(B2-23) Mediale Figurationen im Spannungsfeld von Religion und Politik: Sakralbau und öffentliches Monument um 1700 in Mittel- und Nordeuropa

Die höfische und hofnahe Repräsentationskultur in europäischen Residenzstädten bietet gerade um 1700 ein sehr ergiebiges Themenfeld für eine Untersuchung der Frage, inwieweit „Vermittlungs-, Aushandlungs- und Symbolisierungsprozesse zwischen den Feldern Religion und Politik“ in „medialen Figurationen“ dargestellt und konstruiert werden (Forschungsfeld B). Das liegt schon in den politischen und religiösen Rahmenbedingungen begründet: Auf der einen Seite standen unterschiedliche religiöse Konstellationen, die sich nicht in einer Polarität von „katholisch“ versus „protestantisch“ erschöpfen, sondern auch konfessionelle Gegensätze zwischen Landesherrn und Bevölkerungsmehrheit umfassen konnten. Auf der anderen Seite etablierte sich das internationale System als Gefüge souveräner Staaten, in dem „alte“ Monarchien mit Territorien, deren Herren nach königlicher Würde strebten, um Macht und Prestige konkurrierten. Dies begünstigte eine grundsätzliche Annäherung der Standards in der Repräsentationskultur, wobei vor allem das päpstliche Rom und das Frankreich Ludwigs XIV. als Leitmodelle dienten. In dieser für die Formierung der Residenzstädte höchst bedeutsamen Phase erreichte der Ehrgeiz, den stadtöffentlichen Raum durch religiöse und politische Zeichen neu zu besetzen, einen neuen Höhepunkt. Hier eröffnet sich ein Spannungsfeld, in dem den medialen Figurationen der Bau- und Bildkünste „bei der Definition, Durchsetzung und Problematisierung von Diskursordnungen“ im fluiden Grenzbereich von Religion und Politik eine zentrale Rolle zuwuchs. Der den Stadtraum dominierende – überkuppelte – Sakralbau und das den öffentlichen Platz prägende Monument zählen dabei zu den wichtigsten Medien zeitgenössischer Repräsentationskultur.

Der gewählte Zugang ist insofern innovativ, als der Schwerpunkt im Unterschied zur bisherigen Forschung nicht in der profan-höfischen Sphäre, sondern dezidiert im religiösen beziehungsweise primär religiös konnotierten profanen Bereich liegt. Zudem richtet sich das Interesse nicht auf die verschiedenen künstlerischen ‚Gestaltungsaufgaben‘ an einem Hof, sondern untersucht Planung beziehungsweise Realisierung bestimmter Gattungen und Aufgaben in komparativer Perspektive – fokussiert auf sechs Residenzstädte, die im Hinblick auf die oben skizzierten politischen und religiösen Parameter besonders aussagekräftig erscheinen: Wien, Dresden, Berlin, Turin, München und Stockholm. Inwiefern lassen sich künstlerische Modelle vorwiegend katholischer Provenienz über politische und konfessionelle Gräben hinweg für neue Aufgaben und Ansprüche nutzbar machen? Welche spezifischen Eigenschaften bringt eine ‚vorgefundene‘ mediale Figuration mit sich, die sie über die Bindung an den jeweiligen politisch-konfessionellen Kontext erhebbar machen? Welche Konflikte ergeben sich dabei im Hinblick auf den neuen Kontext, und wie versucht man diese zu lösen?


Das Projekt ist Teil der Koordinierten Projektgruppe Mediale Figurationen des Politischen und des Religiösen.