
Uni-Seminar mal anders: 20 Sportstudenten überquerten per Rennrad malerische Alpenpassagen und kämpften mit übersäuerten Muskeln. Hier der Anstieg zum Col de la Bonette.
Fotos: privat
Ein Studium an der Universität ist schnöde Theorie und leidet an Praxismangel? Ganz sicher nicht diese Exkursion, die das Institut für Sportwissenschaft seinen Studierenden angeboten hat. 20 abenteuerlustige Sportstudenten (darunter eine Frau) machten sich auf den Weg vom Genfer See nach Nizza – auf Rennrädern. Vier Küchenfeen und vier Dozenten, zwei vom IfS und zwei münstersche Sportlehrer, sorgten für das richtige Verhältnis von Zuckerbrot und Peitsche. Der 24-jährige WWU-Student Michael Bölt (Foto unten rechts) berichtet in seinem Tour-Tagebuch:
1. Etappe: Thonon-les-Bains nach Cluses (62 Kilometer)
Nach 16 Stunden Busfahrt – hätte ich mal Thrombosestrümpfe eingepackt – ist es endlich soweit: Ankunft am Genfer See. Wir begrüßen unsere Begleiter, montieren die Rennräder und stülpen uns die hässlichen Radtrikots über – es kann losgehen! Aber nicht ohne im Genfer See gebadet zu haben. Wir wollen die Extremerfahrung durch das Bad im Genfer See zum Start und das Plantschen im Mittelmeer zum Abschluss einrahmen. Die erste Etappe steht mit 62 Kilometern und 1200 Höhenmetern im Zeichen des Einrollens und Aufmunterns, denn Respekt vor der Tour haben wir alle. Gut vorbereitet sind wir durch eine AG mit rennraderfahrenen Referenten aber allemal. Nach der ersten Teilstrecke übernachten wir müde, aber zufrieden auf dem ersten von sechs Campingplätzen.
2. Etappe: nach Albertville (79 Kilometer)
Archaisch und modern zugleich falten wir eine gefühlte Ewigkeit lang die Wurfzelte zusammen, die sich gestern noch wie von Zauberhand aufrichteten. Beim Frühstück gilt es, hungrig oder nicht, in kürzester Zeit möglichst viele Kalorien in uns hineinzuschaufeln. Die Angst vor dem „Hungerast“ – so nennen die Radprofis die Unterzuckerung des Körpers, die kaum mehr Leistung zulässt – ist groß. 24 Pedalritter reichern deshalb schnell noch den Inhalt der Radflaschen mit vielversprechend pulvriger Masse – purer Energie – an. Komisches Volk, denkt der Dauercamper und freut sich über unsere Abfahrt. Mit dem Col de la Colombière, letztes Jahr noch Gebirgspass der Tour de France, und dem Col des Aravis stellen sich uns zwei happige Berge in den Weg, die wir in drei Geschwindigkeitsgruppen meistern. Gesamtanstieg: 2200 Meter.
3. Etappe: nach Saint-Jean-de-Maurienne (80 Kilometer)
8 Uhr aufstehen, um der Mittagssonne am Berg zu entgehen. Die Beine und der Allerwerteste klagen – ich ignoriere sie. Die Tour-de-France-Anstiege haben eben ihren Preis. Melkfett soll zumindest den Po beruhigen. Der Col de la Madeleine führt uns über 25 Kilometer Anstieg auf 2000 Höhenmeter. Am Gipfel freue ich mich, endlich das silberne Begleitfahrzeug zu sichten: Energieriegel einstecken, Banane essen, Flaschen auffüllen, Windjacke anziehen, rollen lassen. Die Abfahrt gestaltet sich schwieriger als gedacht: Beinahe überfahren wir eine Kuh, die mitten auf der Straße steht.