
Die DDR lebt weiter – zumindest im Debütroman von Simon Urban, der an der Universität Münster Germanistik studiert hat. In "Plan D" – einem Krimi – lässt der gebürtige Hagener die Deutsche Demokratische Republik bis ins Jahr 2011 weiter existieren.
Foto: Verlag Schöffling & Co.
Diese Zuschauerzombies sind die Knechte des Kapitals, immer auf der Jagd nach Mehr und dann nach noch Mehr, brav begehrend, was sie von den Werbeblockwarten vorgekaut kriegen, um den Preis ihrer Freiheit, Gefangene in einem Hamsterrad der Statussymbole und Ersatzbefriedigungen." Besonders gut kommt sie nicht weg, die westdeutsche Bundesrepublik in Simon Urbans Debütroman "Plan D". Nicht, dass die Alternative erstrebenswert wäre. Dass die ostdeutsche "demokratische" Republik dieses Adjektiv nie verdient hatte, dass sich aus ihr kein demokratischer Staat entwickelt hätte, ist die eigentliche Grundidee des Romans. Simon Urban lässt die DDR nach einer Wiederbelebung einfach bis ins Jahr 2011 weiter existieren. Damit hat sich der 35-Jährige, der an der Universität Münster unter anderem Germanistik studiert hat, in kürzester Zeit zum Liebling der Feuilletons gemacht.
"Geschrieben habe ich, seit ich schreiben konnte – mit unterschiedlicher Intensität."
Aber nicht nur die Grundidee einer alternativen Realität mache das 550 Seiten starke Buch, das behauptet, ein Krimi zu sein, und doch mehr Satire und genau beobachtete Gesellschaftskritik ist, zu einem echten Lesegenuss. Virtuos spielt Simon Urban mit der Sprache, erfindet Skurrilitäten wie die "Bionier"-Brause, passt Duktus und Rhythmus gekonnt den Personen und Situationen an. Wo hat er das gelernt? Im Studium oder in seinem Job als Werber? "Das Gelernte eines geisteswissenschaftlichen Studiums ist – glaube ich – immer diffus und in seltenen Fällen konkret. Das Studium hat mir sicherlich einen gewissen Bildungshintergrund verschafft. Das Wichtigste war für mich, dass ich vor dem Studium dachte, ich könnte und wollte ein guter Litearturwissenschaftler sein. Das hatte sich danach erledigt", sagt Simon Urban.
Dann war es also das Dasein als Werber bei der Agentur Jung von Matt? Immerhin haben in den vergangenen Jahren viele ehemalige Werber wie Frank Schätzing oder Martin Suter ein Millionenpublikum begeistert. "Die einzige Parallele ist, dass sie sehr unterhaltsame, also konsumierbare Literatur machen, die den Leser nicht aus den Augen verliert", so die Einschätzung des Autors. Das Unterhaltsame gelingt ihm in "Plan D" ebenso wie die tiefgründige Reflexion.
Er rekonstruiert mit feinem Gespür einen Staat, der 1990 aufgehört hat zu existieren. Eine Idee allerdings, die nicht neu ist. Robert Harris hat bereits in den 1990er Jahren in "Vaterland" das Nazi-Reich, Christian von Ditfurth mit "Die Mauer steht am Rhein" die DDR weiter existieren lassen. "Beide Romane habe ich jedoch nie gelesen, von 'Vaterland' nur den Film gesehen", erzählt der gebürtige Hagener.
"Die Ideen kommen mir beim Schreiben. Das ist Fluch und Segen zugleich."
Das tut weder Autor noch Buch einen Abbruch, schließlich ist Simon Urban sowohl als Literat wie als Werber mit Preisen für seine Kreativität ausgezeichnet worden. Als letzterer gewann er 2009 den "Clio", einen der wichtigsten Kreativpreise der Szene. Bereits 2003 erhielt er für "Die Prägung" den Preis der Literaturzeitschrift "Am Erker", der von der Universität Münster mit ausgeschrieben wird. Dieses Ereignis war für ihn so prägend, dass er den eigentlichen Beginn seines literarischen Schreibens daran festmacht: "Geschrieben habe ich, seit ich schreiben konnte – mit unterschiedlicher Intensität. Aber richtig los ging es erst mit dem Erker-Preis."
Das hört sich nach einem ausgesprochenen Lust-Schreiber an. "Ach, Schreiben ist für mich immer beides, Lust und Frust. 'Plan D' war aber vor allem von Lust geprägt. Der Roman ist in einem Zeitraum von rund zweieinhalb Jahren entstanden, die täglichen Arbeitsstunden variierten zwischen null und acht Stunden." Dabei ging er nicht ganz so planvoll vor, wie der Titel des Romans vermuten lässt. "Die Ideen kommen mir beim Schreiben. Das ist Fluch und Segen zugleich: ich denke dann selten länger nach, 'Bionier' und andere Begriffe habe ich spontan gesetzt und dann behalten. Wenn die Ideen im Schreiben kommen, lässt sich allerdings auch schlecht planen, was bei einem komplexen Plot durchaus zum Problem werden kann", sagt Simon Urban.
Mit welchen Autoren konnte er während seines Studiums bis 2005 – unterbrochen von einem Jahr in der (Werbe-)"Texterschmiede" in Hamburg am wenigsten anfangen? "Mit der Literatur des Mittelalters! Spannend fand ich vor allem Themen aus dem Bereich der Komparatistik, die ich leider nur als zweites Nebenfach belegt hatte. Außerdem hat mich die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts interessiert", resümiert er. Die deutsche Literatur des 21. Jahrhunderts hat er auf jeden Fall bereichert ...
Brigitte Nussbaum
> „Plan D“, Schöffling-Verlag, 550 Seiten, 24,95 Euro