„Ihr unterstützt eine Militäraktion!“

Ethnologin Dr. Barbara Meier im WDR-Interview

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Dr. Barbara Meier

Über die Medienkampagne „Kony 2012“ hat Ethnologin Dr. Barbara Meier mit dem Westdeutschen Rundfunk gesprochen. Anlass war eine Protestaktion in mehreren deutschen Städten gegen den ugandischen Kriegsverbrecher Joseph Kony.

Wie haben Sie von der Kony 2012-Kampagne zum ersten Mal erfahren?

Meine 16-jährige Tochter hat mir den YouTube-Film gezeigt. Es waren ja vor allem die Teenager, die ihn zuerst entdeckt haben. Die jungen Menschen waren gut zu gewinnen, weil sie schnell Mitleid haben: Sie sehen leidende Kinder und Ungerechtigkeit und fragen nicht nach den Hintergründen.

Als Uganda-Kennerin, wie war Ihr erster Eindruck?

Der Film ist völlig undifferenziert und suggeriert falsche Tatsachen. Der zweite Film hat zwar ein paar Fakten nachgeschoben, aber die Grundbotschaft bleibt: Kony soll gefasst werden. Dabei spielen er und seine Rebellengruppe Lord's Resistance Army (LRA) in Uganda seit 2006 keine Rolle mehr, sie sind längst in den Kongo, die Zentralafrikanische Republik und den Südsudan weitergezogen. Der Bürgerkrieg ist vorbei. Heute werden in Norduganda höchstens ein paar hundert Kinder vermisst, nicht 30.000. Schulen für die Kinder und Geld für die Ausbildung – das sind heute die wichtigsten Themen für die Menschen dort.

Wie denken die Ugander über die Kampagne?

Sie sind erbost und empört, dass nun amerikanische College-Kids ankommen und ihnen sagen, wie sie ihre Probleme lösen sollen. Das empfinden sie als unerträgliche Arroganz. Die meisten Nordugander sehen in Kony einen von Geistern Besessenen und erkennen ihn immer noch als Teil ihres Volkes an. In dem Video wird er als das personifizierte Böse dargestellt, als diabolischer Verbrecher, der seine Untaten ohne Grund begeht. Die Hintergründe sind komplexer: Ugandas Gesellschaft durchlebte zu Beginn des Konflikts einen tiefgreifenden Umbruch. Nicht nur Konys Rebellen auch andere Gruppen waren unterwegs und plünderten, weil sie sonst keine Nahrung hatten, so wie sie es nun im Kongo, Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik tun. Viele Kinder werden zunächst als Träger der Beute mitgenommen, kehren aber bald wieder in ihre Dörfer zurück. 30.000 Kindersoldaten soll Kony rekrutiert haben. Das ist eine Schätzung, die sich auf einen Zeitraum von nunmehr 26 Jahren bezieht. Es gibt keine genaue Zahlen. Außerdem muss man sagen: Kindersoldaten in Afrika sind leider die Regel, auch wenn das niemand zugeben will.

Das ganze Interview: „Ihr unterstützt eine Militäraktion!“ (Dr. Barbara Meier, in: WDR.de vom 20.04.2012)