(C2-16) Interreligiöse Theologie

Der religiöse Wahrheitsdiskurs vollzieht sich traditionell im Rückgriff auf die Quellen der jeweils eigenen religiösen Tradition. Andere Religionen kommen dabei oft nur als Negativfolie zur Sprache, obwohl es in der Vergangenheit faktisch durchaus zahlreiche wechselseitige Entlehnungen und Beeinflussungen zwischen den Religionen gegeben hat. In der Gegenwart zeichnet sich – verbunden mit einer weit positiveren Wahrnehmung anderer Religionen – in verschiedenen Feldern die Entwicklung ab, bei theologische Fragestellungen bewusst und gezielt nicht länger nur auf die eigene religiösen Tradition, sondern auch auf die anderer Religionen zurückzugreifen. Eine solche interreligiöse Theologie stellt somit eine gegewärtig zentrale Form des im Kooperationsprojekt behandelten „Transfer zwischen Weltreligionen“ dar. Unter Bezeichnungen wie „global theology, „world theology“, „inter-faith theology“ etc. hat interreligiöse Theologie in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Aufmerksamkeit gefunden, was sich in Zukunft noch weiterhin verstärken dürfte.

Im Projekt werden Ansätze und Manifestationen der Entwicklung interreligiöser Theologie untersucht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf interreligiösen Lernprozessen, die es erstens methodisch zu lokalisieren und zweitens thematisch zu analysieren gilt. In welchen Bereichen der Theologie sind solche interreligiösen Lernprozesse greifbar? Welche inhaltlichen Chancen für die Weiterentwicklung des Selbstverständnisses von Theologie hin zu einer interreligiösen Theologie zeichnen sich hierbei ab? Welche Probleme und kritischen Anfragen ergeben sich? Neben dieser eher generellen Perspektive sollen drittens die die Möglichkeiten intereligiöser Theologie anhand christlich-buddhistischer Lernprozesse konkretisiert werden.

Im November 2012 wurde in Kooperation mit der Universität Basel (Prof. Dr. Reinhold Bernhardt) ein Expertensymposium zur „Interreligiösen Theologie“ durchgeführt, dessen Ergebnisse in 2013 beim Theologischen Verlag Zürich publiziert werden. Darüber hinaus besteht seit 2012 eine enge Zusammenarbeit mit der Akademie der Weltreligionen an der Universität Hamburg im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts „Religion und Dialog in modernen Gesellschaften“, bei dem es unter anderem um Ansätze interreligiöser Theologie aus der Perspektive verschiedener Religionen geht. Zur exemplarischen Konkretion einer christlich-buddhistischen Theologie wird ein christlicher Kommentar (Monographie) zum Bodhicaryāvatāra von Śāntideva (8. Jahrhundert) verfasst werden, der innerhalb der Reihe „Christian Commentaries on Non-Christian Sacred Texts“ erscheint.


Das Projekt ist Teil der Arbeitsplattform F Transkulturelle Verflechtungen und der Koordinierten Projektgruppe Transfer zwischen Weltreligionen: Aneignung – Transformation – Abgrenzung.

Teilprojekte

Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Jutta Sperber untersucht in einem eigenen Teilprojekt die Frage nach dem Menschenbild im interreligiösen Kontext. Sie verfolgt diesen Schwerpunkt besonders im Rahmen einer umfangreichen Studie zu den anthropologischen Aspekten in den christlich-muslimischen Dialogen des Vatikan. Die Studie erfolgt auf Einladung des „Pontifical Council for Interreligious Dialogue“ und arbeitet sämtliches Material zum katholisch-muslimischen Dialog vom Zweiten Vatikanum bis zum Ende des Pontifikats von Johannes Paul II auf (lehramtliche Stellungnahmen und Veröffentlichungen des genannten Gremiums, seien sie mehr allgemeiner Natur oder aber zu erfolgten Dialogen). Ziel ist es, einerseits dieses sehr verstreute Material, das über weite Bereiche zur sogenannten “grauen Literatur” gehört, in kompakter Form zugänglich zu machen (die Studie soll in englischer Sprache veröffentlicht werden, mit Kurzfassungen in Deutsch und Italienisch), andererseits dabei besonders auf die Aspekte einzugehen, die den Menschen und das menschliche Zusammenleben in den Blick nehmen. Die Arbeiten an dieser Studie sind weit vorangeschritten. Nach Fertigstellung wird sie als Habilitationsschrift eingereicht werden.

Fabian Völker arbeitet an einem Dissertationsprojekt zum neo-buddhistischen Werk von David Loy. Loy gehört zu den derzeit renommiertesten buddhistischen Denkern mit westlichem Hintergrund. Mit seiner an unterschiedliche religiöse Traditionen anknüpfenden non-dualen Philosophie beansprucht David Loy eine interreligiöse Grundlage, auf der er zugleich eine auf die konkrten Herausforderungen der Gegenwart abzielende Sozialethik und ökologische Ethik etabliert.