Fürstbistum Paderborn
Kartengrundlage: Nicolas Sanson d’Abbeville, Cercle de Westphalie, dat. 1659, erschienen 1675, Ausschnitt bearbeitet
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Fürstbistum Paderborn

Reformierender Landesherr: /
Reformator: /
Beginn der Reformation: ab 1528
Kirchenordnung: /

  • Der Reformationsprozess bis 1545

    Im Hochstift Paderborn als geistlichem Territorium lassen sich reformatorische Ereignisse zunächst in der Hauptstadt Paderborn feststellen. Hier kam es bereits 1528 zu einem Aufruhr, der aus dem traditionellen Gegensatz zwischen der Bürgerschaft und dem Domkapitel gespeist wurde. Der amtierende Bischof Erich von Braunschweig-Grubenhagen (1478–1532) bestrafte die Stadt mild und verglich sich mit dem Stadtrat dahingehend, dass zukünftig kirchenfeindliche und lutherische Handlungen nach Mandat und Edikt von Kaiser und Papst geahndet werden sollten. Allerdings waren die Gründe für die antiklerikale Stimmung in der Bevölkerung dadurch nicht behoben, sodass es 1532 nach dem Tode Erichs zu einem erneuten Aufruhr mit Einführung des Laienkelchs und der Kanzelpredigt kam. Der neue Paderborner Bischof, der Kölner Erzbischof Hermann von Wied, beendete diese reformatorischen Anfänge allerdings mit strengen Maßnahmen. Der Stadt wurde ein Vertrag auferlegt, in dem die Aufrechterhaltung der alten kirchlichen Ordnung und der Treueeid gegenüber Bischof und Domkapitel festgeschrieben wurde. Das niedere Bürgertum wurde durch Reduzierung ihrer Vertretungsberechtigten geschwächt, die ratsfähigen Familien dadurch gestärkt. Alle lutherischen Schriften mussten dem Offizial ausgehändigt werden und die Besitzungen von aus der Stadt geflohenen Bürgern wurden konfisziert. Der Vertrag von 1532 bewirkte durch seine Einschränkung der städtischen Freiheiten eine lange vorhaltende Stabilisierung der konfessionellen Verhältnisse in Stadt und Land Paderborn. Das zeigt sich auch daran, dass sich das Paderborner Domkapitel, der Adel und die Städte im Hochstift gegen den Bischof stellten, als sich Hermann von Wied ein gutes Jahrzehnt später selbst dem lutherischen Bekenntnis zuwandte, den Vertrag aufheben, in allen Kirchen den katholischen Ritus abschaffen und die Reformation einführen wollte.

  • Der Reformationsprozess bis 1565

    Nachdem Hermann von Wied (1477–1552) 1547 wegen seiner Reformationsbemühungen im Erzbistum Köln (mit dem Herzogtum Westfalen) und im Bistum Paderborn vom Papst seiner sämtlichen kirchlichen Ämter enthoben worden war, wählte das Paderborner Domkapitel einen neuen Bischof aus den eigenen Reihen. Die Wahl fiel auf den bereits betagten Rembert von Kerssenbrock (1474–1568). Dieser berief zur Durchsetzung des Augsburger Interims 1548 eine Generalsynode ein und begann im März 1549 mit der Visitation der Diözese. Im Hochstift selbst stellten die Visitatoren damals eine relativ funktionierende altkirchliche Struktur fest. Nach Fürstenaufstand 1552 und Augsburger Religionsfrieden 1555 – und nachdem festgelegt worden war, dass die Versorgungsstellen in den Stiften auch unter lutherischem Bekenntnis erhalten blieben – wandten sich zahlreiche Paderborner landsässige Adelige im Interesse einer Stärkung der landständischen Stellung dem neuen Glauben zu – allen voran die Edelherren von Büren. Aufgrund seines Alters hatte der greise Bischof diesem Konfessionswechsel keine wirksamen Maßnahmen entgegenzusetzen. 1568 starb er auf Burg Dringenberg.

