neu in São Paulo war. Ich war vorher noch nicht in einer vergleichbaren Großstadt, also, die Dimensionen, alles war einfach neu, anders. In den ersten Tagen war ich im Stadtzentrum von São Paulo in der Bibliothek, um dort zu arbeiten. Ich musste mich da ein bisschen erkundigen, wo ich arbeiten kann usw. und danach wollte ich wieder nach Hause fahren und, ja, ich habe die Metrostation nicht mehr gefunden (lacht).

Ich war im Stadtzentrum und vorher hatten mir ein paar Leute gesagt: „Ja, wenn es dunkel wird, dann musst du auf jeden Fall aus dem Stadtzentrum wieder heraus sein, dann ist es da zu gefährlich“. Dann wurde es dunkel (lacht). Ich habe wirklich gedacht: „Das kann nicht wahr sein!“. Ich bin im Kreis gelaufen immer und immer wieder. Ich habe es irgendwie nicht hinbekommen im Googlemaps diese Metrostation zu finden. Ich wurde schon ein bisschen ängstlich in dem Moment und dann ist tatsächlich eine Frau zu mir gekommen, die in der Bibliothek gearbeitet hat, mich wiedererkannt hat in einer Stadt von zwanzig Millionen Menschen und die mich gefragt hat, ob ich Hilfe brauche und den Weg nicht finde. Dann hat sie mir den Weg gezeigt. Also, vorher habe ich gedacht: „Warum um alles in der Welt bist du eigentlich in diese Stadt gefahren (lacht), wo so viel Beton gebaut wurde, was willst du hier eigentlich? So viele Menschen… jetzt bist du eine davon“. Und dann habe ich gemerkt, ne, hier kann man auch persönliche Kontakte knüpfen, man kann sich doch noch einmal wiederfinden und die Leute helfen dir auch. Ab dann ging es eigentlich auch gut weiter in São Paulo. Als die Frau zu mir kam und gefragt hat, ob ich mich nicht zurechtfinde, das war richtig schön, fand ich, richtig hilfreich, nett.

Brasilien-Zentrum: Dann sind „schön, hilfreich und nett“ Wörter, die deine Erfahrung „übersetzen“ können. Nun bist du wieder „found in translation“!

Ursula Dahmen: Ja! (lacht)

Brasilien-Zentrum: Ursula, Dankeschön für dein Testimonial. Es war sehr schön zu hören, wie du deine Erfahrungen voller Freude erzählt hast. Wir freuen uns, dass du so schöne Erlebnisse in São Paulo hattest und beglückwünschen dir zu deinem erfolgreichen Aufenthalt an der USP. Wir wünschen dir für deine berufliche wie private Zukunft alles Gute!