  • Der Reformationsprozess bis 1590

    Der junge Nachfolger Remberts, Johann von Hoya (1529–1574), der zwar den tridentinischen Glaubenseid ablegte und die Konzilsbeschlüsse 1572 formal in Kraft setzte, aber sich in der Konfessionsfrage ansonsten passiv verhielt, führte in Paderborn eine Verwaltungsreform durch. 1569 setzte er, da er auch gleichzeitig seit 1553 Bischof von Osnabrück war, Johann von Büren als Statthalter ein, der dem reformierten Bekenntnis nahestand. Zudem wurden fünf Räte berufen, von denen drei aus der Ritterschaft, darunter zwei Lutheraner, und zwei aus dem Domkapitel stammten. Unter diesen Umständen konnten sich reformatorische Einflüsse im Hochstift ausbreiten. Diese Politik setzte sich auch von 1574 bis 1577 unter Salentin von Isenburg (1532–1610) fort, der auch Erzbischof von Köln war, aber 1577 resignierte, um sein väterliches Erbe anzutreten und zu heiraten. Bedingt durch diese unentschlossen-gleichgültige konfessionelle Politik fanden Praktiken auch auf dem Land Eingang. So stellte die Visitation, die der Paderborner Dompropst Wilhelm von Westphalen im Frühjahr 1575 in seinem Sprengel durchführen ließ, fest, dass in sieben von 15 Pfarren (ohne die Herrlichkeit Büren; Oberntudorf, Brenken, Salzkotten, Hörste, Thüle, Neuenbeken und Schwaney) Lieder Luthers und anderer Reformatoren in Gebrauch waren. So sagte der Pfarrer aus Oberntudorf aus, gesungen werde „Allein Gott in der hoigde sei eher“ (Decius), „Wir glauben“ und „Vader unser im Himmelreich“ (beide Luther). Der Pfarrer von Brenken wußte von „Nhu bidde wie den heilgen Geist“ und „Ess wol uns Gott gnedich sen“ (beide Luther).
    Der bischöfliche Nachfolger Salentins wurde zum Missfallen der katholischen Minderheit im Domkapitel der Erzbischof von Bremen und Bischof von Osnabrück, Heinrich von Sachsen-Lauenburg (1550–1585), der bisher den tridentinischen Glaubenseid verweigert hatte und deshalb noch nicht von der römischen Kurie konfirmiert worden war. Obwohl er in der Wahlkapitulation versprach, sich um die Einsegnung zu kümmern und die höheren Weihen nachzuholen, wurde er in dieser Richtung nicht tätig. Weitere Wahlversprechen wie die Einstellung eines Weihbischofs, die Entfernung der lutherischen Prediger, der Erhalt des Klerus beim Katholizismus, die Vermeidung lutherischer Ideen im Bürgertum und die Förderung der Sakramentsfrömmigkeit etc. löste er nicht ein. Bereits 1585 starb Heinrich bei einem Reitunfall.
    Bei der Wahl des Nachfolgers setzte sich nun allerdings die katholische Minderheit im Domkapitel durch. Sie setzte auf den jungen Domherrn Dietrich von Fürstenberg (1546–1618), der wenige Monate vor Heinrichs Tod das Amt des Dompropstes übernommen hatte. Bereits auf seine Initiative war 1580 als zusätzliche Aufnahmebedingung in das Domkapitel neben dem Nachweis der adeligen Herkunft durch die 16-Ahnen-Probe das tridentinische Glaubensgelöbnis eingeführt worden.
    Unter Dietrich kam es nach seiner Wahl 1585 zum Bischof zu einer konfessionellen Wende, weil er versuchte, das Bistum Paderborn wieder dem katholischen Glauben zuzuführen. Dazu leitete er eine langfristig konzipierte religiöse Erneuerung ein, die durch regelmäßige Visitationen und halbjährlich stattfindende Diözesansynoden erreicht werden sollte.

  • Der Reformationsprozess bis 1650

    1602 führte Dietrich eine neue Agende ein, nach der der Pfarrdienst im Bistum Paderborn vorgenommen werden sollte. In der Hauptstadt und weiteren Städten regte sich allerdings Widerstand gegen diese Neuerung. Jedoch brach Dietrich diesen militärisch und Paderborn verlor im Zuge dessen seine eigentliche Autonomie: Die Stadtverfassung wurde aufgehoben und die Verwaltung von fürstbischöflichen Beamten übernommen.
    Auch unter Dietrichs Nachfolger Ferdinand von Bayern (1577–1650), der bereits seit 1612 Koadjutor geworden war und durch den Paderborn an den von Bayern dominierten gegenreformatorischen Mächtebund angeschlossen wurde, setzte sich ab 1618 die katholische Konfessionalisierung des Paderborner Landes weiter fort.

Literatur
Johannes Meier, Paderborn, in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, hrsg. v. Anton Schindling u. Walter Ziegler, Bd. 3: Der Nordwesten, Münster 1991, S. 148 – 161.

Werner Freitag, Die Reformation in Westfalen. Regionale Vielfalt, Bekenntniskonflikt und Koexistenz, Münster 2016, S. 127 – 159.

URL zur Zitation: www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/reformation-in-westfalen/Reformation_in_Westfalen/territorienderreformation/fbmpaderborn/index.html